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Pag. 39. »Die Natur hat uns eine gewisse Verschwiegenheit und Zurückhaltung auferlegt ...«
Das Geschlechtsleben gehört zu den unbewussten oder universellbewussten Gebieten unseres Wesens (das ist wohl auch der wahre Sinn dessen, was man »Züchtigkeit« nennt) und wird eines Tages wieder dorthin zurückkehren. In der Zwischenzeit aber, da es nun einmal in das Gebiet des bewussten Daseins hinaufgelangt ist, müssen wir die Probleme, die es uns bietet, gerade und ernst ins Auge fassen.
Pag. 53. »Man müsste das Kind zuerst ganz offen über seinen körperlichen Zusammenhang mit der eigenen Mutter belehren ...«
»Nicht ohne grosse Sorge machte ich den ersten Schritt auf dem Wege, den ich allein zu erforschen vorhatte. Der Zufall kam mir zu Hilfe. Ich war in Java, und unter meiner Dienerschaft war eine Schneiderin, die den Reitknecht geheiratet hatte. Dieses Weib hatte ein allerliebstes kleines Kind, mit einer sammetweichen braunen Haut und glänzenden schwarzen Augen, ein wahres Wunder für meine kleine Tochter, die ich mit mir nahm, um Mutter und Kind zu besuchen, als das Baby wenige Tage alt war. Während sie es staunend bewunderte und liebkoste, sagte ich zu ihr: »Dieses herzige kleine Baby kam aus Djahid wie der schöne Schmetterling aus der Puppe kam; es lag dicht unter Djahids Herz, sie selbst hat es gemacht und da behalten, bis er gewachsen war; – sie liebte es so, dass es wuchs.« Lilly sah mich mit ihren grossen intelligenten Augen ganz erstaunt an. »Djahid ist sehr glücklich, dass sie dieses herzige Kind hat. Djahids Blut machte es stark, als es dicht an ihrem Herzen lag; nun wird Djahid ihm Milch geben und es stark machen, bis es so gross wird, wie meine Lilly. Es machte Djahid krank, und sie musste viel leiden, als es geboren wurde, aber sie wurde bald wieder wohl, und jetzt ist sie so froh.« Lilly lauschte, aufs höchste interessiert, und als sie nach Hause kam, erzählte sie ihrem Vater die ganze Geschichte, ohne irgend etwas zu vergessen. Aber nur dies eine Mal that sie das, dann kam sie nie mehr auf die Sache zurück und vergass es bald ganz. Die Geburt von Djahids zweitem Kinde gab mir die Gelegenheit, die kleine Unterweisung zu wiederholen. Diesmal stellte sie einige Fragen. Ich erklärte der eifrigen kleinen Lauscherin viele Dinge, in ganz einfacher Weise, ich sagte ihr, dass die Mutter das Kind in sich hätte und sehr für es sorgte, bis es alt genug sei, den Wechsel der Temperaturen zu ertragen u. s. w., und ich sagte ihr, dass die Freude und Liebe einer Mutter so gross sei, dass sie alle Schmerzen bald darüber vergesse. Und das kleine Geschöpf, dem offenbar einfiel, dass auch sie ihrer Mutter Schmerz verursacht haben musste, fiel mir um den Hals und küsste mich zärtlich. Das war die erste Blume von Liebe und Dankbarkeit, die ich mit grosser Freude auf dem fruchtbaren Boden der Wahrheit erwachsen sah ... Ich analysierte eine Blume, ich zeigte ihr die Schönheit der Farbe, die Anmut der Form, die zarte Nuance, die Verschiedenheit der Teile, aus denen die Blume bestand. Nach und nach sagte ich ihr, wie diese Teile genannt würden. Ich zeigte ihr den Pollen, der wie ein schöner Goldstaub an ihren rosigen kleinen Fingern klebte. Ich zeigte ihr unter dem Mikroskop, dass dieser schöne Staub aus einer unendlichen