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II

»Professor« Dietlieb legte sein Merkbüchlein auf das Pult, fuhr sich mit der Hand über das rote Haar und zupfte dann nach seiner allen Schülern wohlbekannten Gewohnheit am eigenen Ohrläppchen. Sie nannten ihn unter sich »Fuchs«, aber das tat seiner Beliebtheit keinen Abbruch, wie es auch seinem Ansehen keineswegs schadete, daß er seit zwanzig Jahren nicht Professor sondern nur »Supplent« mit einem Hungergehalt war. Seine Lebensgeschichte war in der ganzen Stadt bekannt. Als Sohn eines armen Flickschneiders, bei dem er tagsüber arbeiten mußte, hatte er beim Licht zusammengestückelter Kerzenstümpfchen den ganzen Stoff der acht Gymnasialklassen gelernt und die Matura bestanden; schließlich war er nach den Hungerjahren der Universität nach glänzend abgelegter Lehramtsprüfung Supplent geworden. Im zweiten Jahre seiner Tätigkeit hatte irgendeine unvorsichtige Meinungsäußerung, die er begangen und die übel vermerkt wurde, ihm geschadet. Es geschah ihm nichts dafür, nur wurde er in Zukunft bei jeder Beförderung stillschweigend übersehen.

»Ich will einmal einen Versuch machen,« sagte Dietlieb. »Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit. Die soll jeder von Ihnen benützen, um eine kleine Fabel oder Legende frei zu erfinden. Noten werden keine ausgeteilt. Die beste Arbeit wird in einer der nächsten Stunden vorgelesen werden.«

»Blöder Kerl!« flüsterte eine grobe Stimme hinter Vitus. Das war der Pius Altböck, Sohn eines Paramentenhändlers, der einzige, der den »Fuchs« haßte und diesen Haß ganz offen zur Schau trug. Vitus wandte sich halb um und sah einen Augenblick lang in das gedunsene, finnenbedeckte Gesicht Altböcks, gegen den er eine heftige Abneigung empfand.

»Schau nur!« höhnte der andere halblaut, »du mit deinen sauberen Hercynen-Brüdern, ihr paßt gut zum Fuchs dazu!«

»Du kriegst nachher ein paar Ohrfeigen,« rief Vitus halblaut zurück. Aber hart und hell klopfte der kleine Beinknopf des Bleistiftes, den Dietlieb in der Hand hielt, auf die Pultplatte. »Nur munter! Fangen Sie nur an, Venloo!«

Schwere Seufzer und gemurmelte Fragen wurden vernommen. Einige Federn kratzten zögernd über das Papier der Schulhefte.

Vitus dachte eine Weile nach und schrieb dann:

»Eines Tages faßte Gott den Plan, das vollkommene Bild eines Menschen zu schaffen und zu beleben, denn die Menschen waren durch den Verlust des Paradieses, durch schwere Arbeit und allerlei Not allmählich häßlich und verkümmert geworden. Der Herr machte sich nun ans Werk und wählte aus dem Vorhandenen, was ihm das Beste dünkte. Den Kopf des Antinous, die Schultern des Atlas, die Arme des Herkules, die Beine des Achilles, das Gehirn des Sokrates, den Leib des Adonis. Das Blut mischte er aus Menschen des Nordens und des Südens. Das Herz aber, das er diesem Menschen in die Brust gab, war ein deutsches Herz.« Die Arbeiten wurden bei dem Ertönen des Glockenzeichens so rasch eingesammelt, daß Vitus das Geschriebene nicht mehr überlesen konnte. Vielen war gar nichts eingefallen. Herucker, der Vitus nach Hause begleitete, rückte beständig an seiner Brille und war sichtlich aufgeregt. Sehr verschämt antwortete er endlich auf die Frage des Freundes. Er hatte die Geschichte eines Liedes geschrieben, das ein sterbender Held im Walde singt. In diesem Lied ist eine große Sehnsucht, aber das Ziel ist weit, weit entfernt, und so irrt das Leben im Walde umher. Da erbarmt sich Gott des Liedes und gibt ihm die Gestalt der Nachtigall. Und sie ist es, die abends schluchzend das Sehnen jenes Sterbenden singt, und obwohl es immer dasselbe Lied sei, würden die Menschen nicht müde ihm zu lauschen, denn ihrer aller Sehnsucht klagt aus ihm – –« Vitus gefiel das sehr.

»Ist es nicht traurig, daß die meisten gar nichts gewußt haben?« fragte Herucker. »Dem Kluibenschild habe ich sogar eine Idee gegeben, aber er war zu faul; überhaupt habe ich ihn neulich mit dem Altböck gesehen –« Er senkte das Haupt und Vitus erriet, daß er auf die rothaarige Grete eifersüchtig sei.

