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Viktor Heller hatte das Licht der Welt in Kopenhagen erblickt.
Arnold, ein junger Dichter ohne Publikum, und Nanna, seine Geliebte, nicht aber seine angetraute Frau, trugen die Verantwortung für seinen Eintritt in die Welt.
Ein freudiges Ereignis war es just nicht gewesen, obgleich er in Liebe gezeugt worden war, Liebe aber genügt nicht immer, jedenfalls genügte sie nicht der Familie der jungen Leute. Und da sie kein Paar werden konnten, jedenfalls nicht rechtzeitig, betrachtete man das Ereignis als einen Skandal und das Kind als ein Zeichen des Ärgernisses.
Es war noch in alten Zeiten, lange vor dem Kriege, und zu verwundern wäre es nicht gewesen, wenn der Junge nicht gedeihen wollte oder auf andre Weise von seiner Herkunft gedrückt worden wäre. Aber im Gegenteil, das Kind wog acht und ein halbes Pfund bei seiner Geburt, gedieh vortrefflich, hatte schöne blaue Augen und war überhaupt so selbstherrlich wie nur irgend ein legitimer Sprößling; ein Triumph der Liebe durch und durch.
Ehrbare Leute konnten gar nicht anders, sie mußten ihm verzeihen; und die Entrüstung wäre höchstwahrscheinlich in Vergessenheit geraten, wenn die Eltern sich nicht ganz unerhört benommen hätten. Sie wollten nichts davon wissen, daß seine Existenz mit Diskretion behandelt wurde. Im Gegenteil, sie zeigten ihn bei helligem Tage auf Straßen und Gassen, prahlten mit ihm – sie ertrotzten ihm geradezu einen Platz in der Sonne.
Leben aber mußten sie alle drei; und da die Einnahmen für Arnolds Verse und Prosa sehr spärlich flossen, sahen sie sich gezwungen, bei der Familie Hilfe zu suchen.
Es wurde ein harter, bitterer, demütigender Kampf, der damit endete, daß Arnold, als er das Honorar für seinen ersten großen Roman ausbezahlt bekam, sich kopfüber zu einer Luft- und Landveränderung entschloß.
Mit so wenig Vorbereitungen wie möglich verließen sie die heimatlichen Gefilde und ruhten nicht, bevor sie das Zimmer in der Ripetta von Rom in Besitz genommen hatten, das ein Freund und Bruder in Apoll ihnen ausgesucht hatte.
Damals war Viktor zwei und ein halbes Jahr alt. Seiner Mutter erinnerte er sich nur dunkel.
Was bewahrt ein Kind von derjenigen, die ihn getragen hat, wenn es schon in seinem sechsten Lebensjahr ihren Armen entrissen wird?
So lange, nicht länger – für sie vielleicht lange genug – hatte die Liebe zu Arnold in ihrem Herzen Raum gehabt.
Der Dichter hatte es versäumt, ihre Liebe zu nähren, – Kinder seines Gehirns, unter seinem Herzen ausgetragen, ohne Hände, die greifen konnten, doch stark genug, um die Lebenden zu verdrängen, hatten ihren Platz eingenommen.
Eifersucht, Streit und Jammer, Versöhnung und Trotz.
Viktor hatte nie recht begriffen, was eigentlich geschehen war. Er erinnerte sich nur, daß seine Mutter eines Tages nicht zu Hause war. Sein Vater hatte ihm, mit Tränen im Auge, eine undeutliche Erklärung gegeben, von einer langen Reise oder dergleichen, genug, er begriff, daß nicht mehr von ihr gesprochen werden sollte. Sie war und blieb fort – und, nachdem der erste tiefe Schmerz sich gegeben hatte, war sie auch aus seinem Leben verschwunden.
In den hinterlassenen Tagebuchblättern seines Vaters, die sein Pflegevater ihm an seinem achtzehnten Geburtstag übergeben hatte, stand unter dem Datum 2. Februar: Heute hat Nanna mich und den Jungen verlassen, um zu ... zu gehen. Ich trage die Schuld.
