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Dieß – Yarrow – ist der Strom, darob
In schönem wachem Traume
Die Phantasie sich kühn erhob –
Ein Bild, verwischt im Schaume!
O wär' des Sängers Harfe hier,
Daß frohe Lieder klängen,
Um aus dem schweren Busen mir
Die Oede zu verdrängen!
Wordsworth.
Die Scene war nicht ohne ihre erhabenen Momente. Die glühende, hochherzige Mabel fühlte ihr Blut durch die Adern dringen und ihre Wangen erröthen, als der Kahn in den Strom einlenkte, um den Platz zu verlassen. Die Finsterniß der Nacht hatte nachgelassen, da die Wolken sich zerstreuten; aber das überhängende Gehölz umnachtete die Ufer so sehr, daß die Kähne wie in einem dunkeln Schachte, welcher sie gegen Entdeckung schützte, in der Strömung hinabfuhren. Demungeachtet aber durften sich die in den Kähnen Befindlichen keineswegs für sicher halten, und selbst Jasper, welcher für das Mädchen zu zittern begann, warf bei jedem ungewöhnlichen Tone, der von dem Walde aufstieg, besorgte Blicke umher. Das Ruder wurde mit Leichtigkeit und der äußersten Sorgfalt geführt, denn der leichteste Ton mochte in der tiefen Ruhe dieser Stunde und dieses Ortes den wachsamen Ohren der Irokesen ihre Stellung verrathen.
Alles dieß erhob noch die großartigen Eindrücke der Lage des Mädchens und trug dazu bei, den gegenwärtigen Augenblick zu den aufregendsten zu machen, der Mabel je in ihrem kurzen Leben vorgekommen war. Muthig, voll Selbstvertrauen, wie sie war, und noch gehoben durch den Stolz, welchen sie als die Tochter eines Soldaten fühlte, konnte man kaum von ihr sagen, daß Furcht auf sie einwirke, aber ihr Herz schlug oft schneller als gewöhnlich, ihr schönes Auge strahlte, unbemerkt in der Finsterniß, mit dem Ausdruck der Entschlossenheit, und ihre belebten Gefühle steigerten noch die Erhabenheit dieser Scene und der Ereignisse dieser Nacht.
»Mabel,« sprach Jasper mit unterdrückter Stimme, als die Kähne so nahe bei einander schwammen, daß die Hand des jungen Mannes sie zusammenhalten konnte. »Sie haben keine Furcht und vertrauen freimüthig unserer Sorgfalt und unserm guten Willen Ihren Schutz – nicht wahr?«
»Ich bin eines Soldaten Tochter, wie Ihr wißt, Jasper Western, und müßte erröthen, wenn ich Furcht bekennen sollte.«
»Verlassen Sie sich auf mich – auf uns Alle. Euer Onkel, der Pfadfinder, der Delaware, wenn der arme Bursche hier wäre, – und ich selbst werden eher Alles wagen, ehe Ihnen ein Leides zustoßen soll.«
»Ich glaube Euch, Jasper,« erwiederte das Mädchen, indem sie unwillkürlich ihre Hand in dem Wasser spielen ließ. »Ich weiß, daß mein Onkel mich liebt und nie an sich selber denkt, ohne zuerst an mich gedacht zu haben; auch glaube ich, daß ihr Alle Freunde meines Vaters seid und gerne seinem Kinde beisteht. Aber ich bin nicht so schwach und zaghaft, als Ihr glauben mögt; denn obgleich ich nur ein Stadtmädchen und, wie die meisten von dieser Klasse, ein wenig geneigt bin, Gefahr zu sehen, wo keine ist, so verspreche ich Euch doch, Jasper, daß keine thörichte Furcht von meiner Seite der Ausübung Eurer Pflicht in den Weg treten soll.«
»Des Sergeanten Tochter hat Recht, und sie ist werth, ein Kind des wackern Thomas Dunham zu sein,« warf der Pfadfinder ein. »Ach, mein Kind, wie oft spähete oder marschirte ich mit Ihrem Vater an den Flanken oder der Nachhut des Feindes in Nächten, die dunkler waren als diese, und zwar unter Umständen, wo Keiner wissen konnte, ob ihn nicht der nächste Augenblick in einen blutigen Hinterhalt führe. Ich war an seiner Seite, als er in der Schulter verwundet wurde, und der wackere Kamerad wird, wenn wir zu ihm kommen, Ihnen erzählen, wie wir's anstellten, um über den Fluß, der uns im Rücken lag, zu setzen, und seinen Skalp zu retten.«
»Er hat mir's erzählt,« sagte Mabel mit mehr Feuer, als in ihrer gegenwärtigen Lage klug sein mochte. »Ich habe Briefe von ihm, in welchen er von allem Diesem Erwähnung thut, und ich danke Euch von Grund meines Herzens für Eure Dienste. Gott möge es Euch vergelten, Pfadfinder; und es gibt keine Erkenntlichkeit, die Ihr von der Tochter fordern könntet, welche sie nicht mit Freuden für ihres Vaters Leben leisten würde.«
»Ja, das ist so die Weise von euch sanften und reinen Geschöpfen. Ich habe früher Einige von euch kennen gelernt, und von Andern gehört. Der Sergeant selbst hat mir von seinen jüngern Tagen erzählt, von Ihrer Mutter, von der Art, wie er um sie freite und von all den Querstrichen und widrigen Zufällen, bis er es zuletzt durchsetzte.«
»Meine Mutter lebte nicht lange genug, um ihn für Alles zu entschädigen, was er that, sie zu gewinnen,« sprach Mabel mit bebender Lippe.