»Der Altböck bekommt bei nächster Gelegenheit sowieso ein paar Ohrfeigen von mir!« rief Vitus. »Warum gehst du nicht öfters zum Kluibenschild, seine Schwester ist immer im Garten.«

»Ich trau mich nicht,« sagte der lange Dichter und griff errötend an seine Brille, »sie steht zu hoch – sie ist ein Wesen, das man nur aus der Ferne –«

»Aber sprechen könntest du doch mit ihr,« sagte Vitus, »ich bin einmal mit ihr auf dem Eis gelaufen –. Sie ist ganz lustig. Der Malzey sagte, sie läßt sich küssen.«

»Der Malzey ist ein Schwein!« knirschte Herucker und schlug mit den Armen um sich. »Alles besudelt er mit seiner unreinen Phantasie – aber ich dulde das nicht! Dieses holde Geschöpf darf nicht in den Kot gezerrt werden!« Er machte große Schritte und war sehr aufgeregt.

»Aber er meint das ja nicht so,« begütigte ihn Vitus. »Du bist halt ein Platoniker und er nicht.«

»Wenn du mich gern hast sprich nicht mehr von solchen Sachen,« bat Herucker. »Ich leide unter der Vorstellung, daß irgendein gemeiner oder gefühlloser Mensch Margarete nahe kommt – – Lieber trete ich aus der Hercynia aus. Leb wohl!« Und er stürmte in seiner heftigen Art davon.

Zu Hause fand Vitus nur die Mutter, die vor einer Madonna Vergißmeinnicht in einer wassergefüllten Schale ordnete. Er ging durch die Bücherei des Vaters, besah sich in einem Kunstatlas nackte Statuen und nahm aus einem kleinen Kistchen drei Zigaretten. Dann ging er noch ein wenig im Garten umher, betrachtete die Stiefmütterchen, die ein großes rundes Beet einfaßten, dunkelblau, blaßgelb, kupferrot und rahmfarbig und mit schief geschlitzten Augen nach ihm zu blicken schienen. Am Brunnen erkannte er Susanne, ging langsam hin und hielt die Hände unter den kalten klaren Strahl. »Sie haben Hände wie Wachs,« sagte das braune Mädchen leise. »So schöne Hände –« Das machte ihn verlegen und verscheuchte die begehrlichen Gedanken, die Hochschrecks Pläne mit der blonden Mali in ihm unbewußt erweckt hatten. Aber beim Anblick des geneigten Nackens, des schönen Haaransatzes und der bloßen vollen Arme der am Wäscheschaff tätigen Magd fielen ihm plötzlich, stark erregend und aufstachelnd, die Worte »Gehorsam« und »demütig« ein. Er wandte sich rasch mit heißem Gesicht und ging ins Haus. Dort hing das Bild Onkel Ottos und sah ihm spöttisch lächelnd bis ins Innerste des klopfenden Herzens.

Ein paar Tage nachher, nach dem Essen, machte er sich auf, um Plöchhammer zu besuchen, den er seit Wochen nicht mehr gesehen hatte. Der ehemalige Hercynie und Mitschüler hatte sich einer Operation unterziehen müssen und genas langsam. Er wohnte in einem Bauernhaus am Fuß des Berg Isel, das sich seine Eltern für ihre alten Tage gekauft und hergerichtet hatten. Die Mutter war vor fünf Jahren gestorben. Vitus ging durch den Vorgarten, begütigte ein wild kläffendes schwarzes Hündchen und stand gleich darauf in dem Zimmer, in dem ihm der Schulkamerad entgegenhinkte. »Das ist lieb, daß du kommst,« sagte er, »willst eine Pfeife rauchen? Einen Augenblick wartest schon, gelt?« Der Vinzenz Plöchhammer beugte den braunen Wuschelkopf tief über das pfauchende und schnurrende Muster einer kleinen Dampfmaschine. Schnüre und Riemen setzten ein merkwürdiges klapperndes Räder- und Hammerwerk in Bewegung. Vitus sah, daß Vinzenz eine dicke schwere Sohle am Schuh des rechten Fußes trug und daß das verletzte Bein kürzer geworden war als das andere. Er erinnerte sich, daß man im Gymnasium erzählt hatte, ein ganzes Stück des Knochens habe entfernt werden müssen. Vinzenz stellte die Maschine ab und zündete sich eine Porzellanpfeife an, auf deren Kopf höchst kunstvoll eine Fliege gemalt war. Blaue Wölklein zogen durch den schrägen Sonnenblick, der ins Zimmer fiel. Vitus setzte sich in den krachenden Lehnstuhl und sah das mit Wasserfarben gemalte Bild des alten Plöchhammer, das Malzey gemacht hatte.

Da war der alte Schmied mit seinem gestickten Käppchen auf den weißen Haaren, wie er leibte und lebte und im »Blattel« las.

