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4. Kapitel.
Die Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts.

»Alt-Besigheim in guten und bösen Tagen« heißt der Titel, welchen wir diesem Buche gegeben haben. Wir wußten, warum? Böse Tage, eine lange Reihe von bösen Tagen haben wir jetzt zu beschreiben. Daß dafür die Zeiten des Friedens, längere oder kürzere Pausen zwischen den Kriegen, immer gute Zeiten gewesen seien, soll damit nicht gesagt sein.

1. Der dreißigjährige Krieg. Wichtige Dinge, die da kommen sollten, pflegten sich früheren Geschlechtern durch Zeichen oben am Himmel und unten auf der Erde vorauszuverkündigen, Zeichen und Wunder, deren Sinn freilich meist erst die folgenden Ereignisse in zweifelloser Klarheit enthüllten. Konnte man manchmal zweifeln, ob sie Gutes oder Böses anzeigten, gerne sah man solche Erscheinungen nicht. So wollte denn auch der Komet, den man im J. 1618 erblickte, »einigen bedenklich erscheinen«; ebenso ein an Pauli Bekehrungsabend (25. Jan.) 1630 erfolgtes »schröckhliches Chasma oder feurige Luftspaltung« (Biet. A.). Vollends der feurige Drache, der am 3. Jan. 1644 über Bietigheim gefahren – ob auch über Besigheim, steht dahin – gab niemand mehr ein Rätsel auf.

Bedenklicher als diese ohne weiteren Schaden vorübergegangenen Erscheinungen waren unseres Bedünkens die Pestjahre der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrh., welche der menschenmordenden Wut des Krieges wirksam vorarbeiteten – gleichsam das langsame Heben des Vorhangs, die schaurige Ouvertüre zum blutigen Trauerspiel.

Es war (nach den Biet. A.) die erste der drei Zuchtruten, mit welchen das unglückliche Volk Jahrzehnte hindurch geschlagen wurde. Bald kam der Krieg und in seinem Gefolge der Hunger.

So lange man den Feind nicht selbst im Lande hatte, ging es noch erträglich, obwohl man schon jetzt, da Handel und Wandel stockten und die Lasten sich mehrten, die Rückwirkung des den Grenzen des Landes sich nähernden Krieges empfindlich genug verspürte. Aber alle Schrecken des Krieges brachen über das Land und unsere Stadt doch erst im Spätjahr 1634 herein, als nach der blutigen Niederlage der Protestanten bei Nördlingen zuerst die versprengten Scharen der Besiegten, dann die zügellosen Horden der Sieger das wehrlose Land überschwemmten.

In den Jahren 1606–33 starben in Besigheim an der Pest 512 Personen. –

In Walheim ist im J. 1626 der Sterbet eingefallen, welcher meistens auf der Bachseite grassiert hat.

Im J. 1621 wurden bei Besigheim, Mundelsheim und Vaihingen Schanzen aufgeworfen. Im Febr. 1623 befanden sich hier (nach dem T.B.) Junker Lutz von Liebenstein mit Frau und etliche Adelige, welche vor den Einfällen der Baiern hieher ausgewichen waren. In den folgenden Jahren lagen je und je befreundete Truppen hier einquartiert. – Schon im Jan. 1624 bezifferte das Amt Besigheim seinen bisher erlittenen Kriegsschaden auf 24 400 fl. (Mundelsheim auf 9936 fl.). Daß auch befreundete Truppen unangenehm werden konnten, zeigt eine Notiz aus dem J. 1632. Als im Juli die Gemahlin des schwedischen Kommandanten zu Ulm bei Walheim vorbeifuhr, kam ein schwedischer Reiter ins Dorf, verlangte Vorspann und Futter für die Pferde oder Geld dafür, indem er den B.M. mit gespannter Pistole, den Schultheißen mit offenem Degen bedrohte.

Nach dem To.B. wurden am 30. Juli 1631 zwei kaiserliche Soldaten begraben, welche von den Hiesigen erschlagen worden waren »in dem vorgeloffenen Unwesen den Tag zuvor«. – Am 7. Jan. 1634 wurden zwei Kaiserliche durch die Schweden erschossen, zwischen Walheim und Kirchheim.

» Der ältere Einfall«. Am 11. Sept. 1634, Donnerstag nachmittag 2 Uhr, zog in Bietigheim eine Kompagnie Bockischer Reiter ein, welche die Stadt plünderten und brandschatzten. Nicht glimpflicher verfuhren die Truppen der Generale Gallas und Götz, welche am folgenden Tage in der Stärke von etlichen 1000 Mann dort Quartier nahmen. Der König von Ungarn nahm sein Nachtlager (vom 12. auf den 13. Sept.) in Besigheim. In diesen Tagen sah man einmal vom Bietigheimer Wartturm aus 16 unterschiedliche Ortschaften in Brand stehen (Biet. A.). Nach dem hiesigen To.B. »hat am 12. 7bris ihre Königliche Majestet in Ungarn alhie losiert und ist den 13. wieder weggezogen, ist auch die Statt alhie geplündert worden«.

Genaueres über die Vorgänge dieser Schreckenstage erzählt uns ein im J. 1653 von der Stadt an die Regierung eingesandter Bericht, »worin summarie verzeichnet ist, was Stadt und Amt in den J. 1634–38 in der laidigen Landsokkupation an allerhand Kriegskosten erlitten«. Wir lassen den Bericht nur wenig abgekürzt hier folgen:

»Indem nach vollbrachtem Nördlinger Treffen die schwedischen geschlagenen Völkher in der Flucht ihren Marsch auf Heilbronn und sonderlich hiesiger Straße nach genommen, haufenweis in die Stadt und Amtsflecken eingefallen, mit Abnahm der Pferd, Vieh, Getreydt, auch was ihnen sonsten noch gefallen, item mit Geld-Pressuren und anderen Extraktionen (Erpressungen) großen Schaden getan – wenn ein Trupp aus, so sind zwei oder mehr wieder eingezogen ... (Verlust bis dahin mindestens 8000 fl.). Als die kaiserliche Armada ihnen gleich auf dem Fuß nachgefolget ..., Ihr Kais. Majestät alhie in der Stadt ihr Hauptquartier genommen, ein gut Teil der Armee nechst dorbey uff dem Felde losiert, ist die Stadt von Generälen, Officiers, Soldaten und Wägen so dicht voll gewesen, daß kein Biegel mehr übrig gewesen, und obwohl es nur ein Nachtquartier gewesen, ist der Uncosten doch mindestens 10 000 fl.«

»Obwohl nun der Kaiser bei seinem Abzug schrift- und lebendige Salvaguardia (Schutzbrief, Schutzwache) hinterlassen, ist doch gleich nach seinem Aufbruch das Tiefenbachische Regiment, das die Hauptmacht gehabt und oberhalb der Stadt gelegen hatte, mit Gewalt eingedrungen, haben das Rat- und viele Bürgerhäuser eingeschlagen, alle Gemach, Kisten und Kästen aufgehauen und geplündert und viele Leute niedergemacht; und was dieselben übrig gelassen, das ist von andern nach ihnen vollends hinweggenommen und verderbt worden (40 000 fl.).«

»Bald darauf, am 17. Okt., sind anfangs in Löchgau, gleich andern Tags in der Stadt zwei starke Kompagnieen (über 700 Pferde) von Joan de Werth unter Obrist-Lieutenant Gomets mit ordre angelangt und haben inner 14 Tag, ohne was die Officiers und Gemeinen mit Gewalt erpreßt, verunkostet 8000 fl. (darunter 1000 Reichsthaler bar an den Oberstlieutenant)«. – Das Winterquartier 1634/35 wurde dem General-Kommissarius von Walmerode angewiesen, für den, samt Leuten, Dienern und Pferden, 8 Monate durch je 1600 fl. aufgewendet werden mußten (die Offiziere wurden nach B.M.R.-Beil. im Trauschwitzischen Schloß, der späteren O.Amtei, verpflegt). Dazu erpreßte er an »Servis« u. dgl. noch 1000 Reichstaler und 200 Eimer Weins (Gesamtkosten mindest. 30 000 fl.). Die damals des öfteren in diesem Revier und in der Stadt gehaltenen general rendevos kosteten über 2000 fl.; dazu Lieferungen an Geld und Frucht an die Kais. Kriegskasse nach Stuttgart für 960 fl. Dem Kommandanten auf dem Asperg, Baron de Soye, waren täglich 70 Rationen oder monatlich 700 fl. zu liefern (9. Sept.–10. Dez. 1635); sonstige Auslagen in 13 Wochen 2203 fl. Daneben waren noch vom Pappenheimischen Regiment 250 kranke Soldaten ohne die Offiziere 10 Wochen lang in natura zu verpflegen (7000 fl.). Diese Aspergische »Inquartierung« dauerte bis zu Beginn des Winterquartiers 1635/36. Für General Walmerode samt Gemahlin, für verschiedene hieher gesetzte Kommandos und täglich ankommende aventuriers (Abenteurer) wurden in Wirtshäusern aufgewendet 2600 fl. (die großenteils jetzt, im J. 1653, noch nicht bezahlt sind), außerdem für Offiziere und Mannschaften 4000 fl. – Für Naturallieferungen auf den Asperg gingen auf 2068 fl. Das (Walmerode'sche) Winterquartier 1635/36 (29. Nov. bis 26. Juli) kostete in Geld 21 460 fl., dazu Futter für 17 400 fl. Das Futter mußte meist außerhalb (der Scheff. zu 11–12 fl.) erkauft und mit großen Kosten beigeführt werden. Im Okt. mußte das Amt 40 Scheff. Frucht von Donauwörth nach Heilbronn führen, welche verakkordiert wurden um 480 fl. Das Winterquartier des Marchese de Granahoff, 1636/37, dauerte 7 Monate; Gesamtkosten: 23 250 fl. Dazu ließ de Gr. noch 100 Eimer Wein wegnehmen (1500 fl.). Ferner zwang er die Stadt, 400 fl. aufzunehmen, obwohl sie ihm nichts, vielmehr er ihr, schuldig war. Darnach erhielt Freiherr von Fernaemont auf Stadt und Amt eine 5 monatliche Anweisung (Juni bis Okt. 1637); Kosten: 6276 fl. Das Winterquartier vom 1. Jan. 1638 an hatte Gabr. Peverelle, General-Kriegszahlmeister (2450 fl.). Im J. 1638 lag hier auch eine Zeitlang ein Rittmeister vom Seneschallischen Regiment mit etlichen Leuten, die sich sehr übel verhielten und große Exorbitanzien (Uebergriffe) verübten (500 fl.). Darüber erfolgte der Kurbairische Proviantstab (8000 fl.). Dem Obrist Neuhausen waren extra zu reichen 1200 fl.; außerdem mußten noch über die Ordonnanz (Gebühr) hinaus gegeben werden 1700 fl.

»Sonst und außer diesen obig specificirten Kosten haben sich in diesen 5 Jahren gar viel absonderlich Extra Ordinari Nachtquartier, item Durch- und Vorübermärsch zugetragen, denen alweg etwas an vivers (Lebensmitteln) und fourage gegeben worden, die etwan auch in Wirtshäusern ausgelost worden« (mindestens 2000 fl.).

Die Summe aller allein von der Stadt und dem Amt gehabten Kriegskosten betrug in diesen vier Jahren 227 316 fl. »Diese Summa mag unglaublich dünken, sie ist aber eher zu klein als zu groß, was bezeugen mit dem Wort der Wahrheit B.M. und Gericht zu Besigheim.«

Zu der Zeit war eben auch große Teuerung; der Scheff. Dinkel und Haber kostete 10–14 fl.; alles mußte außerhalb mit barem Geld erkauft werden. »Zudem wurden die Ordonnanzen (d. h. die den Offizieren etc. angewiesenen Bezüge) schlechtlich observirt; jeder Offizier und Soldat hat seines Gefallens gehauset und großen Ueberfluß und Exorbitanzien gebraucht. Dadurch sind Stadt und Amt in eine solche Schuldenlast gestürzt worden, daß noch Kind und Kindeskind damit werden zu schaffen haben« (St.A.).

Für die folgenden Jahre fehlen genauere und zusammenhängende Nachrichten; wir stellen zusammen, was wir aus den verschiedensten Quellen an vereinzelten Notizen zusammengetragen haben.

1639: im Jan. ist im T.B. erwähnt ein Hauptmann vom Reinachischen Regiment und die Gemahlin des Kurbairischen Proviantverwalters. Im Jan. und Febr. liegt der Kurbairische Proviantstab hier mit 52 Pferden, denen täglich je 6 Pfd. Haber (je 25 kr.) und 10 Pfd. Heu (je 2 kr.) zu reichen sind.

1642: am 16. Febr. erhielt ein Obristwachtmeister vom General-Zeugmeister von Wahl den Befehl, die steinerne Enzbrücke zu Bietigheim abzubrechen, »wie zu Besigheim (?) und anderwärts auch beschehen«. Der Befehl kam aber nicht zur Ausführung.

