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Zu Heinrichs Unglück und des von Gendorf Rettung aber war der erstere erkannt worden. Unter den Gästen, mit denen Heinrich verkehrte, befand sich ein Annaberger Kaufmann, der ihn in Annaberg gesehen hatte, und ein Unterthan des Burggrafen, ein Kaufmann von Luditz in Böhmen, der auf das burggräfliche Wappen in Heinrichs Siegelring aufmerksam wurde. Als Heinrich letzteres bemerkte, drehte er den Ring in die Hand hinein, was natürlich den Verdacht nur schärfte. Diese beiden Leute benachrichtigten den von Gendorf von ihrer Entdeckung, worauf derselbe Heinrich, der ihm bis dahin immer ausgewichen, zu Gesicht zu bekommen suchte und ihn alsbald erkannte. Gendorf machte darauf im Gasthofe bekannt, daß er nun aufbrechen wolle, und sofort ließ auch Heinrich seine Pferde satteln. Während aber Heinrich auch noch einen Gang in die Stadt that, ließ der von Gendorf die Stadtdiener kommen und Heinrich, als er wiederkam und sich zu Pferde setzte, samt dem Truchseßschen Knechte im Namen König Ferdinands in Haft nehmen. Heinrich suchte sich anfänglich durchzuschlagen und berief sich dann auf sein kaiserliches Geleit, was aber von Gendorf für längst kassiert erklärte. Der Ärger über das an Heinrich verschwendete Ehrengeschenk wird die Herren von Nürnberg auch nicht sehr wohl für ihn gestimmt haben. Gendorf berichtete am 14. April den ganzen Vorgang an König Ferdinand nach Augsburg, und reiste auch selbst dahin ab. Unterm 22. April erging ein königliches Reskript an den Rat zu Nürnberg, darin Heinrichs und seiner Diener Verhaftung zu besonderm gnädigsten Gefallen angenommen und zugleich befohlen wurde, die Gefangenen bis auf weitere Verordnung wohl zu verwahren und, wo es nicht schon geschehen, voneinander abzusondern.

Kammerrat von Gendorf kam mit königlicher Instruktion am 2. Mai nach Nürnberg zurück, hatte schon in Schwabach Erkundigungen eingezogen, übergab dem Rate sein Beglaubigungsschreiben und begehrte, daß durch einige Verordnete des Rats, in seiner Gegenwart, zuerst der Knecht und dann der Herr über gewisse ihm mitgegebene Artikel vernommen, das Protokoll an den König eingesendet und die Gefangenen bis auf weitern Befehl wohl verwahrt werden möchten. Da der Rat von Nürnberg Anstand nahm, diese Vernehmungen selbst zu besorgen, so nahm sie von Gendorf vor und verhörte am 7. Mai zuerst den Knecht, der aber nichts anzugeben wußte, als daß es Heinrichs Vorsatz gewesen, dem von Gendorf aufzulauern und ihn niederzuwerfen. Folgenden Tags nahm er Heinrich selbst vor und mußte sich den ganzen Tag mit Zureden, Drohen und Vertrösten erschöpfen, bis er ihn zum Geständnis gebracht, daß er ihn habe niederwerfen wollen. Heinrich erklärte nun auch, daß er, »wenn ihm auch der böhmische Kanzler (sein Bruder) aufgestoßen wäre und er dessen mächtig werden können, er ihn nicht würde ausgeschlagen haben, jedoch nicht um ihm an Leib und Leben Schaden zu thun, sondern um zu einiger Zehrung zu gelangen und etwa auch einen vorteilhaften Vertrag zu erzwingen.« An dem von Gendorf habe er sich zugleich etwas rächen wollen, da er ihm zum öftern nachgetrachtet und einige Personen, die für ihn gehalten worden, habe festnehmen wollen. Seine übrigen ihm vorgehaltenen Übelthaten gestand er meistenteils ein. Zuletzt ward er sehr demütig. Er bat Gendorf um Verzeihung und ergab sich in die Gnade der Herrscher. Er hatte wohl Grund, zu bitten, »daß die Majestäten bedenken möchten, wie er zu der Sache gekommen und wie es ihm allezeit ergangen sei. Er habe sich freilich unablässig als einer erzeigen müssen, der alles gethan, um bei Ehren zu bleiben, habe auch öfters großes Elend und Armut erleiden müssen, welches ihn zu vielem verleitet; er sei auch durch heillose Leute irre gemacht worden, und da er öffentlich für einen Feind des Königs erklärt worden, so sei es nicht zu verwundern, wenn er auch wohl einmal feindlich gehandelt habe; immer aber habe er nur gesucht, zu einem leidlichen, billigen Vertrag zu kommen. Die Majestäten und sein Herr Bruder, der Oberstkanzler, möchten beherzigen, daß, wie vor Augen läge, er schon so alt und schwach wäre, daß er nicht wohl über ein paar Jahre mehr leben könne.