Zahl winziger Samenkörner bestand. Ich liess sie den Stempel näher untersuchen und zeigte ihr am Ende des Kanals den Fruchtknoten, den ich ein »kleines Haus voll winzig kleiner Kindlein« nannte. Ich zeigte ihr, wie der Pollen am Stengel klebte, und sagte ihr, dass, wenn der Blütenstaub einer Blume vom Wind oder von den Insekten fortgetragen würde und auf den Stempel einer anderen Blüte fiel, die kleinen Samenkörner stürben, und ein winziger flüssiger Tropfen durch den Kanal bis in das kleine Haus dringe, wo die winzigen Kindlein wären, und dass die winzigen Kindlein lauter kleine Eierchen wären, dass in jedem dieser kleinen Eier eine fast unsichtbare Oeffnung sei, durch die ein wenig von dem kleinen Tropfen dringe, und dass, wenn dieser Tropfen des Samenstaubes sich mit einem anderen wundersamen Staube, der im Ovarium läge, vermische, beide vereint Leben geben, und die Eier sich entwickeln und zu Samen oder Früchten werden. Ich habe ihr Blüten gezeigt, die nur einen Stempel, und andere, die nur Stämme hatten. Und ich sagte ihr lächelnd, dass die Stempel gleichsam kleine Mütter und die Staubfäden gleichsam kleine Väter der Früchte seien ... So säete ich in dem unschuldigen Herzen und dem forschenden kleinen Geist die Saat jener zarten Erkenntnis, die sofort zur Obscönität entartet, wenn die Mutter aus falscher Scham die Belehrung ihres Kindes den Schulkameraden überlässt. Nun mag mein kleines Mädchen mir, sobald sie will, die so gefürchtete Frage stellen, ich werde sie nur an die Botanikstunden erinnern müssen und einfach hinzufügen: »Ganz dasselbe geschieht den Menschen, nur mit dem Unterschied, dass, was von den Pflanzen unbewusst gethan wird, von uns bewusst geschieht; und dass unter Menschen, die so sind, wie sie sein sollen, man sich nur mit dem Menschen vereinigt, den man liebt. (Uebersetzt aus »La revendication des droits féminins«, Shafts, April 1894, p. 237.)
Pag. 56. »Die Vergröberung und Herabwürdigung der Liebe ...«
»Soweit meine Erfahrung reicht, habe ich gefunden, dass diejenigen, die den elektrischen Strom der Liebe in die selbstsüchtigen Schranken ihrer eigenen Brust zu schliessen suchen, von ihrer Gewalt und Leidenschaft vernichtet werden. Ihre Energie sinkt zur Sinnlichkeit herab, wenn ihr bloss der eine individuelle Weg, sich auszudrücken, gelassen wird. Die sexuelle Ausdrucksweise der Liebe ist gut und schön, solange sie normal ist, aber sie ist nicht so unfehlbar rein und herrlich wie die feinere Verbindung der Seelen und ihrer Liebesneigungen und gewährt nicht die Befriedigung, die eine Kameradschaft in gemeinsamem Wirken für die Menschheit und eine geistige und seelische Verwandtschaft gewährt.« Miriam W. Nicol.
Pag. 70. »Die Schönheit und Unverhülltheit ihrer Leiber ...«
»Jede Liebe – wenn sie heroisch und nicht bloss animalisch oder, wie man es nennt, »natürlich«, gewissermassen eine Sklavin des Zeugungstriebes, und ein blosses Werkzeug der Natur ist – hat die Göttlichkeit zum Ziel und strebt nach der göttlichen Schönheit, die sich zuerst der Seele mitteilt und in ihr leuchtet, und von ihr oder vielmehr durch sie in den Leib übersiedelt, und darum liebt eine wohlgeartete Liebe den Leib oder die körperliche Schönheit, insoweit sie ein Zeichen und ein Ausdruck geistiger Schönheit ist.« (Giordano Bruno »Gli Eroici Furori« Dial. III. 15.)