1643 März: dem Obrist Jörg Heinr. von Fleckenstein von der lothringischen Armee, welcher mit seinem Regiment auf Leib- guardi hereingekommen und 13 Wochen verblieben, wird »umb Haltung guet order« ein Pferd (um 120 fl.), dem Obristlieutenant ein Eimer besten alten Weins (40 fl.), dem Rittmeister Latour ein Pferd (60 fl.) verehrt (das »grundverderbliche lothringische Quartier«). Am 9. Okt. zieht General Hatzfeld über die Bietigheimer Enzbrücke, am 19. Okt. wird demselben »neben verschiedenen Viktualien in die Küche« ein Quantum Weins nach Kirchheim a. N. verehrt, am 11. Dez. findet der »Hatzfeldische Abzug« statt. Im gleichen Jahr lag hier eine Zeit lang auch das Wahlische Regiment.

1644: im Mai ist Obristwachtmeister Schertlin von der Truckenmüllerschen Dragoner-Kompagnie, im Sept. Hauptmann Creltzheimer genannt.

1645: am 27. Sept, wurde die Stadt, in welcher der französische General Turenne eine kleine schwedische Besatzung zurückgelassen hatte, durch die Kaiserlichen und Baiern unter Oberst Dunkel berannt und am 30. Sept. unter General-Wachtmeister Sparr beschossen, worauf die Besatzung am selben Tag noch mit Akkord kapitulierte (Biet. A.). Weil man bei der Berennung die Glocken hatte schlagen lassen, verlangte Sparr deren Auslieferung, ließ sich aber mit einigen Fudern Weines befriedigen. Vielleicht gehört in diesen Zusammenhang, was der (katholische) Keller von Denkendorf, Nikolaus Dentzel (der »rechte Schwager« des B.M. Dreyspring) berichtet: »Ueberdies ist eine scharfe Order von der Kais. Majestät ergangen, die Stadt auszuplündern, niederzuhauen und aus der Zargen zu verbrennen, was ich nechst göttlicher Hilf abgewandt habe«.

Im Sept. d. J. wird noch genannt: Joh. Jörg Schertlin von Burtenbach und der bairische Obrist »Bobo« (Beaubeau), im Okt. das Stahlische Regiment, im Dez. Obristwachtmeister Melchior Schadt.

1646: im Jan. bis März und wohl später noch liegt hier ein Teil des Obrist Boyer'schen (bairisch-kaiserlichen) Regiments. In Bietigheim liegen 25 Mann desselben Regiments vom 1. Dezember 1645 bis Ende April 1646 im Winterquartier, denen gute Mannszucht nachgerühmt wird.

1647: vom 5. bis 7. Febr. sind Schweden unter Königsmark in den Aemtern Besigheim und Bietigheim einquartiert. Das Hauptquartier Königsmarks war Besigheim. Seine ausgehungerten, schlecht disziplinierten Truppen waren nach den Biet. A. im Rauben und Stehlen »besser exerziert als die Habbich; sie zogen die Leute bis aufs Hemd und die bloße Haut aus«. Löchgau, dessen Einwohner sich damals in Besigheim aufhielten, wurde so übel zugerichtet, daß es nicht mehr zu bewohnen war; besonders die Kirche wurde so verwüstet, daß sie mehr einem Schweine- oder Roßstalle glich.

Vom 1. April bis 8. Juni lagen in Besigheim Teile des (franz.) Altrosischen Regiments, im Juli Mannschaften des Obristlieutenants Ludwig Albrecht, Grafen zu Sayn und Wittichenstein. Am 19. Juli gingen die Weimarischen Völker bei Beihingen über den Neckar. Damals ist man in großen Sorgen gestanden, hat nicht von den Toren weichen mögen. Herrn Vogt, B.M., Stadtschreibern und andern wurde zur Erlabung ein Imbiß an das Tor gebracht (45 kr; B.M.R.-Beil.).

Von Mitte Sept. bis Ende Okt. 1647 lagen Truppen des Generals von Bonninghausen im Winterquartier. Erwähnt sind in den Beilagen zur B.M.R. »der Bonninghausischen Officiers und Völker Exorbitanzien«. Darauf folgte von 1648 auf 1649 das: » Wilkenitz-französische Quartier«. 1649: im Febr. wird ein » schwedisches Quartier« genannt. (Zu Vaihingen liegen im Febr. französische Völker.)

Von 1648–1670 wird im To.B., vom J. 1647 (Sept.) bis 1675 im T.B. kein Militär mehr erwähnt.

Neben den Standquartieren – um solche handelt es sich in der obigen Aufzählung fast durchweg – ging es den ganzen Krieg über mit Durchzügen von kleineren Partieen ununterbrochen fort; diese mußten meistens »ausgelöst« d. h. freigehalten werden. Vorbeimarschierenden mußte ein Imbiß vor das Tor hinaus gereicht werden; auch mancher Quartiermacher wurde durch Freiwein »mit guter Manier wieder fortgebracht«. In den letzten Jahren des Krieges lagen beständig Presser, namentlich vom Asperg, auf Kosten des Amtes hier. Sie wurden meist in der Krone untergebracht.

Leider fehlen die B.M.R. vor 1660 vollständig, ebenso die A.P. von 1632 an und die G.P. wenigstens aus den kritischen Jahren 1634–39. Wären diese Quellen oder gar die B.M.R.-Beil. erhalten, so vermöchten wir den Verlauf der Ereignisse mit nahezu tagebuchartiger Genauigkeit zu schildern – wie die wenigen noch vorhandenen Reste der Beil. zeigen – und die oben dürftigen Notizen durch einige starkfarbige Szenen zu beleben. Doch auch so bleibt uns des Traurigen noch genug zu erzählen.

Die Bestreitung der Kriegskosten. Wenn wir die völlige Verarmung der Bürger sowie das Darniederliegen fast aller landwirtschaftlichen und gewerblichen Tätigkeit bedenken, so ist es uns fast ein Rätsel, wie die Gemeinde es fertig brachte, ihren jederzeitigen Verbindlichkeiten auch nur halbwegs nachzukommen. Natürlich mußte sehr bald zu Geldaufnahmen geschritten werden. Unter den Gläubigern der Stadt finden wir ziemlich viele Beamte und Geistliche, welche froh sein mochten, auf diese Weise ihre Kapitalien sicher und nutzbringend anlegen zu können. Wenn man konnte oder durfte oder mußte, zahlte man auch mit Wein. So mußte die Stadt 1636/37 alle Kriegsanlagen in Wein entrichten; einmal wurden 600 Eimer auf einmal mit Beschlag gelegt. Ebenso im J. 1639, wo das Kurbairische Generalkommissariat alle im hiesigen Amt und in Mundelsheim liegenden Weine, auch die von Privaten wegnahm und »seines Gefallens einen gar schlechten Preis, 8–10 fl. für den Eimer besten alten Weins, zahlte«, so daß man am Ende des Winterquartiers fast keinen Tropfen mehr übrig hatte.

Ein besonders kapitalkräftiger Mann scheint O. Vogt Schaffelitzky gewesen zu sein. Für sein Geld ließ er sich entweder Stadtgüter verpfänden oder Stadtweine geben.

Jedoch kam auch der umgekehrte Fall vor, daß er der Stadt seinerseits mit Wein aushalf. Als Schaffelitzky einmal mit dem Obristen Beaubeau, dem Regimentsquartiermeister, dem Waibel und dem Stadtschreiber auf der Vogtei einen Trunk tat, mundete dem Beaubeau des O.Vogts Wein so gut, daß er von Stund an keinen anderen Wein als diesen mehr haben wollte. Da aber die Stadt diese Marke eben nicht auf Lager hatte, so mußte sie den O.Vogt inständig bitten, ihr einen Eimer abzulassen, auf spätere Zahlung (Sept. 1645). – Auch der Stadt Bietigheim sprang Schaffelitzky mit seinem Weine bei; es sei aber ein gar saurer gewesen, Klagen die Biet. A., den er den armen Leuten zu 35 fl. den Eimer habe anschlagen lassen (zusammen über 40 Eimer).

Die Aufbringung der Kontributions- und anderer Kosten war um so schwieriger, als viele Bürger gestorben und verdorben, viele auch nach auswärts geflohen waren, so daß die ganze Last von wenigen ohnehin schwachen Schultern zu tragen war. Die der Stadt heimgefallenen Güter und Häuser halfen ihr wenig, da sich fast niemand fand, der sie in Pacht genommen hätte; vielmehr mußte sie noch die auf den Liegenschaften ruhenden Grundlasten übernehmen. Starb ein Bürger, welcher etwa viele Schulden, aber kein bar Geld, sondern nur Güter hinterließ, so hüteten sich die Gläubiger wohl, sich zu melden, aus Furcht, es möchten ihnen für ihr Guthaben Güter zuerkannt und diese dann sofort mit Kontribution belegt werden.

Im Febr. 1639 erbat sich die Stadt von der Regierung die Erlaubnis, ihre auswärts wohnenden Bürger »anheimbs zitieren« oder, wenn diese ihr Bürgerrecht nicht wieder beziehen wollten, deren hiesige Liegenschaften mit Kontribution belegen zu dürfen. Das Gesuch wurde zuerst abschlägig beschieden, dann aber bewilligt (März 1639). – Im Aug. 1647 beschloß man, diejenigen Güter von Waisen und anderen Personen, welche seither von der Bürgerschaft (gebaut und) von Jahr zu Jahr genossen worden waren, fürderhin mit 10 kr. auf 100 fl. Werts (⅙ %) zur Steuer heranzuziehen; 1649 gedachte man, den Pflegschaften und Ausgesessenen ihre Güter zu selbsteigenem Bau heimzuschlagen und mit Kontribution zu belegen. Samen und Baukosten sollten sie erstatten oder die 4te Garbe geben.

Oft genug aber verfingen alle diese und andere Mittel nicht. »Wo nichts ist, hat auch der Kaiser das Recht verloren.« Da konnte es dann gehen, wie es z. B. im J. 1637 ging, als Marchese de Grana und Caretto, Kaiserl. General und Zeugmeister, mit zahlreichem Stab und Dienerschaft im Quartier lag. Für 100 Pferde waren täglich gegen 100 Sri. Futter aufzubringen; alles mußte in Stuttgart zu 8 bis 10 fl. der Scheffel erkauft werden. Weil man das nicht konnte, »wurden B.M., Gericht und Rat verschiedene Male aufs Rathaus gesperrt, vermacht, kein Speiß noch Trank zugelassen, inzwischen etlich Vieh weggenommen und zu geringem Preis verkauft. Weil nun zu befürchten, daß dem Bürger sein übrig Vieh auch noch möchte genommen werden, hat Joh. Schultheiß, der täglich um die Soldaten gewesen war, angegeben, daß die Stadt noch eine Burgermühle habe. Sein Sohn Hans Ludwig (seither auch Gott ergeben) habe ohnlängst ein ansehnlich Stück Geld erweibt und sei willens, es an ein solches Stück anzulegen.« Der Magistrat sperrte sich aus allen Kräften gegen die Versetzung der immer noch einträglichen Mühle; man könne es bei der Posterität (Nachkommenschaft) nicht verantworten. Aber was bekümmerte sich der Soldat um die »Posterität«? Man mußte die Mühle, die vordem 6–8000 fl. wert gewesen, um 1000 fl. verpfänden. Die Mühle fiel bald darnach an den Diakonus von Löchgau, Mr. Josua Grüninger, den »Ehesuccessor« (Ehenachfolger) des Hans Ludw. Sch., welcher sie erst 1665, nachdem er Pfarrer in Walheim geworden (1649), wieder der Stadt heimfallen ließ (Gr. stammte von Winnenden; † in Walheim 1668).

Zustand von Stadt und Amt im J. 1645. Ein in diesem Jahre eingeforderter Bericht über die » Mängel und Fehl« in Stadt und Amt läßt auf das Elend dieser allertraurigsten Zeit einige Streiflichter fallen.

Nach dem vogtamtlichen Bericht war gleich in der ersten Zeit der »Landsokkupation« aller Vorrat an Bargeld, Kleinodien, Silbergeschmeide, Früchten, Wein, Vieh, Kleidern und anderen Mobilien verloren gegangen. Fast alle Rechnungen wurden zerstreut und verschleist, sonderlich zu Hessigheim, wo die ganze Registratur zu Grunde ging. Die Kommun- und Privatgüter gingen in die rappusi, so gar, daß etliche Jahre keiner mehr Meister in seinem Hause gewesen; die Soldaten haben nach ihrem bösen Willen gehandelt; immerzu hat es nur geheißen: »Bauer, schaff, schaff! und soltestu dich zu Tod schaffen« – was auch geschehen. Die Amtsflecken sind öde geworden, Pest und Seuche wüteten, alle Güter blieben wüst liegen, alle Verhältnisse wurden in Unordnung und Zerrüttung gestürzt. Aber alle diese Konfusion und Zerrüttung haben, wie die Geistlichen sich äußerten, nicht die unschuldigen Untertanen, sondern allein die Soldaten kausiert (verursacht).

