Edward Bulwer
Paul Clifford. Drittes Bändchen
Edward Bulwer

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Vierzehntes Kapitel.

Diener.Geht mir doch weg mit der lumpigen Gloke!
Punsch.Eine Gloke nennt Ihr dieß? (Er schlägt sie an.) Es ist eine Orgel.
Diener.Ich sag' es ist eine Gloke – eine lumpige Gloke.
Punsch.Ich sage es ist eine Orgel. (Schlägt ihn damit.) Was sagt Ihr jezt daß es ist?
Diener.Eine Orgel, Herr Punsch.

Tragische Comödie von Punsch und Judy.

Um nächsten Morgen hatte Brandon, ein großer Frühaufsteher, noch ehe Lucie und ihr Vater ihre Zimmer verlassen hatten, schon den üppigen Mauleverer aus seinem ersten Schlummer aufgestört. Obgleich der Hofmann ein Landhaus einige Meilen von Bath befaß, zog er doch eine Wohnung in der Stadt vor, theils weil sie wärmer war, als ein selten bewohntes Gebäude auf dem Lande, theils weil sie für einen trägen Mann bequemer gelegen war für die Lustbarkeiten und die Wasser der heilkräftigen Stadt.

Sobald der Graf sich die Augen gerieben, sich gedehnt und zu der unzeitigen Besprechung angeschikt hatte, brachte Brandon seine Entschuldigungen wegen der Stunde, die er für seinen Besuch gewählt hatte, vor.

»Erwähnen Sie dessen nicht, mein lieber Brandon,« sagte der gutmüthige Edelmann mit einem Seufzer, »ich freue mich zu jeder Stunde, Sie zu sehen und bin dessen ganz gewiß, daß, was Sie mir mitzutheilen haben, in alle Wege der aufmerksamen Beachtung werth sein muß.«

»Nur wegen einer Staatsangelegenheit, obwohl wichtigerer Art als gewöhnlich, wagte ich Sie zu stören,« antwortete Brandon, indem er sich neben das Bett sezte. »Diesen Morgen, vor einer Stunde erhielt ich durch eine besondere Stafette einen Brief von London mit der Nachricht, daß zuverläßig im Cabinet eine Veränderung vorgehen solle, ja sogar mit Angabe der einzelnen Namen und Beförderungen; ich gestehe daß ich, da sowohl mein Name als der Ihrige unter den Ernennungen vorkommt, begierig war, theils Ihre Kenntnis von der Sache, die ohne Zweifel sehr genau ist, theils Ihren Rath in Anspruch zu nehmen.«

»In Wahrheit, Brandon,« sagte Mauleverer mit einem halb mürrischen Lächeln, »jede andre Stunde des Tags wäre gut genug gewesen für die Angelegenheiten der Nation, wie die Zeitungen das mühselige Possenspiel benennen, das wir durchmachen; und ich hatte mir eingebildet, Sie würden meine Nachtruhe nur einem Gegenstand von wirklicher Wichtigkeit zu lieb unterbrochen haben – etwa wegen der Entdekung einer neuen Schönheit oder der Erfindung einer neuen Schüssel.«

»Weder das Eine noch das Andre konnten Sie von mir erwarten, mein theurer Lord,« versezte Brandon, »Sie kennen die troknen Armseligkeiten, über welchen sich das Leben eines Advokaten verzehrt, und Schönheiten und neuerfundne Schüsseln haben für uns keine Anziehungskraft, es wäre denn daß jene verlaßne Damen wären, und bei leztern Eingriffe in Patente stattfänden. Aber bei Alle dem sind meine Neuigkeiten wohl des Anhörens werth, wenn Sie anders nicht sie schon vorher wissen.«

»Ich? nein! aber ich denke, ich werde im Lauf des Tags davon hören. Verhüte der Himmel, daß man mich nicht holen lasse, um irgend einer lästigen Berathung anzuwohnen. Fangen Sie an!«

»Fürs erste: Lord Duberly ist entschlossen abzutreten, wenn nicht die Friedensunterhandlung zur Cabinetsfrage gemacht wird.«

»Pah! laßt Den abdanken! Ich habe mich dem Frieden so lang widersezt, daß davon nicht mehr die Rede sein kann. Natürlich wird Lord Wanstrad nicht daran denken – und er kann auf meine Fleken rechnen. Frieden! welcher schmähliche, nichtswürdige, feigherzige Vorschlag!«