»In Sparta war der tägliche Anblick des nackten menschlichen Körpers und die natürliche Auffassung und Behandlungsweise natürlicher Vorgänge die beste Schutzwehr gegen die sinnliche Erregung, die heute durch die Trennung der Geschlechter von frühester Kindheit an künstlich hervorgerufen wird. Die Formen des einen Geschlechts und seine Funktionen waren für das andere kein Geheimnis. Es war gar nicht möglich, sich in Zweideutigkeiten zu ergehen.« (Bebel, Die Frau.)
Pag. 74. »Zeugung und Ernährung ...«
In dem fast strukturlosen Bau der Zellpflanzen finden wir den engsten Zusammenhang zwischen den Funktionen der Ernährung und der Zeugung, denn jedes der Bläschen, aus dem sie aufgebaut sind, ist mit der Kraft, andere, gleichartige Bläschen aus sich zu erzeugen, begabt; diese können den Bau der Mutterpflanze vergrössern oder sich zu neuen und selbständigen Organismen ablösen. Es ist daher kaum möglich, in diesen Fällen eine scharfe Grenzlinie zwischen der Ernährung des Individuums und der Erhaltung der Art zu ziehen.
Pag. 104. »Sekundäre Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern ...«
Im folgenden sind einige Verschiedenheiten, wie sie H. Ellis in »Man and Woman« mitteilt, aufgezählt:
»Die durchschnittliche Schädelkapazität ist bei den Männern grösser als bei den Frauen (wie man es bei den allgemeinen Grössenverhältnissen der Geschlechter erwarten muss), aber der Unterschied ist bei den höher civilisierten Rassen grösser als bei den niedrigeren und primitiven. Die Beobachtungen scheinen im ganzen zu ergeben, dass das Cerebellum bei den Frauen – relativ – auffällig grösser ist als bei den Männern.
Intellektuell sind die Frauen geeigneter, das Persönliche und Konkrete, die Männer, das Allgemeine und Abstrakte zu beachten.
Das Weib erträgt Schmerzen, Operationen und dergleichen besser als der Mann und hat ein zäheres Leben, der Mann ist ihm in der motorischen Leistungsfähigkeit, Gewandtheit und Muskelkraft überlegen. Was die Feinheit der Sinnesempfindung anbelangt, sind die beiden Geschlechter sich ungefähr gleich.
Die Frauen zeigen in mancher Hinsicht eine grössere Reizbarkeit als die Männer, eine Reizbarkeit, die durch eine leichte Neigung zur Anaemie, die grössere Entwicklung des vasomotorischen Systems und die Periodicität ihrer Funktionen befördert wird. Sie sind hypnotischer – die niedrigeren, d. h. die primitiveren und fundamentaleren Nervencentren überwiegen – und sind reizbarer; Hysterie, Ekstase und Beeinflussbarkeit treten bei ihnen intensiver auf.
Die Männer zeigen eine grössere Tendenz zur Abweichung vom Rassentypus; Abnormalitäten verschiedener Art, Idiotismus und Genie sind beim männlichen Geschlecht häufiger. Der Mann ist das radikale und experimentelle Element im Leben der Rasse.
Das Weib ist das konservative Element. Sie bleibt stets dem Kinde näher, ist aber gerade darum in manchem Sinn dem Manne voraus, der, wenn er älter wird »weiter vom Himmel entfernt ist, denn er als Knabe war.«
Pag. 120. »Raffiniertheit der Frauen ...«
»Die Methode, ihre Ziele durch List zu erreichen (die allen schwächeren und niedrigeren Tieren eigen ist), ist bei den Frauen etwas so Gewöhnliches, dass, wie Lombroso und Ferrero bemerken, der Betrug bei den Weibern nahezu eine physiologische Eigenschaft ist ... Aber man braucht wohl nicht zu sagen, dass es ganz und gar vernunftwidrig wäre, die vorsichtige Schlauheit der Weiber und ihre Vorliebe für indirekte Wege angeborener Schlechtigkeit zuzuschreiben. Sie ist eine unvermeidliche Folge der verkehrten Lebensbedingungen, die dem Weibe allgemein vorgeschrieben werden und auf die ihre Konstitution nicht anders reagieren kann. Es giebt gegenwärtig kein civilisiertes Land, in dem ein Weib ihre Wünsche und ihr Verlangen ohne Gefahr eingestehen und ihre Befriedigung offen erstreben darf. (H. Ellis, »Man and Women,« p. 174.)