»Ja, der Malzey,« sagte Vinzenz, dem Blicke des Freundes folgend, »der arme Kerl – vielleicht kommt er heut noch.«

»Hat er schon wieder Verdruß mit seinem Alten?«

»Das hat er alle Tage. Aber jetzt haben sie ihm drei Tage nur Wasser und Brot gegeben, weil er gesagt hat, nächstes Jahr wird er Sozialdemokrat. Und da ißt er jetzt bei uns. Sie sperren ihn ein, aber er kommt ihnen schon aus.«

Schwer mit dem dicksohligen Fuße stampfend ging Vinzenz im Zimmer auf und ab. »Er ist halt ein Künstler!« rief er begeistert. »Herrgott, du hast ja auf der Kneipe gehört, wie der Klavier und Gitarre spielt. Und zeichnen – was du willst. Sein Alter aber ist ein lebendig gewordener Paragraph und die Mutter eine Betschwester. Da hat er ein schweres Leben. Und ducken tut sich der nicht – auch in der Schule nicht. Hast ja gehört, was er beim Dietlieb ins Heft geschrieben hat?«

»Nein.«

»No – wie ihr damals frei etwas erfinden habt müssen. Da hat er etwas von einem Bäumchen geschrieben, das steht mit den Wurzeln in fauligem Schlamm und mit der Krone in dürrer Wüstenglut. ›Ein Gleichnis für jeden, der es verstehen will‹, hat er drunter geschrieben. Und das hat jetzt der Dietlieb.«

»Ah, der tut ihm nichts. Der hat ihn ganz gern,« sagte Vitus und sah auf das Gewirre von Rädern und Schnuren hin.

»Ja, das schaust du an!« lachte Vinzenz. »Das ist ein Spaß. Da hab ich ein Buch über die Goldgräber in Kalifornien gelesen und nach dem hab ich mir ein Pochwerk und eine Goldwäsche gebaut. Das ist nur eine Spielerei. Hier wird der goldhaltige Quarz verkleinert und dort, wo der Boden so naß ist, sind die Wiegen. Ich hab kein Lötmetall mehr und so rinnt es halt ein bissel. Aber da – das ist ernst – das zeig ich auch nur dir – und dem Malzey hab ich's gezeigt.«

Er hob ein graues Tuch, unter dem sich sonderbare Umrisse abzeichneten.

Eine Art Libellenleib kam zum Vorschein, der hinten eine vierflügelige Schraube trug und vorne zwei Fledermausflügel aus Pergamentpapier, unter denen zwei kleinere sich ausbreiteten.

»Siehst, Vitus, das ist meine mechanische Fledermaus,« flüsterte Vinzenz mit bebender und erregter Stimme. »Eine Erfindung von mir. Kein Mensch ahnt etwas davon. Jetzt läuft die Schraube durch die Kraft eines eingedrehten Kautschukfadens und das Hühnerfederl vorne ist das Steuer – dir zeig ich's, weil du kein solches Tratschmaul bist wie die anderen.«

Er drehte an der Schraube, hielt das starre Wesen schräg in die Luft und ließ es schnurren, bevor er es freigab und ausließ. Das kleine Ding stieg schwirrend in schiefer Richtung empor, wendete knapp vor der Wand, kam zu seinem Herrn zurück und fiel dann sanft zu Boden.

»Die Kraft ist zu Ende,« rief Vinzenz aufgeregt, »sonst tät es noch weiter fliegen. Man kann das so groß machen, daß Menschen drin sitzen können, verstehst du – daß Menschen fliegen können wie Vögel. Ja, mein Lieber! Aber sag niemandem etwas. Natürlich, wenn es größer ist, muß eine andere Kraft her – Dampf natürlich oder so etwas – oder Gas, ich weiß das noch nicht.« Er deckte seine Fledermaus zärtlich und sorgsam zu.

Malzey trat ein, hager und blaß, brillenbewehrt mit feuerrotem Schlips und gesträubtem sandfarbigem Haar. Nach kurzer Begrüßung setzte er sich auf den Amboß in der Ecke und zündete sich eine kohlschwarze Virginier an.

»Schon wieder Krach gehabt,« sagte er und seine schmale, nicht ganz saubere Hand zitterte. »Wegen meiner staatsgefährlichen Halsbinde. Bin beim Küchenfenster hinaus. Aber geärgert hat er sich, hurra! Er hat mich in meinem Verlies besucht und gefragt, an was ich eigentlich noch glaube. ›An die Anarchie‹, hab ich gesagt, haha! Die Alte hat geschrien: ›Der Satan spricht aus ihm!‹ Und hat mich mit Weihwasser angespritzt und dann hat sie entdeckt, daß ich zu meiner Gefangenenkost ein tüchtiges Trum Speck aus der Speisekammer gefischt habe. Die Anna hat mir Geld für Zigarren gegeben und ich hab ihr einen Liebesbrief an den Haarschneider Vogelsang geschrieben, in den die Kuh verliebt ist. Honorar! Jetzt bleib ich bei dir, Vinzenz, bis die heilige Inquisition schlafen gegangen ist.«

Vitus fühlte in diesem Augenblick heißes Mitleid mit dem Freunde, der ein guter Junge voll seltsamer und verworrener Gedanken war und dachte dumpf daran, wie reich und glücklich seine eigene Jugend sei und wie arm die des anderen. Aber Malzey schien sich nicht viel aus dem schrecklichen Verhältnis zu machen, in dem er mit seinen Eltern lebte. Er nahm die Gitarre, klimperte allerlei und sang dann zu einer eigenartig sausenden und tiefen Melodie –

»Er nahm sie bei ihrem gelbseidenen Schopf
Und schlenkert sie hinter den Hollerbusch.
Da liege, Feinsliebchen, und faule,
Mein jung' Herz muß ewiglich trauern.«

»Was ist das?« rief Vitus.