»Aber, mein lieber Lord, mein Brief sagt, diese unerwartete Festigkeit von Seiten Lord Duberly's Duberly's habe so tiefen Eindruk gemacht, daß der König im Gefühl der Unmöglichkeit ohne ihn ein Cabinet, das Bestand hätte, zu bilden, in die Unterhandlung gewilligt hat und Duberly bleibt!«

»Der Teufel! Was weiter?«

»Raffden und Sternhold machen für Baldwin und Charlton Plaz, und in der Hoffnung, daß Sie Ihnen Beistand leihen werden –«

»Ich!« sagte Lord Mauleverer sehr erbittert. »Ich meinen Beistand leihen dem Baldwin dem Jakobiten und Charlton, dem Sohn eines Bierbrauers?«

»Sehr wahr!« fuhr Brandon fort, »aber in der Hoffnung, Sie würden sich überreden lassen, die neuen Einrichtungen mit nachsichtigem Auge zu betrachten, sind Sie an die Stelle des Herzogs von – – bezeichnet für den vakanten Hosenband-Orden und das Amt des Oberkammerherrn.«

»Es ist nicht Ihr Ernst!« rief Mauleverer, und sprang aus seinem Bett auf.

»Einige wenige andre Beförderungen, (aber wie ich höre vornemlich nur bei der Justiz) sollen noch Vorgenommen werden. Unter andern soll mein gelehrter Amtsbruder, der Demokrat Sarsden, den seidnen Rok bekommen; Cromwell soll Kron-Anwalt werden und – unter uns – mir hat man eine Richterstelle angeboten.«

»Aber das Hosenband!« sagte Mauleverer, die übrigen Neuigkeiten des Advokaten beinah überhörend, »der Hauptzwek, Streben und Ehrgeiz meines Lebens. Wie gütig von dem König! Alles wohlbedacht« fuhr der Graf lachend und sich rüklings aufs Bett werfend fort, »die Ansichten sind wandelbar – die Wahrheit hat mehr als Eine Gestalt – die Zeiten ändern sich, nicht wir – und wir müssen den Frieden statt des Kriegs uns gefallen lassen.«

»Ihre Grundsäze sind unbestreitbar und der Schluß auf den sie führen, ist vortrefflich,« sagte Brandon.

»Ei nun, Sie und ich, mein guter Freund,« sagte der Graf, »die wir die Menschen kennen und unsre ganze Lebenszeit in der Welt verlebt haben, müssen hinter der Scene über das Gesindel lachen, das wir in Goldstoff hüllen und hervorschiken um über die Bühne zu stolziren. Wir wissen wohl, daß unser Corfolanus, das Muster von Unbescholtenheit der Tory's, ein Corporal ist, den ein Freudenmädchen eingezogen hat, und der liberale Brutus der Whigs ein Kammerdiener, der wegen Löffeldiebstähle aus dem Dienst gejagt worden – aber das brauchen wir der Welt nicht zu sagen. So müssen Sie, Brandon, mir eine Rede für die nächste Sizung ausarbeiten – und daß ja gewiß eine Fülle von allgemeinen Grundsäzen darin vorkommt und sie mit den Worten schließt: mein blutendes Vaterland!«

Der Advokat lächelte. »So willigen Sie also in die Ausstoßung von Sternhold und Raffden? denn das ist eigentlich die Frage. Unser brittisches Schiff, wie die verdammten Metafern-Schmide den Staat nennen, führt das Staatsgut wohlverwahrt wie Branntwein im Kielraum, und nur wenn Furcht, Sturm oder der Teufel die Schelme selbst hintereinander hezt und die Fässer aufbricht, bekommt man einmal einen tüchtigen Humpen voll. Wir würden ewig uns mit der übrigen Welt haben herumschlagen müssen, wenn die Minister sich nicht selbst in die Haare gekommen wären.«

»Was Sternhold betrifft,« sagte der Graf, »das ist ein gemeiner Hund und hat zudem für Finanzreformen gestimmt. Ich kenn' ihn nicht – er mag zum Teufel gehen, mich ficht es nicht von ferne an; aber mit dem Raffden muß glimpflich verfahren werden, oder, dem Hosenband zum Troz, fall' ich ab und gehe zu den Whigs über, die doch immerhin erträgliche Diner's geben.«

»Aber warum, mein Lord! soll Raffden besser behandelt werden als sein mitaustretender Amtsgenosse?«

