Lena Christ
Die Rumplhanni
Lena Christ

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Die Hanni nickt; dann nimmt sie den langen Haberstecken, schüttelt sich noch einen Rocksack voll Pflaumen von einem Baum und geht hinaus aufs Feld. Unterwegs begegnet ihr dem Staudenschneider sein Girgl. Er ist der einzige Sohn des Hofs drüben hinter der Kirch und mag dereinst einmal leichtlich seine siebzig- bis achtzigtausend Mark bar zu dem übrigen Sach erhalten. Der alt Staudenschneider, den im vergangenen Winter ein Schlag gerührt und zu allem Tagwerk unnütz gemacht hat, liegt tagaus, tagein auf dem Kanapee hinterm Ofen, lallt und jammert ein wenig, wenn er nicht seinen leichten Halbschlaf dahinsäuselt, wartet aufs Sterben – und aufs Heiraten vom Girgl. Aber noch hat er keine glückliche Brautschau gehabt, der junge Staudenschneider, – trotz den achtzigtausend Mark, den sechzig Stück Vieh und hundert Tagwerk Wald und Grund.

Und daran trägt nicht so sehr sein jämmerlichs und verkrüppeltes Aussehen die Schuld, als vielmehr sein inwendiges Mannsbild. Denn man mag zehn Stunden im Umkreis Nachschau halten, man wird keinen Burschen finden, der sich mit ihm messen kunnt an anhabigem Stolz und bockstarrigem Eisenschädel. Wie denn auch seine Mutter, die selige Staudenschneiderin, eine Bäuerin gewesen war, daß sie nur die Protzenmirl und die Millionenschachtel geheißen wurde, worüber sie sich freilich so erzürnte, daß ihr die Galle ins Blut geriet und sie daran sterben mußte. Darauf dann der alt Staudenschneider sich eine Haushalterin nahm und also mit seinem Girgl schlecht und recht fortwirtschaftete, bis ihn das Schlagerl streifte. Von da ab mußte der Girgl allein werken mit den drei Knechten und den vier Weibsleuten. Aber, wenn auch gleich alles wie am Schnürl ging und jeder im Haus den Jungen grad so achtete wie den Alten, schon wegen seiner Tüchtigkeit und Grobheit, so wurde ihm das Regieren doch immer zuwiderer; besonders in der letzten Zeit, wo die Knechte gleich seinen Rössern und Wägen vom Krieg requiriert wurden und er mit lauter Weibsbildern hantieren mußte.

Und auf den heutigen Tag ist er so weit, daß er sich sagt heiraten, – ganz gleich, was für eine. Drum hat er auch heut seine Wichs angelegt mit den ledernen Kniehosen, und trägt einen leeren Rucksack am Buckel, daß man seine beinerne Kirm, die ihm unser Herrgott schon mit dem ersten Schulränzel angehängt und entsprechend seinem Größerwerden alleweil wieder ein bißl höher aufgepackt hatte, nicht gar zu deutlich sehen möcht. Der alt Schneckennazi, der Schmuser, wüßt ihm wieder eine, eine Hochzeiterin. Herrgott, ja! Hols der Deixel! Es mag leicht schon die zehnte oder zwölfte sein! Und daß die ja sagen sollt als reiche saubere Burgermeisterstochter, wo die andern alle nein gesagt hatten, – er kann's nicht recht glauben. Aber – er muß halt gehen. Und so geht er jetzt. Und trifft auf die Hanni. Die schaut ihn an und mißt ihn spöttisch von unten bis oben. Er sagt kurz: »Morgn.« – »Guat Morgn aa«, erwidert die Hanni; »gehst scho wieder zum Heiratn?« »Kümmerts di leicht was?« – »Naa, gwiß net. I hab grad gmoant.« Sie betrachtet ihn lachend. »Sinst hätt i dir halt abgraten davon.« – »Warum?« Er fragts hastig. »No, – weilst do wieder umasinst gehst! – Is schad ums Leder, dees wost abez'reiß'st von de Schuach!« – »Werd dir aber gleich sei kinna!« erwidert der Girgl gereizt; »bal i net die Nächstbeste ins Haus nimm, so is dees grad mei Sach! Dees geht neamd was o.« – »Freili net! Und bal die Weibertn Mannsbilder liaber san als wia Mühlesel, so gehts ja aa neamd was o.« Der Girgl ist ganz starr. Das hat ihm noch keine gesagt. Er sucht nach Worten. –

Aber die Hanni fährt schon fort: »Daß du überhaupts so weit umanand rennst um a Bäuerin? Daß d' net oafach oane von deine Dienstigen heiratst? Enka Mittadirn is do so sauber und so richti! Und kaam viel billiger, als wia oane von an Hof außa!« Sie sagts ganz ernst; aber in ihrem Gesicht zuckts und wetterleuchtets. »Wennst dera alle drei Jahr amal a neus Gwand kaafst und alle Jahr oa Paar Schuach, nachher kimmts di gar net so teuer! Fressen wird s' darnach aa net mehra, wia ehvor. Und bal s' als Staudenschneiderin wirkli a dickerne Haut auf der Kaffeesuppen verlangt, wia als Mitterdirn, so macht's dir derhalben dein Stall net laarer und dein Geldsack net gringer. – Hab i net recht?« Sie schickt sich zum Gehen an. »I tat mirs do amal überlegn, Girgl, dees mit der Mitterdirn!« Lachend entfernt sie sich.