Der Magistrat erkennt in seinem Bericht an, daß die Beamten der Stadt aufzuhelfen suchen; doch sollten den Offizieren und Soldaten ihre »Ordinanzen mit mehrerem Ernst als jüngst geschehen, vorgestellt werden und die Untertanen dabei gehandhabt (nicht überfordert) werden. Mit den Kirchen- und Schuldienern sind sie wohl zufrieden, »allein ist das Lamentiren wegen ermangelnder Besoldung groß.« Die Bürger würden gern mehr für sie tun, haben aber selbst nichts.

Im J. 1639 ist die G.V. dem Pfarrer rückständig mit 391 fl. 7½ kr. (nahezu 3 Jahresbesoldungen); der Präzeptor hat gegen 84 fl. gut. Dem Pfarrer Oesterlin schuldet die G.V. im J. 1649 gar noch 1141 fl. So wurde denn z. B. 1647 für die Kirchen- und Schuldiener zusammengeschossen. Etwa 130 Personen beteiligten sich mit ihrem Scherflein; der eine gab einen Karch Holz, der andere ein Sri. Kernen, andere steuerten Schmalz, Erbsen u. dgl. bei, die meisten Geld von 4–30 kr. Pfarrer und Diakonus erhielten je ⅓, der Präzeptor und der Mesner den Rest (G.P.).

Die Kirche – berichtet der Magistrat weiter – ist in Dachwerk und Türen ganz baufällig; ähnlich ist es mit anderen kirchlichen und herrschaftlichen Gebäuden. Das Rathaus ist decklos, die Wächter- und Torhäuslein sind eingefallen und unbewohnbar, die Röhrenbronnen im Abgang; in Stadt und Vorstadt sind nicht mehr als 3 Schöpfbronnen noch zu benutzen. Die Mauern sind an vielen Orten eingefallen oder am Einfallen.

Nach einem Artikel im N.E.B. 1893, Nr. 43 ff., ließ König Ferdinand von Ungarn, als er die Stadt im Sept. 1634 besetzte, 135 Häuser teils niederbrennen, teils niederreißen, um auf den Trümmern Palisaden und Wachthäuser zu errichten. Gegen 400 Familien seien dadurch obdachlos geworden (?). – Die Quelle, aus welcher diese Notiz geschöpft wurde, ist in dem angezogenen Artikel leider nicht angegeben.

Die Aecker und Weinberge liegen meist wüste, mit Dornen, Stauden und Hecken überwachsen. Besonders wird der Feldbau gehindert durch das angestellte Magazin des Dreißigstels an Frucht und Wein, eine beschwerliche Neuerung, »welche dem armen Unterthonen zu keiner Uff-, vielmehr zur Abnahm gereicht und ihn zum Feldbau besonders verdrossen macht«. Würden die bereits eingezogenen Früchte den Städten und Aemtern zu ihrem Vorrat, den Armen zu Trost und Gutem überlassen, so würde der Feldbau gefördert. Auch wäre ein Nachlaß der auf den öd liegenden Gütern ruhenden Zinsen und Gülten sehr erwünscht, welche hoch aufgeschwollen sind und von den Amtleuten hart eingefordert werden. Sonst ziehen die Leute vollends fort. – Besonders beschwerlich sind die hohen Taglöhne der Knechte und Mägde. Es sollte im Land eine Gleichheit gemacht werden; sonst haben die vermöglicheren Orte, wie Stuttgart, wo die Löhne hoch, einen Zulauf und auf dem Land bleiben die Güter ungebaut.

Die Fronen werden häufig zu ungelegener Zeit angestellt, wodurch nicht allein der Feldbau gehindert, sondern auch der arme Bauersmann genötigt wird, noch Geld auszugeben, um sich zu verköstigen. Die Amtleute geben den Frönern, was ihnen gefällig, d. h. sie geben ihnen nichts, sondern rechnen den Lohn von der schuldigen Steuer ab. – Die Ursache des Ruins ist nicht allein in der nach der Nördlinger Schlacht erlittenen Plünderung zu suchen, sondern vornehmlich in den gleich darauf erfolgten und noch immer fortgehenden Einquartierungen und allzustarken Kontributionen. Besigheim Amt ist stets zu hart belegt worden; so hat man letzten Winter eine ganze Kompagnie zu Pferd verpflegen und noch 900 fl. samt Fourage in andere Aemter beitragen müssen, während sonst 3 oder 4 Aemtern zusammen eine Kompagnie zugewiesen wird.

Wenn sie die Armut der Bürger und die große Schuldenlast des Amts und der Privaten gegeneinanderhalten, können sie einigen Weg der Hilfe nicht sehen als wenn sie bei ihren bürgerlichen Freiheiten (Zollbefreiung, Nicht-Einturnen von Bürgern in nichtpeinlichen Sachen etc.) gelassen, die alten Ausstände ihnen gänzlich geschenkt, laufende Beschwerden aber ermäßigt würden. »Da könnte der arme Unterthone sich wieder in etwas rekolligieren (erholen) und es würden sich die Kammer-Intraden (Einnahmen) täglich versterckhen«.

Schlimmer als alle die eben aufgezählten »Mängel und Fehl« war der entsetzliche Verlust an Menschenleben, welche nicht das Schwert des Feindes, sondern der Hunger und die Seuche hinwegraffte. Eine beredtere Sprache als jede Schilderung redet das Totenbuch. Betrug in den Jahren 1607–31 der Durchschnitt der jährlichen Todesfälle, ohne die durch die Pest verursachten, 45 Personen, so starben vom 1. Jan. bis 12. Sept. 1634: 51, im Sept. 34, Okt. bis Dez. 78, zusammen 1634: 163 Personen. Im J. 1635: 461, 1636: 169, 1637: 291, 1638: 192, 1639: 82, 1640: 32, 1641: 19 (meist Kinder, ebenso) 1642: 18, 1643 bis 45 zusammen 126, 1646–50 jährlich 28½, insgesamt von 1634–1648: 1669 Personen, darunter 1197 Hiesige. Geburtsfälle zählen wir 1637–48: 534, darunter 368 Hiesige. Allein also in den Jahren 1634–38 beträgt der Ueberschuß der Gestorbenen (abgerechnet die Fremden) 829 Personen. In der schlimmsten Zeit sterben an manchem Tage 10 und mehr Personen. Man sieht schon an der immer flüchtiger werdenden Schrift im To.B., wie die eintragende Hand dem eiligen Schritt des »Schnitters, der heißt Tod« zu folgen Mühe hat. Name reiht sich an Name, Seite füllt sich auf Seite; und während vor und nach dem Kriege des Schreibers menschliche oder seelsorgerliche Teilnahme der Persönlichkeit und dem Schicksal eines verstorbenen Gemeindegliedes fast immer einige Worte zu widmen sich die Zeit nimmt, so läßt er sich jetzt selten mehr einen Ton entlocken, der aus dem Herzen kommt. Das Uebermaß des Schmerzes hat keine Worte mehr!

Einzelnes. Es sterben hier: am 28. Febr. 1636 die Witwe des Präzeptors Joh. Wachsring im Armenhaus, am 7. Juni Mr. Joh. Mezger, am 27. Aug. Mr. Joh. Sailer, beide Pfarrer zu Walheim, am 25. März 1637 des N. Pistorius, Provisors von Groß-Bottwar, Kind, im Juli d. J. die Witwe des Pfarrers Gottfr. Thumm von ebenda. Ein Mr. Christoph Wachsring, Sohn des hiesigen Präzeptors und der Luzia W., welcher in diesem Jahr die Ernennung zum hiesigen Präzeptorat erhielt, »ist verloren gegangen auf der Reise von Hailbrunn hieher, welche er etliche Wochen lang um der Unsicherheit willen sich nicht anzutreten getraut hat! Im Febr. 1638 stirbt die Pfarrfrau von Löchgau, am 26. Mai der Schulmeister von Walheim, Hans Schick, nachdem er lange großen Hunger und Kummer erlitten.

Hungers starben z. B. im März 1637 ein Mann, ein Kind, ein armes Mägdlein, ober Ulm zu Haus, dessen Name niemand kannte; im Mai ein hiesiges Mädchen, im Juni 2 Bettelmädchen, deren eine von Hessigheim, im Dez. 4 unbekannte Personen, im Jan. 1638 zwei Waisen von Löchgau, ein Mägdlein und ein Knäblein, im März ein Bettelbuob und ein armer Waise von Löchgau in einem Schweinestall!

Mancher Kranke, sagen die Biet. A., hätte wieder aufkommen können, wenn es nicht an Doktoren, Arzneien und Pflege gefehlt hätte.

Die Biet. A. finden es »merkwürdig, daß viele Personen ganz freudig und mit singendem Mund seeliglich entschlafen« seien. Begraben seien sie worden um 12 Uhr mittags mit Gesang, Klang und Predigt, »nicht wie anderer Orten auf kaiserlichen Befehl morgens frühe, in der Dämmer und Stille, mit der Glocken kurzem Klang«. – Ein rührendes Beispiel freudigen Todgangs »mit singendem Mund« berichtet das hiesige To.B.: »Den 30. Jan. 1638 starb Balthas Luithard, seins Alters uff 60 Jahr. Ist wenig stund ehe er gestorben noch ausgangen, sich fröhlich erzeigt mit Vermelden, es seye ihme wie (wenn) er werde bald sterben, er müsse singen, daruff heimgangen, sein Psalmenbuechlein genommen, vnd gesungen, vnd entlich schier under dem singen seeliglich entschlaffen«.

In dieser traurigen Zeit hat sich der Keller Nik. Dentzel von Walheim, wie er selbst bezeugt und ihm auch bestätigt wird, der geistlichen Personen in Stadt und Amt angenommen und sie beschützt, auch arme Leute und Kinder täglich gespeist und vor dem Hungertod bewahrt (Dentzel, evang. geboren, kalvinisch erzogen, im Kriege von den Päpstlichen »verführt«, wurde 8 Tage vor seinem am 22. April 1670 erfolgten Ende wieder evangelisch).

Uebler noch als die Städter waren die offenen Amtsflecken daran. Ihre Bewohner flüchteten sich hinter die schützenden Mauern der Stadt, wo es anfangs freilich etwas eng herging, aber die Seuche bald mehr als genug Platz schuf. So standen z. B. im J. 1639 die 3 Amtsorte ganz leer, ebenso noch 1640. Im Jahr darauf wagte man sich wieder hinaus, aber schon Ende 1642 oder anfangs 1643, »im schwedischen Tumult«, mußte man wieder flüchten.

Wäre uns das nicht ausdrücklich berichtet, so ließe es sich doch aus den hiesigen Kirchenbüchern entnehmen. Unter 37 vom 12.–28. Sept. 1634 begrabenen Personen befinden sich 4 Ingersheimer, darunter Pfarrer Mr. Andreas Thumm, welcher von Soldaten erschlagen worden war, aus Löchgau 2, aus Pleidelsheim 2 (des Schultheißen Frau und Kind), aus Mundelsheim und Gemmrigheim je 2, aus Walheim 3, darunter eine Frau, die im Pfarrhaus erschlagen wurde, aus Klein-Sachsenheim und Heutingsheim je 1, außerdem mehrere Fremde von unbekannter Herkunft. Eines gewaltsamen Todes endeten damals im ganzen 5 Personen. Unter den übrigen Gestorbenen des Jahres 1634, vom Ende Sept. an, sind etwa 20 Auswärtige (aus Walheim, Löchgau, Gemmrigheim, beiden Ingersheim, Sachsenheim, Mundelsheim, Pleidelsheim); im J. 1636 werden viele Walheimer, 1637: 19 Löchgauer, 24 Walheimer, 10 Gemmrigheimer, 10 Groß-Ingersheimer, zusammen 85 Auswärtige genannt; 1638: 81, 1639: 43, 1640–42 im ganzen bloß 3, 1643: 22, 1644: 17, 1645: 22, 1646: 15, 1647: 19. Nach dem To.B. ist im J. 1643 das Verhältnis der einheimischen Gestorbenen zu den auswärtigen 29:27, im J. 1644 = 30:35! Im T.B. machen die fremden Kinder in diesen Jahren durchschnittlich ¼ der Gesamtzahl aus. Im ganzen sind in den Jahren 1634–48 gegen 30 Orte namhaft gemacht, aus welchen sich Flüchtlinge hier befinden.

Nach dem T.B. von Walheim ist der dortige Pfarrer auf der Flucht in Besigheim: im Juni 1638, März und Aug. bis Sept. 1646, März und Sept. 1647. Die Gestorbenen werden im J. 1635 und 1636 meist zu Besigheim begraben, ebenso im J. 1637 und in den folgenden Jahren; ähnlich verhält es sich mit den Trauungen.