Pag. 129. Anm. »Die Freiheit des Weibes ist zuletzt nur auf der Basis einer kommunistischen Gesellschaftsordnung möglich ...«
»Die Fortpflanzung der Rasse ist eine sociale Aufgabe, und wir müssen folgern, dass es die Pflicht des Gemeinwesens, eben als Gemeinwesen, ist, für die Schwangeren zu sorgen, solange sie durch die Ausübung ihrer socialen Funktion unfähig sind, für sich selbst zu sorgen. Das Weib, das im Begriff ist, der menschlichen Gesellschaft ein neues Mitglied zu geben, das eine Quelle unberechenbaren Heils oder unberechenbarer Gefahr für alle werden kann, muss für jedes Mitglied des Gemeinwesens eine Quelle der lebhaftesten Besorgnis sein, und es war ein schöner und gesunder Instinkt, der vor Alters in der Erlaubnis Ausdruck fand, die jedem schwangeren Weibe gestattete, in Obst- und Fruchtgärten einzutreten und sich zu laben.« (Havelock, Ellis, »Evolution in Sex«, p. 15.)
»Sie hielt es für ein Gebot der Gerechtigkeit, dass die Frauen in solcher Weise versorgt würden, weil die Mütter des Gemeinwesens eine ebenso wichtige und notwendige Funktion im Staat erfüllen, wie die Männer.« (Grant Allen, »The Woman who Did«, p. 73.)
Pag. 131. »Menstruationsleiden und Störungen.«
Es lässt sich kaum bezweifeln, dass die Menstruation in der Gestalt, in der sie heute in der grossen Mehrzahl der Fälle auftritt, eine in vieler Hinsicht pathologische und nicht mehr eine naturgemässe Erscheinung ist. Bei den Tieren ist die periodische Absonderung so gering, dass sie kaum bemerkbar wird, und bei Menschenrassen, die in ursprünglicheren Zuständen leben, ist sie durchweg auffällig geringer als bei den höher und später entwickelten Rassen. Wir können daher annehmen, dass ihr gegenwärtiges Uebermass gewissen Lebensbedingungen zuzuschreiben ist, die nun durch eine Anzahl von Jahrhunderten geherrscht und unaufhörlich darauf hingearbeitet haben, einen kontinuierlichen fieberhaften Erregungszustand des ganzen Sexualapparates und eine hereditäre Tendenz zu wiederkehrenden Symptomen von krankhafter Natur hervorzubringen. Von den Lebensbedingungen, die aller Wahrscheinlichkeit nach eine solche Wirkung hervorbringen müssen, gehören 1. der beständige Aufenthalt und die Beschäftigung der Frauen in geschlossenen Räumen, die zu einer Entartung des Nerven- und Muskelsystems, zu Schwäche und leichter Entzündbarkeit führen mussten, 2. die Steigerung des Geschlechtstriebes bei Männern und Weibern durch den vermehrten Luxus und der Künstlichkeit des Lebens. 3. Die Unterwerfung des Weibes unter den Mann zu uneingeschränktem beliebigen Gebrauch und Missbrauch, die unvermeidlich platzgriff, sobald sie – mit der Veränderung der alten Stammessitten – sein Spielzeug und seine Sklavin wurde, und die in der That seither nicht mehr aufgehört hat. Diese drei Gründe, die alle durch eine so lange Zeit wirkten, bieten wohl eine ausreichende Erklärung dafür, dass mählich der ganze weibliche Organismus krankhafte und excessive Erscheinungen zeigte; und wenn das richtig ist, können wir darum auch hoffen, dass mit ihrem Verschwinden auch diese excessiven Erscheinungen und mit ihnen viel menschliches Elend und eine traurige Verschwendung von Lebenskraft verschwinden werden.