»Weil er mir, auf die artigste Weise, die man sich denken kann, ein Fuder von dem köstlichen Madera geschikt hat, den ich, wie Sie wissen, als die Perle meiner Keller betrachte, und einen Antrag zu einer Canal-Schiffahrt aufgab, wodurch seine ganze Grafschaft bereichert worden wäre, weil er erfahren hatte, daß meine Besizungen dadurch beeinträchtigt würden. Nein, Brandon, zum Kukuk mit dem Gewäsche von Staatswohl, wir wissen, was das ist. Aber wir sind Gentlemen, und unsre Freunde im Privatleben dürfen nicht so zum Teufel geworfen werden, oder es muß wenigstens auf die möglichst höfliche Weise geschehen.«

»Fürchten Sie nichts,« sagte der Anwalt, »Sie dürfen nur ein Wort sprechen, so wärmt das Cabinet eine Gesandtschaft in Owhyen wieder auf, und schikt Raffden dahin mit einer Besoldung von fünf tausend Pfund jährlich.«

»Ha? das ist ein guter Gedanke! oder man könnte ihm auch ein Gnadengeschenk machen mit ein hunderttausend Hufen in einer der Colonieen, oder Kronländereien um achtzig Procent unter dem Preise ihm zu kaufen geben. So wäre das im Reinen.«

»Und nun, mein theurer Freund,« sagte Brandon, »will ich Ihnen frei heraus sagen, warum ich so früh komme; man hat von mir eine schleunige Antwort wegen des mir gethanen Antrags einer Richterstelle verlangt. Ihre Meinung?«

»Eine Richterstelle! Sie ein Richter? Was! Ihre glänzende Laufbahn aufgeben einer so geringen Würde zu lieb! Sie scherzen!«

»Durchaus nicht! Hören Sie mich an. Sie wissen, wie lebhaft ich mich diesem Frieden entgegengesezt und welche erbitterte Feinde ich unter den neuen Freunden der Verwaltung habe; einerseits dringen diese Feinde darauf, mich aufzuopfern; und andrerseits, wenn ich im Unterhause blieb und für das spräche, was ich früher bekämpfte, so würde ich die Unterstützung eines großen Theils meiner eignen Partei verwirken; von der einen Hälfte gehaßt und von der andern beargwöhnt habe ich kein Interesse mehr, einen Siz im Unterhaus einzunehmen. Man hat vorgeschlagen, ich solle das Amt eines Richters übernehmen, mit dem ausdrüklichen und verbürgten, obwohl noch geheimen Versprechen seiner Majestät und des ersten Ministers, mir die erste erledigte Stelle unter den Oberrichtern zu geben. Die Stelle eines Oberrichters, oder Oberbaron ist in der That die einzige passende Entschädigung dafür, daß ich den Gewinn meines Berufs aufgebe und meine parlamentarische und gerichtliche Laufbahn verlasse; der Titel kann (wenigstens durch Geltendmachung des Einflusses) auf den ältesten Sohn meiner Nichte übergehen, im Fall daß sie einen Gemeinen heirathet: oder« sezte er nach einer Pause hinzu, »auf ihren zweiten Sohn, wenn sie sich mit einem Peer vermählen sollte.«

»Ha! das ist wahr!« sagte Mauleverer rasch und wie von einem plözlichen Gedanken ergriffen, »und Ihre reizende Nichte, Brandon, ist gewiß für sich selbst oder ihre Kinder jeder Ehre werth. Sie wissen nicht, wie sehr sie mich eingenommen hat; es ist etwas so Anmuthiges in ihrer Natürlichkeit, und in ihrer Art, die kleinen Unebenheiten von Warlock-Haus auszugleichen, lag eine so unbefangne und edle Würde, daß ich erkläre, ich fühlte mich beinah wieder jung und der Selbsttäuschung fähig, mich für verliebt zu halten. Aber, o Brandon! Stellen Sie sich mich vor an Ihres Bruders Tisch! Mich, für den Ortolane eine noch zu materielle Speise sind, und der ich beim Auftreten die leichteste Erhöhung auf den Teppichen von Tournay empfinde! Denken Sie sich, mein lieber Brandon, mich in einem schwarzen, getäfelten Zimmer, worin auf allen Seiten die Bilder Ihrer Ahnen in braunen Perüken und Blumensträußen in den Knopflöchern, hängen – ein ungeheures Feuer auf der einen und ein Luftzug auf der andern Seite – eine unermeßliche Masse Rindfleisch vor mir rauchend wie der Vesuv und zweimal so groß – ein Tellervoll (der Teller war von Zinn; oder gibt es nicht ein Metall das so heißt!) von diesem Gemenge ans Flammen und Lava mir unter die Nase hingerükt und ich, bei Strafe, ungezogen zu erscheinen, dazu verdammt, es mit eignem Munde zu verschlingen; ein alter Kammerdiener in Barchenthosen und gewobenen Strümpfen der den Mundschenk vorstellt und mir eine Kanne Ale einschenkt – und Ihr würdiger Bruder fragt mich, ob ich nicht Porter vorziehe – ein schmuziger Lakei in einer Liveree (das eine Liveree, ihr Götter!) von Scharlach, Blau, Gelb und Grün, wie ein übelgerathener Regenbogen, steht auf der andern Seite des Tisches und stiert den Herrn an, Augen und Maul gleich weit aufgerissen und groß genug um mich zu verschlingen; und Ihr trefflicher Bruder selbst oben an der Tafel glänzend durch den Dampf des Rindfleisches, wie die aufgehende Sonne auf einem Wirthshausschild – und dann Brandon, von diesem Bilde weggewandt, sehen Sie neben mir die anmuthige, zarte, aristokratische und doch einfache Liebenswürdigkeit Ihrer Nichte und – aber Sie sehen unwillig aus – ich habe Sie beleidigt!«

Es war hohe Zeit, daß Mauleverer diese Frage that; denn während der ganzen Schilderung des Grafen, hatte das dunkle Angesicht seines Gesellschafters im buchstäblichen Sinne gebrannt vor Wuth; und wir können hier bemerken, wie überhaupt die Selbstsucht, die den Mann von Welt macht, denn doch ihren Eigner, vermöge eines seltsamen Widerspruchs hindert, es darin zur höchsten Vollkommenheit zu bringen. Denn Mauleverer, ganz beschäftigt mit dem Vergnügen, das er über seinen Wiz empfand und nie mit jenem magischen Vermögen begabt, in die Gefühle Andrer sich zu versezen, was den unabläßigen lebhaften Beobachter macht, hatte keinen Augenblik daran gedacht, daß er den geheimen Stolz des Advokaten aufs Empfindlichste beleidige. Ja, so wenig vermuthete er von Brandon's wirklicher Schwäche, daß er ihn für einen Filosofen hielt, welcher ebenso über Leute wie über Grundsäze lache, wie nahe ihn auch jene angehen und wie wichtig leztere sein mochten. Mit einer einzigen Willensanstrengung, welche seiner Wange wieder ihre gewöhnliche, ruhige Farbe gab, bemeisterte Brandon die äußern Zeichen seines Unmuths und erwiederte:

»Mich beleidigt! keineswegs, mein lieber Lord. Ich wundre mich nicht darüber, daß Ihr Zustand in einem alten Landedelmanns-Hause peinlich und unangenehm sein mag, das seit Jahrhunderten nicht mehr der Schauplaz von auffallenden, der Gegenwart eines so ausgezeichneten Gastes werthen Begebnissen ist. Nie mehr, darf ich sagen, seit der Zeit, da Sir Charles de Brandon Elisabeth in Warlock bewirthete; und ihr Vorfahr, John Mauleverer, (Sie kennen ja meine alten, muffigen Forschungen über diese Punkte der dunkeln Vorzeit,) ein bekannter Goldschmied in London, lieferte das Service bei jener Gelegenheit.«

»Gut heimgegeben« sagte Mauleverer lächelnd: denn der Graf hegte zwar große Verachtung gegen niedrige Herkunft bei Andern, aber in Beziehung auf seine Familie war er von allem Stolz frei. »Gut heimgegeben; aber ich wollte ja gar nichts als über Ihres Bruders Haushaltung meine Freude haben, ein Spaß, der wahrhaftig einem Mann gestattet sein sollte, dessen ekle, übertriebne Weichlichkeit in diesen Dingen längst ein stehender Gegenstand des Scherzes ist. Aber, beim Himmel, Brandon, um diese Dinge jezt zu verlassen, Ihre Nichte ist das hübscheste Mädchen das ich seit zwanzig Jahren gesehen, und wenn sie vergessen könnte daß ich der Abkömmling von John Mauleverer, dem bekannten Londoner Goldschmid bin, so könnte sie Lady Mauleverer werden, sobald es ihr gefällt.«

»Nun ja, lassen Sie uns jezt ernsthaft reden und von der Richterstelle sprechen, « sagte Brandon, der sich die Miene gab, als behandle er den Antrag wie einen Scherz.

»Bei der Seele des Sir Charles de Brandon, es ist mein Ernst!« rief der Graf, »und zum Beweis hievon: ich hoffe Sie erlauben mir, Ihrer Nichte heute meine Achtung zu bezeugen, – noch nicht mit meinem Antrag in der Hand, – denn es muß eine Neigungspartie sein von beiden Seiten,« und in den Spiegel gegenüber schauend, der seine etwas abgelebten aber einnehmenden Züge unter einer sammtnen, mit Spizen besezten Nachtmüze, zurükwarf, lachte er halb triumfirend zu diesen Worten.

Ein höhnisches Lächeln flog über Brandons Lippen und verschwand augenblicklich wieder; indeß fuhr Mauleverer fort:

»Und was die Richterstelle betrifft, lieber Brandon – so rathe ich Ihnen, sie anzunehmen, obgleich Sie selbst das am besten verstehen müssen; und ich denke Niemand hat eine schönere Aussicht auf die Oberrichterstelle, oder gar – wenn es auch einigermaßen ungewöhnlich ist bei Advokaten aus den Gemeinen – auf den Wollsak selbst? Wie Sie sagen, der zweite Sohn Ihrer Nichte kann dann die Peerswürde erben.«

»Gut, ich will mich beifällig darüber erklären,« sagte Brandon und bald darauf ließ er den Edelmann allein, damit er wieder zu seiner unterbrochenen Ruhe komme.

»Ich kann über den Mann nicht lachen,« sagte Mauleverer bei sich selbst, wie er sich im Bette umkehrte, »obgleich er so Vieles an sich hat, worüber ich bei einem Andern lachen würde; und wahrlich es ist da eine Kleinigkeit um deren willen ich ihn verachten könnte, wenn ich kein Filosof wäre. Seine Nichte ist ein bildhübsches Mädchen, und bei geeigneter Anleitung könnte man mit ihr Ehre aufheben; zudem besizt sie sechszigtausend Pfund baar Geld, und wahrhaftig! ich habe keinen Schilling zu meinem Vergnügen, obgleich ich fünfzigtausend Pfund jährlich zum Behuf meiner Einrichtung habe, oder, ach leider! hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach erbt sie auch den Advokaten und der muß wenigstens eben so viel sich gemacht haben, als sie Vermögen hat; auch stekt er, der arme Teufel, in keiner besonders guten Haut. Und wenn er sich gar zur Peerswürde emporschwingt! und der zweite Sohn – – nun gut! es wird keine so schlimme Partie für den Abkömmling des Goldschmids werden.«

Unter diesen Gedanken entschlummerte Lord Mauleverer wieder. Nachmittags stand er auf, kleidete sich mit ungewöhnlicher Sorgfalt und wollte eben der Miß Brandon seinen Besuch machen, als er sich plözlich besann, daß der Oheim ihm weder ihre noch auch seine Wohnung genannt habe. Er wollte sich aus dem Brief des Advokaten vom vorigen Abend Raths erholen – aber keine Adresse war angegeben und so sah sich Mauleverer zu seinem großen Verdruß genöthigt, für diesen Tag dem Vergnügen zu entsagen, das er sich versprochen hatte.

Der schlaue Advokat, der, wie schon gesagt wurde, Prunk und äußern Pomp so sehr als irgend Einer verachtete, war troz dem gegen ihre Wirkung, selbst bei einem Liebhaber, nicht blind; und zudem war Lord Mauleverer ein Mann, dessen Lebensweise auch einen Menschen von wenig Beobachtungsgeist veranlassen mußte, dem Punkt eines glänzenden Haushalts eine gewisse Aufmerksamkeit zu widmen. Deßwegen stand es bei Brandon fest, daß Lucie von ihrem Bewunderer nicht eher besucht werden sollte, als bis der Umzug in ihre neue Wohnung bewerkstelligt wäre; auch empfing erst am dritten Tag nach der erzählten Unterredung zwischen Mauleverer und Brandon der Graf von dem Advokaten einen Brief, der dem Anschein nach nur politische Gegenstände betraf, der aber Angabe der Straße und des Hauses in bester Form enthielt.

Mauleverer antwortete in Person. Er fand Lucie zu Hause und schöner als je; und von diesem Tage an war sein Herz, wie die Mütter sagen, gefangen und seine Besuche kehrten regelmäßig wieder.


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