Der Ort ist nach Forstmeisters Bericht vom 12. Jan. 1646 von den Soldaten häßlich verderbt worden. Kirche und Kelter sind übel zerrissen. Die Bewohner suchen die Häuser wieder bewohnbar zu machen. Zur Gewinnung von Brennholz könnten 2 ganz geringe Häuser eingerissen werden, eines für die Besigheimer, eines für die Walheimer. Die Stadt hatte nämlich gebeten (Dez. 1645), etliche Häuser in den Amtsorten, die nicht mehr reparierlich seien, abbrechen zu dürfen, um des fortwährenden Ueberlaufs und Schmälens der Soldaten überhoben zu sein. Man habe fast kein Brennholz mehr; die Wälder seien ganz abgegangen. Das benötigte Holz habe man bisher von den Pforzheimer Flößern gekauft; jetzt aber kämen keine mehr, weil die Flüsse zugefroren seien. Nun seien in den Amtsflecken viele Gebäude nicht mehr zu reparieren. Sie bäten daher, einige abbrechen zu dürfen.

Löchgau fand der Forstmeister total ruiniert, weil es an der Straße liege und stets von Soldaten belegt gewesen sei. Der Schultheiß und etliche Bürger hatten einige seit Mannsgedenken nicht mehr bewohnte Häuser eingerissen, um Geld zur Bezahlung der Kontributionen zu gewinnen. Auf der Tat ertappt wurden sie um 20 fl (!) gestraft trotz ihren flehentlichen Vorstellungen: die Bürgerschaft sei gänzlich »ersogen«; alles was man zusammenscharre, erschaffe und ersammle, gehe für die Kontributionen wieder auf; müßten sie die 20 fl. zahlen, so »müßten sie ihr Zug-Vichlin angreifen und ihr mit schweren Unkosten erbautes Veldlin ohnangeblümt lassen«. Der Vogt zu Bietigheim bestätigte diese Angaben: ferntiges Jahr habe man dort 12 Pflüge ins Feld geführt, dieses Jahr würden es schwerlich mehr als 5 sein. Es seien auch verschiedene Bürger rund resolviert, sich von Haus und Hof hinweg nach Klein-Ingersheim und anderwärtshin zu begeben; die übrigen wollten ihnen auch nachfolgen.

Nach einem Bericht vom J. 1655 gab es in Löchgau vor dem Einfall viele reiche Leute, jetzt aber viele öde Güter und Höfe, für welche die übrigen Bürger mit Gülten und Steuern aufkommen müssen.

Im J. 1639 können Löchgau, Hessigheim und Walheim des Kriegs wegen nicht bewohnt werden; auch Gemmrigheim liegt öde: »die Inwohner sind nahend alle verhungert und verschmachtet; die wenigen, die noch übrig sind, haben weder etwas zu beißen noch zu brechen«.

Als im J. 1635 durch den Tod des hiesigen Pfarrers Mr. Joh. Theod. Mockel, † am 5. März, und im J. 1639 durch Ableben des Mr. Joh. Chr. Bentzing, † 29. Mai, die hiesige Pfarrstelle in Erledigung kam, meldete sich jedesmal eine ziemliche Anzahl von auswärtigen Geistlichen, aus deren Bewerbungsschreiben wir zwar nicht über Besigheim, aber über die Schicksale der Bewerber und ihrer Gemeinden interessante Einzelheiten entnehmen können. Es sei uns erlaubt, einiges mitzuteilen (Kons.R.).

Der Spezial zu Heidenheim ist öfters ausgeplündert worden; im vergangenen Jahr, als eine große »Sterbet« einfiel, sind inner 4 Monaten 1000 Personen an der Pest gestorben. Es war große Hungersnot, so daß man aus Kleien, Leinmehl u. dgl. Brot backen mußte. Der Pfr. zu Klein-Aspach, Sam. Widmann, hat 10 unterschiedliche Einquartierungen gehabt, ist mehrmals ausgeplündert, gefangen und samt Weib und Kind übel traktiert worden; er mußte sich 14 Tage in den Wäldern aufhalten, wo er übel erfror. – Pfr. Esenwein zu Bottwar, von Ingersheim gebürtig, ist beinahe um alles gekommen. Würde er Besigheim erhalten, so könnte er seine auf Ingersheimer Markung liegenden, an die Besigheimer Markung angrenzenden Feldgütlein von B. aus bauen und beaufsichtigen. – Der Pfr. zu Kirchheim a. N., Mr. Dav. Bab, hat auch viel erlitten; in den Kriegsdrangsalen haben sich die Pfarrkinder oft flüchtig gemacht; so sind die Soldaten dem Pfarrhause zugezogen und haben ihn armen Kirchendiener ausgemergelt. – Der Pfr. Joh. Ulr. Thumm zu Hohen-Haslach hat alles verloren; seine Besoldung wird ihm (von den Klöstern Rechentshofen und Maulbronn) nicht ausbezahlt.

Besonders schlimm war es dem Mr. Jak. Cleß, vertriebenen Pfr. von Weil d. St., ergangen.

»Vor eingebrochenem Strudel« hatte er beim Magistrat um Schutz und Schirm und Salva guardia nachgesucht – ähnlich wie die katholischen Geistlichen in schwedischer Zeit, die ganz schadlos davongekommen; es wurde ihm zwar versprochen, aber nicht gehalten. Gleich in der ersten Nacht brachen 3 Reiter, denen man verräterischer Weise mit der Laterne zündete, ins Haus, kamen ihm und den Seinigen mit bloßem Degen über das Bett, fuhren sie grausam an, stachen ganz grimmig auf sie dar und nahmen hinweg, was sie tragen konnten. Nächsten Tags ließ ihn ein welscher Hauptmann durch Soldaten und Bürger mit brennender Lunte und Muskete suchen. Als er sich gutwillig einstellte, um sich zu entschuldigen, er habe sich in diese katholische Stadt nicht mutwillig eingedrängt, stellte jener unerträgliche Forderungen, z. B. er solle seine Religion verleugnen oder 1000 Dukaten erlegen, oder werde er sofort zur Armee abgeführt. Acht Tage wurde er in einer finsteren Kammer, deren Läden zugenagelt worden, ohne Speise und Trank gelassen; endlich wurde er gegen eine erst von hiesigen Bürgern zusammengeborgte, unerschwinglich hohe Ranzion (Lösegeld) in Gold, Geld und Silbergeschirr (gegen 400 fl.) freigelassen. Unterdessen hausten Bürger und Soldaten in seinem Haus mit Prassen und Schwelgen, Rauben und Plündern dermaßen, daß er hernach ein ödes Haus fand, abgesehen von etlich wenig Schreinwerk.

Eine Zeit lang hatte er dann Ruhe; als aber ein anderer Oberst, ein Spanier, das Kommando in der Stadt überkam, legte ihm dieser gleich 3 Reiter mit 3 Pferden 8 Wochen ins Haus. Pfr. mußte die Lebensmittel hin und her, mehrenteils bei Katholischen, auf Borg nehmen, so daß er jetzt mit Schulden überhäuft ist. Der Oberst sagte ihm übrigens, diese Einquartierungen gälten nicht ihm, sondern den württembergischen Häusern und dem (Bebenhäuser) Pfleghof, darinnen er wohne. Oefters wurde ihm auch von den papistischen Prälaten zu Bebenhausen und Herrenalb, auch von dem ganz neu und katholisch gewählten Rat das Haus zu räumen geboten. Von mißgünstigen Bürgern wurde ihm ins Haus geschossen und ihm und dem evangelischen, vom Rat kassierten Schulmeister der Tod geschworen.

Das Aergste war aber, daß ihm das ganze reine Exerzitium (Ausübung) der evangelischen Religion verboten wurde. Von der Behörde hatte er den Bescheid erhalten, er solle sich gedulden, bis Gott etwas Besseres schaffe, inzwischen aber nicht weichen, es werde ihm denn gar ausgeboten. Er hat aber trotz mehrfachen Ausbietens ausgeharrt. In der kleinen Augustinerkirche, die ihm leider nur für kurze Zett eingeräumt worden war, wurden ihm die neue Kanzel, Altar und Gestühl wieder abgebrochen und das Kirchengeräte genommen.

Die hiesige Pfarrstelle wurde keinem der genannten Geistlichen, sondern dem Mr. Ludwig Magirus übertragen. Nach dessen Tod (19. Okt. 1635) erhielt Mr. Nikol. Abermann, Pfarrer in Hessigheim, an Andreä seine Antrittspredigt, »wurde aber wegen unanmüthigen Predigens unterthänigst verbeten«.

Im J. 1639 meldete sich neben Mr. Joh. Ulr. Beck zu St. Leonhard, dem Spezial zu Waiblingen und Mr. Chr. Oesterlin, gewesenen Prälaten zu Anhausen, der die Stelle auch erhielt: Mr. Mich. Weinlin, Pfr. zu Ilsfeld. Dieser hat viel erlitten in Gochsheim (Gochsen), Neuenstädter Amts, »indem (ich) von einer Hecken und Wald zum andern mich salvirt, darüber in der ohnbarmherzigen Spanier Hand und Band, mit schwerer Beute beladen, hin und wieder geschleppt, endlich aufs allerohnbarmherzigste gereittelt worden, also daß der Strick zersprungen, bis durch Gottes Gnad ich wunder(bar)lich für den römischen Kaiser, dessen Hauptquartier damals in Neuenstadt gewesen, gekommen bin, durch demüthigsten Fußfall einen Paß ausgewirkt zu dem Ende, damit doch nur die in Möckmühl, im Neuenstädter und Weinsberger Amt 14 Wochen lang ohngetauft liegenden Kindlein getauft, trostlose Kranke absolvirt und kommunicirt, auch die da und dort auf Straßen und Gassen liegenden übelriechenden Niedergehauenen durch meine Bemühung begraben und andere Kirchendienst verrichtet werden möchten.« – Weinlin, welchem Besigheim wegen der Lateinschule für seine Söhne sehr erwünscht wäre, bekommt vom Güglinger Spezial ein gutes Zeugnis. Er habe in Ilsfeld 3½ Jahre lang gute Dienste getan, sei aus seinem Flecken niemals abgewichen, manchmal fast allein drin gewesen, wie die ganze Gemeinde bezeuge. Von seiner vorigen Gemeinde, wo er 13 Jahre lang gewesen, erhalte er das Zeugnis, daß er sich besonders der Erschlagenen und der ungetauften Kinder mit unerschrockenem Herzen habe angenommen.

Der Pfr. Haag von Zaisenhausen, welcher sich 1623 nach Löchgau meldete, war im »pfälzischen Kriegswesen« (1620) überfallen worden. Er versteckte sich im Gesträuch, während der Feind vor und neben ihm war. Zwei Bürger wurden erschossen, andere niedergeritten, ausgezogen und geplündert. In der Nacht rettete er sich nach Vaihingen zu seinem Schwäher, Pfr. Binder von Löchgau, der in V. bürgerlich war. – Im letzten Winter (1622/23) war er auf dem Weg von V. nach Haus, als er seine Kinder besuchen wollte, samt seinem Weib von bairischen Reitern überfallen und geplündert worden; seinem Weib wurde mit aufgezogenem Hahnen der Pelz und das Kleid vom Leibe gerissen etc.

Er verlor bei der Plünderung (1620) neben seinem ganzen Hausrat u. a. auch seine Hausapotheke, an der er 14 Jahre gesammelt hatte, ferner schöne Landtafeln, Kupferstuck (Kupferstiche), gute Konterfeien von württembergischen Grafen und Herren, etliche geschriebene Arzneibüchlein. Er hatte nichts geflüchtet, weil 1) »der bairische Vertrag durch Herrn von Stein feierlich mit Trommen und Pfeifen war abgelesen worden; 2) weil Obist Mordoni, der einen Trunk bei uns thon, hoch beteuert hat, es solle niemand kein Leid beschehen«. Seine Bibliothek ist ihm auch verloren gegangen; die Schriften wurden schändlich zerrissen, mit Kot überzogen; die Soldaten wischten bei unlustigem Wetter ihre Stiefeln und Sporen mit Fleiß an ihnen ab. Ein Teil derselben wurde ihm ins Land und ins Marbacher Amt verschleppt. Es mangeln ihm noch ... (folgt ein ziemlich langes Bücherverzeichnis).

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Oberes Tor mit Steinhaus (S. 46.)

Die Zahl der Bürger in der Stadt und in den Amtsorten vor und nach dem Krieg s. Kap. 11! In Löchgau betrug sie vor 1634: 180, im J. 1655: 52 und 3 Beisitzer. Die Zahl der Häuser s. Kap. 5, die der angebauten Morgen Feldes bzw. Weinberge s. Kap. 15!

Als nach vielen Jahren unaufhörlichen Kriegens endlich wieder die Friedensglocken läuteten, war das Land eine Wüste; das Volk glich einem unter die Mörder Gefallenen, welchem das Blut aus tausend tiefen Wunden rann. Daß unser Volk es vermochte, sich aus diesem Zustande todgleicher Ermattung wieder zu erheben, ist von jeher und mit Recht als Beweis seiner unerschöpflichen, unvergeudeten Lebenskraft betrachtet worden.

Wie die Lücken, welche das große Sterben der Jahre 1634–39 gerissen hatte, sich wieder schlossen, die Städte und Dörfer sich wieder mit Menschen füllten, wird im 11. Kap. des ausführlicheren gezeigt werden. Die Biet. A. berichten auch, daß nach geschlossenem Frieden viele bairische Leute ins Land gekommen seien, die froh gewesen, hier als Dienstboten ihren Unterhalt zu finden. Sie seien der Stadt sehr ersprießlich gewesen, weil an Arbeitskräften großer Mangel geherrscht habe. Auch hier in Besigheim werden in jener Zeit viele fremde (katholische) Dienstboten genannt. Ebenso wird auch mancher abgedankte Soldat sich hier bürgerlich niedergelassen haben, was wenigstens von Bietigheim ausdrücklich berichtet wird. »Jetzt lautete es nicht mehr nach dem alten teutschen Sprichwort: Bauer aus dem Weg! sondern: Soldat aus dem Weg! Man wunderte sich, daß solche teils im Kriege aufgewachsene Purstlen sich so bald an das bürgerliche Wesen gewöhnten.«

Was an Gütern und Werten sittlicher und religiöser Art in der friedelosen, der schrecklichen Zeit verloren ging, das läßt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Es heißt: »Not lehrt beten«. Das ist wahr, und das Gegenteil – auch! Wenigstens lautet ein anderes »teutsches« Sprichwort: »Armuet der Fromkeit weh tut«, und auch dieses bewahrheitete sich vielfältig, wie wiederum die Biet. A. bezeugen.

Doch geschah von oben her das Menschenmögliche, um, was abgekommen, wieder in Gang, was vergessen, wieder in Erinnerung, was ungültig geworden, wieder zur Geltung, was verfallen, wieder »in alten Stand zu bringen«. Schon mitten im Krieg! Die Beamten haben seither, heißt es im J. 1645, »ob der Landesordnung steif und fest gehalten und alles wieder ins Geleise zu bringen gesucht, gute Polizei bestmöglich angerichtet, sonderlich die Untertanen zur Reichung der Renten und Gülten beweglichst erinnert«. Also kein stumpfes, an der Zukunft verzweifelndes Gehenlassen der Dinge, sondern ein Weitermachen, zwar nicht mit fröhlichem Mut, aber in Hoffnung kommender besserer Zeiten; der Pflicht, noch mehr der Notwendigkeit gehorchend und zugleich dem eigenen Trieb, der unausrottbar zur Selbsterhaltung drängt. Bezeichnend, auch für alle anderen Betätigungen ihrer erhaltenden und wiederaufbauenden Fürsorge, ist die Zähigkeit, mit welcher die Regierung ihre auf abgegangenen Häusern, herrenlos und wüst liegenden Gütern ruhenden Gefälle behauptete, unbeschadet zeitweiliger Nachlässe (vgl. unten Kap. 17!). Ging dem Rechner auch nichts ein, so ließ er doch die betreffende Rubrik offen, bis die Zeit kam, wo die Einnahme wieder zu fließen begann. So wurden überall die Zügel nicht nachgelassen, sondern eher noch straffer angezogen. Das mochte ja hart, fast grausam erscheinen, aber es wirkte wohltätig.

Und wie auf dem Gebiete des Gesetzes, so gab man auch auf dem der mannigfaltigen Sitte die gewohnten Formen des Lebens nicht preis, wenn sie auch einstweilen gleichsam leer bleiben mußten. Mußte der eine oder andere Brauch auch eine Zeitlang unterbleiben, weil es an Mitteln oder an Lust und Stimmung dazu gebrach – vergessen ward er nicht, vielmehr so bald als möglich wieder erneuert. So wurde seitens des Bürgers ob den durch »altes Herkommen« geheiligten »Zöhrungen und Ergötzlichkeiten« nicht minder »steif und fest« gehalten als seitens der Regierung ob ihren Ansprüchen. Ja, auch in den schlimmsten Zeiten wurde der »Jörgenwein« getrunken und das »Heringsmahl« verzehrt (vgl. auch das Maienfest Kap. 21).

So war es wenigstens in der Stadt. Wie sie nie ganz verlassen war, so setzte auch der Pulsschlag des Lebens keinen Augenblick gänzlich aus; keine Erinnerung ward ganz vergessen, an keinem Punkte durfte der Faden der Ueberlieferung reißen, oder wenn doch, so waren Hände eilig und geschäftig, die getrennten Enden wieder aneinander zu knüpfen. – –

Wir überspringen nun einen Zeitraum von 40 Jahren. Nicht als ob es Jahre des Friedens gewesen wären und ungestörter Arbeit! Fallen doch in diese Zeit zwei Eroberungskriege Ludwigs XIV (1667–68 und 1672 bis 78), welche unser Land und Amt schmerzlich in Mitleidenschaft zogen. Aber wir möchten mit unserer Aufmerksamkeit doch lieber bei solchen Ereignissen verweilen, welche gerade für unseren Ort besonders denkwürdig wurden.

 

2. Der Franzoseneinfall des Jahres 1688. Im J. 1688 begann Ludwig XIV einen neuen Raubkrieg, den sog. »Pfälzischen Erbschaftskrieg«. Schon vor der Kriegserklärung fielen seine Scharen in Württemberg ein; zweimal sah unsere Stadt die unlieben Gäste in ihren Mauern.

Heilbronn öffnete am 17. Okt. dem General Montclar die Tore; Lauffen war schon am 6. Okt. besetzt worden. Hier machte man sich bereits im Aug. auf die Ankunft des Feindes gefaßt. Am 26. dieses Monats ließ man Hauptmann Eisenmenger von Heilbronn hieher kommen, um die Befestigung in Augenschein zu nehmen und die Stadt in besseren Verteidigungszustand zu setzen. Die »Ausgewählten«, 53 Gemeine samt einem Korporal und einem Sergeanten, welche mit der »Gröninger Landsdefensionskompagnie« an die Grenze kommandiert waren, wurden bald wieder nach Hause gelassen, auf die dringenden Vorstellungen des Stadtschreibers, der am 20. Aug. ins Lager bei Enzweihingen geritten war. Doch durften sie nicht lange hier bleiben; sie mußten vielmehr mit den Ausgewählten benachbarter Aemter den Asperg besetzen, wurden aber dann schon nach drei Wochen, auf inständiges Bitten der Stadt, kurz vor der Uebergabe der Festung an die Franzosen, wieder abgelöst. Am 8. Okt. sah man die ersten Franzosen hier durchmarschieren. Sie begnügten sich, in einer weniger durch angeborene Bescheidenheit als durch ihre kleine Zahl gebotenen Mäßigung, mit einem Trunk vors Tor hinaus. Vier Wochen später, am 4. Nov., stiegen 3 Franzosen beim Kronenwirt ab, um Quartier zu machen. So mußte man sich denn auf zahlreicheren Besuch einrichten und dazu gehörte u. a. auch die Erwirkung einer schriftlichen Salva guardia (Schutzwache), für welche General Montclars Sekretär 7 fl. erhielt.

Bald wurde das Gefürchtete Ereignis. Lassen wir zunächst der B.M.R. 1688/89, unserer einzigen, aber dankenswert gesprächigen Quelle, das Wort: »Hiebei ist vorderisten zu bemelden, daß von diesen gewißenlosen Peinigern und Quälern, den gottlosen Franzosen, fünff Compagnien und zwar am Mittwoch den 21. Nov. drey zu Fuß und den 3. Dez. zwey zu pferdt, mit 1 Major, 5 Capitain, 7 Lieutenants und anderen officiren in diß arme stättlen zu höchster Beschwehrung der höchstens entmittelten Burgerschaft, welche ererst im J. 1686 durch ein Hagelwetter umb alles kommen (17 000 fl. Schaden), gezogen, welche die armen Burger höchstens geschmähet, tribulirt, gestoßen, gehawen und geschlagen, wie denn derer so würckhlich Schläg, hieb und stöß einnehmen müssen, 60.«

Die Feinde richteten sich in der Stadt häuslich ein und ließen es sich wohl sein, indem sie »so tags so nachts c. v. gefressen und gesoffen und die beste tractamenten und wein, so guet es immer angeschafft werden können, verlangt.« Die Kapitäne Bournau und Taffis, welche im unteren Schloß ihr Quartier hatten, lebten alle Tage herrlich und in Freuden, wobei sie ihren Kollegen gegenüber die Pflichten der Gastfreundschaft in freigebigster Weise, aber auf Kosten der Stadt, erfüllten. Tische, Stühle, Bettladen, Geschirr, Servietten, Tischtücher, Kannen, Teller, Kelche, Handzwehlen u. dgl. mußte von hiesigen Honoratioren gestellt werden. Was bei diesen Gastereien alles aufging an Fleisch, Geflügel, Mehl, Gewürze etc., ist in den B.M.R. haarklein verzeichnet. Zum Aufwarten, »Hinundherposseln« und Spülen mußten sich drei hiesige Leute hergeben (23 Tage lang).

Für den Fall einer Belagerung wurde auf Montclars Befehl der Ochsengraben und der Graben nächst dem unteren Schloß mit Palisaden besetzt; das Biegelestor wurde vermauert (20. Dez.), das Tor des unteren Schlosses mit gedoppelten Palisaden vermacht (am 30. Nov. durch Walheimer und Hessigheimer). Auf der Brücke vor dem oberen Tor wurden zwei Schutzgatter mit gespitzten Palisaden und spanischen Reitern angebracht. Alles, was der Verteidigung hinderlich, einem Belagerer dienlich sein konnte, so alle Mauern jenseits des Grabens um die dortigen Güterstücke, wurde beseitigt; selbst die Mauer des Gottesackers wurde auf zwei Seiten »zu männiglichs Erstaunen« niedergelegt. Auch das Schafhaus sollte abgehoben werden; wegen des schnellen Aufbruchs der Feinde kam es aber glücklicherweise nicht mehr dazu. Zu diesen Arbeiten mußten die Amtsflecken täglich eine große Zahl Handfröner stellen (Walheim und Hessigheim vom 14. Dez. an zusammen 40, vom 18. an 70), die durch Soldaten zu geschwinderer Arbeit angetrieben wurden.

Den Dolmetscher bei Verhandlungen zwischen den Offizieren und der Bürgerschaft machte Heinrich Sonnecker, welcher namentlich dann sich ins Mittel legte, wenn die Soldaten Händel anfingen und die Bürger schlugen. Er war auch damals dabei, als die Franzosen, »ohnwissend warum, aus der Stadt ab- und auf Kirchheim zu marschierten und hiesigem Ort eine vergebliche Freude machten«, denn sie kehrten bald wieder zurück.

Einmal, am 12. Dez., kam auch General Montclar selbst hieher mit 100 Pferden. Er übernachtete in der G. V. Seinem Sekretär N. Radin wurden beim Abzug verehrt, »darüber er geschmähet und doch angenommen«, 12 Reichstaler (18 fl.).

Zu Plünderung und Brandstiftung kam es nicht, wenn es auch am bösen Willen nicht gefehlt haben mag.

Einmal allerdings, am Freitag den 14. Dez., nachts zwischen 12 und 1 Uhr, »ist in der Stadtschreiberswitwe Meurerin Haus (an der Stelle des heutigen Präzeptorats) aus verfluchter französischer Anstiftung des allda einlogirt geweßten Majors Banzan eine Prunst entstanden, so doch durch Gottes Hand und der Bürger und Weiber ohnermüedeten und begihrigen Fleiß nechst hindansetzung der officirs und Soldaten mit geladenem gewöhr umgebenen gefahr gelöscht worden; sonsten hätte die lateinische Schule und folglich die ganze Stadt in Brand gerathen können; dabei dieses sonderlich erbärmlich gewesen, daß Sie den Burger, welcher feurjo geschrieen, verwundt, den Mößner mit gedrohetem todtschießen vom Sturmleutten abgehalten und die zu hilf geloffene Leuth von der Nachbarschaft gar nicht zum Thor hereingelassen« etc.

Den Franzosen war es vornehmlich um eine Gelderpressung zu tun unter dem verschämten Titel eines »Quartiergelds«. Da die Offiziere selbst sahen, daß die geforderte Summe von der Stadt nicht geleistet werden könne, »hat General Montclar von beiden Kloster-Aemtern Lorch und Adelberg, so Besigheim zur Beihülff assigniert gewesen, die Beambten gleichbalden mit Bedrohung militärischer Execution hihero citirt. Dessen ungeachtet haben diese Aemter keine satisfaction geben, sondern dieses arme stättlen ohnverantwortlich deserirt (im Stich gelassen), also daß wegen strengester Anforderung, unter Androhung Brandts und Plünderung, in größestem Schrecken und Hertz einschneidenden ängsten man nicht gewußt, wo auß und ain; und daß diese trohung nit fulgura ex pelvi (Sturm im Wasserglas) gewesen, hat der laidige außgang genuegsamb bezeuget«. Schließlich schickten die Franzosen 10 Reiter und 10 beritten gemachte Musketiere ab, das Geld selbst zu holen. Diese wurden aber unterwegs »abgeschreckt« und auf dem Rückweg zu Affalterbach im Abzug mit Schüssen begleitet, so daß zwei verwundet wiederkamen und einer gar nicht, worauf Rittmeister Vivan solche Orte zu verbrennen mit 25 Pferden beordert wurde, der es aber wegen des dazwischen kommenden schnellen Aufbruchs nicht mehr ins Werk setzen konnte.

Da die Franzosen wegen des Anmarsches von Reichstruppen an den Aufbruch denken mußten, hatten sie es mit den Quartiersgeldern sehr eilig. So erforderten sie am 21. Dez. den Stadtschreiber samt 2 B.M. und 2 Ratsherren, jeden ohne Wissen des andern, in das untere Schloß, wo sie »aus güfft und Zorn dieselben mit gar harten Worten anfuhren: Ihr sollet sehen, was Ihr gethan habt; es wird Euch übel ergehen, Ihr werdet ein schönes Spihl sehen; bißhero habt Ihr uns nur am Narren Sail herumbgeführt und habt im Sinn uns nichts zu geben (da sie doch bereits gegen 3500 fl. empfangen)«. Es wurde auch gleichbald eine starke Wacht vor die Tür gestellt und ihnen scharpf zu laden und die Lunten anzubrennen befohlen, auch die vor Augen gelegenen Lunten in lange Stücke entzwei geschnitten. Darüber sind am 22. die Fußvölker abmarschiert, indem sie den B.M. Merklen und Martin Banger des Rats mit sich nahmen. Stadtschreiber Mögling aber wurde von drei Reitern in eines Hafners Haus »an den Armen oberhalbs über den ruckhen« an das Fenster festgebunden, dann auf den Markt geführt, daselbst auf ein Pferd gesetzet, »alswo der B.M. Balthas Seiz, und Ratsverwandter Joh. Eckert in eben solchem miserablen Stand sich bereits befunden, so one Thränen und innerste Hertzens Kränckhung nicht anzusehen gewesen.« Die Reiter ließen gegen Mittag die Gefangenen in eine Stube, verübten allerlei Insolenzien (Mutwillen), drohten alles Unglück. Nachts saßen sie wieder auf, machten auf dem Markt, vor dem Diakonathaus und vor der Vogtei große Feuer, liefen mit glühenden Scheitern die Gasse auf und ab (bei dieser Gelegenheit wurde die oben erwähnte Feuersbrunst durch einen verfluchten Diener des Majors zweimal tentirt). Endlich hielten sie vor dem oberen Tor, »woselbsten sie als furien bis umb 1 Uhr nachts verharret und nach gehörter Erster erschröckhlicher Donnerung der Mine vom Asperg zum thor hinaus gewischt«, die 3 Gefangenen mit sich schleppend.

»Abends vorhero hatte man die Lauffemer garnison von 70 Pferden sambt einem grundseltzamen und ohngestimmten Major zu versorgen, welche den O.Vogt Lutzelburg von Lauffen und einen B.M. von Mundelsheim bei sich gehabt und Schnöd und übel tractiret, so Morgens wider abgezogen. Man will aber von weiteren Trangsalen und teuflischen Insolenzien, sonderlich aber was die gefänglich Weggeführte inner 9½ Wochen vor Elend ausgestanden, sogar daß die von der Cavallerie Mitgenommene mit tentirter Ausflucht zu Kuchberg im Hundtsruck endlich Leib und Leben gewagt, doch aber, nachdem sie 1½ Stunden im Graben vergebenlich zugebracht und durch den Schlamm und sehr große Tiefe des Wassers nit setzen können, durch Gottes wunderbahre Hülff sich wieder glückhlich zurückh begeben, daß die darinnen noch im Schlaf befundene Wacht solches nicht gemerkhet« ... (nichts weiter melden. – Der Satz geht im Original noch eine gute Strecke weiter).

So nahmen die Franzosen buchstäblich französischen Abschied. Als Grund des überstürzten Aufbruchs wird angegeben das Anrücken von 3000 Mann Reichsvölker aus Ungarn, »in dessen Folge sambtliche französische Truppen dahier und bis an den Rhein hinunter den 23. Dez. mit einsmahls ausgebrochen und gleichsamb wie der Wind vor das Land wieder hinausgekommen.«

Gerne würden wir die mitgenommenen Geiseln, welche in zwei Partien an verschiedene Orte verschleppt wurden, auf ihren abenteuerlichen Irrfahrten begleiten – wir hätten nur der B.M.R. zu folgen, welche die getrennten Routen von Station zu Station verzeichnet. – Doch würde uns dies »zu weit führen« und zwar buchstäblich, nämlich weit den Rhein hinunter und über den Rhein hinüber. Wir begnügen uns daher mit der Mitteilung, daß nach unendlichen Verhandlungen zwischen den Franzosen und den Gefangenen, wie zwischen letzeren und der Heimat endlich am Freitag den 22. Febr. 1689, nachts um 8 Uhr, die vereinbarte Auslösungssumme im Betrag von 3300 fl, dazu noch 90 fl. »Diskretion« an die Offiziere, in Worms, wohin alle fünf gebracht worden waren, ausbezahlt wurde und zwar in Form eines Wechsels, den der Italiener Brentano zu Stuttgart und Abraham Mango zu Frankfurt besorgten. Dennoch wurden gleich des andern Morgens von den Franzosen neue Forderungen erhoben; die Befreiten waren jedoch darauf gefaßt gewesen und hatten dafür gesorgt, den Franzosen aus dem Gesicht zu kommen. Dreizehn Gulden wurden ihnen aber doch noch abgenötigt und erst, als sie durch Vermittelung von Wormser Bekannten den vom französischen Kommandanten auszustellenden Paß in Händen hatten, konnten sie sich wieder als freie Männer betrachten. Sofort, es war am Samstag nachmittag den 23. Febr., ward die Heimreise angetreten, die dann auch trotz mancherlei Fährlichkeiten glücklich von statten ging. Am Dienstag den 26. Febr. langte man über Klein-Gartach und Bönnigheim in Erligheim an. Hieher waren ihnen einige Besigheimer sowie der Pfarrer von Gemmrigheim entgegengeritten, »eines theils zur Bezeugung Ihrer Ueber die widerkunfft geschöpfften Freude, andernteils aber um dem Stadtschreiber den inzwischen erfolgten tödtlichen Abgang seiner Frawen Succesive (nach und nach) beizubringen«.

»Denen von den Franzosen gefänglich Weggeführten personen, in Ansehung deroselben 10wöchigen Gefangenschaft, und daß sie nit vor Ihre Person, sondern Stadt und Ambts wegen mitgenommen, darüber aber viel Elendt und Ungemach ausstehen müssen, ist guetgethan worden, gleich auch in anderen dgl. Orten und in specie zu Tübingen geschehen, Jedem 50 fl.« (Gesamtkosten für die Reise und das Lösegeld 4486 fl. 34 kr.).

Die Beilagen zur B.M.R. sind leider im J. 1693 größtenteils zu grunde gegangen. Doch ist u. a. noch ein Blatt, » Bordereau« überschrieben, vorhanden, auf welchem eine Geldsumme an die Franzosen in verschiedenen Münzsorten zusammengestellt ist.

 

3. Die Franzosen abermals hier, 1693. Die Erinnerung an das Jahr 1688 wurde bald durch eine weit verderblichere französische »Invasion« in den Hintergrund gedrängt, so sehr, daß ohne die gleichzeitige B.M.R. so gut wie keine Kunde von jenen Ereignissen auf die Nachwelt gekommen wäre. Ueber den Franzoseneinfall vom J. 1693 dagegen fließen zahlreichere und ausgiebigere Quellen.

Im Juni des genannten Jahres stand die Kaiserliche Armee bei Ottmarsheim; täglich kamen Offiziere amtshalber zum Vogt, bald mit diesem bald mit jenem Anliegen. Die hiesigen Fahrschiffe (2) mußten zur Schiffbrücke nach Lauffen hergegeben werden und wurden später bis Wimpffen verschleppt. Unzähligemal ritt der Stadtschreiber ins Lager, um wenigstens das große Schiff wieder zu bekommen. Für den Notfall wurde ein Floß gezimmert. Zahlreiche »Schnapphahnen« sprachen an den Toren vor, denen Wein und Brot ins Schießhaus gereicht wurde.

Am 17. Juli überschritten die Franzosen den Neckar bei Beihingen auf einer Schiffbrücke. An diesem Tage flohen die Beamten von Backnang, Beilstein, Bottwar, Mundelsheim, Marbach. Schon am 15. Juli hatte der Dauphin (Kronprinz) eine Abteilung des französischen Heeres, 5000 Mann mit 8 Geschützen unter General Montcassel, gegen Besigheim gesandt, um diesen wichtigen Uebergangspunkt zu sichern. Der Vogt ritt eiligst ins verbündete Lager nach Talheim und erhielt sofort 300 Reiter und 200 Mann zu Fuß; erstere konnten jedoch nicht mehr über den Neckar kommen. Das Fußvolk hielt sich bis nachts 1 Uhr tapfer gegen den Feind, welcher mit 2 Geschützen Bresche zu schießen suchte. Darauf verließ es die Stadt unter dem Vorwand eines Ausfalls. Ihm folgten die Einwohner, ohne viel mehr als das Nötigste mit sich zu nehmen. Die Belagerer fuhren bis morgens 7 Uhr mit Schießen fort; darauf, als sie merkten, daß die Stadt verlassen war, stiegen sie über die Mauer und öffneten die Tore.

Bei der Beschießung bekam, nach einer Rechnung des Barbiers Wölffing, ein Lieutenant einen Schuß in die linke Achsel, einem Feldwebel wurde das Schienbein, zwei Gemeinen der Arm durchschossen, ein dritter wurde in den Schenkel getroffen; einem Fußgänger fiel ein Stein von der Mauer auf den Kopf, so daß »ein großer Flarren herausgehangen«.

Nach des G.V. Bericht (sämtliche Beamte wurden zur Verantwortung aufgefordert, warum sie nicht auf ihrem Posten geblieben) begann das Schießen am Samstag morgen und dauerte den ganzen Tag fort; er harrte diese Zeit über mit noch 20–25 Bürgern aus, trat auch den von den Soldaten verübten Exzessen (Einbrüchen in die Keller u. dgl.) entgegen. Abends zwischen 9 und 10 Uhr ließ er sich über den Neckar setzen, wartete noch einige Stunden, wie die Sache ablaufe und schloß sich dann den fliehenden Soldaten und Einwohnern an.

Dem Vogt kamen, als er vom Lager zurückkehrte, schon die Flüchtlinge entgegen. Da die Franzosen vom anderen Ufer beständig grausam herüberschossen, konnte er sich nicht mehr über den Fluß wagen und »mußte all sein Sach mit dem Rucken ansehen«, wie die benachbarten Orte (Beamten) auch. »Auch hat man immer gehört, wie grundübel und jämmerlich der grausame Feind mit den da und dort aufgefangenen Bauern umgegangen, da sie etliche aufgehängt, erstochen, geschlagen und mit Aexten zerhauen haben. So haben auch in diesem Stätt- und Aemtlen underschiedliche Personen ihr Leben lassen müssen, so daß nach Abzug der Feinde manche Leichname in Stücke zerhauen gefunden worden sind; überdies haben die von Besigheim, als gebrannte Kinder, das Feuer nicht ohnzeitig gefürchtet (1688!), daher niemand, hätte man ihm auch die ganze Stadt schenken wollen, sich unter die Feinde gewagt hätte, da Jeder sagte, sein Leben sei ihm so lieb wie einem andern das seinige«.

Es wäre doch besser gewesen, man wäre geblieben. Denn nichts war in Sicherheit gebracht worden. Auf die wiederholten beruhigenden Versicherungen der in nächster Nähe stehenden Verbündeten hin, es sei nichts zu befürchten, zugleich aber auch in übel angebrachter Sparsamkeit, hatte man sich nicht einmal eine »Salvaguardia« verschafft, trotz dem ausdrücklichen Befehl der Regierung. So konnte der Feind mit allem, was er vorfand, als herrenlosem Gut schalten und walten wie ihm gut dünkte.

Er richtete sich denn auch so häuslich ein wie möglich. In der Kirche wurden 6 Backöfen errichtet, alles Holzwerk verbrannt, Grabsteine und Wände verderbt, das Dachwerk ruiniert, die Glocken zerschlagen und fortgeführt (in Stadt und Amt gingen zusammen 15 Glocken verloren).

Doch blieben drei heute noch in der Kirche hängende Gemälde erhalten, eines aus dem J. 1604 mit den Bildern des am 25. Febr. 1604 verstorbenen badischen Stiftsschaffners Veit Henßler und seiner Frau und Kinder, ferner ein dem Pfarrer Oesterlin gewidmetes mit seinem und seiner Frau Brustbild, endlich eines zum Gedächtnis an die am 22. Nov. 1677 int Alter von 19 Jahren verstorbene Kathar. Veron., Tochter des U.Vogts Weinmann.

Auf dem Oesterlinschen Grabgemälde steht ein kurzer Bericht über die Schicksale der Kirche im J. 1693, worin die Erhaltung des Gemäldes als ein ganz besonderes göttliches Wunder gepriesen wird.

Von den Besigheimer Glocken geht (ging?) die Sage, sie seien in den Neckar versenkt worden; ähnliches weiß man in Mundelsheim von den dortigen. Man erinnere sich auch an die von Lauffen und an die Glocke der früheren Kapelle auf dem Wunnenstein, genannt Anna Susanna.

Auch die G.V. (Oberamtsgericht), das Diakonathaus, die O.Vogtei, das Provisorathaus wurden übel mitgenommen, das untere Schloß so sehr, daß es eine Reparatur nicht mehr lohnte. In der Kelter wurden die Fässer (10 große, darunter 2 ganz neue, welche je 60 Eimer faßten) zerschlagen, der Wein wurde ausgetrunken, wenn man ihn nicht auf den Boden laufen ließ. Die Mauersteine wurden ausgebrochen und zu Backöfen verwandt, deren man in der Kelter und in der Zehntscheuer 15, in der Stadt hin und her insgesamt gegen 300 errichtete. »In Summa ist in der Stadt, außer daß keine Häuser verbrannt worden sind (wie auch in Walheim und Hessigheim), nichts unterblieben, was zum Verderben gereichen möchte«.

Was die Registraturen betrifft, so verlor der G.V. nichts Erhebliches. Der Vogt hatte seine Schriftlichkeiten teils zu Liebenstein, teils hier in einem Gewölbe bestens verwahrt; aber dort wurde alles gefunden, verstreut, verderbt und zum Teil hinweggenommen, so daß er nachgehends nichts Ganzes mehr zusammenbringen konnte; hier ging es ähnlich, namentlich gingen viele alte Rechnungen verloren. – Von den Kirchenbüchern ging das Totenbuch vor 1606 und das Ehebuch vor 1687 verloren. Die Stadtregistratur, welche den 30jährigen Krieg im ganzen unversehrt überstanden hatte, wurde zwar nicht planmäßig zerstört, aber doch zum größten Teil vernichtet. In den Privathäusern wurden natürlich alle Wertsachen geplündert, die Mobilien zerschlagen, namentlich das Schreinwerk; die Dächer wurden abgebrochen und verbrannt, so daß sie alten Laternen ohne Gläser gleich sahen. Daher mußten die Leute im Winter 1693/94 wegen Mangels an Holz fast erfrieren und sich wie das Vieh im Stroh verkriechen.

Die Einwohner hatten sich überallhin, z. B. nach Affaltrach, Brettach, Thüngenthal bei Hall, Gemmrigheim, Hall, Heilbronn, Lauffen, Murr, Oehringen, Walheim, Weinsberg, besonders viele nach Sachsenheim geflüchtet. Auf der Flucht starben 15; solcher, welche die Flucht nicht mitgemacht, sondern hier geblieben (d. h. wohl in der nächsten Umgebung), starben 17; solcher, welche heimkehrten, aber nachträglich »für Jammer, Hungers und Kummers entschlafen sind« (vom 16. Sept. bis 31. Dez. 1693), 65 Personen.

Wenn öfters berichtet wird, daß die Stadt im Augenblick der Einnahme ganz und gar verlassen gewesen sei, so ist das nicht ganz richtig. Eine Familie mindestens war zurückgeblieben, allerdings keine hiesige, sondern die des Pfarrers Bohl von Walheim (Joh. Stephan B. von Koblenz, Proselyt, in Walheim Pfarrer von 1672 an; dort † 1711). Dieser hatte sich vor dem anrückenden Feind nach Besigheim geflüchtet. Bei sich führte er neben den notwendigsten Habseligkeiten eine Summe von 7000 fl. und viele Kleinodien, welche ihm von einem Verwandten, dem Keller Gottbiß von Knittlingen, zur Verwahrung anvertraut worden waren. Da er den Schatz hier nicht sicher glaubte, so suchte er ihn noch in letzter Stunde anderwärts unterzubringen; allein es war schon zu spät. So vergrub er ihn denn im Stall und deckte die Stelle mit Stroh zu. Aus irgend einem Grunde verließ Bohl noch einmal die Stadt und konnte nachher nicht mehr hineingelangen. Seine Familie hatte nicht fliehen können. Denn an dem Tage, an welchem der Feind vor den Toren erschien, kam die eine seiner Töchter (die Familie bestand aus der Frau und drei Töchtern, zwei verheirateten und einer ledigen, mehreren Enkelkindern und einem Dienstmädchen) ihre Stunde an und in der Nacht der Belagerung begrüßte ein neuer Erdenbürger unter dem Donner der feindlichen Kanonen das Licht der Welt. Gleich am ersten Tage wurde die Familie geplündert. Betten, Leinwand, auch »Uehrlen« wurden ihr genommen und nichts gelassen, als etliches geringes Geräte. Sonst geschah den Leuten nichts zuleide, im Gegenteil, die französischen Offiziere näherten sich ihnen mit der größten Liebenswürdigkeit, so daß sie nur abzuwehren hatten. Der Kommandant, Sigmund Montclar, stellte sogar, wie es hieß auf Befehl des jungen Königs selbst, einen Sicherheitsposten vor das Haus. Nicht genug, der glücklichen Mutter wurde noch Fleisch, Brot, Zucker samt einem harten Taler ins Kindbett geschenkt, dazu eine Kuh, welche aber später von einem Walheimer als sein ihm gestohlenes Eigentum erkannt und zurückverlangt wurde.

Als Montclar erfuhr, daß eine der Töchter in Heilbronn verheiratet sei (die andere war Regine Rosine Dreyspringin, Pfarrerin zu Böckingen), erkundigte er sich nach dem Befinden verschiedener Heilbronner, die er vor fünf Jahren, als er dort den ganzen Winter über gelegen, hatte kennen lernen. – Die Magd mußte den Offizieren in Dreysprings Haus waschen. Dieselben beredeten sie auch, mit ihnen zu gehen, worauf sie zunächst einging. Als es aber Ernst wurde, versteckte sie sich. – Drei Tage vor dem Abzug kamen Soldaten, suchten im Garten nach vergrabenen Schätzen, stupften mit dem Degen im Boden herum, machten sich auch im Stall in verdächtiger Weise zu schaffen. Als der Kommandant sich verabschiedete, sagte er zur Pfarrerin: »Nun jetzt bistu Commandant, aber dein Geld ist fort!« – So war es. Die Magd, von den Offizieren bestochen, hatte den Ort verraten, wo der Schatz verborgen war. Sie wollte es zwar anfänglich nicht Wort haben, allein die Verausgabung von Dublonen erregte Verdacht; sie wurde ins Verhör genommen und mußte gestehen, da sie auf die Frage: ob die Franzosen gewohnt seien, Goldstücke zu verschenken, keine befriedigende Antwort zu geben wußte.

Außer dieser Familie, wird bezeugt, sei kein Bürger in der Stadt zurückgeblieben.

Des Hirsauischen Kellers zu Hessigheim Bericht: es ist ihm kein Buchstabe von einem Befehl, für eine Salva guardia zu sorgen, zugegangen; ebensowenig eine Kunde von drohender Feindsgefahr. Es war ihm, wie anderen auch, die sichere Vertröstung geworden, es habe keine Gefahr, man lasse den Feind nicht über den Neckar. Auch hätte er doch nichts machen können, da er keinen Stab (Amtsgewalt) hat und bei den Hessigheimern das ganze Jahr über nichts gilt, außer in der Ernte und im Herbst, bis die Geschäfte vorüber und jene ihren Lohn haben, »darnach ich an dem Respekt das ganze Jahr über genug haben muß«. Nach der Einnahme Besigheims hat die Bevölkerung in Stadt und Amt alles im Stich gelassen. Die französischen Schnapphahnen haben bei Hessigheim über dem Neckar drüben sich in großer Zahl eingefunden und herübergeschossen, worauf Keller samt dem Pfarrer, weil die übrige Bürgerschaft schon Reißaus genommen, sich eben auch flüchten mußte mit Weib und (5) Kindern; und weil er weder Wagen noch Pferd hatte, auch kein Bauer das Geringste ihm auf den Karren nehmen wollte, mußte er auf 5 Wochen ins bittere Exilium (Verbannung) wandern. An Früchten, Wein und Mobilien hat er über 1000 Reichstaler Werts verloren. Er hat sich, während der Feind noch im Dorf gestanden, verschiedene Male nächtlicherweile ins Dorf geschlichen. Aber der Schaden war schon geschehen. Auch die im Keller verborgene Registratur war entdeckt und »mehistens zerrissen und übel distrahiert« (zerstreut) worden; doch konnte er die noch zugegen seienden, aber in großer Konfusion befindlichen documenta, Rechnungen, Gült-, Läger- und andere Bücher anderwärts in sichere Verwahrung bringen. Sobald der Feind von Besigheim abgezogen (am 14. Aug.), begab er, Keller, sich (am 15. Aug.) samt seiner Familie wieder nach Hessigheim, als der erste Amtm. im Revier. (Dies wird ihm von Pfarrer Mr. Vitus Jfr. Futtermann, der allerdings erst später von Schwäb. Hall wieder zurückkam, schriftlich bestätigt.)

In Walheim wurden die 3 Kirchenglocken weggenommen, bei deren Fortschaffung das Chorgewölbe durchschlagen wurde; Türen, Fenster, Böden wurden ruiniert. Die Kelter aber blieb hier, wie in Hessigheim, in gutem Stand.

In Gemmrigheim wurde das Pfarrhaus ruiniert (ebenso in Walheim); die mittlere und kleinste Kirchenglocke wurde fortgenommen, die große aber nicht. Der Pfleghof mit den zugehörigen Gebäuen, ausgenommen die große Scheuer und Kelter, ist »verbronnen«. Vor der Ankunft der Franzosen war die alliierte Armee 18 Tage auf dem Feld beim Dorf gestanden. Die Registratur war im Keller versteckt worden; sie wurde aber gefunden und ging vollständig verloren.

Als man nach 6wöchiger Flucht sich nach und nach wieder einfand, mußte zuerst der Kleemeister von Bönnigheim bestellt werden zur Fortschaffung der vielen Pferdekadaver; auch waren 40 tote und oberflächlich verscharrte Franzosen zu beerdigen. Der Gestank in der Stadt war so groß, daß manche davon erkrankten.

Die Not war kaum geringer als in den schlimmsten Jahren des 30jährigen Krieges. Der Herbst fiel schlecht aus; kein Brotkrümchen war in der ganzen Stadt mehr übrig, weder Zugvieh noch Saatkorn vorhanden, da alle Winter- und Sommerfrüchte durch Fouragieren und Feindsgewalt verloren gegangen waren. Nicht der vierte Teil des Feldes, berichten die Beamten, wird angeblümt werden können. Wäre auch Saatkorn vorhanden, so hätten die Leute nicht die Kraft, es unter den Boden zu bringen, aus Mangel der Nahrung; aus der Ursach sehen auch überall in den Aemtern Asperg, Besigheim, Bietigheim, Gröningen, Vaihingen, Leonberg die Leute sehr schlecht aus. »Viele erkranken und sterben aus Mangel an Wartung und Notdurft pfleglos dahin. Dermalen hat noch männiglich mit Aufklaubung der Aehren auf dem Felde ein stückhlen Brot gesucht; ist aber solches aufgebraucht, so möchte die Not groß werden. Daher wollen viele nicht mehr nach Hause kommen«. Das Brot war nach der B.M.R. über die Maßen teuer; noch am 20. Aug. 1694 kostete der Laib 9 Batzen!

Der Gesamtschaden, den Stadt und Amt in diesem Jahr an Privat- und öffentlichem Eigentum erlitt, wurde beziffert für Besigheim auf 138.600, für Walheim auf 26.700, für Hessigheim auf 22.700 fl. (1688 nur 23 000 fl.).

Es wurde zwar für die folgenden Jahre ein teilweiser Steuernachlaß bewilligt; aber dafür wurden neue, außerordentliche Steuern (Kap. 12) eingeführt, welche jene Erleichterung mehrfach aufwogen. Daher hatte man beständig Presser auf dem Hals, und ohne Exekution ging fast kein Einzug von statten. Zu all dem wurde im J. 1694 nichts geerntet noch geherbstet. Auch das Jahr 1696 brachte einen Fehlherbst.

 

4. Die Franzosen zum dritten und öfteren Male in Besigheim. Es gingen nur wenige Jahre ins Land, da standen schon wieder französische Truppen vor den Toren. Es war im Verlaufe des spanischen Erbfolgekriegs (1700-14). Am 13. Juni 1707 kampierte eine französische Heeresabteilung unter dem Comte de Broglie bei Lauffen a.N. Am 7. Juli wurde das Lager bei Lauffen aufgehoben und hieher vor die Stadt verlegt. Doch ging es diesmal gnädig ab. Das ganze » französische Campement« kostete der Stadt nicht mehr als 309 fl. 30 kr., eingeschlossen die Verehrungen für die Offiziere.

Viele vom Magistrat und von der Bürgerschaft waren beim Herannahen der Franzosen ausgewichen; andererseits füllte sich die Stadt mit Flüchtlingen aus der Nachbarschaft, z. B. von Gemmrigheim. Jene wie diese hätten sich ihre Mühe sparen können; allein die Jahre 1688 und 1693 standen noch in allzufrischer Erinnerung.

Drei Jahre vorher, im J. 1704, standen auch einmal die Engländer und Holländer unter dem Herzog von Marlborough in der Nähe, zwischen Erligheim und Löchgau. Am Ende Aug. 1704 kam englische Kavallerie bei Mundelsheim zu stehen etc.

Im polnischen Erbfolgekrieg (1733–35) blieb man von feindlicher Einquartierung verschont; nicht so während dem österreichischen Erbfolgekrieg zwischen Frankreich und Oesterreich (1740–48). Am 6. Oktbr. 1744 kamen 3 Bataillone und ein Reiterregiment kurpfälzischer Truppen mit 8 französischen Kanonen, 4 Mörsern und 22 kupfernen Brückenschiffen nach Besigheim. Vom Okt. bis April gab es viele Durchmärsche von Franzosen und Baiern. Vom 1. April bis 5. Juni 1745 hatte man französische Einquartierung. Am 7. April liegen z. B. 3 Kompagnien des Berchini'schen Husarenregiments hier, am 8. und 9. April »logiert« hier die Hälfte des 3. Bataillons von » Colonel du Regiment de la Marine«, am 10. April ein ganzes Bataillon dieses Regiments (500 Mann), am 11. April 2 Bataillone. In Walheim, Hofen, Hohenstein war das Regiment Roverque einquartiert. Am 27. April lagen nicht weniger als 6000 Mann in Besigheim, in Walheim 600 Dragoner des Regiments de Harcourt. Am 1. Mai fiel ein kleines Gefecht vor zwischen Oesterreichern und einer Abteilung Franzosen, von denen etwa die Hälfte, 52 Mann, zu Gefangenen gemacht wurde. Das Betragen der Franzosen war weniger gut als in den vorhergehenden Jahren, sofern sie nicht gerade plünderten, aber sonst die größten Unordnungen begingen.

 

5. Die Napoleonischen Kriege. Ehe wir zur Darstellung der kriegerischen Ereignisse der letzten Jahre des 18. Jahrh. schreiten, soweit sie unmittelbar unseren Ort betrafen, möge der hiesige Magistrat für einen Augenblick das Wort haben, um seine Ansicht über die damalige politische Lage im allgemeinen und die wünschenswerte Stellungnahme der württembergischen Regierung im besonderen auszusprechen. Gelegentlich einer im Dez. 1794 wieder einmal angeordneten Rekrutenaushebung äußerte er sich (G.P.):

»Es ist dieß Orts nicht bekannt, daß das geliebte Vaterland, das sich in Angelegenheiten der französischen Nation nicht mengen darf, von derselben mit einem Ueberfall bedroht werde; vielmehr ist bisher wahrzunehmen gewesen, daß diese Nation hauptsächlich gegen diejenigen Mächte angeht, die sich am mächtigsten wider sie rüsten und in ihre innere Verfassung eingreifen wollen; es wäre zu überlegen, ob Württembergs bisherige Ansichhaltung nicht besser wäre als weitere Rüstungen, welche die Franzosen nur reizen. Man will der anbefohlenen und, wie man erfahren hat, auf Reichsbeschluß beruhenden Aushebung nicht entgegen sein, jedoch besteht diesseits der Wunsch, daß es auch bei Frankreich bekannt werde, daß das nicht aus eigener Bewegung geschieht, sondern aus Reichspflicht.«

Für den Fall von Truppendurchmärschen und Einquartierungen wurden beizeiten Vorkehrungen getroffen; ein außerordentlicher Wachtdienst an den Toren wurde eingerichtet, die Bürgerschaft über die von ihr zu beobachtende Haltung belehrt. Es solle sich z. B. bei einem Durchmarsch jeder in seinem Hause halten, nicht zum Fenster hinaus gaffen, nicht durch Lachen oder sonstwie die Soldaten reizen, daß in ihnen die Begierde erweckt werde, ins Haus einzudringen; die besten Habseligkeiten solle man bei Seite tun. Am 20. Juli 1796 beschließt der Magistrat, man wolle im Fall eines wirklichen feindlichen Einrückens dem ankommenden beträchtlichen Korps mit einer Deputation von Magistratspersonen und Geistlichen unter Ehrenbezeugungen entgegengehen. Am 22. Juli wird dem Oberamtmann und Stadtschreiber aufgetragen, mit den anrückenden Truppen von Magistrats wegen zum Besten von Stadt und Amt »nach ihrer bewährten, aufrichtigen Denkart zu handeln.« An diesem Tag gab es auch ein Geplänkel auf dem Kies zwischen französischen Husaren und kaiserlich-österreichischen Vorposten. Im Nov. 1799, als eine französische Truppenmacht im Anmarsch war, wurde bekanntgegeben: die Bürgerschaft solle gegenüber den Soldaten Bescheidenheit und Unerschrockenheit zeigen. Keine Glocke solle gezogen werden, auch für den Gottesdienst nicht. Uebrigens dulde das reguläre französische Militär, soviel man höre, keine Exzesse. – Diese gute Meinung von den Franzosen wurde auch wirklich durch die Tatsachen gerechtfertigt.

Zum erstenmal waren sie hier im J. 1793, dann im Juli 1796. Im April des erstgenannten Jahres hielt das Prinz Conde'sche Korps, in 3 Kolonnen in beträchtlicher Anzahl von Offizieren und Soldaten, auch Bedienten, hier Nachtquartier. Im letzteren Jahre mußten an die Truppen Früchte im Gesamtwert von 1762 fl. 36 kr. abgegeben werden, was in aller Ordnung vor sich ging. Sonst wurde »in hiesiger Beamtung nichts in Requisition gesetzt, nichts durch einzelne Soldaten geplündert oder erpreßt, nichts an Gebäuden, Gütern u. dgl. verderbt.«

Drei Jahre später war der Feind wieder in der Gegend. Aus den oberamtlichen Berichten erfahren wir einige Einzelheiten (in der St.R. finden sich keine Kriegsakten aus dieser Zeit vor; doch verweisen wir auf die Amtspflegrechnungen).

Am 31. Okt. näherten sich die französischen Truppen; auf den Anhöhen zeigten sich starke Vorposten. Von diesen kamen nachm. 4 Uhr 4 Chasseurs in das Dorf Walheim, verlangten vom Ortsvorsteher 50 Louisdor und nahmen, als man sie nicht befriedigte, den Schultheiß Bezner und B.M. Reisinger als Geiseln mit fort. Bezner, der als alter Mann nicht mehr recht fortkam, wurde gleich halbwegs der Erligheimer Steige, der andere erst abends 5 Uhr, nachdem ihm erst 16, dann 5 Louisdor abgepreßt worden, nach Haus entlassen. Doch nicht, ehe die Bürgermeisterin selbst sich zu den Vorposten zwischen Erligheim und Walheim begeben, das Geschrei ihrer Kinder vorgestellt und erklärt hatte, daß die zuletzt gegebenen 5 Louisdor das Aeußerste seien, was man leisten könne. – Vom 1. auf den 2. Nov. blieb es ruhig. Auch vom 2. auf den 3. d. M. war hier und in Walheim kein französisches Militär zu erblicken, ausgenommen 2 Husaren. Am Vormittag des 2. Nov. um 8 Uhr traf eine Schwadron Kürassiere vom Regiment Kaiser Franz ein; eine Kompagnie des Deutsch-Banater Bataillons stand den Tag über und in der Nacht vom 2. auf den 3. d. M. auf den Wiesen teils jenseits, teils diesseits der Enz.

Am 3. Nov. morgens zwischen 7 und 8 Uhr hörte man auf dem Löchgauer Feld schießen aus kleinem Gewehr und aus großem Geschütz bis gegen Mittag. Französische Reiter ritten auf der Reut und über den Froschberg-, Niedernberg- und Schalksteinweinbergen hin und wieder, rückten auch zuweilen die Löchgauer Steige hinab den Kürassieren und Banatern entgegegen, welche sich unten auf der Chaussee an den Weingartmauern bis nach Walheim hinab aufgestellt hatten und hinaufschossen.

In die Stadt, von der aus man diese »ernsthafte Plänkelei« verfolgen konnte, flogen mehrere kleine Gewehrkugeln. Um 12 Uhr hörte sehr rasch alles Schießen auf; die Franzosen verschwanden und das österreichische Militär rückte ihnen sogleich, das Württ. Irmentraut'sche Bataillon um 2 Uhr nach. Es wurden viele Gefangene gemacht und die französischen Verluste auf wenigstens 2000 Mann geschätzt. Das hartnäckigste Gefecht war auf dem Feld zwischen Hofen und Erligheim, welche Ortschaften sehr hart mitgenommen wurden. Ueberall, wohin die feindlichen Soldaten kamen, nahmen sie die Pferde mit sich, sprengten die Türen ein, drangen mit Gewalt in die Häuser und schleppten mit, was sie fortbringen konnten. Sie zogen in unordentlichen Haufen schon abends 5 Uhr bei Stockheim vorbei und haben nun ihre alte Stellung bei Eppenheim und Gartach wieder eingenommen (4. Nov.), von wo man heute stark Kanonieren hört. Auf den Walheimer, Erligheimer, Löchgauer und Bönnigheimer Feldern soll viel Blut zu sehen gewesen sein (nach des O.Amtm. Sandberger Bericht).

Was das Verhalten der Feinde gegen die Bevölkerung betrifft, so wurde dem Pfarrer in Löchgau einiges Geld und Weißzeug »requiriert«, dem Diakonus dort geschah kein Leid. In Kirchheim hatte ein gewisser Moser alle Ursache, mit den Franzosen zufrieden zu sein. Von Lauffen berichtet ein gewisser Leurer dem hiesigen Keller Essich brieflich seine Erlebnisse. Er kann nicht viel schreiben, die Angst steckt ihm noch in allen Gliedern, aber es ist ganz »förchtig« hergegangen. Heute Nacht hat man den O.Amtm. Greber mit 7 Richtern als Geiseln fortgeführt (4. Nov.). – Auch in Hofen ging es weniger gut ab. Dem Pfarrer Mr. Sartorius drangen die Franzosen in Keller und Haus und plünderten Weißzeug, Silbergeschirr, Uhren u. dgl., im Wert von zusammen 92 fl., ohne Wein und Weißzeug. Auch sein zufällig auf Besuch dort weilender »Neveu« mußte eine Sackuhr, Tabakspfeife und -Beutel, zusammen 30 fl. wert, hergeben.

Auch im J. 1801 kamen die Franzosen wieder ins Land und ins Amt.

Die Jahre 1801–15, bis zum Ende der Napoleonischen Zeit, müssen wir übergehen, da sich unsere Quellen über diese Zeit in völliges Schweigen hüllen. Wir dürfen wohl annehmen, daß bemerkenswerte Ereignisse ortsgeschichtlicher Bedeutung nicht vorgekommen sind. An Einquartierungen, Durchzügen von befreundeten Truppen, Requisitionen und anderen Kriegsdrangsalen hat es sicherlich nicht gefehlt; aber derlei war man gewohnt. Sicher sind auch manche Besigheimer Söhne unter der Fahne gestanden; etliche scheinen auch den russischen Feldzug mitgemacht zu haben (s. unten). Doch fehlen ausdrückliche Mitteilungen, und auch die mündliche Ueberlieferung ist verstummt.

Im J. 1839 wurde die 25jährige Wiederkehr der Schlacht bei Bautzen, zugleich als Erinnerung an die Freiheitskriege, gefeiert. Die Veteranen des ganzen Oberamts gaben sich ein Stelldichein in Besigheim, auf dem Marktplatz, im Dreispitz, Mütze oder rundem Hut. Nach einer Ansprache des Oberamtmanns, der selber Kriegsveteran war, marschierte die Mannschaft mit klingendem Spiel, unter dem Donner des kleinen Geschützes und Glockengeläute, in die Kirche, allwo der Dekan Baumeister, einst Divisionsprediger, eine »die alten Krieger und alle Anwesenden tief ergreifende Rede hielt, die manche Träne besonders aus den Augen der sogenannten Rußländer lockte.« Nachher ging es, wieder unter Geschützdonner und Geläute, auf den mit Maien geschmückten Kelterplatz, auf dem Tische zum festlichen Mahl aufgestellt waren. Zuletzt war allgemeines Fest auf dem Kies, bei Gesang der »Liederkränze« von Besigheim und Walheim und Trompetenmusik von Ludwigsburg.

Die Jahrhundertfeier der Freiheitskriege, hart vor dem Weltkrieg, ist noch in aller Erinnerung (das Nähere s. im »Neckar- und Enzboten« und im »Gemeindeblatt aus Besigheim«).


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