Pag. 139. »Ihr natürliches Verlangen ...«
»Obgleich ich mit Malthus in der Wertschätzung tugendhafter Enthaltsamkeit übereinstimme, kann ich mich doch als Arzt der traurigen Ueberzeugung nicht verschliessen, dass die keusche Sittlichkeit der Frauen – die, mag sie auch in unseren modernen Staaten eine hohe Tugend sein, nichtsdestoweniger ein Frevel gegen die Natur ist, – sich nur zu oft durch die grausamsten Krankheitserscheinungen rächt.« (Dr. Hegerisch in seiner Malthus-Uebersetzung.)
Pag. 144. »Sie müssen kämpfen lernen ...«
»Die Frauen haben von den Männern so wenig zu erwarten, wie die Arbeiter von den bürgerlichen Klassen.« (Bebel, Die Frau, p. 72.)
Pag. 147. »Sobald die Frauen die geschlechtliche Zuchtwahl wieder ausüben werden ...«
»Der Hunger – d. h. was wir gewöhnlich ökonomische Ursachen nennen –, als der weitverbreitetste und konstanteste, wenn auch keineswegs der heftigste Trieb, hat fast alle grossen zoologischen Revolutionen hervorgerufen ... Aber die Liebe hat in der Form der geschlechtlichen Zuchtwahl, lange noch ehe wir zu den Vertebraten emporsteigen, die Gattungen nach dem weiblichen Ideal gebildet, und allenthalben ist die Fortpflanzung der Hauptzweck der Ernährung, – für die der Hunger sorgt, und das höchste Ideal des Lebens.« (»Evolution in Sex«, p. 12.)
Pag. 156. »Die Züge eines grösseren Frauentypus ...«
»Ich schaue der Zukunft entgegen und sehe ein grösseres Geschlecht werden – ein Geschlecht schöner Frauen, athletisch, frei, kräftigen Geistes und scharfen Denkens, gross in der Liebe und in allen mütterlichen Gefühlen, die sich ihrer Leiber nicht schämen und auch nicht ihrer geschlechtlichen Organe, Frauen mit ruhigen Nerven und der Erkenntnis hoher geistiger Eigenschaften fähig, – ein neues Geschlecht von Männern, stark und mutig, selbstbeherrscht, liebevoll, selbstlos, gleich hoch an Körpergestalt und Geist, voll Kühnheit und Ausdauer, fähig, Leiden zu ertragen, rein und ehrlich in ihren animalischen Bedürfnissen, selbstvertrauend, ohne König oder Vogt.« (Miriam Wheeler Nicol.)
Pag. 169. »Eine passende Lebensgefährtin zu finden ...«
»Wenn die künstlichen Schranken, die heute die Freundschaft zwischen beiden Geschlechtern so sehr erschweren, und die ökonomischen Motive für sexuelle Beziehungen bei dem Einzelnen nicht mehr in Betracht kommen werden – und das sind vielleicht die zwei stärksten Gründe, die heute einen vernunftlosen Geschlechtsverkehr erzeugen, ob er nun mit dem Namen der Ehe gedeckt sei oder nicht –, dann wird es Männern und Frauen erst möglich werden, sich ungehemmt der in einem hochentwickelten Gesellschaftszustand so komplizierten Wahl eines passenden Lebensgefährten zu widmen.« (»Evolution in Sex,« p. 13.)
Pag. 171. »Das Verlangen nach der Vermählung minder heftig bei den Frauen ...«
»Ich muss hier erwähnen, dass ich aus verschiedenen Informationsquellen, die der jüngsten Zeit angehören, schliessen muss, dass sexuelle Unempfindlichkeit bei Frauen viel verbreiteter ist, als man gewöhnlich annimmt. Damit meine ich natürlich nur eine Unempfindlichkeit vom rein sexuellen Standpunkt, ein Fehlen des Lustgefühls und der Befriedigung am geschlechtlichen Verkehr sowie des Verlangens danach. Dieses Verlangen ist bei Frauen weit weniger häufig, als allgemein angenommen wird. Die seelische Seite der Liebe hingegen tritt bei den Frauen oft weit intensiver hervor als bei den Männern. (»A. Moll. Conträre Sexualempfindung,« 2. Aufl. p. 325.)