Hans Marquard – so hieß sein Pflegevater – war ein Maler aus dem Rheinland, gleichen Alters wie sein Vater und zur selben Zeit nach Rom gekommen. Sie lernten sich in der deutschen Künstlerkolonie kennen und waren vom ersten Tage an, bis der Tod sie trennte, Freunde.
Arnold füllte seinen Freund mit Dichterphantasien, als wäre er ein Heft mit unbeschriebenen Seiten, machte ihn trunken von der Begeisterung, die in ihm selbst glühte, bis die ehrlichen Augen des Malers sich in dem rotbäckigen, kerngesunden Gesicht weiteten und kugelrund wurden und er gestikulierend, mit linkischen Bewegungen, die Träume des Freundes, die noch in ihm lebten, wenn Arnold sie schon längst, andrer Himmelsflüge wegen, vergessen hatte, – stümpernd in die Wirklichkeit umsetzen wollte.
Arnold pflegte ihn dann spöttisch von den Höhen, zu denen er ihn selbst hinaufgetrieben hatte, herunterzuholen, bis der Maler, des Wortes ungewandt, mit geschwollenem Kamm wie ein Puter sich körperlich zur Wehr setzte, groß und stark, wie er war.
Denn es war ihm nicht gegeben, zwei gereimte Zeilen nebeneinander zu setzen, geschweige Himmel und Erde miteinander zu vermählen. Seine Begabung bestand darin, treu wiederzugeben, was das Auge sah. Seine Bilder von dem Makkaroniesser und seiner Familie aus dem ländlichen Trattorie, von den Bokkaspielern im Schutze ehrwürdiger Ruinen – damals gab es noch Bokkaspieler und noch unberührte Ruinen in der ewigen Stadt – waren Kleinkunst von einer Glaubwürdigkeit, die keiner ihm streitig machte.
Onkel Hansi war stolz auf seine Pflegevaterwürde und nahm die Aufgabe sehr ernst. Manchen Nachmittag saßen sie, bis geschlossen wurde, an einem kühlen Ort auf dem Pincio und berieten über irgend ein schwieriges Aufsatzthema.
Vik – wie Onkel Hansi ihn nannte, »bis du ein ganzer Viktor Viktor heißt »Sieger« geworden bist« – sprach drei Sprachen: seine Vater- und Muttersprache Dänisch, in der Schule und außer dem Hause sprach er wie ein Eingeborener Italienisch und mit seinem Pflegevater Deutsch, allerdings kein richtiges Hochdeutsch, denn Onkel Hansi hing noch immer etwas »Platt« aus seiner alten, gemütlichen Vaterstadt an, obgleich er im Umgang mit deutschen und skandinavischen Freunden sein Bestes getan hatte, es abzustreifen.
Wenn er zu Hause mit sich selbst sprach oder in Erregung geriet, entschlüpften ihm unversehens die possierlichsten Worte, über die der Junge sich totlachte und die er sich sofort aneignete.
Dann kam es wohl vor, daß Onkel Hansi, geehrt und mit einem Lächeln in den Augenwinkeln ihn fragte, was das für ein Kauderwelsch sei? – Er bäte um das richtige, herrliche Hochdeutsch, mit dem man weit kommen könnte, wenn man auch in einer andern Sprache geboren sei.
Gewissenhaft, wie Onkel Hansi war, sorgte er dafür, daß Vik seine Muttersprache nicht vergaß. Denn es durfte nicht geschehen, daß der Junge die Bücher seines armen Vaters nicht lesen konnte! In ihnen könne man mehr Gold finden, behauptete er, als in den meisten Büchern, die in den Bücherschränken der guten Bürger ständen, und oft nicht mehr Gold enthielten, als auf dem Schnitt zu finden war.
Die dänische Zeitung, auf die Arnold abonniert gewesen war, ließ er weiter kommen, hielt den Knaben zum Lesen an und verschaffte ihm dänische Klassiker aus dem skandinavischen Verein. Hin und wieder versuchte er sich auch selbst durch ein Buch hindurchzuarbeiten, weil es dem Knaben Spaß machte, dabei sein Lehrer zu sein.