»Ah – aus des Knaben Wunderhorn. Eine feine Strophe, was?« Dann mit einem Gedankensprung »ja, in Deutschland sollte man leben – Herrgott!«

»Ja, glaubst du, dort ist's besser?« sagte Vinzenz. »Frag den Vitus, der war oft genug dort.«

Vitus nickte und dachte an junge Verwandte und ihre Erzählungen aus der Schule. Und er selbst erlebte noch einmal den Schutzmann in Köln, der ihn, als er leise vor sich hinpfiff, derb in die Rippen gestoßen hatte.

»Verdammter Lausebengel, wirst du wohl das Flöten bleiben lassen!«

Die langweiligen Mahlzeiten im großväterlichen Hause fielen ihm ein, zu denen er mit der Weisung vorbereitet wurde, Großpapa liebte es nicht, wenn man beim Essen spreche. Aber auch außerhalb der Mahlzeiten war es ihm mehr als einmal geschehen, daß man seine wißbegierigen Fragen, die durch viel Neues und Unbekanntes in der großen und fremden Stadt hervorgerufen wurden, mit einem »Jungens müssen nicht immer das Wort führen« oder »Kinder müssen warten bis sie gefragt werden« abtat, als sei er ein kleiner Abc-Schütz.

»Es ist überhaupt unangenehm, wenn man jung ist,« sagte er mit Überzeugung.

»Und ich bin froh, daß ich noch jung bin,« sagte Vinzenz Plöchhammer und machte eine Art von jammervollem Tanzschritt. Betreten und scheu sah er gleich darauf die Freunde an und blickte an seinem Hinkefuß hinunter.

»Du hast deine Maschinen,« sagte Malzey sehr warm und zärtlich, mit einem goldigen Schimmer in den schönen grauen Augen.

»Die Maschinen haben mich,« lächelte Vinzenz, »wie sie einmal alle Menschen haben werden. Sie werden die Herren sein – –. Geh da hinüber in die Schraubenfabrik vom Weinschenk, da wirst du die Sklaven sehen, die der Maschine dienen. So wird es schließlich mit allen Menschen sein.« Vitus hörte den Namen seiner geliebten Königin, die mit Offizieren und Doktoren tanzte und auf dem Sonntagsbummel erschien und nichts von den heißen Blicken ahnte, die ein kleiner Gymnasiast nach ihr aussandte in süßem Weh.

»Maschinen, Maschinen – wir müssen ihnen dienen,« sang Malzey und klimperte. »Schau meinen Alten an, da hast du eine Maschine. Drück auf den Knopf Nummer drei, dann verurteilt er einen armen Teufel zu schwerem Kerker, drück auf Nummer sechzehn, dann spricht er einen Gauner frei. Leg ihm einen weißen Rock und rote Rosen auf die Walze, dann brüllt er begeistert ›Hoch!‹, mach dasselbe mit einem schwarz-rot-goldenen Band, dann schreit er ›Lotterbube!‹ Stimmt immer ganz genau. Diese Maschine und ein lebendig gewordenes Gebetbüchel hat man auf mich losgelassen. Aber dienen tu ich ihr nicht – – Plim, plim, Vorspiel –

Reißt die Konkubine
Aus des Fürsten Bett,
Schmiert die Guillotine
Mit des Fürsten Fett –«

Gerade bei dieser begeistert angestimmten Stelle des Henkerliedes ging die Tür auf und der alte Plöchhammer trat ein. Er trug wie immer sein goldgesticktes Käpplein auf dem weißbuschigen Haar und wischte sich die Hände an einem vielfach versengten Lederschurz ab. An seinen nackten starken Armen traten die Adern hervor und die Innenhände waren eisenschwarz. Mitten in dem weißen Gottvaterbart, der in der Mundgegend vom Tabakrauch gelblich gefärbt war, hing die Pfeife, die berühmte Pfeife Plöchhammers, auf deren blanken eisernen Kopf eine zartblättrige Rose aus rotem Kupfer aufgelegt war. Das gesund gefärbte, von unzähligen Fältchen durchfurchte Gesicht lächelte freundlich, als der Schmied den drei Freunden die Hand zum Gruße bot.