»So sagt er mir. Der brave Sergeant hat gegen mich keinen Rückhalt, und da er um manches Jahr älter ist als ich, so betrachtete er mich auf unsern mannigfaltigen Späherzügen als so eine Art von Sohn.«
»Vielleicht, Pfadfinder,« bemerkte Jasper mit einer Unsicherheit der Stimme, welche den beabsichtigten Scherz vereitelte, »würde er erfreut sein, in Euch wirklich einen solchen zu besitzen?«
»Und wenn er's wäre, Eau-douce, läge etwas Arges darin? Er weiß, was ich auf der Fährte und als Kundschafter bin, und hat mich oft Aug' in Auge mit den Franzosen gesehen. Ich habe bisweilen gedacht, Junge, daß wir Alle uns Weiber suchen sollten, denn der Mann, der beständig in den Wäldern und in Berührung mit seinen Feinden oder seiner Beute steht, muß zuletzt einige Gefühle seines Geschlechts verlieren.«
»Nach den Proben, die ich davon gesehen habe,« erwiederte Mabel, »möchte ich sagen, daß die, welche viel in den Wäldern leben, auch vergessen, so Manches von der Hinterlist und den Lastern der Städte zu lernen!«
»Es ist nicht leicht, Mabel, immer in der Gegenwart Gottes zu weilen, und nicht die Macht seiner Güte zu fühlen. Ich habe den Gottesdienst in den Garnisonen besucht und, wie es einem braven Soldaten ziemt, versucht, an den Gebeten Antheil zu nehmen; denn, obgleich ich nicht auf der Dienstliste des Königs stehe, so kämpfe ich doch in seinen Schlachten und diene seiner Sache; – aber so sehr ich mich auch bemühte, den Garnisonsbrauch würdig mitzumachen, so konnte ich mich doch nie zu den feierlichen Gefühlen und zu der treuen Hingebung erheben, welche ich empfinde, wenn ich allein mit Gott in den Wäldern bin. Hier stehe ich Angesicht in Angesicht mit meinem Meister. Alles um mich ist frisch und schön, wie es aus Seiner Hand kommt. Da gibt es keine spitzfindigen Doktrinen, um das Gefühl zu erkälten. Nein, nein, die Wälder sind der wahre Tempel Gottes, in welchem die Gedanken frei sich erheben und über die Wolken dringen.«
»Ihr sprecht die Wahrheit, Meister Pfadfinder,« sagte Cap, »und eine Wahrheit, welche Alle, die viel in der Einsamkeit leben, kennen. Was ist zum Beispiel der Grund, daß die Seeleute im Allgemeinen so religiös und gewissenhaft in ihrem ganzen Thun und Lassen sind, wenn es nicht der Umstand ist, daß sie sich so oft allein mit der Vorsehung befinden, und so wenig mit der Gottlosigkeit des Landes verkehren? Oft und vielmal bin ich auf meiner Wache gestanden, unter dem Aequator oder auf dem südlichen Ocean, wenn die Nächte leuchteten von dem Feuer des Himmels; und dieses, meine Lieben, ist der geeignetste Zeitpunkt, dem sündigen Menschen seinen Zustand zu zeigen. Ich habe mich unter solchen Umständen wieder und wieder niedergeworfen, bis die Wandtaue und Talje-Reepen meines Gewissens mit Macht erknarrten. Ich stimme Euch daher bei, Meister Pfadfinder, und sage, wenn Ihr einen wahrhaft religiösen Mann sehen wollt, geht auf's Meer, oder geht in die Wälder.«
»Onkel, ich habe geglaubt, die Seeleute ständen im Allgemeinen in dem Rufe, daß sie wenig Achtung vor der Religion hätten?«
»Alles heillose Verläumdung, Mädchen! frage einmal einen Seefahrer, was seine wirkliche Herzensmeinung über die Bewohner des Landes, die Pfarrer und alle Uebrigen sei, so wirst du etwas ganz Anderes hören. Ich kenne keine Menschenklasse, welche in dieser Beziehung mehr verläumdet wird, als die Seeleute, und aus keinem andern Grund, als weil sie nicht zu Hause bleiben, um sich zu vertheidigen und die Geistlichkeit zu bezahlen. Sie haben freilich nicht so viel Unterricht, als die auf dem Land; aber was das Wesen des Christenthums anbelangt, so segeln die Seeleute die Ufermenschen stets in den Grund.«
»Ich will für alles Dieß nicht einstehen, Meister Cap,« entgegnete Pfadfinder, »obschon Einiges davon wahr sein mag. Aber es bedarf nicht des Donners und des Blitzes, um mich an meinen Gott zu erinnern, und ich bin nicht der Mann, Seine Güte eher in der Verwirrung und Trübsal zu bewundern, als an einem feierlichen, ruhigen Tage, wo Seine Stimme aus dem Krachen der todten Baumzweige, oder im Gesange eines Vogels meinen Ohren wenigstens eben so lieblich tönt, als wenn ich sie in dem Aufruhr der Elemente vernehmen müßte. Wie ist es mit Euch, Eau-douce? Ihr habt es eben so gut mit Gewittern zu thun, als Meister Cap, und müßt etwas von den Gefühlen kennen, welche im Angesicht eines Sturmes auftauchen.«
»Ich fürchte, daß ich zu jung und unerfahren bin, um viel über diesen Gegenstand sagen zu können,« erwiederte Jasper bescheiden.
»Ihr fühlt aber doch Etwas dabei!« sagte Mabel rasch. »Ihr könnt nicht – Niemand kann unter solchen Scenen leben, ohne zu empfinden, wie sehr er des Vertrauens auf Gott bedarf.«
»Ich will meine Erziehung nicht zu sehr verläugnen, und deßhalb gestehen, daß ich wohl dabei bisweilen meine Gedanken habe, aber ich fürchte, daß dieses nicht so oft und so viel geschieht, als es sollte.«
»Frisch-Wasser!« erwiederte Cap nachdrücklich. »Du wirst doch nicht zu viel von dem jungen Mann erwarten, Mabel. Ich denke, man nennt Euch bisweilen mit einem Namen, der alles Dieß bezeichnet, Eau-de-vie, nicht wahr?«
»Eau-douce,« entgegnete mit Ruhe Jasper, der sich bei Gelegenheit seiner Fahrten auf dem See sowohl die Kenntniß des Französischen, wie auch mehrere Dialekte der Indianer zu eigen gemacht hatte. »Es ist der Name, den die Irokesen mir gegeben haben, um mich von einigen meiner Gefährten zu unterscheiden, welche einmal eine Fahrt auf dem Meere mitgemacht haben, und nun die Ohren der Landbewohner mit Geschichten von ihren großen Salzwasserseen erfüllen.«
»Und warum sollten sie das nicht thun? Sie thun dadurch den Wilden keinen Schaden, und wenn es auch nichts zu ihrer Civilisation beiträgt, so kommen sie dadurch doch nicht in eine noch größere Barbarei. Ja, ja, Eau-douce, denn das mag doch wohl den weißen Branntwein bedeuten, den man füglich genug Eau-deuceEin unübersetzbares Wortspiel zwischen dem im Englischen gleichlautenden Eau-douce und Eau-deuce, von denen das letztere Teufelswasser bedeutet. nennen kann, weil er so ein verteufelter Stoff ist.«
»Die Bedeutung von Eau-douce ist süßes Wasser, oder Wasser, welches getrunken werden kann; die Franzosen nennen so das frische Wasser,« erwiederte Jasper, welchen die von Cap gemachte Bemerkung, obgleich er Mabels Onkel war, nicht auf's Angenehmste berührte.
