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Doppellebige, – Amphibia«, nannte Linné, der Schöpfer unserer wissenschaftlichen Tierkunde, eine Reihe von Wirbeltieren, die man früher teils zu den »Vierfüßlern« und bezüglich Säugetieren, teils zu den »Würmern« gezählt hatte. Oken versuchte, die unzutreffende Benennung durch ein deutsches Wort zu ersetzen, und wählte den niederdeutschen Namen der Kröte, Lork oder Lurch, zur Bezeichnung der betreffenden Geschöpfe, während sie Cuvier »Kriechtiere – Reptilia,« nannte. Spätere Forscher legten auf die Verschiedenheit der Gestalt, des Baues und insbesondere der Entwicklung, die sich innerhalb der Abteilung bemerklich machte, größeres Gewicht, als bis dahin geschehen, und sie schieden sie in zwei Klassen, zu deren Bezeichnung sie die bereits gebildeten Namen »Kriechtiere« und »Lurche« verwendeten. Noch vor einem Jahrzehnt nahmen einzelne Tierkundige Anstand, die bereits von Blainville ausgesprochene Trennung gutzuheißen; heutzutage wird sie allgemein anerkannt.
Die Kriechtiere ( Reptilia) sind »kaltblütige« Wirbeltiere, die zu jeder Zeit ihres Lebens durch Lungen atmen, also keine Verwandlung bestehen, ein Herz mit meist vollständigen Vorkammern und unvollständig geschiedenen Herzkammern und äußerlich Schuppen oder Knochentafeln zur Bedeckung haben. Ihr Blut darf insofern kalt genannt werden, als seine Wärme stets im Einklange mit der äußeren steht und sich nur wenig über dieselbe erhebt. Die Gestalt der Kriechtiere zeigt wenig Übereinstimmendes; denn der Leib ist bei den einen rundlich oder scheibenartig platt, bei andern langgestreckt und wurmförmig, ruht bei diesen auf Füßen und ermangelt bei jenen derselben, der Hals ist sehr kurz und unbeweglich, aber auch lang und gelenkig.
Die Hautbedeckung ist verschieden gestaltet. »Bei einzelnen Eidechsen«, sagt Karl Vogt in seinen »Zoologischen Briefen«, »kommen wahre Schuppen, ähnlich denen der Fische vor: dünne Knochenplättchen, die eine Hornschicht als Unterlage haben, einander dachziegelförmig decken und in Taschen der verdünnten Hautgebilde eingeschlossen sind; bei den übrigen Eidechsen und Schlangen spricht man zwar auch von Schuppen, darf indessen unter diesem Ausdruck nicht dieselbe Bildung verstehen. Die Haut sondert sich hier deutlich in zwei Schichten: die aus Fasern gebildete Lederhaut und die einem erhärteten Firnisse ähnliche Oberhaut, die von Zeit zu Zeit im ganzen abgestreift wird. Die Lederhaut nun bildet bald einfache, körnige Erhabenheiten, bald Wärzchen, bald auch hinten freie Erhöhungen von schuppenähnlicher Gestalt, über die die Oberhaut eng anliegend sich wegzieht und mit dünneren Einsenkungen in die Falten der Warzen und Erhöhungen sich einbiegt. In diesen Erhöhungen entstehen bei den Krokodilen echte Knochenschilder, die in die Dicke der Haut selbst eingesenkt sind und deren Fäden sich in die zahlreichen Löcher der Knochenschilder fortsetzen: bei den Schildkröten verwachsen diese Knochengebilde der Haut sogar sehr frühzeitig mit jenen des Gerippes zum Rücken- und Bauchschilde, während die Oberhaut auf diesem Schilde sich stark hornig verdickt und so das Schildpatt bildet.« Bezeichnend für die Haut ist, nach Carus, ferner, daß infolge ausgedehnteren Vorkommens von Hautgebilden sowohl die Wärzchen als die Drüsen verkümmert erscheinen. Die Hartgebilde selbst unterscheidet man als Schuppen und Schilder, »welch letztere meist größere, mehr eckige, mit der ganzen Fläche anliegende, sich nicht deckende Gebilde sind«; die Schuppen, deren Anordnung und Gestalt vielfachen Abänderungen unterliegen können, zerfallen in Glatt-, Wirtel-, Schindel-, Kielschuppen usw. Zu den Horngebilden der Oberhaut zählen außerdem die Nägel der Finger und Zehen, sowie andere horn-, stachel- oder tütenförmige Anhänge.
Hinsichtlich der Schönheit der Färbung der Oberhautgebilde stehen die Kriechtiere kaum einer andern Klasse nach. Bei den meisten entspricht die Färbung der ihres bevorzugten Wohngebietes, also namentlich der des Bodens, der Blätter usw.; es gibt sogar einzelne, bei denen das Anpassungsvermögen mehr oder weniger willkürlich ist, indem die betreffenden Tiere ihre Färbung wahrscheinlich nach eigenem Belieben zu ändern vermögen. Solcher Farbenwechsel beruht im wesentlichen auf Verschiebungen gewisser, in der Schleim- und ebenso der Lederhaut eingebetteten, zusammenziehbaren und ausdehnungsfähigen Farbstoffzellen, die mehr oder weniger durchscheinen können.
Das Gerippe der Kriechtiere ist fast vollständig verknöchert, hinsichtlich der Zusammensetzung der einzelnen Teile aber so vielfach verschieden, daß etwas Allgemeingültiges kaum gesagt werden kann. Der Schädel, der in vielen Beziehungen eine auffallende Übereinstimmung mit dem der Vögel zeigt, ist mehr oder weniger abgeplattet und sein Kiefergerüst einschließlich der Gesichtsknochen überwiegend ausgebildet. Die Wirbelsäule, die bei den meisten Kriechtieren in einen Hals-, Brust-, Lenden-, Becken- und Schwanzteil zerfällt werden kann, zeigt sich bei allen verknöchert und deutlich in Wirbel gegliedert: die Anzahl der Wirbel schwankt jedoch, je nach der Länge des Leibes, außerordentlich, so daß sie bei Schildkröten wenig über dreißig, bei Schlangen dagegen über vierhundert betragen kann. Die hinsichtlich ihrer Anzahl kaum minder abändernden Rippen sind stets sehr vollständig entwickelt, bei den Schlangen sogar in gewissem Grade vollständiger als bei den übrigen Tieren, da sie hier freie Beweglichkeit erlangen, während sie anderseits bei den Schildkröten verschmelzen und größtenteils das knöcherne Rückenschild herstellen. Ein Brustbein fehlt oft gänzlich oder ist auffallend verkümmert; dasselbe gilt auch bis zu einem gewissen Grade für den Schultergürtel und die Beine, beispielsweise bei den Schlangen, da die bei wenigen in der Aftergegend vorkommenden kurzen Stummel kaum mit den Beckenknochen verglichen werden können. Bei den übrigen Kriechtieren sind die Beine und Füße jedoch in allen Abstufungen der Ausbildung entwickelt.
Über die Bewaffnung des Maules läßt sich etwas Allgemeines nicht sagen. Die Schildkröten haben keine Zähne, sondern scharfe Hornleisten, die die Kieferränder überziehen; bei den übrigen sind Zähne in meist beträchtlicher Anzahl vorhanden, und zwar tragen nicht bloß die Kieferknochen solche, sondern zuweilen auch die sämtlichen Gaumenbeine und das Pflugscharbein. Sie dienen einzig und allein zum Ergreifen und Festhalten, nicht zum Zerkleinern der Beute oder Nahrung. Gewöhnlich haben sie einfach hakige Form; doch kommen auch seitlich zusammengedrückte, mit gekerbten oder gezähnelten Kronen vor.
Auch die Verdauungswerkzeuge sind vielfach verschieden. Die Zunge läßt sich bei einzelnen, den Krokodilen z.B., nur ein vorspringender, flacher Wulst nennen, der auf dem Boden der Mundhöhle liegt, überall angewachsen und vollkommen unbeweglich ist; bei andern, den Schildkröten z.B., ist sie fleischig, kurz, dick; bei andern, den Eidechsen, eiförmig platt oder sogar geteilt, in eine Scheide eingebettet und vorschnellbar oder, wie auch bei den Schlangen, in lange, fadenförmige Spitzen ausgezogen. Der weite Schlund ist bei einzelnen einer beispiellosen Ausdehnung fähig, geht dann auch unmerklich in den geräumigen, dickwandigen Magen über, der gegen den Darm hin durch eine Falte oder Klappe sich abgrenzt. Der Darm ist weit, wenig gewunden, kurz, der Afterdarm oft durch einen Blindsack und eine stark erweiterte Kloake ausgezeichnet. Leber, Gallenblase und Milz sind stets vorhanden; eigentliche Speicheldrüsen fehlen fast allgemein; eine Bauchspeicheldrüse dagegen wird sehr regelmäßig gefunden. Die Schildkröten zeichnen sich vor andern Kriechtieren durch den Besitz einer Unterzungendrüse, viele Eidechsen und Schlangen durch das Vorhandensein von Lippendrüsen, viele der letzteren noch außerdem durch eine große, in der Schläfengegend gelegene Drüse aus, die bei allen Mitgliedern einer Unterordnung Gift absondert und den durchbohrten Giftzähnen zuführt. Die Nieren sind gewöhnlich sehr groß, oft vielfach gelappt. Begattungswerkzeuge sind bei allen Kriechtieren ausgebildet. Die Atmungswerkzeuge erleiden keine Umwandlung; gewöhnlich sind zwei sackartige Lungen ausgebildet, die durch die ganze Bauchhöhle sich erstrecken. Das Herz besteht, wie ebenfalls bereits angegeben, aus vier Abteilungen, zwei geschiedenen Vorhöfen und zwei Kammern, deren Scheidewand nur bei den Krokodilen vollständig wird, bei allen übrigen Kriechtieren aber mehr oder weniger große Lücken zeigt, durch die das Blut aus der linken Kammer in die rechte übergeführt wird. Die eigentümliche Verbindung der großen Blutgefäße erklärt das geringe Atembedürfnis der Kriechtiere. Entsprechend der Langsamkeit des Stoffwechsels, können sie, wie Brücke ausführt, mit einer von ihnen eingeatmeten Menge Sauerstoffs weit länger als die höher entwickelten Säugetiere und Vögel ausreichen und selbst dann noch leben, wenn sie gewaltsam am Atmen gehindert werden, indem die bei ausbleibender Atmung sonst eintretende Überfüllung des Lungenkreislaufes mit Blut durch die Möglichkeit eines Abflusses in den großen Kreislauf stets sofort gehoben und dauernd ausgeglichen wird oder doch werden kann. Infolge des verlangsamten Blutumlaufes erhebt sich eben ihre Körperwärme nur wenig über die der Luft oder der Umgebung überhaupt.
Das Gehirn der Kriechtiere ist weit unvollkommener als das der Säugetiere und Vögel, aber auch wiederum viel ausgebildeter als das der Lurche und Fische. Es besteht aus drei hintereinander liegenden Markmassen, dem Vorder-, Mittel- und Hinterhirn. Letzteres ist bei den Krokodilen besonders entwickelt, bei Schildkröten und Schlangen mehr oder weniger verkümmert. Ähnlich verhält es sich mit dem Vorderhirn. Rückenmark und Nerven sind im Verhältnisse zum Gehirn sehr bedeutend; der Einfluß des letzteren auf die Nerventätigkeit ist deshalb gering. Unter den Sinneswerkzeugen steht ausnahmslos das Auge obenan, obgleich es gewöhnlich sehr klein, zuweilen sogar gänzlich unter der Haut verborgen ist. Bezeichnend für verschiedene Familien und Gruppen ist die Bildung des Augenlides. »Am einfachsten«, sagt Vogt, »ist diese Bildung bei den Schlangen, wo alle Augenlider fehlen und die Schichten der Haut da, wo sie über den Augapfel weggehen, durchsichtig werden, sich wölben und eine Kapsel bilden, die wie ein Uhrglas in den umgebenden Falz der Haut eingelassen ist und so den beweglichen Apfel von vorn schützt. Die Tränenflüssigkeit füllt den Raum zwischen dieser Kapsel und dem Augapfel aus und fließt durch einen weiten Kanal an dem inneren Augenwinkel in die Nasenhöhle aus. Das obere Augenlid ist fast bei allen übrigen Kriechtieren wenig ausgebildet und besteht gewöhnlich nur in einer steifen, halbknorpeligen Hautfalte, während das untere, weit größere und beweglichere, den ganzen Augapfel überziehen kann, oft von einem besonderen Knochenplättchen gestützt wird und in andern Fällen dem Sehloch gegenüber eine durchsichtig geschliffene Stelle besitzt. Bei den meisten Eidechsen, den Schildkröten und Krokodilen tritt hierzu noch die Nickhaut, die ebenfalls eine Knochenplatte enthält und von dem inneren Augwinkel her mehr oder minder weit über das Auge herübergezogen werden kann. Vollkommen vereinzelt stehen die Chamäleons, die ein kreisförmiges, an dem vorgequollenen Augapfel eng anliegendes Augenlid haben, das nur eine schmale Spalte offen läßt. Die inneren Teile des Auges unterscheiden sich wenig von denen der höheren Tiere.« Bei vielen Kriechtieren sind die Augen nicht sehr beweglich; es kommt jedoch auch das Umgekehrte vor, und zwar in einem Maße wie bei keinem sonst bekannten Tiere weiter: das Chamäleon ist imstande, seine Augen unabhängig voneinander in verschiedener Richtung zu bewegen. Die Regenbogenhaut hat meist eine lebhafte Färbung; der Stern ist bei einzelnen rund, bei andern länglich, wie bei Katzen oder Eulen, dann auch einer großen Ausdehnung fähig und geeignet, ein Nachtleben zu ermöglichen. Das Gehör steht dem der höheren Tiere entschieden nach: dem Ohr mangelt die Muschel, und das Innere der Höhle ist weit einfacher als bei den warmblütigen Wirbeltieren. Doch besitzen die Kriechtiere noch die Schnecke, die bald einen rundlichen, häutigen Sack, bald einen kurzen Kanal mit einer unvollständigen, schraubig gewundenen Scheidewand und einen flaschenförmigen Anhang darstellt. »Das innere Ohr ist hiermit in seinen wesentlichsten Teilen vorhanden, und seine weitere Ausbildung bei Vögeln und Säugetieren gibt sich nicht mehr durch Vermehrung der Teile, sondern nur durch größere Ausarbeitung derselben kund.« Auf den Sinn des Gehörs dürfte bezüglich des Grades der Entwicklung der Gefühlssinn folgen, obgleich sich derselbe hauptsächlich als Tastsinn, weniger als Empfindungsvermögen ausspricht. Daß die Kriechtiere auch gegen äußere Einflüsse empfänglich sind, beweisen sie schon durch ihre Vorliebe für die Sonnenwärme, während sie anderseits eine Gefühllosigkeit betätigen, die uns geradezu unbegreiflich erscheint. Der Tastsinn hingegen kann sehr entwickelt sein und erreicht besonders bei denen, die die Zunge zum Tasten benutzen, hohe Ausbildung. In demselben Maße scheint der Geschmackssinn zu verkümmern. Schildkröten und Eidechsen dürften wohl imstande sein zu schmecken; bei Krokodilen und Schlangen aber können wir schwerlich annehmen, daß diese Fähigkeit vorhanden ist. Ebenso bleiben wir über die Entwicklung des Geruchssinnes im Zweifel. Die Geruchsnerven sind ausgebildet, und eine mit netzförmig laufenden Gefäßen durchzogene Schleimhaut ist vorhanden: in welchem Grade aber die äußeren Einwirkungen durch diese Werkzeuge zum Bewußtsein kommen, vermögen wir nicht zu sagen, weil uns die Beobachtung dafür kaum Anhalt bietet.
Fast alle Kriechtiere entwickeln sich aus Eiern, die im wesentlichen denen der Vögel gleichen, einen großen, ölreichen Dotter und eine mehr oder minder bedeutende Schicht von Eiweiß haben und in einer lederartigen, gewöhnlich dehnbaren Schale, auf die stets nur in geringer Menge Kalkmasse sich ablagert, eingeschlossen sind. Die Entwicklung der Eier beginnt meist schon vor dem Legen im Eileiter der Mutter; bei einzelnen wird der Keim hier sogar vollständig entwickelt: das Junge durchbricht noch im Eileiter die Schale und wird mithin lebendig geboren. Andere Arten, die ihre Eier sonst lange vor dieser Zeit ablegen, können dazu gebracht werden, sie ebenfalls bis zur vollständigen Entwicklung der Jungen zu behalten, wenn man ihnen die Gelegenheit zum Legen nimmt. Das befruchtete Ei zeigt auf der Oberfläche des Dotters eine rundliche Stelle mit verwischter Begrenzung, die weiße Färbung hat und demjenigen Teile des Hühnereies entspricht, den man im gemeinen Leben mit dem Namen »Hahnentritt« bezeichnet. Dieser Keim besteht aus kleinen Zellen, die fast farblos sind und im Gegensatz zum Dotter die lichte Färbung entstehen lassen; er bildet die erste Grundlage der Entwicklung und stellt sich als Mittelpunkt derjenigen Bildungen dar, die den Aufbau des Keimlings vermitteln. Sobald dieser sich zu entwickeln beginnt, verlängert jener sich und bildet nun eine eiförmige Scheibe, die in der Mitte durchsichtiger als außen ist. In dem mittleren durchsichtigen Teile, dem Fruchthofe, erhebt sich nun der Rückenwulst, der den vertieften Raum einschließt, der nach und nach durch Zuwölbung des Wulstes sich in das Rohr für Gehirn und Rückenmark umwandelt. Unter der Rückenfurche erscheint die Wirbelsäule in stabförmiger Gestalt. An dem Vorderteile, wo die Rückenfurche sich ausbreitet, lassen sich nach und nach bei der Überwölbung des Wulstes die einzelnen Hirnabteilungen unterscheiden, von denen die des Vorderhirns von Anbeginn an die bedeutendste ist; sobald indessen das Kopfende sich deutlicher zu gestalten beginnt, tritt auch jener durchgreifende Unterschied zwischen niederen und höheren Wirbeltieren hervor, den man mit dem Namen der Kopfbeuge bezeichnet. Der flache Keimling liegt nämlich mit der mäßig gekrümmten Bauchfläche der Oberfläche des Dotters auf, und zwar in der Querachse des Eies; indem er nun sich erhebt und seitlich abgrenzt, schließt sich sein Kopfende besonders rasch ab, knickt sich aber zugleich nach vornhin gegen den Dotter ein, in ähnlicher Weise, wie wenn man den Kopf so stark als möglich senkt und gegen die Brust drückt. Das Ende der Wirbelsaite und der unmittelbar vor demselben in der Lücke der beiden Schädelbalken sich ablagernde Hirnanhang, der indes erst später erscheinen wird, bilden den Winkelpunkt dieser Einknickung, der ein rundlicher Eindruck auf dem Dotter entspricht. Diese Kopfbeuge wirkt so stark, daß es unmöglich ist, die Bauchfläche des Kopfes und Halses zu untersuchen, ohne den Kopf gewaltsam in die Höhe zu beugen. Unmittelbar nach der Schließung des Rückenwulstes und dem Erscheinen der Wirbelsaite sowie der Kopfbeuge beginnt die Bildung einer andern Eigentümlichkeit der Keime höherer Wirbeltiere, die der sogenannten Schafhaut Gewöhnlich »Amnion« genannt. Herausgeber. nämlich. Die äußere Zellenschicht des Keimlings, aus der sich nach und nach die äußere Haut bildet, setzt sich zwar über den ganzen Dotter fort, denselben umfassend, bildet aber zugleich vorn und hinten eine Falte, die sich über das Kopf- und Schwanzende schlägt, von allen Seiten her über den Keim gegen den Mittelpunkt des Rückens hin zusammenwächst, den Keimling von allen Seiten her einschließt und eine unmittelbare Fortsetzung seiner Hautlage ist. Schon vor Entstehung und vollständiger Ausbildung der Schafhaut sind auch die übrigen organischen Systeme angelegt worden. In dem undurchsichtigen Teile der Keimhaut, dem sogenannten Gefäßhofe, haben sich die Lückenräume der ersten Gefäße sowie der ersten Blutzellen gebildet, und zugleich ist in der Halsgegend, versteckt durch die Kopfbeuge, eine Zellenanhäufung entstanden, die sich allmählich zum schlauchförmigen Herzen aushöhlt. Hinter dem Herzen liegt anfangs der ganze Körper des Keimlings platt dem Dotter auf, so daß die Stelle des Darmes durch eine lange, flache Rinne ersetzt ist, die von dem Dotter bespült wird; die Bauchwandungen schließen sich aber allmählich zusammen, die Rinne wölbt sich zu und wandelt sich bald zu einem Rohre um, das nur noch an einer gewissen Stelle durch einen offenen Gang mit dem Dottersack im Zusammenhang steht. Indem sich nun Darm- wie Bauchwände gegen den Dotter hin mehr und mehr zusammenschließen, bleibt endlich nur noch als letzter Zusammenhang zwischen Keimling und Dotter der Nabel übrig, der sich erst bei der Geburt vollständig schließt. Mit dem Beginne des Darmschlusses tritt die Bildung der Harnhaut Gewöhnlich »Allantois« genannt. Herausgeber. ein. Von der Stelle aus, wo die Hinterfüße hervorsprossen, erhebt sich ein kleines, birnenförmiges Bläschen, das eine Ausstülpung der vorderen Darmwände darstellt und rasch nach vorn wächst, indem es durch den vorderen Nabelring hindurchdringt und sich nun über der Schafhaut ausbreitet. Während diese gänzlich geschlossen ist, hat die Harnhaut im Gegenteil eine große Anzahl von Gefäßverzweigungen, die eigentlich das Atmen des Keimlings vermitteln. »Gegen das Ende der Entwicklung hin«, schildert Vogt, »findet man in dem Ei den Keim in seiner Schafhaut eingehüllt und an der Bauchfläche die Nabelöffnung zeigend, aus der der Rest des Dotters als birnförmige, mit mehr oder minder langem Stiele versehene Blase und der weite Umhüllungssack der Harnhaut hervorgeht. Der Dottergang schließt sich bald vollständig ab, ebenso der Stiel des Harnsackes, dessen Gefäße nur noch übrig bleiben. Der Keim durchbricht nun die Schafhaut und dann die Eischale, wozu ihm bei vielen Arten ein eigentümlich scharfer, unpaarer Zahn dient, der aus dem Zwischenkiefer hervorwächst und später verschwindet. Nach der Geburt schrumpfen die Gefäße des Harnsackes ein, indem die Lunge die Atemtätigkeit übernimmt, und der Nabel vernarbt bald gänzlich, ohne eine Spur zu hinterlassen.«
Von den Kriechtieren darf man behaupten, daß sie gewesen sind; denn aus unserer gegenwärtigen Kenntnis der Vorweltstiere geht hervor, daß sie nicht vorwärts, sondern zurück gingen. Die versteinerten Reste früher lebender Arten der Klasse, die auf unsere Zeit gekommen sind, zeigen uns eine lange Reihe von verschiedenen, jetzt gänzlich verschwundenen Formen, gegen die unsere heutigen Arten wie Zwerge erscheinen. Heutzutage leben übrigens immer noch über zweitausend verschiedenartige Kriechtiere. Weitaus die meisten von ihnen hausen in Niederungen der Gleicherländer; denn mehr als alle übrigen Klassen nehmen sie nach den Polen zu an Anzahl ab. Dasselbe gilt für die verschiedenen Gürtel der Höhe. Wärme ist für sie Lebensbedingung: je heißer die Gegend, um so zahlreicher sind sie vertreten, je kälter ein Land, je ärmer ist es an ihnen. Den Polarkreis überschreiten sehr wenige Arten. In unsern Alpen steigen einzelne, Ringelnatter und Kreuzotter z. B., bis zu achtzehnhundert Meter empor; in den Anden hat Castelnau zwei Schlangen in einer unbedingten Höhe von mehr als zweitausend Meter, im Himalaja Schlagintweit mehrere Kriechtiere noch in Höhen von viertausendsechshundertundsechzig Meter gefunden. Gesteigerte Wärme erhöht ihre Lebenstätigkeit in jeder Beziehung. Arten, deren Verbreitungsgebiet sich über mehrere Breitengrade erstreckt, sind im Süden oft merklich größer und farbenschöner als im Norden, so daß es unter Umständen schwer halten kann, sie wiederzuerkennen. Neben der Wärme verlangen sie Feuchtigkeit. Afrika ist verhältnismäßig arm an ihnen, während sich in Südasien und noch mehr in Amerika die größte Mannigfaltigkeit der Formen und wohl auch die größte Anzahl der Glieder einer und derselben Art bemerklich macht. Mit der Entwicklung der ganzen Klasse steht die Größe der einzelnen Arten insofern im Einklange, als sich innerhalb der Gleicherländer die größten, innerhalb der gemäßigten Gürtel aber fast nur kleine Arten finden.
Ihre Aufenthaltsorte sind sehr verschieden; doch darf man sie im allgemeinen als Landtiere bezeichnen. Im Meere leben ständig bloß Schildkröten und Schlangen; die übrigen bewohnen das Festland und auf ihm besonders gern feuchte Gegenden. Das süße Wasser beherbergt viele Arten von ihnen; die meisten aber halten sich zu gewissen Zeiten außerhalb des Wassers auf, um sich zu sonnen und auszuruhen, und nur die wenigsten von ihnen schlafen im Schwimmen. Ebenso reichhaltig, vielleicht noch reichhaltiger an Arten als Sumpf und Wasser ist der Wald, der ebenfalls als eines der hauptsächlichsten Wohngebiete unserer Tiere bezeichnet werden muß. Hier leben sie auf und unter dem Boden, zwischen Gestrüpp und Gewurzel, an den Stämmen und im Gezweige der Bäume. Nicht wenige Arten endlich siedeln sich auch in trockenen, sandigen oder felsigen Gegenden an: so finden sich viele Eidechsen und Schlangen nur in der Wüste an Stellen, die ihnen kaum die Möglichkeit zum Leben zu bieten scheinen.
Das Tun und Treiben der Kriechtiere läßt sich mit dem der Säugetiere und Vögel kaum vergleichen, weil die Kluft zwischen ihnen und diesen außerordentlich groß ist. Im Einklang mit der geringen Hirnmasse und entsprechend dem unvollkommenen Blutumlaufe führen sie sozusagen nur ein halbes Leben. Es gibt solche unter ihnen, die wir lebhaft, beweglich, gelenkig und gewandt, listig und klug nennen; alle diese Eigenschaften aber kommen denen der Säugetiere und Vögel nicht im entferntesten gleich. Sie kriechen, laufen, klettern, springen und schwimmen; einzelne Arten können sogar in gewissem Sinne schweben, d. h. mit Hilfe einer Flatterhaut, die wie ein Fallschirm gebraucht wird, über größere Entfernungen sich wegschnellen, niemals jedoch von unten nach oben aufschwingen, sondern immer nur von oben nach unten herablassen. Einige der hierher zählenden Riesen der Vorwelt jedoch konnten wirklich fliegen. Unsere Tiere verdienen ihren Namen; denn selbst ihr Gehen und Laufen ist, streng genommen, nur ein Kriechen. Alle schleppen den Bauch am Boden, und gerade bei den schnellsten unter ihnen wird dies am deutlichsten. Viele Schildkröten sind imstande, so zu gehen, daß sie mit dem Brustschilde den Boden nicht berühren; sie aber fördern sich mit einer Langsamkeit, daß man ihre Bewegung wahrhaftig kaum Laufen nennen darf. Schon die meisten Wasserschildkröten streifen bei ihren Bewegungen mit dem Brustschilde unten am Boden auf, und die Meerschildkröten kriechen noch unbehilflicher auf dem Lande fort als die Robben. Die Echsen huschen zwar sehr rasch und auch behend dahin, tragen ihre Beine aber sehr nach auswärts gebogen, so daß ihre Bewegung im Vergleiche zu der der Säugetiere ebenfalls als unbehilflich bezeichnet werden muß. Die Schlangen endlich, die eigentlichen Kriecher unter den Kriechtieren, bewegen sich mit Hilfe ihrer Rippen, die sie gewissermaßen als Beine, jedenfalls als Stützen des Leibes, gebrauchen.
Das Schwimmen geschieht in sehr verschiedener Weise. Ein Kriechtier, das im Wasser umkommen sollte, kennt man nicht. Selbst die unbehilflichen Landschildkröten, die wie Steine untergehen, sind in der Tiefe eines Gewässers nicht verloren. Die Flußschildkröten schwimmen mit ihren breitruderigen Füßen, die Seeschildkröten, dank ihrer großen Flossen, ebenso rasch und gewandt als leicht und ausdauernd, die Krokodile hauptsächlich mit Hilfe ihres Schwanzes, der ein mächtiges Bewegungswerkzeug bildet und wie ein am Stern des Bootes eingelegtes Ruder gebraucht wird, die Schlangen und Eidechsen endlich, indem sie schlängelnde Bewegungen ausführen, die sie überraschend schnell fördern. Bei den echten Seeschlangen ist der Hinterteil des Leibes zu einem trefflichen Ruder geworden, befördert demgemäß die Bewegungen ungemein; aber auch Schlangen, die dieses Hilfsmittels entbehren, gleiten sehr rasch durch die Wellen. Das geringe Atembedürfnis erleichtert selbst denen, die dem Lande angehören, einen längeren Aufenthalt im Wasser.
Sehr geschickt zeigen sich viele Kriechtiere im Klettern. Gewisse Eidechsen und Verwandte rennen an den glattesten Bäumen ebenso schnell empor als andere auf dem Boden fort. Nicht wenige besitzen zum Anhäkeln oder Anklammern höchst geeignete Werkzeuge in ihren langen, sichelartig gekrümmten Krallen oder aber in den scheibenförmig verbreiterten, unten gefurchten Zehen, die es ihnen sogar gestatten, wie Fliegen an der unteren Seite wagerechter Äste oder Flächen überhaupt sich festzuhalten und hier mit aller Sicherheit umherzulaufen. Die Schlangen klettern genau in derselben Weise, in der sie gehen oder schwimmen: sie fördern sich durch ihre schlängelnden Bewegungen und klemmen sich beim Emporsteigen mit ihren beweglichen Rippen so fest in die Unebenheiten der Baumschale ein, daß sie gegen ein unwillkürliches Herabrutschen gesichert sind.
Jede Lebenstätigkeit der Kriechtiere steigert sich mit der zunehmenden Außenwärme; daher ist dieselbe Schlange an einem heißen Sommertage eine ganz andere als an einem kühlen. Atmung und Blutumlauf vermögen nicht, dem Kriechtiere innere Wärme zu geben; deshalb eben ist es von der äußeren mehr oder weniger abhängig. Sie nimmt es in sich auf, in ihr lebt es, und ob auch seine Bedeckungen, sein Schild, sein Panzer, seine Schuppenhaut so heiß werden sollten, daß diese bei Berührung unsere Hand brennen, sie bewahrt es sich geraume, manchmal auffallend lange Zeit, und sie gibt es nach und nach wieder ab, bis das Gleichgewicht zwischen ihr und der Eigenwärme wieder hergestellt ist. Kriechtiere, die sich durch Besonnung äußerlich und innerlich erwärmen, um nicht zu sagen durchheizen ließen, fühlen sich noch lange, nachdem die Sonne verschwunden ist, warm an; ihre Wärme aber sinkt im Laufe der Nacht doch auf die der Luft herab und verliert ebenso im Laufe des Herbstes oder der kühler werdenden Jahreszeit, als sie im Frühling und Sommer nach und nach gewonnen hatte. Dies erklärt es auch, daß alle diejenigen Arten, die kältere Gegenden bewohnen, während der Wintermonate sich zurückziehen, in Erstarrung fallen oder einen Winterschlaf halten müssen: die Kälte würde sie vernichten, wollten sie ihr sich aussetzen.
Schon aus den bisher gegebenen Mitteilungen läßt sich folgern, daß die geistigen Fähigkeiten der Kriechtiere überaus gering sein müssen. Alle höheren Eigenschaften sind bei ihnen im günstigsten Falle angedeutet, sie selbst mehr oder weniger zu einer willenlosen Maschine geworden. Ein gewisser Ortssinn, beschränkte Erkenntnis des Freßbaren oder Ungenießbaren, des Nützlichen also und des Schädlichen, auch wohl Erkenntnis des Feindlichen und eine sinnliche Leidenschaft endlich: das sind die Beweise der geistigen Fähigkeiten. Die Steigerung derselben innerhalb der äußerlich so verschiedenen Tierreiche ist höchst gering. Ansammeln von einigen Erfahrungen und zweckdienliches Handeln infolge derselben hat man bei den höchststehenden Gliedern beobachtet, eine gewisse Fürsorge rücksichtlich der Nachkommenschaft bei andern, Erregbarkeit, die man als Zorn, Bosheit, Tücke gedeutet, bei vielen, bewußtes Abwägen der eigenen Kraft bei wenigen. Zur List, die durchaus noch nicht als Geistigkeit gelten darf, erhebt sich kein Kriechtier; Anhänglichkeit an irgendein anderes Tier, Liebe zum andern Geschlecht und zur Nachkommenschaft hat man mehr gerühmt, als man auf Grund vorurteilsfreier Beobachtungen zu tun berechtigt war. Wenn man absieht von dem Aufscharren der Löcher zur Aufnahme der Eier oder dem Zusammentragen von etwas Laub zu gleichem Zweck, bemerkt man bei ihnen keine Art von Kunsttrieb, wie sie höheren Tieren eigen ist. Sie lernen an einem Orte passend sich einzurichten, indem sie sich geeignete Stellen zu ihrem Wohn- oder Ruhesitze erwählen, beispielsweise in Löchern, Ritzen und Höhlungen überhaupt sich ansiedeln; sie gewöhnen sich an eine solche Örtlichkeit und suchen sie nach ihren Raubzügen wieder auf: mit dem bewußten Höhlengraben und dem Hängen an solchen Wohnungen, wie wir bei den Säugetieren beobachteten, mit dem Nestbaue der Vögel kann dies aber kaum verglichen werden, und ebensowenig darf man die Fürsorge, die die Kriechtiere für ihre Nachkommenschaft zeigen, als gleichartig mit dem Fortpflanzungsgeschäfte der Säugetiere und Vögel ansehen. Scheu und ängstlich wird es da, wo es Nachstellungen erfährt, mit der Zeit allerdings auch; aber selten oder vielleicht nie lernt es zwischen wirklichen und eingebildeten Gefahren unterscheiden. Ein Mensch, der sich vollkommen ruhig verhält, erregt selbst bei den höher stehenden Arten kaum Beachtung, erscheint diesen vielmehr erst dann als Feind, wenn er sich bewegt oder ein Geräusch verursacht. Die Krokodile im Nil haben eine dunkle Vorstellung von der Gefährlichkeit des Menschen gewonnen, unterscheiden aber den ihnen ungefährlichen Schwarzen durchaus nicht von dem Weißen, der keine Gelegenheit vorübergehen läßt, ihnen eine Kugel zuzusenden. Die höheren Tiere ändern ihr Wesen nach den Umständen, lassen sich durch äußere Einwirkungen erregen und zu verschiedenen Handlungen und geistigen Äußerungen bestimmen, sind fröhlich, heiter, lustig, zu Scherz und Spiel aufgelegt oder traurig, verdrießlich, mürrisch, je nach Umständen: bei den Kriechtieren ist dies alles nicht mehr der Fall. Einzelne Schlangen sollen an Tönen Wohlbehagen finden, und ich selbst habe gesehen, daß die ägyptischen Schlangenbeschwörer bei den Klängen einer Pfeife solche sich aufrichten und gewissermaßen tanzen ließen: inwieweit aber dieses Gebaren mit den Tönen zusammenhängt, oder ob überhaupt ein Zusammenhang vorhanden ist, wage ich nicht zu bestimmen. Von geistigem Leben ist somit kaum zu reden, von sinnlichem noch eher. Die Giftschlange scheint sich ihrer tödlichen Waffe bewußt zu sein und wartet ruhig den Erfolg der Wirkung ihres Giftes ab; die giftlose Schlange, die Schildkröte, das Krokodil, die Eidechse schleicht sich an die Beute heran, verfolgt sie oder lauert von einem Hinterhalte auf dieselbe, schnellt sich dann plötzlich hervor und versucht sie zu fassen; jedes Kriechtier endlich läßt sich in einem gewissen Grade zähmen, d.h. nach und nach an den Menschen, der ihm Nahrung reicht, gewöhnen: es unterscheidet aber schwerlich zwischen dem Pfleger und einem andern, sondern sieht in der ihm bekannt gewordenen Erscheinung eben nur den Fütterer. Krokodile können allgemach dahin gebracht werden, daß sie auf den Ruf oder ein bestimmtes tönendes Zeichen seitens ihres Pflegers herbeikommen und sich zur Entgegennahme von Nahrung bereit halten; man kann ihnen vielleicht auch wirklich das Beißen abgewöhnen: hierauf aber beschränkt sich der Grad der Zähmung, den sie erreichen. In ein freundschaftliches Verhältnis tritt das Kriechtier weder mit andern Gliedern seiner Klasse, noch mit andern Tieren überhaupt; man kann es höchstens dahin bringen, sich nicht mehr zu fürchten oder gegen das andere Wesen gleichgültig zu sein. Nicht einmal wirkliche Geselligkeit bemerkt man unter diesen tiefstehenden Geschöpfen: Hunderte von Schildkröten schwimmen, zwanzig, dreißig Krokodile liegen, sich sonnend, nebeneinander; aber jedes einzelne denkt, solange nicht der Paarungstrieb ins Spiel kommt, nur an sich, handelt ausschließlich für sich, bekümmert sich nicht um das Nebentier; die Gesamtheit tritt nicht zum Schutze des einzelnen ein.
Bei Erwähnung der leiblichen und geistigen Begabung der Kriechtiere haben wir schließlich noch der Stimme zu gedenken. Unter den höheren Wirbeltieren gibt es wenige, die unfähig sind, Töne oder Laute hervorzubringen, unter den Kriechtieren eine große Anzahl, die wir stumm nennen dürfen. Die Schildkröten blasen oder pfeifen, Eidechsen und Schlangen lassen, wie bekannt, zuweilen ein mehr oder minder lautes Zischen vernehmen, von vielen hört man aber auch dieses Geräusch nicht, und nur die Krokodile und die Gekos, nächtlich lebende Verwandte der Eidechsen, sind imstande, laute, abgerundete und teilweise klangvolle Töne hervorzubringen. Die tieferstehenden Lurche erscheinen uns in dieser Hinsicht begabter als die Kriechtiere.
Das tägliche, häusliche und, wenn ich so sagen darf, gesellschaftliche, richtiger wohl gemeinschaftliche Leben der Kriechtiere ist überaus eintönig. Wahrscheinlich gibt es mehr Nacht- als Tagtiere unter ihnen, von ersteren jedenfalls mehr, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Unter den Schildkröten sind diejenigen, die auf dem Lande leben, bei Tage, alle übrigen vorzugsweise bei Nacht tätig; die Krokodile betreiben ihre Jagd hauptsächlich in der Dunkelheit, obwohl sie sich auch tagsüber eine günstige Gelegenheit, Beute zu gewinnen, nicht entschlüpfen lassen, und nur die Eidechsen und ein beträchtlicher Teil der giftlosen Schlangen dürfen als Tagtiere angesprochen werden, während Gekos, fast sämtliche Gift- und ebenso viele giftige Schlangen nach Sonnenuntergang auf Raub ausgehen. Wie gewöhnlich ändert das Wasser die Lebensweise insofern ab, als die in ihm wohnenden Tiere zwischen den Tageszeiten nicht so bestimmt unterscheiden wie die, die auf dem Lande hausen; aber auch unter ihnen lebt die größere Anzahl erst in der Nacht auf.
Mit Ausnahme der Landschildkröten und einiger Eidechsen müssen wir alle Mitglieder unserer Klasse Raubtiere nennen; einzelne haben wir sogar zu den furchtbarsten zu zählen: sie wetteifern an Raublust und Fähigkeit mit dem Tiger und Löwen. Fast alle Tierklassen müssen ihnen zollen. Die Krokodile wagen sich an Säugetiere bis zur Größe des Rindes oder Kameles und verschonen den Menschen ebensowenig wie das sich dem Wasser nähernde kleine Raubtier, stellen jedoch hauptsächlich Wassertieren, insbesondere Fischen nach; die Schildkröten verfolgen letztere, kleinere Säugetiere, Vögel, niedere Kriechtiere, Lurche, Kopffüßler, Schnecken, Kerbtiere, Krebse, Würmer und wohl auch Strahltiere; die Echsen nähren sich von Säugetieren, Vögeln, ihren eigenen Ordnungsverwandten, Lurchen, Fischen, Kerbtieren und verschiedenem Gewürm; die Schlangen greifen hauptsächlich Wirbeltiere an. Fast alle verschlingen ihre Beute ganz, wenige nur, Schildkröten und Krokodile insbesondere, zerstückeln sie vorher in roher Weise, wie diejenigen tun, die sich von Pflanzen ernähren. Alle ohne Ausnahme trinken. Mit zunehmender Wärme vermehrt sich die Freßlust der Kriechtiere; während der heißen Jahreszeit sammeln sie sich sozusagen Nahrungsstoffe ein für das ganze übrige Jahr. Doch fressen sie im Verhältnis zu ihrer Größe weit weniger als Säugetiere und Vögel. Sie verschlingen gewaltige Bissen auf einmal, liegen dann aber auch bis nach vollendeter Verdauung tagelang in träger Ruhe mehr oder weniger auf einer und derselben Stelle und können nötigenfalls monatelang ohne Nahrung aushalten.
Schildkröten und Krokodile schuppen ihre Oberhaut in derselben Weise ab wie die Säugetiere und Vögel; die übrigen Kriechtiere häuten sich, d. h. streifen die ganze Oberhaut mehr oder weniger mit einem Male ab, einzelne so vollkommen, daß das Volk mit Recht von »Natterhemden« sprechen kann. Nach dieser Häutung zeigen sie sich besonders jagdeifrig und freßgierig, weil sie den erlittenen Verlust zu ersetzen haben.
Mit dem Beginn des Frühlings regt sich auch unter den Kriechtieren der Fortpflanzungstrieb. Diejenigen, die in nördlichen Ländern wohnen, kommen in den ersten warmen Tagen des Lenzes zum Vorschein, jene, die in gemäßigten oder heißen Ländern leben und sich während der trockenen Zeit vergraben, nach dem ersten Regen. Einzelne kämpfen, durch den Paarungstrieb gereizt, heftig miteinander. Die Krokodile verfolgen sich gegenseitig mit Ingrimm und streiten wütend; die Eidechsen führen ebenfalls Zweikämpfe auf; Schlangen versammeln sich an gewissen Plätzen in größerer Anzahl, bilden wirre Knäuel untereinander, zischen oder geben andere Zeichen ihrer Erregung kund, bis sie sich endlich mit einem Weibchen geeinigt haben. Die Begattung selbst währt Tage und Wochen; nach ihr aber tritt, wenigstens bei den meisten, wieder stumpfe Gleichgültigkeit an Stelle der scheinbar so heftigen Zuneigung zwischen beiden Geschlechtern. Geraume Zeit später sucht sich das Weibchen, falls es nicht lebende Junge zur Welt bringt, eine geeignete Stelle zur Aufnahme der Eier oder bereitet sich selbst das, was man ein Nest nennen kann. Die meisten Kriechtiere legen ihre mit einer pergamentartigen Schale bekleideten Eier, deren Anzahl ungefähr zwischen sechs und anderthalbhundert schwankt, in vorgefundene oder selbstgegrabene Löcher unter den Boden, zwischen Moos und Laub und dergleichen an feuchten, warmen Orten ab und überlassen der Sonne oder der durch Gärung der Pflanzenstoffe sich erzeugenden Wärme ihre Ausbrütung. Eine Ausnahme hiervon machen einzelne Schlangen und, wie man sagt, einzelne Krokodile. Mißgeburten sind nichts Seltenes, erreichen wohl auch volle Entwicklung: schon die Alten sprechen mit vollstem Recht von doppelköpfigen Schlangen; in unserer Zeit sind auch zweiköpfige Eidechsen beobachtet worden. Die Jungen entwickeln sich verhältnismäßig rasch, gewöhnlich schon nach wenigen Wochen, und beginnen vom ersten Tage nach dem Ausschlüpfen die Lebensweise ihrer Eltern.
Gegen den Winter, in trockenen Strichen der Gleicherländer mit Beginn der dürren Zeit, graben sich die Kriechtiere in den Boden ein, verbergen sich wenigstens in tieferen Höhlungen unter demselben und fallen hier in eine totähnliche Erstarrung, die dem Winterschlafe gewisser Säugetiere entspricht. An der nördlichen und südlichen Grenze des Verbreitungsgebietes der Kriechtiere schützen sich alle hier vorkommenden Arten der Ordnung vor dem schädlichen Einflusse der ungünstigen Jahreszeit, in dem südlichen Teile des gemäßigten Gürtels und unter den Wendekreisländern nur diejenigen, die sich dem Wechsel der Jahreszeit nicht entziehen können. In dem feuchten Brasilien treiben sich die Landschildkröten jahraus, jahrein umher, während diejenigen, die am Orinoko leben, nach Humboldts Beobachtungen während der großen Sonnenhitze und Trockenheit unter Steinen oder in selbstgegrabenen Löchern sich verbergen und erst, wenn sie spüren, daß die Erde unter ihnen feucht wird, aus ihrem Versteck wieder hervorkommen. Die Krokodile, die in den wasserreichen Strömen hausen, halten keinen Winterschlaf; dieselben Arten verbringen da, wo ihr Wohngewässer während der ungünstigen Jahreszeit eintrocknet, die Zeit der Dürre, indem sie sich in den Schlamm einwühlen. Es scheint, daß nicht alle Kriechtiere in vollständige Erstarrung fallen, einzelne vielmehr ein Traumleben führen; denn sie bewahren sich eine gewisse Beweglichkeit oder erhalten sie doch schnell wieder, wenn die Umstände sich ändern, wogegen andere während des Winterschlafes vollständig steif und bewegungslos daliegen, auch hart anzufühlen sind. Klapperschlangen, die sich in solchem Zustande befanden, aufgenommen und in einen Weidsack gesteckt wurden, wachten, als der Jäger sich einem Feuer näherte, sehr rasch auf, erstarrten aber auch bald wieder, nachdem sie der Kälte aufs neue ausgesetzt wurden. Auch bei ihnen scheint übrigens, wie Schinz hervorhebt, Entziehung der äußeren Luft notwendige Bedingung des Winterschlafs zu sein. »Daß Tiere, die im wachen Zustande monatelang ohne Schaden fasten können, einen Winter ohne Nahrung auszuhalten imstande sind, ist sehr begreiflich; daß aber dasselbe Gesetz herrscht, wie bei den winterschlafenden Säugetieren, daß ein Verbrauch der Säfte dennoch stattfindet, so gering er sein mag, erhellt daraus, daß Kriechtiere zugrunde gehen, wenn sie im Herbst vor dem Einschlafen Mangel an Nahrung hatten. In welchem Grade die leiblichen Tätigkeiten während des Winterschlafes stillstehen, und welche gänzlich ruhen, läßt sich bei Tieren, deren Verrichtungen im wachenden Zustande so oft unterbrochen werden können, ohne dem Leben zu schaden, nicht leicht beobachten; doch ist es wahrscheinlich, daß bloß ein sehr langsamer und unterbrochener Kreislauf stattfindet, das Atmen aber ganz unterdrückt ist, was bei dem wenigen Sauerstoffbedarf dieser Tiere nicht befremden kann. Eine zu große und lange andauernde Kälte tötet indes auch sie, und zwar regelmäßig dann, wenn sie nicht vor derselben geschützt werden; wahrscheinlich also gefriert dann das Blut, der Kreislauf wird unmöglich, und der Tod muß eintreten. Das Gewicht der Kriechtiere nimmt während des Winterschlafes etwas ab.« Übrigens kommen die Tiere keineswegs kraftlos zum Vorschein, zeigen sich vielmehr gerade unmittelbar nach dem Winterschlafe besonders lebhaft.
Alle Kriechtiere ohne Ausnahme wachsen unglaublich langsam; die Trägheit ihrer Lebensäußerung spricht sich also auch hierin aus. Dafür aber erreichen sie ein sehr hohes Alter. Schildkröten haben in der Gefangenschaft gegen, nach einzelnen Angaben sogar über hundert Jahre gelebt; gewisse Krokodile wurden von Eingeborenen Afrikas seit Menschengedenken auf einer und derselben Stelle beobachtet, und die größeren Schlangen mögen ebenfalls sehr alt werden. Krankheiten scheinen selten zu sein unter ihnen, obwohl man solche unter gefangenen ebenfalls beobachtet hat; ein allmähliches Absterben, das wir Altersschwäche zu nennen pflegen, ist bei ihnen noch nicht in Erfahrung gebracht worden: die meisten verenden gewaltsam oder wenigstens infolge äußerer Einwirkungen.
Der Nutzen, den diese ganze Klasse dem Menschen bringt, muß ein höchst unbedeutender genannt werden, und der Schaden, den einzelne verursachen können, darf nicht unterschätzt werden. Der größte Teil der Kriechtiere nährt sich von solchen Geschöpfen, die uns schädlich werden, und diejenigen, die Pflanzen fressen, beeinträchtigen uns dadurch nicht im geringsten; aber eine wirkliche Bedeutung für uns haben diese ebensowenig als jene. Alle Eidechsen ohne Ausnahme und die meisten der bei uns vorkommenden Schlangen nützen uns durch Vertilgung von Mäusen und andern schädlichen Säugetieren, Kerbtieren, Schnecken, Würmern und dergleichen; allein der Nahrungsverbrauch, der hier in Frage kommt, ist so unendlich gering, daß man den Nutzen wahrhaftig nicht hoch anschlagen darf.