Der Girgl steht da wie der Ochs vorm Berg und schaut, als ob ihm die Hennen das Brot gestohlen hätten. »Himmeherrgott! Da sollst jetz auf Brautschau geh! Wann dir oans d' Ohren so vollschwatzt ...« Er schaut ihr grimmig nach. Aber – wie er sie so dahingehen sieht, – so stämmig, handlich, so ihren Platz ausfüllend, da kriecht ihm langsam ein Gedanke durch den Sinn, und je länger er ihm nachhängt, um so besser deucht er ihm. So daß er schließlich umkehrt und wieder heimgeht.

Aber es leidet ihn nicht daheim. Das, was die Hanni gemeint, – mit der Dienstigen, – das bohrt in ihm herum. Bloß das mit der Burgl, der Mitterdirn, das paßt ihm nicht. Es dürft keine vom Hof sein, weil sonst die andern rebellisch würden. Eine aus der Nachbarschaft vielleicht? – Oder aus der Umgegend? – Herrgott, das Maidl wär gar nicht dumm, wenn mans richtig betrachtet! So ein untertänigs Frauenzimmer könnt man wenigstens richten, wie mans bräucht! Und sie verstünd was von der Arbeit; der kunnt keine was vormachen. Trotzdem wär er der alleinige Herr im Haus; denn von so einer laßt man sich die Hosen schon nicht abtun. Freilich, eine Hörige, ein Dienstbot in den angesehenen Staudenschneiderhof, – die Mutter wenns wüßt, die tät sich noch in der Truch umkehren! – In ihm kehrt sich ja auch was um; aber wo es zum Nutzen und nur zum Vorteil gereicht, da kann man ja schließlich den Stolz auch einmal fahren lassen. Und wann er eine erwischte, die zu einer riegelsamen Tüchtigkeit und unbedingter Unterwürfigkeit auch noch eine gute Postur und ein saubers Gesicht mitbrächt, dann kunnt er wohl auf die oder die ander mockige Bauernmollen verzichten trotz Geldsack und Kuchelwagen.

Nachdenklich streift er durch die Felder, wo seine Weibertn und die gedungenen Mahder arbeiten. Und mittendrin steht er an der Haberleiten vom Hauser, wo die Hanni rüstig und mit leichter Hand schafft. »He, du, Rumpl!« Die Hanni wendet Büschel um Büschel, ohne aufzuschauen. »Hanni!« jetzt hört sie. »Du, i hätt epps z' redn mit dir!« – »Dees werd was Gscheidts sei!« Sie beginnt bei der nächsten Mahd und hört nicht einen Augenblick auf zu werken. Der Girgl schaut ihr wohlgefällig zu. »Sakra; von dera kunntn die mein' was lerna!« denkt er. Und laut sagt er: »Teats heunt no einführn?« – »Bals Wetter guat bleibt, ko's scho sei.« – »Maht der Hauser?« – »Naa, ritzen tuat er.« Die nächste Mahd wird umgelegt. »Hat enka Sixnblassin scho kalbet?« – »Naa, auf d'Woch, moanat i.« – »Stellts es auf, 's Kaibe?« – »Bals a Stierkaibe is, scho.« – »Sinst verkaafts es?« – »I denk scho. An Posthalter vo Beiharting werd ers halt wieder gebn.« – »Moanst, daß ers mir net gaab?« – »Muaßt'hn halt fragn.«

Er verfolgt ihre Bewegungen wie eine Katz den Perpendikel der Stockuhr. »Guat gstellt!« denkt er; »net gschlampert beinand; und koa Karfreitaratschn net, – dees is was wert. Und d' Arbat geht ihr von der Hand, – grad guat zum Zuaschaugn! Und gar net schiachredat; die richt't neamd aus und halt' zum Bauern ...«