»Wer wie zum Henker können sie aus Eau-in-deuce Wasser machen, wenn sie unter Eau-de-vie Branntwein verstehen? So mögen es meinetwegen die Franzosen in dieser Gegend halten; das ist aber nicht der Brauch in Burdox und andern französischen Häfen. Außerdem versteht man bei den Seeleuten unter Eau immer Branntwein, und unter Eau-de-vie einen Branntwein von höherer Stärke. Ich verdenke Euch übrigens Eure Unwissenheit nicht, denn sie ist Eurer Stellung angemessen, und da ist nicht zu helfen. Wenn Ihr mich aber zurückbegleiten und eine Reise oder zwei auf dem Weltmeer mitmachen wollt, so möchte das für den Rest Eurer Tage einen geeigneten Wendepunkt abgeben, und Mabel hier, wie auch alle andere jungen Frauenspersonen werden besser von Euch denken, wenn Ihr auch so alt werden solltet, als einer von den Bäumen in diesem Forste.«
»Nein, nein,« unterbrach ihn der redliche und freimüthige Wegweiser, »ich kann Euch versichern, daß es Jaspern in dieser Gegend nicht an Freunden fehlt; und obgleich das Umsehen in der Welt ihm so gut als einem Andern von Nutzen sein kann, so soll doch Niemand geringer von ihm denken, selbst wenn er uns nie verläßt. Eau-douce oder Eau-de-vie – er ist ein braver, treuherziger Junge, und ich habe immer so gesund geschlafen, wenn er auf der Wache war, als wenn ich selbst aufgewesen wäre und mich umgethan hätte; ja, und eben deßhalb noch gesunder. Des Sergeanten Tochter wird es nicht für nöthig halten, daß ein junger Bursche auf's Meer gehe, um ein Mann zu werden oder sich Achtung und Ansehen zu erwerben.«
Mabel erwiederte Nichts auf diese Berufung und blickte gegen das westliche Ufer, obgleich die Finsterniß auch ohne diese natürliche Bewegung ihr Antlitz verborgen hätte. Auch Jasper fühlte die Nothwendigkeit, hier zu sprechen, denn der Stolz der jugendlichen Männlichkeit empörte sich gegen den Gedanken, daß er nicht in der Lage sei, über die Achtung seiner Kameraden oder das Lächeln seiner Altersgenossinnen zu gebieten. Er wollte sich jedoch keine unfreundlichen Aeußerungen gegen Mabels Onkel erlauben, und so mochte vielleicht seine Selbstbeherrschung noch achtungswerther erscheinen, als seine Bescheidenheit und sein Geist.
»Ich mache keinen Anspruch auf Dinge, die ich nicht besitze,« sprach er, »und habe nie gesagt, daß ich von dem Meere und einer Schifffahrt etwas verstehe. Wir steuern auf unsern Seen nach den Sternen und dem Compaß, und fahren von einem Vorgebirge zum andern, ohne uns der Figuren und Berechnungen zu bedienen, deren wir wenig bedürfen. Wir dürfen uns aber demungeachtet auch Etwas darauf zu Gute thun, wie ich oft von Solchen, welche sich Jahre lang auf dem Meere umgetrieben, gehört habe. Erstens haben wir überall das Land am Bord und oft an dem Legerwall, und dies macht, wie ich häufig gehört habe, kühne Segler. Unsere Winde sind plötzlich und heftig, und wir sind keine Stunde sicher, daß wir nicht nach einem Hafen eilen müssen –«
»Ihr habt Eure Lothe,« unterbrach ihn Cap.
»Sie sind von geringem Nutzen und werden selten ausgeworfen.«
»Das Tiefloth –«
»Ich habe von einem solchen Ding gehört, muß aber gestehen, daß ich nie eines sah.«
»O! zum Henker!« rief Cap mit Heftigkeit. »Ein Schiffer und kein Tiefloth! Junge, Ihr könnt keinen Anspruch darauf machen, so ein Stück von einem Seemann zu sein. Wer, zum Teufel, hat je von einem Schiffer gehört ohne sein Tiefloth?«
»Ich mache keinen Anspruch auf irgend eine besondere Geschicklichkeit, Meister Cap –«
»Das Schießen über die Fälle und die Strömungen ausgenommen, Jasper,« sagte Pfadfinder, der ihm zu Hilfe kam; »in diesem Geschäft müßt auch Ihr, Meister Cap, ihm einige Gewandtheit zugestehen. Nach meinem Urtheil muß Jeder nach seinen Gaben geschätzt oder verurtheilt werden; und wenn Meister Cap bei dem Hinabschießen über die Oswegofälle zu Nichts nütze ist, so will ich nur daran erinnern, daß er gute Dienste zu leisten vermag, wenn er das Land aus dem Gesichte verloren hat. Wenn nun Jasper auch für die offene See nicht taugt, so vergesse ich dabei nicht, daß er ein treues Auge und eine sichere Hand hat, wenn er über die Fälle setzt.«
»Aber Jasper taugt wohl – würde wohl für die offene See taugen,« sagte Mabel mit einer Lebhaftigkeit in ihrer hellen und süßen Stimme, daß Alle mitten in der Stille dieser außerordentlichen Scene darüber erschraken. »Ich meine, ein Mann, der hier so viel zu leisten vermag, kann dort nicht untauglich sein, wenn er gleich nicht so mit den Schiffen vertraut ist, als mein Onkel.«
»Ja, ja, unterstützt euch nur gegenseitig in eurer Unwissenheit,« erwiederte Cap mit höhnischem Lächeln. »Wir Seeleute haben immer die Mehrzahl gegen uns, wenn wir am Ufer sind, und können deßhalb selten zu unserem Recht kommen; aber wenn es die Vertheidigung gilt, oder die Führung des Handels, da sind wir dann doch der Gutgenug!«
»Aber, Onkel, die Bewohner des Landes kommen nicht, um unsere Küsten anzugreifen. Es treffen also die Seeleute nur mit Seeleuten zusammen.«
»Da hat man wieder die Ignoranz! – Wo sind alle die Feinde, die in dieser Gegend gelandet haben, Franzosen und Engländer? Ich will nur das fragen.«
»In der That, wo sind sie?« rief Pfadfinder aus. »Niemand kann das besser sagen, als die, welche sich in den Wäldern aufhalten, Meister Cap. Ich habe oft ihre Marschlinie verfolgt nach den Gebeinen, die im Regen bleichten; ich habe Jahre nachher ihre Spur bei Gräbern gefunden, nachdem sie und ihr Stolz lange verschwunden waren. Generale und Gemeine lagen durch das Land zerstreut, als eben so viele Beweise, was der Mensch ist, wenn ihn der Ehrgeiz und der Wunsch, mehr zu sein, als seine Nebenmenschen, leitet.«
»Ich muß sagen, Meister Pfadfinder, daß Ihr bisweilen Meinungen äußert, die etwas merkwürdig klingen aus dem Munde eines Mannes, der stets unter dem Gewehr lebt und selten die Luft anders als mit Pulverdampf gemengt athmet – eines Mannes, der kaum seine Hängematte verläßt, ohne einem Feind zu Leibe zu gehen.«
»Wenn Ihr glaubt, daß ich mein Leben im ewigen Krieg gegen mein Geschlecht zubringe, so kennt Ihr weder mich noch meine Geschichte. Der Mann, der in den Wäldern und an den Gränzen lebt, muß sich den Wechsel der Dinge, die ihn umgeben, gefallen lassen. Ich bin nur ein einfacher, machtloser Jäger, Kundschafter und Wegweiser, und dafür nicht verantwortlich. Mein wahrer Beruf ist jedoch, für die Armee auf dem Marsch sowohl als in Friedenszeiten zu jagen; obgleich ich eigentlich im Dienste eines Offiziers stehe, der aber abwesend und in den Ansiedlungen ist, wohin ich ihm nie folgen werde. Nein, nein; Blutdurst und Krieg sind nicht meine eigentlichen Gaben, sondern Mitleid und Friede. Dem Feinde aber blicke ich so gut als ein Anderer in's Gesicht, und was die Mingo's anbetrifft, so betrachte ich Jeden, wie man eine Schlange betrachtet – als ein Geschöpf, das man unter die Ferse tritt, sobald sich eine günstige Gelegenheit dazu darbietet.«
»Wohl, wohl; ich habe mich in Eurem Beruf geirrt, den ich für so regelmäßig kriegerisch hielt, als den eines Schiffs-Constabels. Da ist nun auch mein Schwager; er ist von seinem sechszehnten Jahre an Soldat gewesen, und betrachtet sein Gewerbe jedenfalls als eben so respektabel, wie das eines Seefahrers. Das ist nun freilich ein Punkt, über den es kaum der Mühe werth ist, mit ihm zu streiten.«
»Man hat meinen Vater gelehrt, daß es ehrenvoll sei, die Waffen zu tragen,« sagte Mabel, »denn auch sein Vater war vor ihm Soldat.«
»Ja, ja,« fuhr der Wegweiser fort, »die meisten Gaben des Sergeanten sind kriegerisch, und er betrachtet die meisten Dinge dieser Welt nur über seinen Musketenlauf. So ist's auch einer von seinen Einfällen, ein königliches Gewehr einer regelmäßigen, langläufigen Büchse mit doppeltem Visirpunkt vorzuziehen. Aber solche Begriffe können wohl durch lange Gewohnheit aufkommen, und Vorurtheil ist vielleicht der allgemeine Fehler der Menschennatur.«
»Am Lande, das geb' ich zu,« sagte Cap. »Ich komme nie von einer Reise zurück, ohne dieselbe Bemerkung zu machen. Als ich das letztemal eingelaufen war, fand ich in ganz York kaum einen Mann, der im Allgemeinen über die Dinge und Gegenstände dachte wie ich. Jeder, mit dem ich zusammentraf, schien seine Ideen gegen den Wind aufgetaljet zu haben, und wenn er ein wenig von seinen einseitigen Ansichten abfiel, so war es gemeiniglich, um auf dem Kiel kurz umzuvieren, und so dicht als möglich auf einen andern Gang anzulegen.«
»Versteht Ihr dieß, Jasper?« flüsterte Mabel mit Lächeln dem jungen Manne zu, der sein eigenes Fahrzeug ganz dicht an ihrer Seite hielt.
»Es ist kein so großer Unterschied zwischen Salz- und Frischwasser, daß wir, die wir unsere Zeit auf denselben zubringen, uns nicht gegenseitig sollten verstehen können. Ich halte es für kein großes Verdienst, Mabel, die Sprache unseres Gewerbes zu verstehen.«
»Selbst die Religion,« fuhr Cap fort, »liegt nicht mehr an derselben Stelle vor Anker, wie in meinen jungen Tagen. Sie vieren und holen sie am Lande an, wie sie es mit andern Dingen auch machen, und es ist kein Wunder, wenn sie hin und wieder fest zu sitzen kommen. Alles scheint zu wechseln, nur der Compaß nicht, und auch der hat seine Abweichungen.«
»Wohl,« entgegnete Pfadfinder, »ich habe aber immer das Christenthum und den Compaß für etwas ziemlich Beständiges gehalten.«
»Ja, wenn sie auf dem Meere sind, mit Ausnahme der Abweichungen. Die Religion auf dem Meere ist heute noch dasselbe, was sie war, als ich zum ersten Mal meine Hand in den Theekessel tauchte. Niemand wird mir das bestreiten, der die Gottesfurcht nicht aus den Augen läßt. Ich kann an Bord keinen Unterschied zwischen dem heutigen Zustand der Religion und dem aus der Zeit, da ich noch ein junges Bürschlein war, erkennen. So ist es aber keineswegs am Ufer. Nehmt mein Wort dafür, Meister Pfadfinder, es ist schwer, einen Mann zu finden – ich meine auf dem Festlande – dessen Ansichten über diesen Gegenstand noch genau dieselben wären, wie er sie vor vierzig Jahren hatte.«
»Und doch ist Gott unverändert; Seine Werke sind unverändert; Sein heiliges Wort ist unverändert; es muß daher auch Alles, was zum Preise und zur Ehre Seines Namens dient, unverändert sein.«
»Nicht am Lande. Es ist das gerade das Miserabelste von dem Lande, daß es beständig in Bewegung ist, obgleich es fest aussieht. Wenn Ihr einen Baum pflanzt, ihn verlaßt, und nach einer dreijährigen Reise wieder zurückkommt, so findet Ihr ihn nicht wieder, wie Ihr ihn verlassen habt. Die Städte vergrößern sich; neue Straßen thun sich auf, die Kojen werden verändert; und die ganze Oberfläche der Erde erleidet einen Wechsel. Ein Schiff aber, das von einer Indienfahrt zurückkommt, ist noch gerade so, wie es aussegelte, wenn man den fehlenden Anstrich, die Abnützung der Schiffsgeräthschaften und die Zufälligkeiten der Schifffahrt abrechnet.«
»Das ist nur zu wahr, Meister Cap, und daher um so mehr zu beklagen. Ach! die Dinge, welche die Leute Verbesserungen nennen, dienen zu nichts, als das Land zu untergraben und zu verunstalten. Die herrlichen Werke Gottes werden täglich niedergeworfen und zerstört, und die Hand des Menschen scheint erhoben zu sein in Verachtung Seines mächtigen Willens. Man hat mir gesagt, es seien schreckenerregende Zeichen dessen, was noch kommen solle, in dem Süden und Westen der großen Seen anzutreffen; denn ich selbst bin in diesen Gegenden noch nie gewesen.«
»Was meint Ihr damit, Pfadfinder?« fragte Jasper bescheiden.