»Ja, der junge Herr Venloo und der Malzey! I han di schon aufrebelln ghert, Bürbele. Hoscht epper wieder an Verdruß ghobt dahoam? Und halt wieder amal aufs Gebot vergessen: du sollst Vater und Mutter ehren, auf daß du lange lebescht und es dir wohlergehe auf Erden. – Aber i woaß woll, daß du aa nit alloan die Schuld hoscht. Red nix, red nur grod nix –« winkte er ab und setzte sich in den Lehnstuhl, den Vitus geräumt hatte, begann ohne jeden Übergang einen gemütlichen Plausch und erzählte allerlei Geschichten aus alten Tagen, wie er auf der Walz bis in die große Seestadt Hamburg gekommen war; sprach von unheimlichen Herbergen an der Landstraße, von einem ermordeten Gerbergesellen, den er bei Passau in einem Erdäpfelfeld fand und dafür drei Wochen in schwerer Untersuchung stand, bis man den Mörder, einen tschechischen Schuster, in Arnsdorf an der Donau ergriff.

Der Sohn lächelte vor sich hin und bastelte an einer kleinen Holzrolle; er hatte des Vaters Geschichten hundertmal gehört. Aber Vitus und Malzey lauschten wie immer entrückt und andächtig. Sie lebten das alles mit, sahen die schweren Plachenwagen mit den sechs Pinzgauern, mit Dachsfell, rotem Flanell und blitzendem Messingschmuck auf den Kummeten, sahen die Fuhrleute im blauen Kittel, die ersten Sonnenstrahlen über dem morgendlichen Wald und die Rehe, die über den Weg sprangen, vom hellen Peitschenknall erschreckt. Der alte Mann erzählte sehr schlicht, langsam und manchmal stockend in seinem Erinnerungsvermögen. Dennoch besaß er die kostbare Gabe des guten Erzählers. Man saß mit ihm am schweren Wirtshaustisch, auf den die Schellensau als Trumpf niedergeknallt wurde, hörte die bauchigen Gläser guter Gesellen aneinanderklingen, das Bier vom Zapfen glucksen und das Heulen des Nachtwindes, der durch die Schindeln über einen todwunden Schläfer fuhr und sah Wesen verstört auffahren bei wildem Schreien und Feurjerufen. Man litt mit ihm, wenn unversehens ein grüner Gendarm hinter dem Bildstöckl hervorkam und barsch nach dem Wanderbuch fragte, wenn blaugefrorene Hände sich auf beißende Ohren preßten und das Auge im Schneesturm auf weiter Heide die Tafel des Wegweisers beim Dämmerlicht des Abends zu entziffern suchte. In Ruinen, die gastfreie Unterkunft boten, stiegen kettenrasselnde Gespenster aus Kellerlöchern, auf dem Hügle beim schwäbischen Städtle stand der Dreibein mit formlosen Klumpen und Schwengeln, um die das Krähenvolk flog und am Waldsaum brannten Zigeunerfeuer, die den Igel im Schmortopf gar werden ließen. Stundenlang konnte man solchen Geschichten lauschen in einer Stadt, die noch vieles von dem unsagbaren Reiz einer Zeit bewahrt hatte, in der noch nicht alles geregelt und gleichmäßig grau gemacht worden war.

»Ja, das gfallt enk halt,« lachte der Schmied und klopfte seine Pfeife aus, »aber jetzt lassen mir's guat sein, daß für an anders Mal epper aa no was bleibt.«

»Jetzt zeig ich dir ein Kunstwerk!« rief Vinzenz und zog Vitus aus der Stube. Der alte Schmied und Malzey folgten. Sie gingen durch den rückwärtigen Teil des kleinen Gartens zwischen buntglitzernden Glaskugeln und wildblühenden Büschen der Werkstatt zu, einem ziemlich großen Raum mit kaltem Licht, in dessen Fenster Hollunderzweige nickten. Dort hing an der Wand in tiefem Rahmen ein großes vielgestaltiges Bergwerksbild. In glitzerndem Gestein, das aus allerlei Flimmern, Kristallen, Schlacken und Erzkieseln kunstvoll zusammengestellt war, standen wie erstarrt kleine Männlein in schwarzer Tracht und mit dem Hinterleder an den Winden und Förderschalen, an Stolleneingängen und fahrenden Hunden, die auf blanken Schienen ruhten. Vinzenz drehte einen Hahn über einem Tröglein an der Wand auf, das Wasser der Leitung lief allsogleich über ein kleines Schaufelrad, das lustig zu klappern begann und einen Treibriemen kreisen ließ, der in das Standbild lief. Sofort pochten die Bergmännlein mit Hämmerchen auf schillernde Stufen, schoben die Förderkarren, liefen aus dunklen Stollen ein und aus, hoben Grubenlichter, in denen ein Funken aus rotem Staniol glühte, läuteten blecherne Glöcklein, verschwanden niedertauchend im Schacht, indes die Genossen im Freien mit ernsthaft gleichmäßigen Rücken ihre steifen Arme an der Winde bewegten und kamen aus einem Erdloch wieder hervor. Es waren wohl, an die vierzig Figuren, die da so künstlich arbeiteten und ein emsiges Scheinleben führten. Vitus staunte mit der ganzen Kinderfreude, die noch in ihm war, und wurde des Schauens nicht müde. Dreimal mußte das Rad von neuem für ihn laufen, und der Schmied freute sich mit ihm an der Spielerei, die bei langem Betrachten lebensgroß zu werden schien. Vinzenz sah mit vielem Stolz, wie stark der Eindruck auf den Freund war und wie schön das Werk sich machte, das er mit dem Vater in gemeinsamer Arbeit an ungezählten Winterabenden besprochen, entworfen, zusammengestellt und verbessert hatte. Malzey brach den Zauber, indem er fand, daß eines der Bergmännchen dieselbe Kehrseite hatte wie der Direktor Eierweck und schon aus diesem Grunde durch eine anständigere Gestalt ersetzt werden müsse.