Pag. 177. »In diesem Sklavenleben ist ihr ganzes Wesen stumpf geworden ...«
»Nicht so das Weib; wie brutal der Tyrann auch sein mag, an den sie gekettet ist – er kann von ihr die letzte schändlichste Erniedrigung verlangen und erzwingen, die einem menschlichen Wesen widerfahren kann: gegen ihren eigenen Willen zum Instrument der tierischen Funktionen eines anderen gemacht zu werden ... Keine Misshandlung kann, wenn nicht Ehebruch hinzukommt, in England eine verheiratete Frau von ihrem Peiniger befreien.« Mill, »Hörigkeit der Frau,« 1869.
Fall Clitheroe 1891. Auf die Weigerung der Gattin hin, die Beiwohnung zu dulden, erklärte der Gatte: »Daraufhin nahm ich meine Frau und habe sie seither nicht aus meinem Hause gelassen, habe jedoch nicht mehr Gewalt oder Zwang angewendet, als eben notwendig war, um sie zu »nehmen« und zu behalten.«
Der Lordkanzler sagte: »Ich bin der Ansicht, dass ein solches Recht und eine solche Befugnis nach englischen Gesetzen nicht existiert«, und er befahl, dass die Dame sofort freigegeben werde. (»Woman free,« von Ellis Ethelmer, p. 144.)
Pag. 201. »Die monogamische Ehe ...«
»Wenn wir die sittliche Höhe eines Volkes, einer Rasse, einer Kultur erkennen wollten, so klärt uns die Stellung, die dem Weibe eingeräumt wird, viel besser auf, als etwa die gesetzlichen Bestimmungen für die eheliche Verbindung. Der Typus, den das Gesetz normiert, entspricht selten dem realen Zustand. In vielen Kulturen, toten wie lebenden, hat die gesetzlich vorgeschriebene Monogamie hauptsächlich den Zweck, die Erbfolge und die Teilung des Eigentums sicher zu stellen.« (Letourneau, »Entwicklung der Ehe«, p. 186.)
»Eheliche Verbindungen im Tierreich ...« »Bei vielen Tiergattungen führt die sexuelle Verbindung zu einer dauernden Vereinigung, die das Auffüttern der Brut zum Zweck hat. An Vornehmheit, Zartgefühl und Aufopferung stehen diese Verbindungen so manchen menschlichen Ehen in keiner Weise nach.« (Ebenda, p. 19.)
»Besonders interessant ist es, die mannigfachen Formen der ehelichen Familienverbindungen bei den Vögeln zu beobachten. Schon infolge der Glut, der Mannigfaltigkeit und des Zartgefühls, die sie in ihren Liebesverhältnissen zeigen ... Es giebt manche Vogelarten, die absolut treulos, ja ausschweifend sind, wie z. B. der kleine amerikanische Sperling (Icterus pecoris), der sein Weibchen alltäglich wechselt. Andere Arten haben zwar die Promiscuität aufgegen, sind aber entschieden Anhänger der Polygamie. Insbesondere die Hühnervögel sind dieser Form der Ehe ergeben, die auch bei den Menschen thatsächlich so allgemein ist, auch bei hochkultivierten, die sich ihrer monogamischen Sitten rühmen. Unser Hofhahn, eitel und sinnlich, eifersüchtig und mutig, ist geradezu der Typus des polygamischen Vogels ...« (Ebenda, p. 26.)
»Fast alle Raubtiere, selbst die stumpfsinnigen Geier, sind monogam. Die eheliche Verbindung des kahlköpfigen Adlers scheint bis zum Tode eines der Vermählten zu währen ...«
»Für das Weibchen des Illinois-Papageis (Psittacus pertinax) sind Witwenschaft und Tod gleichbedeutend; – das kommt, wenn auch selten genug, bei Menschen vor, aber bei den Vögeln können wir mehr als ein Beispiel dafür finden. Wenn nach einigen Jahren ehelichen Lebens eine weissschwänzige Bachstelze zufällig den Tod findet, so überlebt ihr Genosse sie höchstens um einen Monat.« (Ebenda, p. 27.)