»Ich meine die Stellen, welche die Rache des Himmels bezeichnete, oder die sich vielmehr als feierliche Warnungszeichen dem Gedankenlosen und Ueppigen in den Weg stellen. Man nennt sie die Prairien, und ich habe einen so wackern Delawaren, als ich nur je einen kannte, erzählen hören, die Hand Gottes liege so schwer auf ihnen, daß nicht ein Baum dort gedeihe. Eine solche Heimsuchung der unschuldigen Erde muß Scheu erregen und kann nur die Absicht haben, zu zeigen, zu welchen schrecklichen Folgen eine unbesonnene Zerstörungssucht führen mag.«
»Und doch habe ich Ansiedler gesehen, welche sich viel von diesen offenen Plätzen versprachen, weil sie ihnen die Mühe der Lichtung ersparten. Euer Brod schmeckt Euch, Pfadfinder; und doch kann der Waizen dazu nicht im Schatten reifen.«
»Aber ein redlicher Wille, einfache Wünsche und die Liebe Gottes können's, Jasper. Selbst Meister Cap wird Euch sagen, daß eine baumlose Ebene einer öden Insel gleichen muß.«
»Kann sein,« warf Cap ein; »indeß haben öde Inseln auch ihren Nutzen, denn sie dienen dazu, die Kursberechnungen zu corrigiren. Wenn es auf meinen Geschmack ankommt, so habe ich nie etwas gegen eine Ebene wegen ihres Mangels an Bäumen einzuwenden. Da einmal die Natur dem Menschen Augen zum Umherblicken und eine Sonne zum Scheinen gegeben hat, so kann ich, wenn es nicht wegen des Schiffbaues oder hin und wieder wegen Errichtung eines Hauses wäre, in einem Baum keinen besondern Nutzen entdecken, zumal, wenn keine Affen oder Früchte auf demselben sind.«
Auf diese Bemerkung antwortete Pfadfinder nur durch einen leisen Ton, welcher die Absicht hatte, seine Gefährten zum Stillschweigen zu veranlassen. Während die eben erwähnte wechselnde Unterhaltung mit gedämpfter Stimme geführt wurde, waren die Kähne unter den tiefen Schatten des westlichen Ufers langsam mit der Strömung abwärts gegangen, ohne daß man sich der Ruder anders, als um ihnen die erforderliche Richtung und die geeignete Lage zu geben, bediente. Die Kraft des Stromes wechselte so bedeutend, daß das Wasser stellenweise ganz still zu stehen schien, indeß die Geschwindigkeit desselben an andern Orten mehr als zwei oder drei Meilen in der Stunde betragen mochte. Besonders drängte es an den Stromengen mit einer Eile vorwärts, welche ein ungeübtes Auge erschrecken konnte. Jasper war der Meinung, daß sie mit der Strömung die Mündung des Flusses in zwei Stunden, von der Zeit ihrer Einschiffung an gerechnet, erreichen dürften, und er und Pfadfinder hatten es für geeignet gehalten, die Kähne eine Zeit lang, oder wenigstens, bis sie über die ersten Gefahren ihres neuen Kursus hinaus waren, für sich schwimmen zu lassen. Der Dialog war in leise gehaltenen Tönen geführt worden; denn obgleich eine tiefe einsame Ruhe in diesem weiten und fast endlosen Forste herrschte, so sprach doch die Natur mit tausend Zungen in der beredten Sprache einer Nacht in den Wäldern. Die Luft seufzte durch Myriaden von Bäumen; das Wasser rieselte und brauste stellenweise an den Ufern; dann hörte man hin und wieder das Knarren eines Zweiges oder eines Stammes, der sich unter wogenden Bebungen an ähnlichen Gegenständen stieß. Aber alles Leben schwieg. Nur einmal glaubte Pfadfinder das Geheul eines entfernten Wolfes, deren einige durch diese Wälder streiften, zu vernehmen: dieser Ton war jedoch sehr vorübergehend und zweifelhaft, daß seine Deutung wohl auf Rechnung der Einbildungskraft kommen konnte. Als er aber gegen seine Gefährten den Wunsch des Stillschweigens in der eben erwähnten Weise ausdrückte, hatte sein wachsames Ohr den eigenthümlichen Ton erfaßt, der durch das Zerbrechen eines trockenen Baumzweiges hervorgebracht wird, und der, wenn ihn seine Sinne nicht täuschten, von dem westlichen Ufer herkam. Wer einen solchen Ton öfters gehört hat, weiß, wie leicht ihn das Ohr erkennt, und wie gut der Tritt, welcher den Zweig zerbricht, von jedem andern Geräusch des Waldes zu unterscheiden ist.
»Es ist der Fußtritt eines Mannes am Ufer,« sagte Pfadfinder zu Jasper mit einer Stimme, die zwar nicht flüsternd, jedenfalls aber nicht laut genug war, um in einiger Entfernung gehört zu werden. »Können die verfluchten Irokesen schon mit ihren Waffen und ohne ein Boot über den Fluß gesetzt haben?«
»Es kann der Delaware sein. Möglich, daß er unsern Kurs an dem Ufer abwärts verfolgt, da er weiß, wo er uns zu finden hat. Laßt mich dichter an's Ufer fahren und recognosciren.«
»Geht, Junge, aber seid leicht mit dem Ruder, und in keinem Fall wagt Euch auf's Unsichere an's Ufer.«
»Ist das klug?« fragte Mabel mit einer Heftigkeit, welche sie die Vorsicht, ihre süße Stimme zu dämpfen, vergessen ließ.
»Sehr unklug, meine Liebe, wenn Sie so laut sprechen. Ich liebe zwar ihre sanfte und angenehme Stimme, nachdem ich so lange nur die der Männer gehört habe; aber sie darf sich im gegenwärtigen Augenblick doch nicht zu viel und zu frei vernehmen lassen. Ihr Vater, der wackere Sergeant, wird Ihnen sagen, daß Schweigen auf einer Fährte eine doppelte Tugend ist. Geht, Jasper, und benehmt Euch klug in der Sache.«
Zehn drückende Minuten folgten dem Verschwinden von Jaspers Kahn, welcher von dem des Pfadfinder so geräuschlos weg glitt, daß er in der Dunkelheit verschwunden war, ehe noch Mabel glauben konnte, der junge Mann werde wirklich ein Unternehmen wagen, welches die Phantasie ihr mit so gefährlichen Farben malte. Während dieser Zeit fuhr die Gesellschaft fort, mit der Strömung zu schwimmen, ohne einen Laut, man möchte fast sagen, ohne einen Athemzug sich zu gestatten, um ja den leichtesten Ton, der vom Ufer herkäme, nicht zu überhören. Aber es herrschte dieselbe feierliche oder vielmehr erhabene Stille, wie früher. Nur das Plätschern des Wassers, wenn es gegen ein leichtes Hinderniß anstieß, und das Seufzen der Bäume unterbrach den Schlummer des Forstes. Am Ende des erwähnten Zeitraums wurde das Knacken dürrer Zweige wieder schwach gehört, und es war dem Pfadfinder, als ob er den Ton gedämpfter Stimmen vernähme.
»Vielleicht irre ich mich, denn die Gedanken malen einem gerne, was das Herz wünscht; aber ich glaube, diese Töne gleichen der gedämpften Stimme des Delawaren.«
»Gehen die Wilden auch im Tode noch umher?« fragte Cap.
»Ja, und jagen dazu – in ihren glücklichen Jagdgründen, aber nirgends anders. Mit einer Rothhaut ist's auf der Erde aus, sobald der letzte Athemzug ihren Leib verlassen hat. Es ist keine von ihren Gaben, bei ihrer Hütte zu weilen, wenn ihre Stunde vorüber ist.«
»Ich sehe einen Gegenstand auf dem Wasser,« flüsterte Mabel, welche ihre Augen nicht von der dunkeln Hülle abgewendet hatte, seit Jasper in ihr verschwunden war.
»Es ist der Kahn,« erwiederte Pfadfinder mit großer Erleichterung. »Es muß Alles gut stehen, sonst würden wir von dem Jungen gehört haben.«
In der nächsten Minute schwammen die zwei Kähne, welche den Führern, erst als sie sich näher kamen, sichtbar wurden, wieder Seite an Seite, und man erkannte Jaspers Gestalt in dem Stern seines Bootes. Die Figur eines zweiten Mannes saß in dem Bug, und da der junge Schiffer sein Ruder in einer Weise regierte, daß das Gesicht seines Gefährten dem Pfadfinder und Mabeln unter die Augen trat, so erkannten Beide den Delawaren.
»Chingachgook – mein Bruder!« sagte der Pfadfinder in der Sprache des Andern mit einem Beben in seiner Stimme, welches die Gewalt seiner Gefühle verrieth – »Häuptling der Mohikaner! Mein Herz ist hoch erfreut. Oft sind wir mit einander durch Blut und Streit gegangen! aber ich habe gefürchtet, es werde nie wieder geschehen.«
»Hugh! – Die Mingo's sind Weiber! – Drei von ihren Skalpen hängen an meinem Gürtel. Sie wissen nicht die große Schlange der Delawaren zu treffen. Ihre Herzen haben kein Blut und ihre Gedanken sind auf dem Rückweg über die Wasser des großen See's.«
»Bist du unter ihnen gewesen, Häuptling? und was wurde aus dem Krieger, der im Fluß war?«
»Er ist zum Fisch geworden und liegt auf dem Grunde mit den Aalen. Laß seine Brüder die Angelhaken nach ihm auswerfen. Pfadfinder, ich habe die Feinde gezählt und ihre Büchsen berührt.«
»Ah! Ich dachte, er würde verwegen sein,« rief der Wegweiser in englischer Sprache. »Der waghalsige Bursche ist mitten unter ihnen gewesen, und hat uns ihre ganze Geschichte mitgebracht. Sprich, Chingachgook, damit ich unsern Freunden mittheilen kann, was wir selbst wissen.«
Der Delaware erzählte nun in gelassener und ernster Weise das Wesentliche der Entdeckungen, welche er gemacht, seit wir ihn zuletzt im Flusse mit den Feinden haben ringen sehen. Von dem Schicksal seines Gegners sprach er nicht mehr, da es gegen die Gewohnheit eines Kriegers ist, bei mehr in's Einzelne gehenden Berichterstattungen groß zu thun. Sobald er aus diesem furchtbaren Kampfe als Sieger hervorgegangen war, schwamm er gegen das östliche Ufer, stieg mit Vorsicht an's Land, und nahm seinen Weg unter dem Schutze der Finsterniß unentdeckt und im Grunde auch unbeargwohnt, mitten durch die Irokesen. Einmal wurde er angerufen; da er sich aber für Arrowhead ausgab, so wurden keine weitern Fragen an ihn gemacht. Aus ihren Reden war ihm bald klar geworden, daß der Haufen ausdrücklich auf Mabel und ihren Onkel lauerte, über dessen Rang sie jedoch augenscheinlich im Irrthum waren. Er hatte auch genug erfahren, um den Verdacht zu rechtfertigen, daß Arrowhead sie ihren Feinden verrathen habe, obgleich ein Beweggrund hiezu nicht leicht aufzufinden war, da er die Belohnung für seine Dienste noch nicht empfangen hatte.
Pfadfinder theilte von diesen Nachrichten seinen Gefährten nicht mehr mit, als er zu Milderung ihrer Besorgnisse für nöthig erachtete, indem er zugleich andeutete, daß es nun Zeit sei, ihre Kräfte zu brauchen, ehe die Irokesen sich von der Verwirrung erholt hätten, in welche sie durch ihre Verluste gerathen waren.
»Wir werden sie ohne Zweifel an der Stromenge wieder finden,« fuhr er fort, »und dort müssen wir an ihnen vorbei oder in ihre Hände fallen. Die Entfernung von der Garnison ist nur noch geringe, und ich habe daran gedacht, mit Mabel zu landen, sie auf einigen Seitenwegen weiter zu geleiten und die Kähne ihrem Schicksal in den Stromschnellen zu überlassen.«
»Es wird nicht, gelingen, Pfadfinder,« unterbrach ihn Jasper lebhaft. »Mabel ist nicht stark genug, um in einer solchen Nacht durch die Wälder zu gehen. Setzt sie in meinen Kahn, und ich will mein Leben verlieren, oder sie über die Stromenge glücklich wegführen, so dunkel es auch sein mag.«
»Ich zweifle nicht, daß Ihr das werdet, Junge; Niemand zweifelt an Eurem guten Willen, der Tochter des Sergeanten einen Dienst zu leisten; aber das Auge der Vorsehung muß es sein und nicht das Eurige, welches in einer Nacht, wie diese, Euch glücklich über den Stromschuß des Oswego bringen kann.«
»Und wer wird sie denn zu Land glücklich nach der Garnison bringen? Ist die Nacht am Ufer nicht so dunkel, als auf dem Wasser? Oder glaubt Ihr, ich verstehe mich weniger auf meinen Beruf, als Ihr Euch auf den Eurigen?«
»Kühn gesprochen, Junge; aber angenommen, ich verlöre meinen Weg in der Finsterniß – und ich glaube, es kann mir Niemand in Wahrheit nachsagen, daß mir das je begegnet ist – angenommen, ich verlöre den Weg, so würde daraus kein anderes Unglück entspringen, als daß wir die Nacht im Walde zubringen müßten; indeß eine falsche Wendung des Ruders oder ein breiteres Streichen des Kahns Euch und das junge Frauenzimmer in den Fluß werfen kann, aus dem, aller Wahrscheinlichkeit nach, des Sergeanten Tochter nicht mehr lebendig kommen wird.«
»Wir wollen das Mabel selbst überlassen; ich bin überzeugt, daß sie sich in dem Kahne sicherer fühlen wird.«
»Ich habe ein großes Vertrauen zu euch Beiden,« antwortete das Mädchen, »und zweifle nicht, daß Jeder thun wird, was er kann, um meinem Vater zu beweisen, wie werth er ihm ist. Aber ich bekenne, daß ich nicht gerne den Kahn verlassen möchte, da wir die Gewißheit haben, daß Feinde, wie wir sie gesehen, in dem Walde sich befinden. Doch mein Onkel mag in dieser Sache den Ausschlag geben.«
»Ich liebe die Wälder nicht, so lange man eine so schöne Bahn, wie hier auf dem Fluß, vor sich hat. Außerdem, Meister Pfadfinder, um von den Wilden nichts zu sagen, Ihr überseht die Hayfische.«
»Hayfische! wer hat je von Hayfischen in der Wildniß gehört?«
»Ach! Hayfische, oder Bären, oder Wölfe – es ist gleichgültig, wie Ihr das Ding nennt. Es ist eben Etwas, was die Lust und die Macht hat, zu beißen.«
»Hilf Herr! Mensch, fürchtet Ihr ein Geschöpf, das in einem amerikanischen Forste gefunden werden kann? Ich will zwar zugeben, daß eine Pantherkatze ein ungeberdiges Thier ist; doch was will das heißen, wenn ein geübter Jäger bei der Hand ist? Sprecht von den Mingo's und ihren Teufeleien, so viel Ihr wollt; aber macht mir keinen falschen Lärm mit Euren Bären und Wölfen.«
»Ja, ja, Meister Pfadfinder, das ist wohl Alles gut genug für Euch, der Ihr wahrscheinlich den Namen einer jeden Kreatur, mit der Ihr zusammen trefft, kennt. Gewohnheit ist schon Etwas, und macht einen Mann kühn, wo er sonst vielleicht schüchtern wäre. Ich habe in der Nähe des Aequators die Matrosen stundenlang unter fünfzehn bis zwanzig Fuß langen Hayfischen herumschwimmen sehen, und sie hatten dabei keine andern Gedanken, als die ein Landbewohner sich macht, wenn er Sonntags Nachmittags unter Seines Gleichen aus der Kirchthüre geht.«
»Das ist außerordentlich!« rief Jasper, welcher in seiner Treuherzigkeit sich jenen wesentlichen Theil seines Gewerbes, den man die Fähigkeit »ein Garn zu spinnen« nennt, noch nicht angeeignet hatte. »Ich habe immer gehört, daß der Tod gewiß sei, wenn man sich in das Wasser unter die Hayen wage.«
»Ich vergaß, zu sagen, daß die Jungen immer Spillenbäume, Kanonenspacken oder Kuhfüße mit sich nahmen und die Bestien auf die Nase schlugen, wenn sie ihnen lästig wurden. Nein, nein, ich finde kein Behagen an Bären und Wölfen, obgleich ich mir aus einem Walfisch so wenig mache, als aus einem Häring, wenn er getrocknet und gesalzen ist. Mabel und ich halten besser Stich in dem Kahne.«
»Mabel würde gut thun, das Fahrzeug zu wechseln,« fügte Jasper bei. »Das meine ist leer, und der Pfadfinder wird zugeben, daß auf dem Wasser mein Auge sicherer ist, als das seine.«
»Das thue ich mit Freuden, Junge. Das Wasser gehört zu Euren Gaben, und Niemand wird in Abrede ziehen, daß Ihr sie auf's Beste erprobt habt. Ihr habt Recht, wenn Ihr glaubt, daß des Sergeanten Tochter in Eurem Kahne sicherer sei, als in dem meinigen, und obgleich ich gerne selber in ihrer Nähe wäre, so liegt mir doch ihre Wohlfahrt zu sehr am Herzen, um sie nicht aufrichtig zu berathen. Bringt Euren Kahn dicht an unsere Seite, Jasper, damit ich Euch das, was Ihr als einen kostbaren Schatz betrachten müßt, übergeben kann.«
»Ich betrachte es als einen solchen,« erwiederte der Jüngling, welcher keinen Augenblick verlor, um dieser Aufforderung nachzukommen; und als Mabel von dem einen Kahn in den andern getreten war, setzte sie sich zu dem Gepäcke, welches bisher die einige Last desselben ausgemacht hatte.
Nachdem diese Anordnung getroffen war, trennten sich die Kähne und fuhren in einiger Entfernung von einander, wobei man sich vorsichtig, ohne ein Geräusch zu erregen, der Ruder bediente. Die Unterhaltung hörte nach und nach auf, und die Annäherung der gefürchteten Stromenge machte auf Alle einen inhaltsschweren Eindruck. Es war fast gewiß, daß ihre Feinde sich alle Mühe gegeben hatten, diesen Punkt vor ihnen zu erreichen, und der Versuch, in der tiefen Dunkelheit auf dem Strome über ihn weg zu kommen, schien so wenig wahrscheinlich, daß der Pfadfinder der Ueberzeugung lebte, die Wilden hätten sich an beiden Ufern vertheilt, in der Hoffnung, sie beim Landen abzufangen. Er würde auch seinen früheren Vorschlag nicht gemacht haben, wenn er es nicht seinen eigenen Fähigkeiten zugetraut hätte, dieses Vorgefühl eines günstigen Erfolgs von Seiten der Irokesen zu einer Vereitelung ihrer Plane zu benützen. Da aber nun die Anordnung fest stand, so hing Alles von der Geschicklichkeit der Kahnführer ab. Denn wenn ein Fahrzeug auf einen Felsen stieß, so mußte es, wenn es nicht zertrümmert wurde, fast nothwendig aufsitzen, und dann war man nicht blos den Zufällen des Stromes, sondern Mabel auch der Gewißheit ausgesetzt, in die Hände ihrer Verfolger zu fallen. Es war daher die äußerste Umsicht nöthig, und Jeder blieb zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, um sich geneigt zu fühlen, mehr zu äußern, als was gerade die Dringlichkeit des Augenblicks erforderte.