Als Vitus eine Weile später mit Malzey auf der Straße stand und der schwere Hinkeschritt Plöchhammers verhallt war, war dunkles Sonnengold auf Berg und Tal und auf der hellgrün wachsenden Saat; draußen lag der Friedhof mit seiner rötlichgelb getünchten Einfassungsmauer, an der sich so viele Eidechsen sonnten und Taubnesseln blühten. Als sie dorthin kamen sahen sie einen sitzen, der ihnen bekannt vorkam. Er saß ganz versteckt in einem Pfaffenkappelbusch und las in einem Buche. »Der Jude Isidor, ehelicher Sohn des Kaufmannes Samuel Geduldig,« sagte Malzey. »Vor was versteckst du dich, Isidor?« schrie er. Der Leser fuhr erschrocken zusammen und grüßte verlegen. Langsam stand er mit etwas krummen Beinen und hohem Rücken auf und blickte aus schönen dunklen Augen die Freunde an.

»Ich hab mich da versteckt!« stammelte er, »der Altböck und der Petrsil sind mir nachgegangen – Und dann – ich hab gelesen –.«

»Zeig her,« lachte Vitus und packte mit schnellem Griff das Buch, das der andere hinter dem Rücken hielt. »Heine! Gedichte liest du?«

»Herrlich ist das,« sagte Isidor mit tiefem Entzücken. »Gott, wie schön ist das Buch! Und mein Vater hat es mir strenge verboten. Warum? Weiß ich?«

»Heine ist gut, schon deshalb, weil man im Schimpansium nicht mit seinen Werken belästigt wird,« nickte Malzey. ›Allnächtlich im Traume sah ich dich –‹ ›Hm. Lauter Werke des Teufels, unverständlich für den Landesgerichtsrat Malzey. Mein Heine ruht auf dem Grunde des Familienabtritts. Diesen Platz hat mein edler Vater für Dichter im allgemeinen reserviert.«

»Aber geh,« sagte Vitus. »Was sagt man!« fügte Isidor hinzu und schüttelte den Kopf mit dem Kraushaar und der gebogenen Nase. »Ja, meine Geliebten in Christo und Jehova,« fuhr Malzey fort, »ihr wißt nichts von den Vorteilen einer frommen christlichen Erziehung für zarte Knabenseelen. Haha! Ich könnte euch die Striemen auf meinem Buckel zeigen –. Aber das Flämmchen können sie nicht auslöschen. Es brennt in mir Tag und Nacht. Alles geht vorüber, alles. Vor einem Jahr stand ich vor der Treppe und wußte, daß ein Konferenzzettel oben lag und daß der Herr Landesgerichtsrat auf mich wartete – Brr! Ich wollte nicht hinauf –. Dann dachte ich mir: Geh, alter Knabe, geh, über ein kleines ist auch das vorüber. Nun, seither ist ein Jahr – wie sagt man doch? – dahingeschwunden, jawohl, und wie weit liegt das hinter mir – wie weit. Wenn man's aushalten kann, ist alles gut.«

»Ich bin noch nicht geschlagen worden,« sagte Vitus.

»Ich auch nicht –« setzte Isidor hinzu und blickte mit einer Art von Grauen auf Malzey.

»Servus!« rief dieser, »lies deinen Heine, Isidor. Meiner liegt wie gesagt zu tiefst im Dreck. Aber ich kann ihn auswendig – nahezu wenigstens. Und daran kann das edle Paar nichts ändern.«

Vitus empfand die Art, mit der Malzey über seine Eltern sprach, mit Unbehagen und einem fast unheimlichen Gefühl.

»Gehn wir!« Sie wandten sich.

»Laßt mich mit euch gehen,« bat Geduldig, »sie lauern mir auf. Ich hab ihnen doch nichts getan. Was wollen sie immer von mir? Der Altböck hat mich angespuckt –«

»Der Schweinehund!« sagte Malzey, »geh nur mit uns!«

»Er soll nur kommen!« rief Vitus, »wär mir nur recht!« Der Haß gegen den tückischen Burschen wurde bei ihm in diesem Augenblick verstärkt.

Malzey neigte mehr dazu, mit dem ängstlichen Isidor Scherz zu treiben, sich an dessen Begabung zur Rede und Gegenrede zu üben oder des Jungen leidenschaftliche Beredsamkeit zu entfesseln, indem er sich etwa stellte, als ob er an die Ermordung des seligen Andreas von Rinn oder des Simon von Trient durch Juden glaube, die mit dem Blute der beiden unschuldigen Knäblein ihr Osterbrot gewürzt hatten. Ja, er zwang einmal den armen Geduldig, mit ihm nach Rinn, dem Geburtsorte Speckbachers zu wandern und die Kirche von Judenstein zu besuchen, in der auf dem Felsblock, der angeblich als Opfertisch für die Blutabzapfung gedient hatte, eine aus Holz geschnitzte farbige Gruppe von Juden in der Tracht des achtzehnten Jahrhunderts zu sehen ist, wie sie einem grausam niedergehaltenen nackten Knäblein die Adern aufschneiden und das spritzende Blut in Kelchen auffangen. Und drüben auf dem Altar stand mit der Märtyrerpalme in der Knochenhand, gekrönt und in Goldbrokat gekleidet das Geripplein des von seinem Paten um einen Hut voll Taler an die Juden verkauften Kindes. Isidor war entsetzt und totenblaß aus diesem merkwürdigen Heiligtum geflohen, und Malzey, der diese Wirkung nicht beabsichtigt hatte, mußte ihm lange nachlaufen, bis er ihn irgendwo im Walde fand, bitterlich weinend und an allen Gliedern zitternd. Da tat dem Jungen sein unüberlegter Scherz von Herzen leid und, selbst mit Tränen in den Augen, suchte er den schwer Gekränkten und Gequälten zu trösten. Aber Isidor hatte seither Angst vor ihm und schloß sich nicht mehr so an ihn an wie früher.

Aber wenn Vitus dabei war, schwand die Besorgnis vor Malzeys tollen Einfällen, die nicht immer gutartig waren. Und heute war es Isidor besonders leicht ums Herz, daß er mit zwei verläßlichen Genossen der Stadt zugehen konnte. Ja, er gewann sogar den Mut, in der saftigen Sprache, die den Freunden eigen war, über Lehrer und Mitschüler zu sprechen. Zarte und gewählte Worte im täglichen Gebrauch erschienen ihnen weichlich und unwert des Vorbildes knorriger Männlichkeit, das ihnen vorschwebte und dem auch die verblichenen Jagdhüte mit zausigen Federgestecken, die flatternden Wettermäntel, die Pfeifen im Sack und die trotzige Auflehnung gegen alles, was ihnen als Zwang erschien, entsprach. Oberflächliche und des Überschwangs dieser Seelen unkundige Zuhörer, ja selbst solche, die Verständnis für das flackernde Feuer jugendlicher Übertreibung besaßen, wären entsetzt über die Ausdrucksweise der drei gewesen, wenn sie den Ton einer weniger rauhen und mehr in der Welt liegenden Gegend im Ohr gehabt hätten, in das nun aus dem Mund dreier Halberwachsener in einer harten Mundart derb klingende Ausdrücke gedrungen waren. Aber das war in dieser Stadt nichts Merkwürdiges. Es gehörte zu ihr, wie der Lawinendonner im Frühling und das pfeifende Heulen des Südwindes, der den Schnee alljährlich schmolz und die alten Tannen krachend zu Boden schmetterte.

Als sie so fürbaß gingen und ohne groß aufzupassen an einem ausgedehnten Heustadel am Wege vorüberkamen, standen plötzlich zwei da, die sich verborgen gehalten hatten; Altböck und der Tscheche Petrsil. Isidor Geduldig, seiner Körperschwäche und seiner mangelnden Kampffreude wohl bewußt, verschwand hinter seinen beiden Begleitern, die ohne Gruß an den Lauernden vorüber zu gehen gedachten. Petrsil, der im Grunde nicht bösartig war, grüßte mit einem halblauten singenden »Servus«, das auch erwidert wurde und zog den Mund grinsend in die Breite. Altböck aber grüßte nicht, lächelte verächtlich und spie mit deutlicher Absicht aus. Mit seiner vierschrötigen Bauerngestalt sah er wie ein Erwachsener aus. Auf seinem klobigen Schädel wuchs weißblondes wolliges Haar in Schafsringeln und seine Hände hingen groß und rot aus zu kurzen Ärmeln. Als er an Geduldig vorüberkam, gab er ihm jäh und tückisch einen groben Stoß mit der Schulter und schrie: »Kannscht nit ausweichen, Saujud! dreckiger?!« In diesem Augenblick drehte sich Vitus kurz um und hieb ihm, ohne ein Wort zu sagen, gleichsam als Ergebnis einer langen Reihe von Guthaben, eine feuernde Ohrfeige ins gedunsene Gesicht und empfing fast gleichzeitig einen schweren Faustschlag auf den Kopf, der ihn taumeln machte. Sogleich schlug er wieder zu und traf diesmal den an Kraft überlegenen Gegner so wuchtig auf die Nase, daß das helle Blut hervorschoß und Petrsil, von einem Bein auf das andere springend, wie ein Verrückter zu schreien begann: »Hilfe, Hilfe! Jekusch Maria –, wie den Altböck ausschaut!« Aber Altböck pfauchte ihn aus dem sprudelnden roten Saft an, er solle das Maul halten, preßte ein großes blaues Taschentuch ins Gesicht und rief dumpf: »Das zahl i dir hoam, du –!« worauf Vitus ihn fragte, ob er noch eine möge. Aber Altböck ging mit dem Blick eines bösen Stieres weiter, vom jammernden Nepomuk gefolgt. Malzey war gar nicht dazugekommen einzugreifen und lachte aus vollem Halse.