»Schlechte Väter sind unter den Vögeln selten. Im Gegenteil, oft genug wetteifert das Männchen mit dem Weibchen in der Liebe zu den Jungen; es füttert und schützt das Weibchen während der Brutzeit und beteiligt sich oft gleichfalls am Ausbrüten der Eier. Das Männchen der Brieftaube füttert des Weibchen, solange es brütet; der Kanada-Gänserich und die Krähen thun desgleichen; bei den letzteren nimmt das Männchen überdies von Zeit zu Zeit den Platz des Weibchens ein, um ihm ein wenig Erholung zu gönnen. Die blaue Mauerschwalbe thut dasselbe. Bei vielen Arten brüten Männchen und Weibchen abwechselnd, und der Teil, der eben frei ist, füttert den, der beschäftigt ist. So die schwarzflügelige Seemöwe, der weisse Fischer von Bassan, der grosse blaue Reiher und der schwarze Geier.« (Ebenda, p. 30.)
»Was die Säugetiere betrifft, so lässt sich ein bestimmtes Verhältnis zwischen dem Entwicklungsgrad der Intelligenz und der Form der sexuellen Verbindungen nicht feststellen. Die fleischfressenden Tiere leben oft in Paaren, aber das ist keine absolute Regel, denn der südafrikanische Löwe wird oft von vier bis fünf Weibchen begleitet. Bären, Wiesel, Walfische und andere leben meist paarweise. Bisweilen zeigen ganz nahverwandte Gattungen verschiedene eheliche Sitten, so lebt das weisswangige Peccari-Schwein in Herden, während das weissgeringelte Peccari in Paaren lebt. Dieselbe Verschiedenheit kann man bei den Gewohnheiten der Affen beobachten. Manche sind polygam und andere monogam. Der Nilbandar (Macacus Silenus) in Indien hat nur ein Weibchen, dem er treu bleibt bis zum Tode. Der Cebus capucinus hingegen ist polygam.« (Ebenda, p. 33.)
Pag. 211. »Das Schicksal zweier Menschen für das ganze Leben ...«
»Während die katholische Kirche im geistlichen Leben den Novizen eine Probezeit gestattet, verlangt die Gesellschaft in der Ehe Ring, Pergament und Gelübde, bevor die beiden sich kennen oder Erfahrung haben; die Folge sind Ehebruch, Scheidungsskandale, eheliche Wohnungen, die eigentlich Gefängnisse sind, und ein beständiges Anwachsen der Heuchelei und Lüsternheit in der Gesellschaft. Wie ist es möglich, dass ein Weib, das nicht weiss, wie der Leib des Mannes aussieht und die Bedürfnisse seiner Mannheit nicht kennt, der auch für die Forderungen der eigenen Reife das volle Verständnis fehlt, wie ist es möglich, dass sie auch nur die geringste Ahnung haben kann, ob die romantische leidenschaftliche Bewegung, die ein Mann in ihr erweckt, auch thatsächlich die Dreieinigkeit von Liebe, Vertrauen und Ehrfurcht in sich schliesst, die allein die Grundlage einer wahren Ehe sein können?« (Edith M. Ellis, »Ein Noviciat der Ehe,« p. 13.)