Die Kähne stahlen sich ruhig vorwärts, und das Brausen der Stromenge wurde hörbar. Cap mußte aller seiner Tapferkeit aufbieten, um sich auf seinem Sitz zu erhalten, indeß jene bedeutungsvollen Töne immer näher kamen, wobei die Finsterniß kaum die Umrisse des waldigen Ufers und das darüber hängende dunkle Himmelsgewölbe erkennen ließ. Der Eindruck, welchen die Wasserfülle auf ihn gemacht hatten, arbeitete noch in seiner Seele, und seine Phantasie war nicht unthätig, die Gefahren der Stromenge mit jenen des jähen Absturzes, den er durchgemacht hatte, sich gleich zu denken, wenn nicht der Zweifel und die Ungewißheit sie gar noch steigerte. Hierin war jedoch der alte Seemann im Irrthum, denn die Stromenge des Oswego und seine Fälle sind in ihrem Charakter und in ihrer Heftigkeit sehr verschieden, da die ersten nichts weiter als eine Stromschnelle war, welche über Untiefen und Felsen geht, indeß die letzteren den Namen, den sie trugen, wie wir eben gesehen haben, in der Wirklichkeit verdienten.
Mabel mochte allerdings Beklemmung und Furcht fühlen. Aber ihre ganze Lage war so neu, und das Vertrauen zu ihrem Führer so groß, daß sie sich in einer Selbstbeherrschung erhielt, deren sie wohl nicht mächtig gewesen wäre, wenn sie sich hätte klarere Vorstellungen von der Wahrheit machen können, oder die Hilflosigkeit des Menschen, wenn es den Kampf gegen die Macht und Majestät der Natur gilt, besser gekannt haben würde.
»Ist das die Stelle, deren Ihr erwähnt habt?« sagte sie zu Jasper, als ihr das Geräusch des Stromschusses zum ersten Mal frisch und deutlich zu Ohren kam.
»Sie ist es; und ich bitte Sie, Vertrauen zu mir zu haben. Unsere Bekanntschaft ist zwar noch jung, Mabel; aber wir leben hier in der Wildniß viele Tage in Einem, und es kommt mir bereits vor, als ob ich Sie schon Jahre lang gekannt hätte.«
»Auch ich fühle gegen Euch nicht, wie gegen einen Fremden, Jasper. Ich habe einiges Vertrauen zu Eurer Geschicklichkeit sowohl, als zu Eurem guten Willen, mir einen Dienst zu leisten.«
»Wir werden sehen, wir werden sehen. – Pfadfinder peitscht die Schnellen zu nahe am Mittelpunkt des Flusses; das Wasserbette ist gegen das östliche Ufer zu enger; aber ich kann mich ihm jetzt nicht verständlich machen. Halten Sie sich fest an den Kahn und befürchten Sie nichts.«
Im nächsten Augenblick hatte die rasche Strömung sie in den Stromschuß getrieben. Drei oder vier Minuten sah das mehr von heiliger Scheu als von Furcht ergriffene Mädchen rund um sich nichts als die Güsse glänzenden Schaumes, und hörte nichts, als das Brausen der Wasser. Zwanzigmal schien der Kahn von irgend einer kräuselnden, glänzenden Welle, die man sogar in der Dunkelheit der Nacht erkennen konnte, überschüttet zu werden; und eben so oft glitt er unbeschädigt daran vorbei, getrieben durch den kräftigen Arm dessen, der seine Bewegungen leitete. Einmal, aber auch nur Einmal, schien Jasper seine Herrschaft über die zerbrechliche Barke zu verlieren, in welchem kurzen Augenblick sie rund herum wirbelte; aber durch eine verzweifelte Anstrengung brachte er sie wieder in seine Gewalt, gewann das verlorene Fahrwasser wieder und fühlte sich bald für alle seine Beängstigungen dadurch belohnt, daß er den Kahn ruhig in dem tiefen Wasser unterhalb der Stromschnellen dahin schwimmen sah, ohne daß dieser von dem Elemente so viel eingenommen, als zu einem Trunke hätte dienen können.
»Alles ist vorüber,« rief der junge Mann freudig. »Die Gefahr ist vorbei, und Sie dürfen nun hoffen, noch in dieser Nacht ihren Vater zu umarmen.«
»Gott sei gepriesen! Jasper; Euch verdanken wir dieses große Glück.«
»Der Pfadfinder kann einen guten Theil des Verdienstes in Anspruch nehmen. Aber was ist aus dem andern Kahn geworden?«
»Ich sehe Etwas in der Nähe auf dem Wasser. Ist es nicht das Boot unserer Freunde?«
Wenige Ruderschläge brachten Jasper an die Seite des fraglichen Gegenstandes. Es war der andere Kahn, leer und mit aufwärts gerichtetem Kiele. Der junge Mann hatte sich kaum über diesen Umstand Gewißheit verschafft, als er anfing, sich nach den Schwimmern umzusehen, und zu seiner großen Freude entdeckte er bald Cap, welcher mit der Strömung abwärts trieb. Der alte Seemann hatte die Gefahr des Ertrinkens derjenigen, mit welcher er beim Landen von den Wilden aus bedroht war, vorgezogen.
Er wurde, obschon nicht ohne Schwierigkeit, in den Kahn geholt, und damit hatte das Nachforschen ein Ende. Jasper war nämlich überzeugt, daß der Pfadfinder in dem seichten Wasser an's Ufer waten werde, um seine geliebte Büchse nicht verlassen zu müssen.
Der Rest der Fahrt war kurz, obgleich sie mitten in der Dunkelheit und Ungewißheit gemacht wurde. Nach einer kleinen Weile ließ sich ein dumpfes Getöse vernehmen, welches zuweilen dem Rollen eines entfernten Donners und dann wieder dem Brausen der Wasser ähnelte. Jasper erklärte seinen Gefährten, daß sie nun die Brandung des See's hörten. Vor ihnen lagen niedrige, gekrümmte Landspitzen, von denen eine eine Bai bildete.
Hier fuhr der Kahn ein und schoß geräuschlos an das kiesige Ufer. Dieser Uebergang war so rasch und ergreifend erfolgt, daß Mabel die Vorgänge kaum fassen konnte. Im Laufe weniger Minuten kamen sie an den Schildwachen vorbei; das Thor wurde geöffnet und das bewegte Mädchen fand sich in den Armen eines Vaters, der ihr fast ein Fremder geworden war.