Aber das Ereignis hatte doch sehr unangenehm und verstimmend gewirkt. Isidor empfahl sich zuerst, mit vielem Händeschütteln und ehrlich gemeinten Beteuerungen seiner Dankbarkeit. Sie sahen ihn eilig gegen die Stadt zu verschwinden, gekrümmt, krummbeinig und den Heine unter den Arm geklemmt. In der Fallmerayerstraße verabschiedete sich auch Malzey, um wieder zu Plöchhammer zu gehen, wo er, der Heimatlose, bis zum Abend bleiben wollte.

Als Vitus das Elternhaus betrat hörte er, daß die Mutter in der Stadt sei und der Vater Besuch habe. In der Küche arbeitete die Köchin klappernd mit dem Geschirr. Vitus erfuhr, daß es Schnitzel mit Salat und harten Eiern gebe und stieg dann die Treppe hinauf, um in sein Zimmer zu gehen. Als er am Studierzimmer des Vaters vorbeikam vernahm er dessen lebhafte Stimme durch den breiten Spalt der halb offenen Tür. Er blieb stehen und lauschte abgerissenen Sätzen, die im Auf- und Abgehen gesprochen wurden: »Daß Bismarck der Abordnung eine sehr kühle Antwort gab – Nein, nein, Herr Kollega – man weiß draußen nichts von unsern Nöten – – will nichts wissen – wollen uns nicht – süddeutsches Übergewicht –« Und die tiefe Stimme, die antwortete, war die des Professors Hemmerling, des Mediziners.

Die Tür klappte zu und Vitus hörte nur mehr einzelne Worte: »Wiener Mache – Abgeordnetenhaus – Tschechen –« dann lachte der Vater auf und das Lachen klang gereizt und bitter.

Vitus fühlte beschämt, daß diese Gespräche der Erwachsenen nicht für ihn bestimmt seien und daß er gelauscht habe. Leise schlich er die Treppe hinauf. Aus seinem Zimmer kam leiser Gesang. Susanne machte sein Bett auf zur Nacht –

»Da droben, da droben vor der himmlischen Tür,
Da saß eine arme Seele und schaut traurig hervür,
Arme Seele mein, arme Seele mein, komm zu mir doch herein,
Und da werden deine Kleider so weiß und so rein.«

Sie stand eine Weile still, wie nachdenkend, dann hob sie wie damals die kindlichen Arme zum schweren dunklen Haarkranz empor, nach dem Geflecht fühlend. Vitus trat ein. Sie wandte sich erschrocken und Vitus sah, wie ihre roten Lippen zitterten und Tränen in ihren Augen standen.

»Was haben denn Sie, Susanne?« fragte er.

»Mir ist – ist so viel angst,« flüsterte sie und sah zu Boden.

»Vor wem?«

»Vor – vor mir selber,« sagte sie leise. Dann wandte sie sich und lief die Treppe hinunter.

Vitus ging wieder in die Küche und fragte die alte Marie, die rot umstrahlt an der brodelnden Bratpfanne stand: »Sie, Marie, wie alt ist denn eigentlich die Susanne?«

»Was woas denn i?« knurrte die Alte grantig, warf aber einen sonderbar forschenden Blick auf den Haussohn – »da schau her«, murmelte sie vor sich hin.

Vitus ging, ärgerlich über seinen unnützen Selbstverrat. Oben verabschiedete sich Professor Hemmerling vom Vater, der gleich darauf müde und abgespannt ins helle Eßzimmer trat. Die Mutter küßte ihn auf die Stirn und musterte ihn sorgenvoll. Auch Vitus bemerkte, daß der Vater nicht gut aussah. Aber nach dem Essen wurde er ganz vergnügt und erkundigte sich lebhaft und guter Laune nach dem Tage seines Buben. Aber der schwieg von der Rauferei am Nachmittag, schilderte aber umso genauer die mechanischen Wunderwerke seines Freundes Plöchhammer, für die der Vater viel übrig zu haben schien.


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