Pag. 221. »Formelle Verträge irgend welcher Art werden beibehalten werden ...«
»Es ist daher wahrscheinlich, dass in einer mehr oder weniger entfernten Zukunft die Institution der Ehe sich zu monogamischen Verbindungen umgestalten wird, die frei eingegangen, und, wenn es sein muss, frei gelöst werden durch blosse gegenseitige Uebereinkunft, wie es heute schon in verschiedenen Ländern Europas – so im Kanton Genf, in Belgien, in Rumänien für die Scheidung, in Italien für die Trennung – gilt. In diese zukünftigen Scheidungen wird die Oeffentlichkeit sich nur so weit einmischen, als nötig ist, um das zu sichern, woran sie ein vitales Interesse hat: das Schicksal und die Erziehung der Kinder. Aber diese Entwicklung in der Auffassung der Ehe sowie in der thatsächlichen Praxis wird sich nur langsam vollziehen, denn sie setzt eine vollkommene entsprechende Umwälzung in der öffentlichen Meinung voraus und bedarf überdies tiefer Veränderungen im socialen Organismus. (Letourneau, »Die Entwicklung der Ehe,« p. 358.)
»Die sittliche Anschauung der Antike, die das Weib als ein sklavisches Eigentum ihres Gatten betrachtete, lebt noch in vielen Köpfen. Aber sie wird allmählig aussterben. Der Ehevertrag wird schliesslich ein Vertrag werden wie alle anderen Gesellschaftsverträge, die freiwillig angenommen, freiwillig aufrecht erhalten, freiwillig gelöst werden; wenn aber der Zwang geschwunden ist, dann wird der Betrug ein unwürdiges Vergehen. Das wird die Meinung einer künftigen Menschheit werden, die vornehmer denken wird als wir. Diese Generationen werden ohne Zweifel keine zärtliche Nachsicht für den anständig verhüllten Ehebruch haben, aber sie werden auch die Rache des Gatten nicht gutheissen. (Ebenda, p. 127.)
Pag. 221. »Vorverträge, die einer späteren und dauernden Verbindung vorausgehen ...«
»Die Sitte der Handfeste, die sonst heute sehr selten geworden ist, besteht in einem gewissen Masse in Island noch heute. Ein Mann und ein Weib beschliessen ein Jahr miteinander zu leben. Wenn sobald das Jahr vorüber ist, beide Teile einverstanden sind, so sind sie verehelicht. Wenn nicht, so trennen sie sich, ohne dass einen Teil irgend welche Schmach treffen würde. Der Vertrag kann auch von Anfang an bedingungsweise bindend geschlossen werden. Er kann z. B. bindend sein für den Fall, dass ein Kind geboren werde, oder umgekehrt, dass am Ende des Jahres keines da sei, je nachdem.« (Prof. Mavor, »Island, einige sociologische und andere Bemerkungen«. Protokoll der philos. Gesellschaft in Glasgow, 1890/91.)
Pag. 243. »Ein gewisses Mass von Animalität ...«
»Die Erlöser dieser, wie jeder korrupten und stumpfen Generation, müssen den Pulsschlag des Ehebrechers wie den seines Opfers fühlen, müssen klarblickend und ehrlich als Pioniere der neuen sexuellen Renaissance dastehen, die vermutlich eine gesunde und massvolle Animalität und Brownings Vision jener seltenen Vermählung, in der Seele mit Seele vereint ist, verbinden wird.« (Edith M. Ellis, »Ein Noviciat für die Ehe,« p. 4.)
»Sie lehrte ihn die Bedeutung der Liebe verstehen: eines Wortes, das in vieler Mund ist, aber nicht oft begriffen wird. Ganz von der Idee erfüllt, die er von ihr hatte, erkannte er, dass mit ihr die Ehe einen Abschnitt, einen neuen Aufschwung bedeuten musste, einen freieren Spross des Baumes, der fest in gute derbe Erde gepflanzt ist: von den Sinnen würde der Lebenssaft strömen und die Geister sich gesellen, und die Seelen eins werden in einer ganzen ungetrübten Verbindung. Wahrlich, eine glückliche Aussicht für die Söhne und Töchter der Erde, die in göttlicher Weise mehr als blosses Glück verheisst: die uns, zwischen den harten Felsen der Askese und den Strudeln der Sinnlichkeit hindurch, fest in uns geschlossen, zur Zeugung vornehmerer Geschlechter bestimmt und drängt, die wir uns heute nur trübe vorstellen können. (George Meredith, »Diana of the Crossways«.)