*
Marietta, die Tochter des Gemüsehändlers, bei dem sie schon zu Lebzeiten seiner Eltern gekauft hatten, war jetzt erwachsen.
Eines Tages, als er aus der Schule kam, stand sie in der Küche und lächelte: » Buon giorno, signorino!«
Die alte Dienerin, » Dolcissima – die sehr Sanfte«, in deren eingeschrumpften Brust die Stimme eines Mannes wohnte, war plötzlich erkrankt und einige Tage darauf nach einer Operation im Krankenhaus San Giacomo gestorben.
Mehrere Tage hatte Onkel Hansi selbst die Einkäufe gemacht, hatte beim Gemüsehändler Marietta gesehen und sich gewundert, wie groß und erwachsen sie geworden war; und im Handumdrehen hatte er sie gemietet, damit sie »die Sanfte« vertreten sollte.
Marietta war ein hübsches Mädchen. Die dunklen Augen lagen tief in dem schmalen Gesicht mit dem reinen, scharfgeschnittenen Profil. Der Blick war schelmisch und gleichzeitig scheu, sie hatte runde Schultern und eine zarte Brust. Sanft war sie, treu und fleißig.
Als Viktor einmal aus der Schule kam, saß sie in der Hucke, den Rücken gegen die Wand gelehnt, ein blaues Madonnentuch über dem schwarzen Haar, das Weiß des Gesichtes leuchtete und die Hände lagen flach im Schoß.
Onkel Hansi malte sie. »Madonna«, sagte er und winkte Viktor, daß er nicht stören sollte.
Als Mariettas Augen Viktors Blick begegneten, errötete sie.
Diese kleine lebensvolle Skizze hing noch über Marquards Bett, als er starb. Da Viktor sich auf die Reise begab, hatte er sie mitgenommen, zusammen mit dem Medaillon, das seiner Mutter Bild enthielt und das er von seinem Vater geerbt hatte.
Seit Marietta ins Haus gekommen, war eine Veränderung mit Onkel Hansi vorgegangen. Der unverbesserliche Junggeselle rasierte sich jeden Morgen, wusch sich die Hände zu allen Tageszeiten und interessierte sich für Schlipse.
Schließlich bestimmte er, daß Marietta nicht allein in der Küche essen sollte. Eines Tages sah Viktor zu seiner Verwunderung, daß sie sich nicht wie gewöhnlich entfernte, nachdem sie das Essen aufgetragen hatte, sondern fein angezogen an dem runden Tisch Platz nahm, wo für sie gedeckt war.
Was ihn aber mehr als die Veränderung wunderte, war die Tatsache, daß sie ganz ohne vorherige Rücksprache mit ihm vorgenommen war, denn Onkel Hansi pflegte nichts zu unternehmen, ohne es vorher lang und breit mit seinem Pflegesohn zu besprechen.
*
Marietta war nicht mehr so heiter wie sonst. Viktor neckte sie und fragte sie nach ihrem Bräutigam. Er wußte, daß der Gemüsehändler mit einem wohlhabenden Krugwirt draußen in der Kampagna, in der Nähe von Torre Spaccata, befreundet war und von ihm seine Waren bezog. Er sei wahrscheinlich von ihm abhängig, meinte Marquard, der sich mehr für das Leben ihrer Umgebung interessierte als Viktor.
Mariettas Eltern und der Krugwirt hatten, als sie noch klein war, verabredet, daß das hübsche Mädchen und ein Neffe des Krugwirtes sich heiraten sollten. Der Bruder des Wirtes war nach Korsika ausgewandert, wie so viele andre Luccheser, die von Livorno dorthin zogen, um die von den Korsikanern verachtete Landarbeit zu verrichten, und war auf der Insel geblieben. Einer von seinen Jungen war dem kinderlosen Onkel in der Kampagna zur Pflege überlassen und mit den Jahren ein wilder, sittenloser Bursche geworden. Marquard hatte sich mehrmals beim Essen, sogar in Mariettas Gegenwart, abfällig über ihn geäußert.