»Hast ghört, Hanni!« Er beginnt die Unterhaltung wieder. »Was willst?« – »Hat der Simmerl scho epps hörn lassn?« – »Hab no nix redn hörn drüber.« – »Werst aa mehra z' toan habn jetz, wo er furt is.« – »Ja no. Wias halt is.« – »Bist eigentli du gern sell beim Hauser?« – »Warum fragst?« Die Hanni schaut ihn scharf an. – »I hab halt gmoant.« – Sie schafft wieder weiter. »Ja no; – is oa Platz wia der ander, wähn i«, sagt sie. – »Dees kimmt grad drauf o!« – »'s deanat Brot schmeckt überall gleich sauer.« – »Muaß ma halt amal a anders vorkosten!« – »Was nachher für oans?« Sie hält inne. Er schaut sie begehrlich an. »No – dees eigne halt!« Die Hanni lacht. »Aha!« Sie langt ein paar Pflaumen aus dem Sack und ißt sie, wobei sie die Kerne weit von sich spuckt. – »Hast no nia ans Heiratn denkt, Hanni?« Er steht wie am Sprung. Sie schaut nach den schneeweißen Wolkenballen, die sich um die Frühsonne sammeln. »I glaab net, daß 's Weeda aushalt heunt«, sagt sie und fängt wieder an zu wenden. – »I wüßt dir an Hochzeiter, Hanni!« – »Soo, sooo!« – »Kunnst in a scheens Sach eineheiratn!« – »Was d' net sagst!« – »'s Hoamatl guat beinand, verstehst! Und lauter foasts Viech und schwaartragate Gründ!« Die Hanni schmunzelt. »Grad der Hochzeiter hat an kloan Fehler, gell!« sagt sie; »in der obern Stubn hat er z' wenig und am Buckel a bißl z' viel!« Auweh. Sie hat ihn schon. Aber der Girgl verliert die Schneid nicht. »Macht ja nix!« sagt er; »was eahm mangelt, dees kunntst ja du leicht guatmacha! Dumm bist net, und schiach zum oschaugn bist aa net.« – »Ja no. So dumm waar i amal gwiß net, daß i di heiratn tat!«

Der Girgl ist sprachlos. Die wär wahrhaftig gut zu der Feuerwehr zu brauchen; die hätt für jeden Brand ein Wasserschäffel bei der Hand! »Was sagst du?« – »Nix; daß i di net möcht, sag i.« – »Und warum net?« – »Weil i di kenn!« – »Moanst, daß d' es net guat kriagatst?« – »Gwiß kaam anderscht, wia a Mitterdirn!« Sie nimmt wieder etliche Pflaumen aus dem Sack. »Naa, mei Liaber, da bleib i scho liaber beim Hauser d' Oberdirn!« Der Girgl ist so starr über diese Antwort, daß es ihm schier die Red verschlägt. Nur mühsam bringt er die Frage heraus: »Du sagst also naa?« Worauf die Hanni ruhig eine Pflaume um die ander ißt und dazu sagt: »Gwiß aa no! – Da muaßt dir scho um a anderne schaugn, daß s' ja sagt! – Hast dir denkt, weil i dir den guatn Gedanka von der Mitterdirn einblasen hab, du mußt di glei erkenntli zoagn! – Naa, Girgl! I mags gar net so guat habn! I wüßt gar net, wo i di Truchen hernahm zu dem vielen Gwand, wost mir du schaffetst! I will di net von dein Geld bringa!«

Der Girgl faßt sich langsam. Und findet nach und nach die Worte zu einer Erwiderung. »Du schlagst mi also aus?« – »Balst es a so hoaßen willst, – ja.« – »Ganz und gar?« – »Durchaus.« – »Und zwegn was für an Grund und Ursach?« – »Weil i di net mag.« – »Ah so. – Abspeisen tuast mi!« – »Wias d' es halt nennst.« – »Nachher gilt dir insa Sach gar nixn?« – »Dei Sach und du is zwoaraloa.« – »Achzgtausad san mir gwiß. Kinnan hunderttausad aa werden!« – »Vo mir aus zwee. I mag di net, und balst um und um voll Gold ohängst!«

Jetzt langt er. Jetzt hats ihn troffen. »Du sagst mir dees! Du! – Mir!« – »Ja; i – dir.« Sie arbeitet ruhig weiter, die letzte Mahd wendend. Der Girgl aber bohrt sich langsam in einen Zorn hinein, dessen Grundursach beleidigter Stolz ist. »Mir sagst du dees! Mir! An Staudenschneiderbuam von Öd! – Du! A Barasolflickersbankert! A windiger Deanstbot, a oaschichtiger! –« Er kommt gemach in ein richtiges Schelten und Schimpfen.

Aber auf einmal fängt er an zu lachen, und lacht so laut und unbändig, daß die Hanni vermeint, es wär ihm ihre Absag ins Hirn gestiegen und hätt ihn um den Verstand bracht. Sie schüttelt den Kopf und fragt ihn schier ängstlich: »Was hast denn jetz, daß d' so dumm lachst?« Worauf er noch lauter und närrischer werkt, die Händ in die Hosensäck schiebt und schreit: »Was i lach, sagst! – Weil 's mi gfreut, daß i di so fein ausgschmirbt hab! Ha! Hab di ja grad derbleckn wolln! – Zum Derblecka taugst ja leicht! Du werst dir do net eibilden, daß i a solchene in Emst heiratn tat, wias du oane bist! A so a Herglaaffene! Moanst eppa, mir graust vor gar nix!«

Die Hanni ist langsam näher an ihn herangekommen; jetzt steht sie dicht vor ihm. Da sagt er das letzte. Sie hat die Zähn fest zusammengebissen, die Lippen öffnen sich, der Mund verzerrt sich ein wenig; und eh der Girgl sichs versieht, hat er eine so derbe Maulschelle im Gesicht, daß ihm das Feuer vor den Augen fliegt. – Die Hanni wendet sich ohne ein Wort zum Gehen.


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