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Als Fünfzehnjähriger zeichnete ich sie, meine alte Tante Johanne Ahrend
Mein bestes Stück
Muhme,
Dir zum Ruhme
wollt' ich zeichnen Dein Gesicht.
Und es spricht
heut' noch von dem Paradies,
das als Knabe ich verließ,
von der Jugend Zaubergarten,
wo Du meiner mußtest warten.
Güt'ge Fee im Alltagsrock
hast gelenkt mich ohne Stock.
Märchenwelt und Welt der Ahnen
öffnetest Du weiten Bahnen.
Heut' noch ruht in Deinem Blick
all das Glück,
das mich Knaben überkam,
als den Zeichenstift ich nahm,
um in heit'rer Gartenlaube –
schief saß Dir die alte Haube –
festzuhalten, was mir lieb,
daß es immer bei mir blieb.
Dankbar bin ich dem Geschick;
Dein Bild ist mein bestes Stück.
Ich küßte den Tod
Ich habe zweimal sie geküßt,
geküßt auf ihre Wange.
Und beide Mal' war mir beim Kuß
ganz eigenartig bange.
Sie war ein Kind, g'rad' vierzehn Jahr',
mit Schleifen blau im blonden Haar.
Den Zopf trug sie im Nacken.
Rot leuchteten die Backen.
Es war bei frohem Pfänderspiel.
Dem blinden Zufall es gefiel,
daß ich sie küssen sollte.
Ich weiß nicht, ob sie grollte.
Entzückt ward ich von ihrem Scharm,
mir wurde kalt, mir wurde warm.
Der erste Kuß in meinem Leben,
den einem Mädchen ich gegeben.
Das erste Glüh'n in meiner Brust
von unbewußter Götterlust.
Doch eh' die Flamme loht' empor,
schob Schicksal einen Vorhang vor.
Mit ihren Eltern zog sie fort,
weit weg nach einem andern Ort.
So blieb von einem Jugendglück
nur die Erinnerung zurück. –
Und vierzig Jahre flossen hin.
Da kam mir plötzlich in den Sinn
ihr Name, als nach jener Stadt
ein Auftrag mich beschieden hatt'.
Ich sucht' sie auf. Doch welch ein Jammer
Todkrank lag sie in ihrer Kammer.
Sie lächelte in ihrem Schmerz,
ihr Auge sah mir tief ins Herz:
»War noch keine Liebe,
war ja noch ein Kind.
Jetzt mit grauen Haaren
bin ich nicht mehr blind.
Deine Lieder liebt' ich
und dann dich allein.
Konnt' dich nicht vergessen,
mocht' kein' andern frei'n.
Hab' kein Glück gefunden
hier auf dieser Welt.
Seele ist zerschunden,
Körper mir zerfällt.
Will in Nichts versinken.
Hein bringt ew'ge Ruh'.
Seh' ihn freundlich winken.
Augen fall'n mir zu.« –
Ich konnte Trost nicht sagen,
ich durfte auch nicht klagen.
Die Wangen blühten im Fieberrot.
Ich küßte sie. Ich küßte den Tod.
Soldatenbrief an meine Frau
Und einmal werd' ich wieder bei Dir sein.
Dann gehen wir den letzten Weg zusammen.
Du hast mich wieder, und Du bist ganz mein.
Aus unsern Herzen lodern heil'ge Flammen.
Man trennte uns in unsrer Blüte Kraft.
Im Herbst des Lebens find' ich mich zurück.
Wann naht der Tag, der unser Hoffen strafft,
der uns den Frieden bringt, ins Heim das Glück?
Der Tag, er kommt.
Wir müssen uns gedulden
und warten, bis vorüber dieser Krieg,
ein Opfer, das dem Vaterland wir schulden.
1943
Kriegsgefangen
Wir ruhen nicht in Zelt und Stroh.
Wir liegen auf der Erde
und haben nur den einen Wunsch,
daß es bald Morgen werde.
Ein Totentanz hebt an die Nacht.
Es schleichen die Gestalten,
ermüdet und vom Frost erstarrt
und können sich kaum halten.
Ein Stacheldraht umgibt den Plan,
wo man uns eingefangen.
Scheinwerferlicht strahlt grell uns an.
Vor Flucht, da soll uns bangen.
Wir fliehen nicht. Wir tragen still,
sind bis zuletzt Soldaten.
Und hat uns auch die ganze Welt
betrogen und verraten.
1945
Ein Denkmal
Meinem gefallenen Kameraden H. J. Pröhl
Unwiederbringlich dahin bist Du, ein Liebling der Götter,
Und wir bleiben zurück, tief vom Schmerze gebeugt.
Lichtgestalt wärest Du uns, die wir im Dunkeln jetzt wandeln.
Dir lieh Adonis den Leib, Apollo die Geistesgaben,
Und die Krone der Kunst setzte Athene Dir auf.
Doch Dein lauteres Herz schuf der alleinige Gott.
Wehe der tückischen Parze, die den Faden zerschnitt,
Die ein Leben zerstört', das der Erfüllung noch harrte. –
Und ich fühlt' die Gefahr, sah, wie die Götter Dich liebten.
Daß auch Fortuna Dir hold, füllte mit Sorge mein Herz.
Und so mußt' es geschehen, mußtest Du bald von uns scheiden.
Gegen des Schicksals Gewalt sind, ach, wir Menschen zu schwach.
Ueber uns schwebt jetzt Dein Geist, verklärt in erhabenem Glanze.
Nimmer vergessen wir Dich, Menschen nur, die wir Dich liebten.
1946
Die Mutter bettet ihren Sohn
1. Die Mutter bettet ihren Sohn.
Sie putzt das Körbchen bunt und fein.
Ihr Lächeln ist wie Sonnenschein,
ihr Wiegenlied ein Himmelston. –
2. Die Mutter bettet ihren Sohn.
Die Lagerstatt ist nicht mehr klein,
es ist der kahle Totenschrein,
ihr Wiegenlied ein Klageton.
3. Aus Rußland kam der Sohn zurück.
Sie hatt' gehofft so manches Jahr.
Und einmal ward es wirklich wahr.
Sie faßte kaum das große Glück.
4. Doch er siecht' hin nach kurzer Zeit
von Martern schier zu Tod gehetzt,
an Leib und Seele ganz zerfetzt,
dem sicher'n Untergang geweiht.
5. Mit Blumen schmückt sie seinen Sarg.
Das Kissen rückt sie ihm zurecht.
Er dünkt ihr für den Leib zu schlecht,
der all ihr Glück und Sehnen barg.
6. So schließt sich in der Mutter Hand
der Ring des Lebens um den Sohn.
Ihn zu gebären war ihr Lohn;
zuletzt er wieder zu ihr fand.
1949
Marienkirche zu Osterode
Wenn ich Mariens Kirche seh'
zur Weihnachtszeit in sanftem Schnee,
fühl' ich die Erdenschwere kaum
und bin ein Kind in wachem Traum.
Dort müßt beim Tannenkerzenschein
das Jesuskind geborgen sein.
Maria steht vor dem Altar;
das Kindelein, das sie gebar,
hält sie dem Vater Joseph hin.
Behutsam streichelt er das Kinn.
Die Kirchenglocken erklingen,
die Englein schweben und singen,
ganz leise und ganz sacht:
»Stille, heilige Nacht«.
*