Nun meinte Viktor, daß der Bräutigam ihr Sorge machte, und er hatte sie in seiner Gedankenlosigkeit geneckt, bereute es aber gleich, als er merkte, wie nah es ihr ging.
Den nächsten Tag beim Mittagessen sah er zufällig, daß Onkel Hansis Hand wie tröstend über ihren Arm strich. Er sah sie unter der Berührung erbeben, und eine Ahnung stieg in ihm auf. Er schob sie von sich, wollte nichts davon wissen. Doch kehrten Gedanken wie: weißt du noch damals? Und was geschah doch an jenem Abend? häufiger und häufiger wieder. Viktor aber wollte nichts sehen, nichts wissen. Wenn Onkel Hansi nichts sagte, sollte er wohl nichts erfahren.
Eines Morgens war Marietta nicht da. Viktor mußte um neun Uhr im Lyzeum sein, war abends vorher bei einem Kameraden gewesen, spät nach Hause gekommen und erwachte erst im letzten Augenblick. Seine Stiefel waren nicht geputzt, die Küche leer. Er kleidete sich schnell an, machte Kaffee, und nachdem er ihn eilig getrunken hatte, klopfte er bei Onkel Hansi an, um ihm zu sagen, daß Marietta nicht gekommen sei, daß aber der fertige Kaffee auf dem Ofenloch für ihn bereit stehe.
Marquard lag wach im Bette. Er antwortete nicht, sah Viktor nur von der Seite an; in seinem Blick aber hatte Viktor im Davoneilen gelesen, daß Mariettas Ausbleiben ihm nicht überraschend gekommen sei und daß er darauf vorbereitet war, daß sie nicht wiederkommen würde.
Und Marietta kam nicht.
Einige Monate verstrichen. Der Sommer verging, schwer, trocken, bis er schließlich seinen brennenden Griff lockerte.
Die Ferien waren zu Ende, wieder mußte an die Zukunft gedacht werden; diesmal handelte es sich darum, wo er studieren sollte.
Sie überlegten es zusammen. Schnell wurde der Entschluß gefaßt, und Viktor war bereits bei der Universität in Rom immatrikuliert, als Onkel Hansi einige Tage später zu ihm ins Zimmer trat und kurz und bündig erklärte, daß Viktor als Däne in Dänemark und nicht in Rom studieren sollte. Er sei überzeugt, wenn sein Vater gelebt hätte, wäre dies auch seine Auffassung gewesen.
Viktor sah erstaunt auf, und während er noch grübelte, was er darauf antworten sollte, sank Marquard müde auf den Sessel, der Arnold gehört hatte.
»Außerdem,« fuhr Marquard fort, ohne ihn anzusehen, »bin ich Roms müde – und –«
»Du bist doch nicht krank?« Viktors Hand strich weich über seinen Ärmel.
Marquard wandte sich ihm zu, legte seine große Hand auf Viktors, schwieg einen Augenblick, bis er seiner Bewegung Herr geworden war, und sagte dann auf seinem heimatlichen Platt: »Nein, nein, Vik, krank bin ich nicht. Aber du weißt, daß ich mich immer nach der Stadt gesehnt habe, woher dein Vater stammte. Es soll solch schöne Stadt sein, und es ist auch deine Vaterstadt. Hast du nicht auch Lust, sie zu sehen?«
Viktor nickte nachdenklich. Er begriff, daß Kopenhagen nur ein Vorwand sei – aber –
Marquard streichelte seine Hand, während er fortfuhr: »Siehst du,« er senkte Kopf und Stimme – »ich muß fort von hier, ich muß mal in eine ganz andre Umgebung, sonst verliere ich mich selbst. So steht es um mich, Vik. Frage nicht, ich habe meine Gründe.«
Zwei Jahre später wurde Viktor als Student an der Universität in Kopenhagen immatrikuliert.