« Gendorf vernahm hierauf den Knecht Metzger nochmals und schickte, unter dem 12. Mai, die Protokolle an den König nach Augsburg, wobei er auch anführte, daß die Knechte und Anhänger Heinrichs die Straßen allerwärts durch Raub und Mord unsicher machten. Am 29. April seien einige böhmische Unterthanen bei Waldsachsen auf der Straße beraubt, und vor kurzem sei ein Nürnberger Handelsmann bei Saalfeld auf der Heide mit vielen Wunden ermordet worden. Bereits seien deshalb die von Nürnberg von verschiedenen Orten her um Loslassung der Gefangenen angegangen worden und möchten dieselben in der That gern von dannen sehen, damit ihre Bürger nicht in Gefährdung kämen. Heinrich habe übrigens anfänglich die stärksten Weine, als Rheinfall, Malvasier und dergleichen begehrt und Tag und Nacht große Kannen davon ausgetrunken. Jetzt lasse er ihm nur nach Notdurft Wein geben, aber doch koste sein Unterhalt, außer Knecht und Pferden, wöchentlich 7-8 Fl. Auch an den Burggrafen schrieb er und ermahnte auch hier, den Gefangenen von Nürnberg fort und etwa nach Böhmen bringen zu lassen; in Nürnberg möchte er ihnen zuletzt wieder entgehen, zumal sich viele Herren und Edelleute bei den Herren von Nürnberg um dessen Erledigung bemüht haben sollten.

In der That wurden die Gefangenen bald darauf, auf kaiserlichen und königlichen Befehl, nach Augsburg gebracht, und daselbst am 8. und 9. Juni vor den kaiserlichen Alkalden Dr. Zynner, Beisitzer des Kammergerichts, und einige zugeordnete kaiserliche und königliche Räte gestellt. Nach der gütlichen Befragung wurde zur peinlichen Frage geschritten, ohne die man in jener Zeit eine Untersuchung nicht für vollständig hielt. Sie erfolgte bei Heinrich am 20. Juni 1548 im Beisein des Alkalden, welcher vorher protestierte: »ob dem Gefangenen was Schaden an seinem Leibe, Leben oder Gliedern in der strengen Pön geschehen möchte, daß er daran gänzlich keine Schuld haben wolle.« Heinrich aber protestierte: »ob er weiter dann bevor bekennen würde, daß er mit peinlicher Frage dazu gedrungen worden, auch dasselbige als die Unwahrheit vor seinem letzten Ende widerrufen haben wollte.« Er wurde darauf besonders wegen des Hirnhoferschen Mordes, wegen des Betrugs mit dem königlichen Insiegel, wegen der Attentate auf die Schlösser des Burggrafen, wegen eines am 17. März 1548 vorgekommenen Straßenraubes, und ob er dabei zugegen gewesen, und wegen seiner Absicht in Nürnberg befragt. Da er nicht mehr als vorher bekennen wollte, so wurde er an das Seil gebunden und damit angezogen. Da aber nichts weiteres aus ihm zu bringen und der Profoß anzeigte, daß er mit einem merklichen ausfallenden Bruch behaftet sei, wurde er wieder losgemacht und ihm von dem Alkalden eine dreitägige Frist, um seine rechtliche Notdurft in betreff des von ihm Bekannten beizubringen, gegeben. Er antwortete: »er wisse nichts dagegen fürzubringen und begehre Gnade. Sofern aber die Kaiserliche Majestät sie ihm nicht widerfahren lassen wolle, bitte er, ihm einen Priester zuzugeben, damit er wie ein Christ versehen werden möchte.« Nun mischt sich der Konfessionspunkt ein. Der Alkalde erwiderte nämlich: »Die kaiserliche Majestät werde ihm nicht abschlagen, so es zu dem Fall käme, einen Priester der alten Religion zuzuordnen, und das hochwürdige Sakrament nach altem Gebrauch reichen zu lassen.« Heinrich versetzte: »er habe soeben das hochwürdige Sakrament in beiderlei Gestalt genommen, und sei der Gebrauch, daß man einem auflege, er solle es hernach nie wieder in einer Gestalt nehmen; er bitte daher, ihm dasselbe wieder und also zu reichen.« Es hat ihm aber der Alkalde zu vernehmen gegeben: »Die kaiserliche Majestät habe es bisher nicht so gehalten, und glaube er demnach auch nicht, daß sie es thun werde. Inquisit möge sich also bedenken und seiner Seelen Heil bedenken, denn das sei seiner von Gott vorgesetzten Obrigkeit Befehl.« An demselben Tage ward auch, sehr unnötigerweise, der Knecht Ludwig Metzler peinlich befragt, konnte nichts weiter aussagen, weil er nichts wußte, und bat um Gnade, wie denn auch Heinrich für ihn bat und seine Unschuld bezeugte.

Der Alkalde und die ihm zugeordneten kaiserlichen Räte fertigten nun folgendes Urteil:

»Als in Besichtigung der Inquisition und peinlichen Proceß auf Befehl kaiserlicher Majestät, und von Amtswegen wider der sich nennt den Eltern von Plauen, fürgenommen worden, auch der vielfältigen Bekenntnissen desselben Heinrichen, so er mehrentheils außerhalb peinlicher Frag gethan, sich befunden hat, daß gemeldter vermeinte von Plauen etliche Personen raublich angegriffen und beraubt, auch andere beschwerliche Mishandlungen begangen, und noch mehr durch sich und andere angerichtete Personen, zu begehen, in Uebung und nächster Zubereitung geweßt, derhalben er Leib und Leben verwirkt; demnach auf Befehl Kaiserlicher Majestät ist durch Ihrer Majestät Alkalde oder Ober-Hof-Richter auch die zugeordnete Kaiserliche Räthe zu Recht erkannt, daß gemeldter von Plauen aus dem Kaiserlichen Gefängniß, darinnen er verwahret worden ist, durch den Nachrichter, auf die gewöhnliche Kaiserliche Richtstatt in dieser Stadt Augsburg geführet, und alda mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht werden soll, ihm selbst zur Strafe um seine beschwerliche Verhandlungen und menniglich zu einem Ebenbild sich vor dergleichen zu hüten.«

Dieses Urteil, worin weder auf die Hirnhofersche Sache noch auf das Verhältnis Heinrichs zu dem Burggrafen und der Krone Böhmen Bezug genommen ist, sondern die Strafe lediglich auf die Wegelagereien der letzten Jahre basiert wird, wurde dem Heinrich am 3. Juli 1548, auf dem Rathause zu Augsburg, im Beisein Johann Koblins, verordneten Gerichtsschreibers, und zweier Zeugen, eröffnet, sofort aber beigefügt:

»Daß Kaiserliche Majestät in Bedenkung der trefflichen Fürbitte Römischer, zu Hungern und Böheim Königl. Majestät, Ihrer Kaiserlichen Majestät freundlichen lieben Bruders, dem gemeldeten Heinrichen, vermeynten von Plauen, aus Gnaden sein Leben geschenkt, und die gemeldte Strafe des leiblichen Todes in eine andere Strafe verwandelt, nemlich, daß er, Heinrich, in ewige Gefängniß genommen und also verwahret die Tage seines Lebens darinnen enden, auch deshalb er alsobald hochgedachter Königlicher Majestäten Profoßen, mit Namen Ottmar Peuerl, überantwortet werden sollte, denselben ferner seinem habenden Königlichen Befehl nach mit sich zu nehmen, zu halten und mit Fleiß zu verwahren.«

Der Knecht Ludwig Metzler dagegen wurde am 5. Juli 1548 der Haft entlassen, mußte aber »einen leiblichen Eid zu Gott und den Heiligen schwören, daß er wider Kaiserliche und die Römisch Königliche Majestät und derselben Königreich, Fürstentum und Erblande nimmermehr dienen und weder Rath noch That wider Ihre Majestät geben noch leisten wolle, und daß er auf ein ganz Jahr lang nach seiner Erledigung kein Gewehr tragen und auf keinem Gaul von Reitens wegen sitzen solle, alles bei Straf an Leib und Leben, nach der Kaiserlichen Majestät Ermessen.«

Unter dem 3. August reskribierte hierauf König Ferdinand an den Burggrafen und Oberstkanzler nach Prag: wie er auf die mit ihm genommene Abrede entschlossen sei, den Gefangenen auf dem königlichen Schlosse Agstein, zwischen Melk und Stein, verwahren zu lassen. Der Oberstkanzler möge »seinem gethanen Bewilligen und Erbieten nach,« zwei vertraute Personen, die den Gefangenen bei Tag und Nacht bewachen sollten, nach Wien schicken und den nötigen Unterhalt für sie und den Gefangenen anweisen. Der Oberstkanzler erwiderte unter dem 18. August: daß er in Böhmen dergleichen Personen, die einen solchen listigen Gefangenen, der schon aus Gefängnissen entkommen, zu verwahren geeignet wären, nicht finden könne, und auch aus vielen beweglichen Ursachen nicht wohl thunlich wäre, aus seinen eigenen Leuten bei der Verwahrung desselben zu haben, indem ihm dies viel Verdacht bringen könne. Im übrigen verstand er sich dazu, die nötigen Unterhaltskosten jederzeit dahin, wo der König es wünsche, zu entrichten, bat aber, unnötige Unkosten möglichst zu vermeiden, auch den Gefangenen wohl verwahren und in acht nehmen zu lassen, »damit sonst nicht die letzten Dinge ärger würden, als die ersten, und hingegen dadurch Ihro Majestät selbst, die Krone Böhmen und der Oberstkanzler für mehreren Unrat sicher gestellt sein mögen«. Mit diesem Schreiben fertigte er einen Diener nach Wien ab, der zugleich das Nötige vorläufig besorgen, den erforderlichen Vorschuß machen, dabei aber auch darauf antragen sollte, daß Heinrich, »um besorglichen Mißbrauchs willen,« alles Geld, nebst dem Petschaftringe mit dem Plauischen Wappen, abgenommen würde. Der König übertrug die Oberaufsicht über den Gefangenen und die zu dessen Verwahrung zu treffenden Anstalten seinem Hofmarschall von Trautsam, Freiherrn zu Sprechenstein. Zu Anfang des September wurde der Pfleger des Schlosses zu Agstein nach Wien gefordert, um wegen Unterbringung und Verpflegung des Gefangenen mit ihm zu sprechen.

Inzwischen brachte es der Oberstkanzler dahin, daß der Gefangene, durch den königlichen Rat Zoppel zum Haus und den Sekretär Chrysogonus Dietz, über 56 Fragstücke vernommen wurde, welche besonders seine Helfershelfer und seine Anschläge gegen die burggräflichen Güter, namentlich aber sein Verhältnis zu Heinrich dem Ältern Reuß von Plauen sowie seine Absichten bei seiner letzten Reise betrafen. Der Burggraf hatte damals die Besitzungen jenes seines Vetters inne und hätte wohl gern einen Grund mehr gegen ihn gehabt. Heinrich sagte aber nichts Erhebliches aus, und den genannten Reuß sprach er von aller Teilnahme an gefährlichen Ratschlägen frei. Bei seiner letzten Reise habe er nur die Absicht gehabt, mit seinem Sachwalter Dr. Rummel zu Nürnberg zu sprechen und hierauf in Augsburg einen Versuch zu machen, ob er nicht, unter Erlangung eines jährlichen Unterhalts von 500 Fl., einen annehmlichen Vergleich treffen könne. Zu solchem Vergleich sei er auch jetzt noch bereit, damit er nicht »seinem Vater zu schanden allda sein Lebelang sitzen und endlich wohl gar an seiner Seelen Seligkeit Schaden leiden müsse«. Das Protokoll unterschrieb er noch immer also: Heinrich der Ältere Burkgraf zu Meißen, Graf zum Hartenstein, und Herr zu Plauen.

Man hatte sich entschlossen, ihn nicht zu Agstein, sondern zu Wien zu verwahren. Es ward deshalb in einem Hause am Neuen Markt, im zweiten Stock, eine Stube mit starken Brettern, Hölzern und Blechen unterschlagen. Im innern Verschlage sollte der Gefangene ein Bett, Stuhl, Tisch, und eine »Heimlichkeit zur Reinigung seines Leibes« haben. Der andere Teil der Stube aber, außer dem Verschlag, nebst der Kammer daran und einer Küche, sollte für den Aufseher des Gefangenen und dessen Hausstand eingerichtet werden. Das nötige Tischzeug war für den Gefangenen anzuschaffen. Die Oberaufsicht über ihn sollte der königliche Hofmarschall und in dessen Abwesenheit die niederöstreichische Regierung führen. Die Unterhaltskosten hatte der Burggraf zu tragen und an den Unterburggrafen der königlichen Burg zu zahlen. Zum Unteraufseher und Wärter des Gefangenen wurde ein ehemaliger Hartschierer, Melchior Melwitz, bestellt und erhielt eine vom König Ferdinand eigenhändig korrigierte und unterschriebene Instruktion, vom 13. Oktober 1548. Nach derselben sollte 1) ohne Vorwissen der Aufsichtsbehörde nichts mit dem Gefangenen vorgenommen werden. 2) Der Melchior, samt seinem Weibe, einer Magd und einem zuverlässigen Manne, sollte bei Tag und Nacht den Gefangenen in genaue Obacht nehmen, damit derselbe nicht entkomme noch sich an seinem Leibe etwas zufüge. 3) Alle Schreibrequisiten, Messer und andere zum Schreiben und Ausbrechen dienliche Werkzeuge sollten ihm gänzlich untersagt bleiben. 4) Melchior hatte den Schlüssel zum Behältnis beständig bei sich zu tragen und niemand zu dem Gefangenen einzulassen. 5) Wenn der Gefangene krank und schwach würde, oder, einige Male im Jahre, den Priester, Es versteht sich, daß dabei ein katholischer Priester vorausgesetzt ist. oder Aderlassens, Schröpfens, Badens oder Kopfreinigens halber, Arzt oder Barbier bedürfte, so sollte solches angemeldet werden. 6) Des Gefangenen Bett sollte täglich durch des Melchiors Weib, in dessen Beisein, gemacht und die Heimlichkeit gesäubert, alle acht Tage aber die Bettlaken und Hemden neugewaschen, auch die übrige Kleidung beständig reingehalten werden. 7) Dem Gefangenen sollten täglich zweimal, mit Berücksichtigung der Fleisch- und Fischtage, zu jeder Mahlzeit vier bis fünf Gerichte, von des Melchiors Weib sauber und rein gekocht, gereicht werden. An Fasttagen sei ihm, außer wenn die Ärzte es verordneten, kein Fleisch zu geben. 8) Zum Getränk sollte man ihm ziemlich guten Wein »und, so er es begehrte und es zu bekommen,« Bier nach Notdurft verabreichen. 9) Das Tischlein sollte allezeit mit saubern Tischtüchern belegt sein, und solange der Gefangene speiste, einer bei verschlossenen Thüren dabei bleiben. 10) Zum Zeitvertreib sollte der Gefangene Bücher und zwar geistliche, » doch nicht lutherische und andere, dem wahren heilwürdigen und christlichen Glauben entgegenhandelnde, und weltliche, alte römische und dergleichen Historien bekommen,« ihm auch gestattet werden, »zuzeiten mit dem Melchior und seinem Weib um geringes Geld mit den Karten zu kurzweilen.« 11) Alle Kosten, die in Krankheitsfällen oder für Kleider entstünden, sowie der Hauszins, sollten durch den Burggrafen in der königlichen Burg berichtigt werden. 12) Melchior sollte für Unterhalt und Wartung des Gefangenen, auch Haltung des Gesindes, wöchentlich 5 Thlr., und zwar jederzeit auf eine Woche im voraus, wie auch für seine Mühe vierteljährlich 10 Fl. erhalten. Als das Gefängnis eingerichtet war, forderten der Rat Zoppel und der Sekretär Dietz dem Gefangenen den Ring mit dem plauenschen Wappen ab. Er gab ihn sehr ungern her und behauptete, denselben der Frau des Profoßen geschenkt zu haben. Der Ring wurde dem Burggrafen zugeschickt, welcher dem Weib und Gesinde des Profoßen dafür 10 Thlr. zustellen ließ. Geld hatte der Gefangene nicht bei sich, und seine im Reiche noch außenstehenden Forderungen wollte er, »weil man also mit ihm umginge,« nicht offenbaren. Am 15. Oktober 1548 wurde er in sein Behältnis gebracht, und wir haben über sein weiteres Leben und die Zeit seines Todes keine Nachricht auffinden können.

Der Burggraf erhielt noch am 5. Oktober 1548 abermals eine Urkunde, worin er wegen der seinem für unecht erklärten Bruder ehedem beigelegten Titel nochmals gegen allen Nachteil sichergestellt wurde. Und doch war all dieses Mühen und Sorgen eitel, indem sein Stamm zwar nicht durch einen Prätendenten seiner Rechte und Güter beraubt werden, wohl aber gar bald in sich selbst erlöschen sollte. Heinrich V. starb am 19. Mai 1554 im Feldlager vor Plassenburg. Er hinterließ zwei Söhne. Der älteste, Heinrich VI., starb am 24. Dezember 1568, der jüngere, Heinrich VII., am 22. Januar 1572; beide erblos. Mit ihnen erlosch die burggräfliche Linie der alten Reuße von Plauen. Heinrich VII. hatte schon 1569 seine voigtländischen Besitzungen, namentlich die Ämter Plauen, Voigtsberg und Pausa, definitiv an August von Sachsen überlassen, welcher schon seit einem Jahrzehnt Pfandinhaber derselben war. An die Reuße, mit denen die Burggrafen in Zwist gelebt und sich über dieselben zu bereichern gesucht hatten, kamen von dem Erbe der letztern nur Schleiz, Lobenstein, Saalburg und Burg. Die Burggrafschaft war schon längst Vgl. S. 5, Anm. in den Händen der Wettiner. Am 26. Februar 1579 verlieh Kurfürst August dem böhmischen Edeln Wilhelm von Rosenberg und dessen Erben den burggräflichen Titel gegen einen Revers, sich deshalb nichts zum Nachteile des Hauses Sachsen anmaßen zu wollen, dem es auch unbenommen blieb, ebenfalls das burggräfliche Wappen zu führen. Auch diese Titularburggrafen erloschen vor Ablauf eines Jahrhunderts. Den Reußen gelang es nicht, ihre auf falsche und erschlichene Dokumente gestützten Prätensionen durchzuführen. Aber auch das Haus Sachsen konnte, weil bald äußere Verhältnisse, bald die unselige Uneinigkeit der Ernestiner und Albertiner hinderlich waren, erst 1803 die Stimme des Burggrafentums auf dem bald erlöschenden Reichstage erlangen.

Die in obigem dargestellte, gewiß ebenso merkwürdige als rätselhafte Begebenheit scheint zur Bewährung des Ausspruchs zu dienen, welchen Märcker, der vortreffliche Geschichtschreiber des Burggrafentums Meißen Märcker, a. a. O. S. 362. thut: daß ein atridischer Fluch auf diesem Zweig des plauenschen Geschlechts gelastet habe. Heinrich II. hatte für seinen Sohn Heinrich III., unter Eingehung schwerer Bürgschaften, eine Ehe mit der Tochter eines von Rosenberg bedungen; der Sohn aber vermählte sich mit »eines frommen Ritters Tochter,« und »wiewol sie von einem trefflichen geschlechte gewest ist,« so hätten »dennoch die Mannen, mitsamt dem alden von plauwen seinem Vater, gerne gesehen, das er sich nicht genydet Geniedert. Sie hätten gewünscht, daß er keine Frau niederen Standes gewählt hätte als der seine war. (Diese hier angeführte Stelle wird von Märcker a. a. O. S. 361 aus Akten citiert, die sich im Königlich sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden befinden. G.) hette, unnd sinen vater umb ein groß gut und habe gen dem von Rosenberg brachte, seine treuwe unnde Ere wider zu kauwffen; also nam der alde von plauwen nicht unbillich gen seinem sone einen zorne für und entsatzte yn von allen seinen Slossen und Stetten, die er hatte, die denn eines teiles in fremde hennde quwamen; und kurtz darnach da ward dem alden von plauwen vergeben, das er starb, und öffentlich dem Jungen von plauwen warlich schuld gegeben, daz er yn vergeben hett.« Gewiß ist jedenfalls, daß Heinrich II. noch am 7. Mai 1446 sich dem Herzog Friedrich zu Sachsen auf drei Jahre zum Dienst verschrieb, und am 7. Juni desselben Jahres urkundlich als verstorben erwähnt wird, folglich jedenfalls sein Ende ein plötzliches und unerwartetes gewesen ist, sei es nun, daß Zorn und Streit, oder daß eine in jeder Beziehung unnatürliche Übelthat ihn dahingerafft hat. Von Heinrich III. wird aber auch gesagt, daß, wie sein Vater dem seinigen »mit ungebührlichen Worten nachgesprochen,« er es ebenso schlimm gemacht. Märcker, a. a. O., S. 360. Heinrich III. ward auch namentlich durch seine Gemahlin, die es den Vasallen nicht vergeben konnte, daß sie gegen ihre Heirat gewesen, zu manchen Grausamkeiten gegen seine Unterthanen verleitet, welche ihm endlich die Acht vom König Georg Podiebrad von Böhmen und deren Vollstreckung durch die sächsischen Fürsten zuzogen. Die letztern erwarben bei dieser Gelegenheit Plauen. Später, als ihn ein sächsischer Vasall, Hans Weighart, auf einem Streifzuge Heinrichs, gefangen genommen und auf den Schellenberg gesetzt hatte, wollten die sächsischen Fürsten dies zwar nur als eine Privatsache zwischen Weighart und dem Burggrafen betrachtet wissen, nahmen den letztern aber doch in ihren eigenen Gewahrsam und gaben ihn nur unter der Bedingung frei, daß er, unter vielfachen Konzessionen, Verzichtleistungen und Abtretungen zu Gunsten Sachsens, seinen einzigen Sohn enterben und dafür obendrein den wie es scheint falschen Grund anführen solle, daß er ihn im Unglück verlassen. Die dem Gefangenen abgedrungenen Versprechungen wurden natürlich, wie gewöhnlich in solchen Fällen, von dem Freigelassenen nicht gehalten. Heinrich V. stellte, durch wichtige Leistungen als Staats- und Kriegsmann im Dienste Karls V. und Ferdinands I., den Territorialbesitz der burggräflichen Linie des Hauses Plauen in einer Weise wieder her, wie er in diesem Hause kaum zu Ende des 12. Jahrhunderts, unter Heinrich dem Reichen, Heinrich der Reiche, geb. um 1130, gest. um 1200, der Ahnherr der Fürsten von Reuß, erbte von seinem Vater die Vogteien Weida, Gera und Greiz, wurde später auch mit der Vogtei von Plauen belehnt, und erwarb dazu noch von Graf Hermann I. von Orlamünde die Vogtei im Regnitzland mit der Stadt Hof. G. vereinigt gewesen war. Aber wie die längste Zeit seines Glückes der berichtete Streit mit seinem Bruder getrübt hatte, so erhielten auch seine Söhne die erwartete und versprochene Entschädigung für die Opfer, die ihr Vater dem kaiserlichen Dienste gebracht hatte, nicht, traten in verschuldete Güter, mußten sich weiterer Einmischung in die Staatshändel enthalten, und statt dem zerrütteten Haushalt durch jene weise Wirtschaft aufzuhelfen, von der ihnen Kurfürst August ein so lehrreiches Beispiel gab, überließen sie sich vielmehr einem solchen Aufwande, daß ein Stück nach dem andern in fremde Hände kam und Heinrich VI. vor seinem Tode bei seinem Schwager, dem Markgrafen Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach, ein Unterkommen suchen mußte, nachdem seine ärgerlichen, nur durch ihn verschuldeten Streitigkeiten mit seiner Gemahlin bis vor Kaiser und Reich gekommen waren. Heinrich VII. litt nicht durch eigene Schuld, sondern durch die Fehler des Vaters und Bruders, die er nicht gutzumachen imstande war. Er starb aus Kummer über die Zersplitterung seiner Besitzungen, im kaum angetretenen sechsunddreißigsten Lebensjahre, ohne aus zweimaliger Ehe Kinder zu hinterlassen.

Die Angelegenheit des Prätendenten giebt unstreitig zu vielfachen Zweifeln Anlaß, zumal die genealogischen Verhältnisse des ausgestorbenen Hauses so manche Dunkelheiten lassen. Das Prager Urteil hat jedenfalls das wider sich, daß es, von einem für Gunst und Abgunst nicht unempfänglichen Gerichte, zu Gunsten eines bei dem König und den böhmischen Großen sehr einflußreichen Mannes und gegen einen heimatlosen Abenteurer gesprochen worden ist, dessen Thun und Treiben auch billige Richter wider ihn einnehmen konnte. Die eingestandene Fälschung einer königlichen Urkunde mußte ihm besonders nachteilig sein, und die Entschuldigung: »wie er freilich getrachtet, daß er bei Ehren bleiben und durch dergleichen Urkunde vielleicht seine eheliche Geburt erzeigen und beweisen möchte,« war natürlich nicht durchschlagend, wenngleich gar nicht zu behaupten ist, daß nicht auch ein von seinem Rechte aufrichtig Überzeugter zu solchen Mitteln zu greifen verführt werden kann, wenn erbitterte Gegner ihm den Beweis seines Rechts so schwierig machen. Auch haben sich offenbar üble Ratgeber an den Unglücklichen geheftet. Die deutschen Juristen scheinen einmütig dafür gehalten zu haben, daß seine nichteheliche Geburt juristisch nicht zu erweisen sei. In der That, wollen wir annehmen, daß er, wie doch seine Gegner behaupteten, vor der Verheiratung Heinrichs IV. mit der Burggräfin Barbara geboren worden, so wird es außerordentlich unwahrscheinlich, wie der Burggraf und die Burggräfin auf den Gedanken hätten kommen können, ihn für einen Sohn der letztern auszugeben. Den entfernten Verwandten und Lehensherren gegenüber ließ sich in dieser Beziehung wohl allenfalls eine Täuschung wagen; aber wie hätte man ein solches Trugspiel dem Gesinde und all den nächsten Umgebungen gegenüber durchführen wollen! Die Schwierigkeit wäre geringer, wenn er neben der Ehe erzeugt ward; aber das ist nirgends behauptet worden, stimmt auch mit seinem Alter nicht wohl, wie es nach seinen angeführten Äußerungen im Jahre 1548 erscheint. Wollte man annehmen, er sei ein Kind der ersten, in ihren nähern Umständen nicht einmal nachgewiesenen Ehe des Burggrafen gewesen und vielleicht durch die Ränke einer Stiefmutter vertrieben worden, wofür seine frühe Entfernung aus dem Hause einigermaßen sprechen könnte, so würde es doppelt unwahrscheinlich, daß sie ihn als ihren Sohn bezeichnet, so würde die Schwierigkeit der Täuschung nicht verringert, und so erwüchse die Frage, warum die Familie seiner Mutter sich seiner nicht angenommen. Die Annahme dagegen, daß er wirklich ein echter Sohn des Burggrafen und der Burggräfin gewesen, von seinen unnatürlichen Eltern aber später verleugnet worden sei, hat zwar nur wenig äußere, allerdings aber die innern Wahrscheinlichkeitsgründe gegen sich: daß man keinen Grund zu solcher Sinnesänderung weiß, daß namentlich von seiten der Mutter die Verleugnung im höchsten Grade unnatürlich wäre, und daß jedenfalls seine frühe Entfernung vom Hause, während die jüngern Kinder alle daheim erzogen wurden, darauf hindeutet, daß es mit ihm eine besondere Bewandtnis gehabt habe. Wollte man annehmen, daß er durch irgend eine anstößige Richtung oder That so bittern Groll seiner Eltern auf sich gezogen, so widerspricht dem eben die frühe Jugend, in der er vom Hause entfernt worden, die Gunst, die ihm seine Erzieher und die Freunde und Verwandten des Hauses schenkten, selbst der Eifer, mit welchem seine vermeinten Eltern sichtbar auch nach der Verstoßung für ihn zu sorgen beflissen waren. Denn überhaupt erst nach dem Tode des Vaters, und wie er es bloß mit dem Bruder zu thun hat, wird das Verhältnis gegenseitig tief verbittert und lieblos, und erst dann sinkt auch er selbst immer tiefer. In betreff der Zeugnisse der Margareta Pigkler, die dem Jüngling auf einmal als Mutter vorgestellt wird, und die, wenigstens nach seiner Behauptung, geneigt gewesen sein soll, ihre Aussage wieder zurückzunehmen, sowie des Priesters, der das Kind als ein uneheliches getauft haben will, ist bei dem Mangel an gründlicher und unparteiischer Untersuchung wenigstens der Verdacht nicht ganz abzuwehren, daß ihre Äußerungen erkauft oder erpreßt waren. Und auch wenn die Pigkler dem Burggrafen ein uneheliches Kind geboren, und auch wenn der Priester ein solches getauft hätte, war das derselbe Heinrich, den der Burggraf und die Burggräfin so lange als ihren ehelichen Sohn erzogen hatten? Konnte namentlich der Priester dies mit irgend einiger Sicherheit verbürgen? Da müßte er ja selbst in den Betrug eingeweiht gewesen sein! Daß der Prätendent von seiner Schwester, von den Verwandten, Freunden und Vasallen des Hauses anerkannt und zum Teil auch nach seiner Verleugnung noch unterstützt worden, daß die sächsischen Herzoge Heinrich und Moritz ihn mit Schonung behandelt wissen wollten, daß so viele sich für ihn interessierten, kann in dem frühern Betruge der Eltern, in natürlichem Mitleid mit dem Jüngling, mit dem ein so grausames Spiel getrieben worden, selbst in dem Wunsche, dem burggräflichen Hause Verlegenheiten zu bereiten, überhaupt im Parteiwesen der Zeit, kann aber auch in einer Überzeugung von der Gerechtigkeit seiner Sache seinen Grund gehabt haben. Bemerkenswert ist es auch, daß man es in Annaberg zu keinem Strafurteil gegen ihn bringen konnte, der Burggraf sogar in Kosten und Sachsenbuße verurteilt wurde, und nicht einmal von einer Bestrafung des Knechtes, der seinen Anteil an der Ermordung Hirnhofers gestanden haben soll, berichtet wird. Alle diese Rätsel und Dunkelheiten, bei deren Häufung übrigens auch der Gebrauch des Hauses, nur den einen Namen Heinrich zu führen, seine Rolle gespielt hat, werden hienieden schwerlich gelöst und gelichtet werden; aber wohl dürfen wir annehmen, daß der Unglückliche selbst von seinem Rechte tief überzeugt war, und mögen die Verwilderung, in die er geriet, und die ihm sein letztes herbes Geschick bereitete, durch das verworrene und verwirrende Verhältnis, in das er versetzt worden, wohl erklärt finden. Wir folgten bei obiger Darstellung, die eine Revision und Ergänzung eines in den Neuen Jahrbüchern der Geschichte und Politik (Jahrg. 1849, Bd. I, S. 289 fg.) enthaltenen Aufsatzes ist, im wesentlichen einer ziemlich seltenen Schrift, welche unter dem Titel »Beitrag zur Geschichte der vormaligen Burkgrafen zu Meißen aus dem Geschlecht der Herren von Plauen, oder sichere Nachricht von dem Rechtsstreit weiland Herrn Heinrich's des V., Burkgrafen zu Meißen Herrn von Plauen, Königl. Böhmischen Oberst-Canzlers mit einem gewissen Heinrich, der sich für einen älteren leiblichen Bruder desselben ausgegeben, und des Letztern sonderbaren Begebenheiten aus Archival-Urkunden gezogen,« 1770 zu Schleiz bei Johann Gottlieb Mauken erschienen und von dem Hofrat Bretschneider daselbst verfaßt ist.


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