Marquard gefielen Stadt und Bevölkerung sehr gut, und er lernte bald, sich in einer drolligen Mischung von Dänisch, Hoch- und Plattdeutsch und Italienisch auszudrücken. Doch litt seine Gesundheit durch die Verpflanzung von Sonne und Wärme zu Regen und sonnenloser Kälte.
Wenn der Sturm an den Fenstern der behaglichen Atelierwohnung am Kanal rüttelte, saß er in Decken gewickelt in Arnolds altem Stuhl und blickte, trotz des wärmenden Ofens vor Kälte zitternd, über die Dächer des Schlosses von Christiansborg, der Schloßkirche und Thorwaldsens Museum; an seinem müden Lächeln aber erkannte Viktor, daß es eigentlich die sonnenbeschienenen Dächer von Rom waren, die er vor sich sah.
Mehrmals hatte Viktor vorgeschlagen, nach Rom zurückzukehren, davon aber wollte er nichts wissen. Wenn Viktor seine Studien über die Weltkultur beendet hätte, wollten er und der neugebackene Doktor eine große Reise zusammen machen, er habe schon angefangen, dafür zu sparen. Zeitig im Herbst wollten sie aufbrechen, zuerst die schönen alten Städte Deutschlands besuchen – eine rechte Wallfahrt sollte es werden –, dann wollten sie längs des Rheines der Römerkultur bis zur ewigen Stadt folgen und erst im Sommer nach Dänemark zurückkehren, zu den dänischen Buchenwäldern, die er ganz in sein ehrliches rheinländisches Herz geschlossen hatte.
Jahreszeiten wechselten, Jahre vergingen. Viktor machte seinen Doktor, mit Marquards Gesundheit aber stand es nicht zum besten. Er hatte Gicht in einem Bein – jene urechte Gicht, die tief in der Konstitution wurzelt, sowohl in der leiblichen wie in der seelischen. Viktor wußte, daß irgendwo in seinem Gemüt eine Wunde war, die wieder und wieder aufsprang und blutete. Während eines vergnügten Beisammenseins konnte plötzlich eine zufällige Erinnerung, eine dunkle Wolke über die viereckige Stirn huschen und ihn stumm und gedrückt machen.
Die Reise wurde Jahr für Jahr verschoben. Bald mußte Viktor eine Abhandlung fertig machen, die ihn ganz in Anspruch nahm, oder er war durch andre Verpflichtungen an die Stadt gebunden. Und bald war es Marquard, der sich von den strahlenden Farben eines schönen Herbstes, die ihn jeden Morgen zum Malen in den Wald lockten, nicht trennen konnte.
Bisweilen auch hatte Viktor den Eindruck, daß etwas Onkel Hansi, trotz seiner Sehnsucht, von der Stadt der Erinnerungen fernhielt. Er konnte nicht klug daraus werden, und Viktor gab das Grübeln auf, er hatte andres zu tun.
Wieder waren mehrere Jahre emsiger Arbeit für sie beide vergangen. Viktors jugendlicher Eifer steckte Marquard an, und als die Lust am Wetteifer erst in ihm erwacht war, wurde seiner Begabung ein Nachsommer zuteil, der sich in einer ungeheuren Produktionsfähigkeit äußerte, wenn seine Bilder auch nicht immer qualitativ auf der Höhe standen. Viktor sah es wohl, hatte aber nicht das Herz, den alternden Maler darauf aufmerksam zu machen. Es war die Zeit der Kriegsgewinnler, und Marquard fand reißenden Absatz für seine Bilder.
Dann – nach einem grauen, regnerischen Sommer, der sie beide körperlich und seelisch geplagt hatte, wurde endlich bestimmt, daß die Wallfahrt angetreten werden sollte. Kaum aber war der Tag festgesetzt, als Marquard wieder krank wurde.
Es war Gichtfieber. Er wurde ernstlich krank, das Fieber stieg, er phantasierte, und drei Wochen später starb er in seinem neunundfünfzigsten Jahre, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben.