Lily Braun
Im Schatten der Titanen
Lily Braun

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Ausleben

Wieder Daheim

Jenny Gustedt war vierundsechzig Jahre geworden, ein Alter, von dem sie zu sagen pflegte, daß es ihm angemessen sei, »sich in den Schatten, sich aus dem Wege der Welt zu stellen, um seiner selbst willen, weil die Grenze des Diesseits schon das Jenseits streift, um anderer willen, weil in den Lebensverhältnissen das Greisenalter, ich möchte sagen, über dem Etat ist und oft beengend auf die nächste Generation wirkt«. Und wenn sie auch äußerlich fast unverändert blieb und die Pforten ihres geistigen Lebens sich nicht, wie bei den meisten alten Leuten, vor der Außenwelt und ihren Eindrücken zuschlossen, nur das Besitztum der Vergangenheit hütend, so zeigte sich doch ein untrügliches Merkmal hoher Jahre: Heimweh. Es befällt nicht nur den einen, der lange in fremden Ländern war, als eine Sehnsucht nach den Wäldern und Wiesen, wo seine Jugend reifte; noch stärker und schmerzhafter macht es sich vielmehr dem anderen fühlbar, der in geistiger Fremde lebte, und nun heim verlangt nach dem vertrauten Boden, in dem sein inneres Leben wurzelt, der seiner Seele die erste Nahrung gab. Nicht die Zahl der Jahre bestimmt den Zeitpunkt, wann dieses Heimweh unüberwindlich wird, sondern das Maß der Entfernung und die Menge der begrabenen Hoffnungen. Am längsten vermag die Mutterliebe, die das Weib an das innere und äußere Leben des Kindes fesselt, die Stimmen der Sehnsucht zu übertönen. Aber schließlich, wenn der müde Fuß den raschen Schritten der Jugend nicht mehr folgen kann und das Auge nichts als eine fremde Welt vor sich sieht, dann siegt das lang unterdrückte Verlangen, dorthin zurückzukehren, von wannen wir gekommen sind.

Nach dem Tode ihres Gatten war der erste Gedanke der Witwe gewesen, sich von nun an dauernd in Weimar niederzulassen. Liebe und Pflichtgefühl hatten sie daran gehindert. Jetzt, zehn Jahre später, sah sie, daß ihre Kinder ihrer nicht bedurften, daß sie ihnen, selbst wenn sie litten, kaum zu helfen vermochte, weil ihr Trost ihnen kein Trost war, und es regte sich nun wohl auch in ihr der Wunsch, zum Schlusse des Lebens noch einmal sich selbst zu leben. Im Hause ihres Schwagers, des Grafen Beust, am Ende der Ackerwand, wo die alten Bäume des Parks in die Fenster hineingrüßten und der Brunnen dasselbe Lied rauschte und murmelte, wie vor einem halben Jahrhundert, fand sie eine kleine, freundliche Wohnung. »Meine Stuben würden Dir sehr gefallen«, schrieb sie mir, »sie sind kleiner als die in Berlin, aber sehr harmonisch, und enthalten alles, was mir notwendig, nützlich, angenehm und lieb ist; meine Freunde sind sehr gern darin, meistens zwischen sechs und acht Uhr, dann brennen meine Lampen, alles ist still und friedlich, voll Blumen sind die Tische . . . Morgens nach dem Frühstück gehe ich fast ohne Rücksicht auf das Wetter im Park, der immer schön ist, spazieren und vergesse vor lauter Erinnern zuweilen das halbe Jahrhundert, das zwischen meiner Jugend und meinem Alter liegt. Um ein Uhr esse ich und habe neben der Güte der einfachen Mahlzeit die Freude stets unbestellter Gerichte, die Du, mein Herzensenkelkind, auch empfinden wirst, wenn Du einmal jahrzehntelang Hausfrau warst und – leider muß ich das vermuten, – wie ich gar kein Talent dafür hattest. Oft esse ich auch bei meinem lieben Schwager Fritz, der dann schon am Abend vorher sagt: Auf morgen freue ich mich, dann bist Du bei mir! Selten vergeht ein Tag, ohne daß ich liebe Verwandte oder Freunde besuche oder empfange, und wie ein weicher, warmer Mantel legt sich die vertraute geistige Luft Weimars um mich . . . Abends lese ich viel und mache mir darüber kurze Notizen, die Dir vielleicht einmal nützlich sein werden. Man vergeudet soviel Zeit mit schlechter Lektüre, daß es ein großer Gewinn wäre, wenn Kinder und Enkel sich darin wenigstens von den Alten raten und leiten ließen. Um elf Uhr bin ich zu Bett und schlafe mit Gedanken und Gebet für meine Kinder und Enkel ein . . . Ich denke, wir beide, mein geliebtes Kind, könnten jetzt schon besser plaudern, als auf unseren Wegen in Berlin, und im Lieben und Denken wirst Du mich immer besser verstehen . . .«

Wenn es auch nicht das alte Weimar war, das meine Großmutter wieder aufnahm, so war es doch in der Hauptsache das alte geblieben. Es schien, als ob jeder im Umfang seiner Kräfte sich bemühte, die Tradition aufrechtzuerhalten, die vorschrieb, geistige Interessen in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen. Und der Großherzog Karl Alexander war es, der darin mit gutem Beispiel voranging. Er besaß jene Fürstentugend, die wir heute vergebens suchen: Talente heranzuziehen und zu beschützen, ihnen freie Bahn zu schaffen, ohne sie beeinflussen zu wollen. Seine Ehrfurcht vor geistiger Bedeutung war so groß, daß er vor ihr bescheiden zurückzutreten verstand. Niemals hätte er einem Künstler seinen Willen aufgezwungen und ihn dadurch auf das Niveau eines bloßen Handwerkers herabgedrückt. Die geistige Atmosphäre, die er dadurch schuf oder vielmehr erhielt, denn sie war Karl Augusts kostbares Vermächtnis, ermöglichte es, daß aus dem Weimar Goethes und Schillers noch ein Weimar Liszts und Wagners wurde. Obwohl die Welt Franz Liszt zu Füßen lag, wählte er sich die kleine Stadt, um alljährlich sein Haus an der Hofgärtnerei zum Mittelpunkt der Musikbewegung zu machen. Von Weimars unscheinbarem Theater aus trat Wagners »Lohengrin« den Siegeszug durch die Welt an. Ohne den Großherzog hätte Liszt seine Aufführung nicht durchzusetzen vermocht. Daß der Hof der modernen Musik soviel Verständnis und Förderung zuteil werden ließ, zog eine Reihe anderer Musiker, die später zu großer Bedeutung gelangten – es sei hier nur an Männer wie Eugen d'Albert und Richard Strauß erinnert – nach Weimar. Und wie die moderne Musik, so fand die moderne bildende Kunst hier zwar nicht einen Mittelpunkt des Lebens, wohl aber eine stille Wiege, wo sie die jungen Glieder strecken, von wo aus auch sie den Weg in die Welt antreten konnte. Graf Kalkreuth und Schillers liebenswürdig-geistvoller Enkel, H. L. von Gleichen-Rußwurm, waren Ende der siebziger Jahre ihre Hauptvertreter in Weimar. Wie viele Dichter, Maler und Musiker haben außerdem, wenn nicht den Beginn oder den Höhepunkt ihres geistigen Schaffens, so doch Stunden der Anregung und Befriedigung – jener seltenen Feiertage des Lebens, die ihnen notwendig sind, wie dem Arbeiter die Sonntagsruhe – der lieblichen Stadt an der Ilm zu verdanken! Dem Fürsten aber, dem es gelang, im brandenden Meer des modernen Weltlebens diese Insel der Ruhe, des stillen Schaffens und Werdens, zu erhalten, blieb das Schicksal nicht erspart, das auf die eine oder andere Weise alle traf, die im Schatten der Titanen geboren wurden. Derselbe Mann, der vor seinen Freunden ein lebendiger, geistvoller Plauderer und immer ein vornehmer Mensch im besten Sinne des Wortes war, schien der verantwortungsvollen Last der großen Vergangenheit seines Hauses und Landes oft fast zu erliegen, wenn er sich unter Fremden im großen Kreise bewegte: er fühlte sich bedrückt, wenn alle Augen auf ihn sahen, wenn jeder darauf wartete, was er sagen würde, und seine Zerstreutheit, seine Schüchternheit und Verlegenheit machten ihn in der breiten Öffentlichkeit zu einer lächerlichen Figur. Meine Großmutter schrieb einmal von ihm: »Daß mein guter Großherzog so oft mißverstanden, ja, was noch schlimmer ist, verhöhnt wird, schmerzt mich um so mehr, als er im Grunde seines Wesens und seiner Anschauungen der Typus dessen ist, was ein Fürst in unseren konstitutionellen Staaten überhaupt noch sein kann: ein Grandseigneur, der die alte schöne Tradition pflegt und die Entwicklung einer neuen Kultur fördert, indem er wie ein guter Gärtner dort der wildwuchernden Rosenranke eines Talents eine Stütze gibt, dort einer andern, die im Verdorren ist, Wasser, Luft und Licht zuführt und allmählich einen Park anlegt, in dem Natur und Kunst den Gärtner gleichmäßig preisen, weil er die Natur nicht knebelte und die Kunst nicht degradierte.«

Neben ihrem Schwager Beust, der ein ungemein liebenswürdiger Mensch war und trotz seiner lebenslangen Hofstellung – was ebenso für den Fürsten wie für seinen Hofmarschall spricht – nie ein Höfling wurde, gehörte der Großherzog zu meiner Großmutter vertrautestem Umgang. Er besuchte sie oft, und sie war ein häufiger Gast im Schloß, wenn sie allein kommen konnte oder nur ein kleiner Kreis versammelt war. Bei solchen Gelegenheiten war es, daß sie Liszts herrliches Spiel genoß, sich des genialen, geistvollen Gesellschafters freute und durch ihn Wagners Musik kennenlernte. Es war eine neue Welt für sie und eine, die sich der altgewohnten harmonisch anschloß.

»Ich habe zu viel Sinn für Musik«, schrieb sie einmal, um es nicht unerträglich zu finden bei einem Kaffeekonzert, wo zwischen: ›wie freue ich mich, Sie zu sehen‹ – ›Kellner, eine Portion Kaffee‹ – ›nein, sieh nur diese Toilette‹ – wo zwischen diesen und ähnlichen Gedanken und Gesprächen einige Töne von Mendelssohn oder Beethoven und dann zum lauten Entzücken des Publikums das ›Pariser Leben‹ ertönt. Das Ideal von Musik, das ich in der Seele trage, ist Verklärung, Seligkeit reinster Liebe, Auflösung des Innern in Ton und Klang. Wenn ich still in dämmeriger Ecke saß und Liszt spielte, wenn mir in Karlsbad, hoch über dem Konzert, auf einsamer Waldbank Wagners wunderbarer Pilgerchor entgegenklang, wenn ich in Freiburg in der stillen dunklen Kirche saß und die Orgel über mir brauste – das alles war Musik. Es beeinträchtigt schon meinen Genuß, wenn ich, um eine Wagnersche Oper zu hören, in ein volles Theater mit im Zwischenakt schwatzenden und kokettierenden Menschen gehen muß. – Wie ich den Faust nicht auf der Bühne sehen kann – den zweiten Teil aufzuführen, ist überhaupt eine Blasphemie –, so ist für mich jede Art Kunst, Musik insbesondere, entwertet, oder besser entweiht, wenn sie auf das Niveau des Massenamüsements heruntergezogen wird. Wertvoller für den Menschen ist ein schönes Bild im eigenen Zimmer, als Hunderte weltberühmter Bilder im Museum, an denen er mit einer Karawane Fremder vorüberziehen muß. Eine Welt höchster künstlerischer Kultur müßte alle Museen auflösen und die Kunstwerke in den Wohnungen verteilen, müßte in gotischen Domen mit gemalten Fenstern täglich musizieren und singen lassen, wobei einem jeden der Eintritt zu Genuß und Andacht frei stünde . . .«

Das Interesse für den Musiker Wagner führte sie zu dem Dichter und Denker, und nichts zeugt mehr für ihre geistige Regsamkeit und Auffassungsfähigkeit als die Tatsache, daß er bei aller Grundverschiedenheit der geistigen Tendenz so stark auf sie wirkte. »Ich lese mit wachsender Anteilnahme, wobei Staunen, Entzücken, Empörung, Bewunderung in lebhaftem Streit miteinander liegen, Richard Wagners Prosaschriften und Dichtungen«, schrieb sie 1877 aus Weimar; »Alles darin ist bedeutend und sehr klar; in schöner bündiger Weise unterrichtend sind alle Artikel über Musik. Wie Wagner selbst die Musik versteht, ist mir sonnenklar vor die Seele gesprungen in den wenigen Worten: ›Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.‹ Nicht allein ihre wortlose Herrlichkeit hienieden wird damit bezeichnet; sondern man fühlt sie als Sphärensprache der Ewigkeit. Die Aufsätze: ›Eine Pilgerfahrt zu Beethoven‹, ›Ein Ende in Paris‹, ›Ein glücklicher Abend‹ erinnern ausnehmend in Tendenz, Empfindungen, spöttischer, tiefer Menschenverachtung, von der man sich selbst fast allein ausschließt, an Byron, der einmal mein Lieblingsdichter war, bis ich Goethe und sein Urteil über die von ihm so richtig bezeichnete ›Lazarettphilosophie‹ begreifen lernte. Es muß wohl jeder, der von innen heraus wächst, dieses Seelenstadium durchmachen – auch Goethe mußte es und hat es im Werther geschildert und überwunden –, aber wehe dem, der darin steckenbleibt: nicht nur, daß er selbst ein dauernd unglücklicher Mensch wird, auch seine Schaffenskraft zerbricht. In welcher herrlichen Verklärung tritt im klarsten Gegensatz zu der ganzen Lazarettphilosophie und Menschenverachtung das Christentum vor meine Seele. Die Menschenverachtung, die dort zu Spott, Haß und Verzweiflung führt, die Lebensbeziehungen der Menschen untereinander vergiftet und zerstört, führt hier zu tiefem Mitleid mit dem Sünder, der noch blind für die Wahrheit ist: ›die Sünde ist der Leute Verderben‹, führt zu sorgfältiger Prüfung der Ursachen, die Gemeinheit und Schlechtigkeit nähren und entstehen lassen, und zum rücksichtslosen Kampf gegen sie. Auf der Seite der Menschenverächter ein Schrei der Verzweiflung neben dem anderen, auf der anderen Seite das himmlische: Freuet euch in dem Herrn, und abermals sage ich euch, freuet euch. Auf der einen Seite Krieg mit oder Abgeschlossenheit von den Menschen, auf der anderen Seite hilfreiches, tätiges Zusammenleben und Lieben . . . Ich kann Richard Wagner gegenüber den Eindruck nicht überwinden, der mich z. B. auch bei Heinrich Heine immer wieder überwältigte, daß sein Menschliches noch mit seinem Göttlichen – und jeder Künstler und Dichter ist gottbegnadet – im Kampfe liegt. Seine Musik, seine Dichtung, z. B. im Tannhäuser – widerspricht seiner, nicht vom Genie, sondern vom irdischen Verstand diktierten Lazarettphilosophie. In Beethovens Neunter Symphonie ist das rein Göttliche zu unvergleichlichem Ausdruck gekommen; ich warte nun auf Richard Wagners Neunte! . . .«

Einige Jahre später las meine Großmutter, noch ehe sie die Musik kannte, den »Parsifal« und schrieb mir darüber: »Ich begann ihn gleichgültig, werde aber immer mehr davon hingerissen und begreife nicht, wie Eitelkeit, Weltlichkeit und Genußsucht einen Geist beschatten konnten, der solcher Gedanken, Anschauungen und Gefühle fähig ist. Die Verherrlichung und Weihe des Mitleids, das er als die höchste Liebe hinstellt, die Heiligung durch Buße und Gnade aller seiner Helden, die Auffassung des Abendmahls werfen Lichter in meine Seele, wie noch kein theologisches Buch es getan hat.

Wie oft habe ich mich geprüft, ob es denn nicht Falschheit und Schmeichelei sei, was mich so liebevoll hinzog zu Menschen, deren mein Herz für mich gar nicht bedurfte. Wagners Auffassung des Mitleids erklärt mir meinen eigenen inneren Widerspruch. Das Mitleid, welches ich in seiner höchsten, mir oft krankhaft erscheinenden Potenz von jeher für Menschen und Tiere empfand, ist eben die höhere und bessere Liebe, weil das Mitleid nichts für sich will, auch nicht Gegenseitigkeit, die meiste Liebe aber etwas sucht und braucht für sich

In einem anderen Briefe heißt es: »Ich habe nun auch einen großen Teil der Musik zum Parsifal kennengelernt. Sie gehört zu den erschütterndsten Eindrücken meines Lebens. Wunderschön war mir schon seine Sprache, um wieviel herrlicher ist seine Musik. Wenn ich sagen müßte, welches die höchsten Emanationen des Göttlichen im Menschen sind, die ich kenne, so würde ich heute antworten: Goethes Faust und Wagners Parsifal. Sie stehen mir auch in anderer Weise gleich: wie ich den Faust nicht auf der Bühne sehen mag, so möchte ich den Parsifal nicht sehen. Zwar ist der Bayreuther Gedanke, der den Ort zu einer Art Wallfahrtsort macht und die Menschen dadurch schon aus der Alltagsstimmung herausreißt, mir sympathisch, aber da es leider auch dort weniger die stillen, auf seelischen Genuß gestimmten Seelen sein werden, die sich zusammen finden, sondern die jeder neuen Sensation auf dem Fuße folgenden großen Geldbeutel, so möchte ich um alles in der Welt nicht unter ihnen sitzen.«

Mit vollen Zügen, mit einer fast ungebrochenen jugendlichen Kraft genoß Jenny Gustedt das geistige Leben, das wieder in breiten Fluten zu ihr hereinströmte. »Ich empfinde mit täglichem Dankgefühl«, schrieb sie ihrer Tochter, »wie wertvoll der Mensch dem Menschen ist, sofern wir uns entschließen, die Präliminarien des Konventionellen rasch zu erledigen, und uns dann geben, wie wir sind, d. h. mit dem Besten, was in uns ist. Eure Art, das Innerste zu verschweigen, also im Konventionellen steckenzubleiben, so daß der Verkehr mit Menschen schließlich zum überflüssigsten Zeitvertreib wird, ist nur eine Folge Eures Mangels an echter menschlich-christlicher Gesinnung: Ihr fürchtet jede Meinungsverschiedenheit, weil Ihr andere Ansichten in Eurer egoistischen Rechthaberei gar nicht mehr vertragen könnt. Das ist nicht nur ein Nagel zum Sarg der Geselligkeit, sondern auch zum Sarg der Freundschaft, der Ehe, ja selbst der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern. Bereichert wird unser Leben, erweitert unser Gesichtskreis nur durch andere Ansichten als die unseren, und nur durch ihren Austausch können wir fördernd und anregend aufeinander wirken. Übrigens gilt dasselbe auch vom Lesen: Nichts törichter, als nur lesen zu wollen, was in unseren engen geistigen Horizont, in unsere Seelenstimmung, in unsere Glaubensauffassung hineinpaßt, und zu sagen: Das und das kann man nicht lesen. Man kann es nicht nur, man soll es sogar. Wie ein gesunder Körper sich Wind und Wetter aussetzt und davon nur gekräftigt wird, so muß ein gesunder, reifer Geist sich allen geistigen Luftströmungen aussetzen, um immer gesunder zu werden . . .«

Die Bücherliste der Weimarer Zeit ist erstaunlich reichhaltig und umfangreich, und Auszüge aus dem Gelesenen füllen einige Bände. Memoiren, Korrespondenzen und Biographien aus der Zeit Goethes und Napoleons, Friedrichs des Großen philosophische und historische Werke und seine Korrespondenz mit Voltaire, Chateaubriands zwölfbändiges Memoirenwerk nehmen auch in bezug auf die Auszüge einen breiten Raum ein. Kants Metaphysik der Sitten, Schopenhauers Ethik, Nietzsches Geburt der Tragödie, Strauß' Leben Jesu und sein Voltaire wurden studiert; kleinere historische und kulturhistorische Schriften, Reisebeschreibungen und hier und da auch ein Roman finden sich daneben verzeichnet. In ihren Briefen erwähnte sie meist, was sie gerade beschäftigte; da ich damals noch ein Kind war, blieben ihre Äußerungen mir gegenüber meinem Alter angepaßt. An die elfjährige Enkelin schrieb sie: ». . . Ich wünschte Dir, mein Kind, die Weimarer Luft, die Deiner Entwicklung notwendiger wäre als die Offiziersinteressen-Atmosphäre, in der Du lebst . . . Wie oft finde ich im Laufe meiner Lektüre vieles, was ich Dir jetzt vorlesen und über das ich mit Dir sprechen könnte. Ganze Abschnitte aus Goethes Faust, aus Wahrheit und Dichtung, viele seiner herrlichen Briefe an seine Freunde würden Dich besser vorwärtsbringen als Deine stupende Geschichtstabellenweisheit, die mir als Gedächtnisleistung zwar sehr imponiert, aber sonst doch gar keinen Zweck hat, als etwa den Eitelkeitszweck, damit zu prunken. Aber Bildung bedeutet nicht eine möglichst große Ansammlung von Wissensstoff, sondern ein persönliches Gewordensein . . . Über all das wollen wir miteinander reden, wenn ich Dich bei mir habe, mein Herzenskind.«

Bald darauf, im Frühling 1877, kam ich zum ersten Male zu Großmama nach Weimar. Während einer langen, schweren Krankheit, die ich im Jahre vorher durchgemacht hatte, war ich aus den Kinderschuhen herausgewachsen, und noch sehe ich mich im Spiegel von Großmamas grünem Salon vor ihr stehen: einen hoch aufgeschossenen Backfisch, blaß und schmal, die blonden Haare straff aus der so schrecklich hohen Stirn gekämmt, und daneben die schöne alte Frau mit dem feinen Gesicht und den graziösen Bewegungen, die mich gerührt in die Arme schloß. Ich weiß nicht, warum ich herzbrechend weinen mußte, vielleicht wußte sie es besser als ich; ihre ersten Worte waren: »Mein armes Kind«, und sanft und vorsichtig behandelte sie mich wie eine Kranke.

Wer keine Großmutter hat, der weiß nichts vom schönsten Märchenwinkel des Kindheitsparadieses, der ist um das kostbarste Erbe der Vergangenheit betrogen worden. Und wer von den armen Kindern der Gegenwart besitzt sie noch, auch wenn sie nicht gestorben ist? Jene gütige, verstehende, auf der Höhe der Lebenserfahrung milde gewordene Frau, die nicht nur unsere Schmerzen besser mitempfindet als die Mutter, die auch die Ruhe des Alters besitzt, die notwendig ist, um sie zu heilen? Die für sich selbst nichts mehr will und darum Zeit hat für uns; der wir alles sagen dürfen, weil sie alles versteht.

Die Stadt der Epigonen, von der Dingelstedt sagte: »Sie mahnt mich selber wie ein Sarkophag«, wurde mir zu einer Stadt geistiger Auferstehung. Meiner Großmutter Erzählungen, das Zusammensein mit ihren Freunden, die mir durch die Gloriole der Vergangenheit, die sie umgab, wie Wesen aus einer anderen Welt erschienen, belebten die Straßen, die Häuser, die Alleen und die stillen Waldwege mit den Gestalten Goethes und Schillers. Hier durfte ich, ohne daß das Lachen der anderen meinen Mund versiegelte, von all meinen phantastisch-törichten Kinderträumen reden, hier konnte ich meiner Begeisterung für Menschen und Werke den überschwenglichsten Ausdruck geben, ohne daß ich zu fürchten brauchte, für »dumm« oder »albern« gehalten zu werden. Großmama verstand mich, denn nur altkluge Kühle hätte sie nicht begriffen. Täglich wanderte ich mit ihr, die bis in ihr spätestes Alter eine rüstige Fußgängerin war, morgens durch den Park und nachmittags nach Tiefurt oder nach Belvedere. Nie versiegte unser Gespräch, nie ermüdete sie, meine Fragen zu beantworten. Abends und bei schlechtem Wetter lasen wir zusammen die »Iphigenie« aus dem alten blauen Buch, den Osterspaziergang aus dem Faust und manches, was Großmama selber in ihrer Jugend geschrieben hatte. Ihre Verwandten und ihre Freunde besuchte ich mit ihr, und seltsam muteten die Räume, die ich betrat, das heimatlose, von Ort zu Ort verschlagene Soldatenkind an: Großeltern, Eltern, Kinder hatten nacheinander darinnen gehaust, an den Bildern, den Möbeln, den tausend Kleinigkeiten der Umgebung haftete der Duft der Tradition; sie waren wie ein Kleid, das sich, je älter es wird, desto genauer und selbstverständlicher um den schmiegt, der es trägt, und das die Ausstrahlung seines Wesens aufnimmt. Jene Harmonie, die denen verlorengehen muß, die auch die Wohnung und ihre Einrichtung dem Wechsel der Mode unterwerfen, umfing mich ebenso wohltätig wie der große Kreis der Familie, für die ich, als Großmamas Enkelin, von Anfang an keine Fremde war. Meiner Großmutter starker Familiensinn, der durch ein erstaunliches Gedächtnis für die verwickeltsten verwandtschaftlichen Beziehungen unterstützt wurde, war sehr oft ein Gegenstand des Amüsements für ihre Kinder; ich habe ihn immer nur als die Grundlage einer großen Lebenswohltat empfunden: der Gedanke, nirgends verlassen und vereinsamt zu sein, gibt eine gewisse innere Sicherheit, die freilich meist der erst schätzen lernt, der sie verlor. Doch was sind alle diese Eindrücke und Empfindungen gegenüber der Erinnerung an jenes eine Ereignis meiner Kindheit, dessen tief erschütterndes Erleben bestimmend für mich werden sollte: mein erster Besuch in Goethes Haus.

Zwischen jener Zeit, wo Jenny Pappenheims zierliche Mädchenfüße täglich die breite, klassische Treppe emporgestiegen waren, und der Gegenwart, lag ein Menschenleben. Als sie heimkehrte nach Weimar, eine alte Frau, hatte Ottilie Goethe die Augen geschlossen, Ulrike, ihre Schwester, war ihr gefolgt, und einsam und menschenscheu, um ihr Lebensanrecht an Glück betrogen, niedergebeugt unter der Last der weithin leuchtenden Krone, die Goethes Name bedeutete, lebten Walter und Wolf in den stillen Dachstuben des großen Hauses am Frauenplan. Die alte Freundin ihrer Jugend war immer mit ihnen in Verbindung geblieben und hatte von Jahr zu Jahr gehofft und gewartet, daß sie sich doch noch einen selbständigen Platz in der Welt erobern würden. Vergebens! Walters musikalisches Talent, das vielleicht ausgereicht hätte, einem Menschen mit unbekanntem Namen eine Durchschnittsstellung ohne Prätensionen von Berühmtheit zu schaffen, war wie eine Pflanze, die, wenn man sie künstlich treiben will, vor der Entfaltung verdorrt. »Er versuchte den Kampf mit dem Leben nicht mehr, er ergab sich darein«, schrieb meine Großmutter von ihm. »Er nahm es mit tiefem, aber verborgenem Schmerze auf, als seine Kompositionen nicht beachtet wurden. Er dachte unendlich gering von sich selbst. Mit rührender Treue hing er an seiner Mutter, opferte ihr Geld, Zeit, Gesundheit, Lebensfreude. Pietät war der Kultus seines Lebens, doch auch hier in schroffen Gegensätzen zur Welt. Nicht mitteilend, unter vielem Kleinlichen auch die großartigen Kundgebungen der deutschen Nation abweisend, waren er und sein Bruder mißverstehend und mißverstanden. Mit allen Opfern persönlichen Behagens erstrebten sie das pietätvollste Erhalten des Überkommenen, aber ihre größte und verborgene Pietät bestand darin, Weimar, welches durch Goethe groß geworden und aus dem seine Größe herausgewachsen war, durch keine selbstische Verteidigung, durch keine Anklage, Enthüllung, Preisgeben von Kontroversen, literarischen Klatsch in Wort und Tat zu schädigen.«

Weit schwerer ertrug Wolf die Tragik seines Lebens, die ihn – den Enkel – zum Schattendasein verdammte, denn die Kraft, die in ihm zerstört wurde, war eine bedeutend größere als die des Bruders, ihr Kampf gegen die Unerbittlichkeit des Schicksals daher länger und schmerzhafter. Mit neunzehn Jahren schrieb er eine romantisch-philosophische Tragödie, die den Kampf des Menschen gegen die Natur und den Zwiespalt zwischen heidnisch-naturreligiöser und kirchlich-christlicher Anschauung zum Gegenstand hatte und eine nicht gewöhnliche Begabung verriet. Meine Großmutter, die Wolf von klein an in ihr Herz geschlossen hatte und ihn auch als den geistigen Erben Goethes ansah, schrieb von ihm:

»Niemand staunte, niemand begriff, was in einem Menschen liegen mußte, der mit neunzehn Jahren ›Erlinde‹ schrieb. Humboldt und Varnhagen schienen es zu begreifen, ihr Lob war aber nicht mächtig und nicht nachhaltig genug, und so kam es, daß sein Werk, wie sein ganzes Leben, durch Enttäuschung, Überreizung und Stolz vereinzelt verlorenging.« Er vergrub sich später in archivarische Studien, wurde zeitweise Legationssekretär bei einer Gesandtschaft, aber seine zunehmenden schweren neuralgischen Leiden hinderten ihn an allem und verbitterten ihm immer dann das Leben, wenn es eine glücklichere Wendung zu nehmen schien. »Er litt unter seinem Zustand wie unter einem Fluch, er litt ebenso unter dem Fluch eines Namens, den er nicht überbieten konnte . . . Seine Vernunft paßte nicht zur Welt und die Vernunft der Welt nicht zu ihm. Das empfand er und hüllte sich stolz und stumm in sein einsames geistiges Leben, durchschritt ernst, forschend, lernend und denkend ein langes Lebensdasein.

Er hat sich einmal um ein Amt in Weimar beworben, es hätte ihn zu einer ersehnten glücklichen Häuslichkeit geführt. Der Minister von Watzdorf stemmte sich dagegen; später allerdings wurden ihm sehr wohlwollende Anerbietungen gemacht, aber sein Leben war abgelaufen.

Im Jahrhundert der Geldgier und des Ehrgeizes verachtete Wolf Geld und äußere Ehre; für nichts und niemand war ihm seine Würde feil. Seine großen, tiefen Gedanken blieben verschlossen in seiner Seele, sein leidenschaftliches Herz wurde stumm.

Es fand ein Mann am Meer eine Muschel, und weil sie keine Auster war, schleuderte er sie zurück in die wogende See, nicht ahnend, daß sie die köstlichste Perle enthielt. Der Mann war Deutschland, die geschlossene Muschel Wolfs liebe, edle, große Seele . . .«

Mit jener unglückseligen Eigenschaft der Nachgeborenen begabt, die jeden Luftzug des Mißverstehens wie ein Ungewitter, jeden leisen Nadelstich der Lieblosigkeit wie ein Ans-Kreuz-Schlagen empfinden läßt, zogen sich die beiden Brüder immer mehr von der Außenwelt zurück – »zwei in Nachtvögel verzauberte Prinzen, die einen vergrabenen Schatz bewachen«. In dem fatalistischen Glauben an den notwendigen Untergang ihres Geschlechts, hatten die Brüder auch die Liebe zum Weibe in sich unterdrückt – niemand sollte von neuem geboren werden, um den Namen Goethe fortzusetzen. Schon in den vierziger Jahren, nach dem Tode der reizenden Alma, des letzten Sonnenstrahls der Familie, hatte Walter Goethe an den Sekretär Schuchardt geschrieben: »Wenn Sie so in den Sammlungsräumen oder dem Arbeitszimmer des Großvaters Staub und böse Geister bannen, so gereut es Sie vielleicht doch nicht, daß Sie treu an uns festhalten, den Überbliebenen aus Tantalus' Haus. Aber glauben Sie mir: das Reich der Eumeniden geht zu Ende . . .!« Und seitdem war eine neue Welt neben ihnen emporgeblüht, aber sie sahen sie nicht, wollten sie nicht sehen, und empfanden es doch peinigend, daß sie selbst von ihr auch übersehen wurden.

Zu den wenigen Freunden, denen ihr Heim und ihr Herz immer offengeblieben war, gehörte Jenny Gustedt: »Du bist ein Vermächtnis, eine Erinnerung und ein Gegenwartstrost«, schrieb ihr Walter, »Du, die Du verstanden hast, in dieser Welt weiter zu leben.« Und von Wolf erhielt sie kurz vor ihrer Ankunft in Weimar diese Zeilen: »Seit der Mutter Tod lebe ich nicht mehr. Ich passe auch zu nichts anderem, als allein zu sein. Dich aber will ich wie ein Stück meiner selbst und wie das Allerbeste begrüßen.« Von nun an war sie wieder einer der häufigsten Gäste in den Dachstuben. »Ich möchte Lebenswärme hineintragen, da es keine Gottesliebe sein kann«, sagte sie. Daß ich sie begleiten durfte, war eine große Vergünstigung, die ich wie ein Geschenk aus einer höheren Welt empfing. Mit angehaltenem Atem und pochenden Schläfen stieg ich mit ihr die Treppe empor. Es schien mir wie Frevel, diese Stufen, die Goethe gegangen war, mit denselben Schuhen zu betreten, an denen der Staub der Straße haftete. Eine uralte Frau öffnete uns. Ich zitterte wie vor einer Erscheinung: auch sie, die alte Dienerin, hatte Goethe noch gekannt! An der Schwelle blieb ich wie verzaubert stehen: Goethe selbst mit lebendig leuchtendem Blick sah mir entgegen. Es war das Stielersche Bild, das an der Wand gegenüber hing. Und ich übersah angesichts dieser Gestalt den unscheinbaren kleinen Mann, der uns entgegengekommen war: Walter Goethe. Als dann aber die Tür aufging und sein Bruder eintrat und plötzlich ein Paar große, ernste, forschende Augen auf mich richtete, kam ich zu mir. Während Großmama und Walter plauderten, stand Wolf auf und ging mit mir herunter. Kein gläubiger Katholik kann die Kapelle der wundertätigen Madonna mit inbrünstigeren Gefühlen betreten, als ich die Zimmer Goethes. Wie ein Sturm brauste es mir dabei in den Ohren, so daß ich nicht hörte, was mein Begleiter sprach. Im Arbeitszimmer des Dichters ließ er mich allein. Wie lange ich dort in Andacht versunken blieb, weiß ich nicht. Der kleine Garten lag im Sonnenlicht unter mir, nichts regte sich; nur durch meinen Kopf und mein Herz spukten Träume und Phantasien. Großmamas Stimme riß mich aus meiner Versunkenheit. Wir gingen still nach Hause, während über die dunklen Bäume des Parks rosenrote Abendwölkchen zogen. Zurück in die große Vergangenheit schweiften die Gedanken der alten Frau, vorwärts in die unbekannte, geheimnisvolle Zukunft wanderten die des Kindes neben ihr.

Fast drei Monate war ich bei Großmama geblieben, schweren Herzens trennte ich mich von ihr, denn selbst der Briefwechsel, der von nun an ein immer regerer wurde, war nur ein schwacher Ersatz für den täglichen Umgang, für den ständigen Einfluß dieser in ihrer Güte, ihrer Anteilnahme, ihrer freundlichen Stimmung sich stets gleichbleibenden Frau. Nie hörte ich ein ungeduldiges Wort von ihr, nie kam das ein weiches Kindergemüt so oft verbitternde »das verstehst du nicht« über ihre Lippen, niemals verfiel sie in den Ton des Moralpredigers oder suchte mir ihre religiösen Ansichten aufzudrängen; aber gerade weil sie keine Autorität über mich zu gewinnen suchte, wurde sie mir zur höchsten Autorität. –

Dasselbe Jahr führte uns noch einmal zusammen. Ihren jüngsten Sohn, den schließlich die Verhältnisse genötigt hatten, sich von der Garde fort nach dem fernen Osten versetzen zu lassen, hatte das Leben in die Schule genommen und ihn gelehrt, was er von der Mutter nicht hatte lernen wollen; sein Leben war, zu ihrer Beruhigung, in ein anderes Fahrwasser geraten, und als er ihr seine Verlobung mitteilte, die die Umwandlung des Offiziers in einen seßhaften Gutsbesitzer in Aussicht stellte, freute sie sich dessen um so mehr, als all ihre Hoffnungen und Träume, die sie einst an die Tätigkeit ihres Gatten als Gutsherrn geknüpft hatte, nun mit alter Lebendigkeit wieder erwachten. Im Herbst des Jahres 1877 vereinigte sich die ganze Familie in Ostpreußen zur Hochzeit, und meine Großmutter benutzte die Gelegenheit, um Verwandte, die sie seit ihrem Abschied von Rosenberg nicht gesehen hatte, wieder aufzusuchen. Von der Besitzung ihrer Schwägerin, der Gräfin Kleist, aus, schrieb sie nach Weimar: »Wir bleiben noch diesen Monat hier, dann kehre ich heim, und es wird mir sehr gut tun, wenn ich wieder in meiner grünen Stube und bei meinen alten Freunden bin, obwohl es mir in meinem lieben Preußen recht gut gefällt . . . Körperlich ist mir nicht ganz wohl, und das mahnt an die Weisheit bei alten Leuten, nicht zu reisen. Zwar sind es nur kleine Unbehagen, die nicht stören, wenn man nicht immer die Sorge wie eine beharrliche Herbstfliege verscheuchen müßte, außerhalb seines Hauses krank zu werden . . . Ich habe vierzehn Tage in Lablacken zugebracht und ein schönes Gut, eine liebe Schwiegertochter und einen Sohn, der zufrieden ist, gefunden. Wenn ich Dir alles erzählen wollte, würde ich viele Seiten des dünnsten Papiers beschreiben müssen, so muß ich für unsere Winterabende alles aufbewahren, um so mehr, als alles so ganz anders ist, als was Du kennst, daß wirklich nur mündlich und mit den Ausdrücken von Auge, Stimme und zeichnendem Finger eine Schilderung möglich ist . . .« In einem anderen Briefe heißt es: »Nun muß ich Dir noch sagen, daß sich meine untergegangene Freudefähigkeit aus ihrem Scheintode rührt durch das Glück meines geliebten Sohnes . . . Aber noch mehr durch seine zunehmende Ähnlichkeit mit seinem Vater, durch seinen Ernst und seine Männlichkeit. Hier darf ich auf einen Ruhepunkt für meine Gedanken und meine Muttergefühle hoffen, der um so notwendiger ist, als es sonst der Sorgen gar zu viele gibt.«

Ihr armes Sorgenkind Otto hatte, körperlich zum Militärdienst nicht mehr fähig, den Abschied nehmen müssen, und sein Leben spielte sich zwischen Plänen zu neuer Tätigkeit und steten Enttäuschungen, wenn es an ihre Ausführung gehen sollte, ab. Dazu kam die zunehmende Schwierigkeit seiner ökonomischen Lage, aus der die Mutter ihn immer wieder zu befreien suchte. Aber auch dort, wo ihre Sorgen bisher die wenigste Nahrung fanden, bei ihrer Tochter, war vieles anders geworden. Zwar war die militärische Karriere meines Vaters eine ungewöhnlich gute, und die Zukunft schien in der Richtung gesichert, aber mit jeder höheren Stellung wuchsen die Ansprüche an sie und die Verpflichtungen, die sie auferlegte, ohne daß ihr Einkommen in gleichem Verhältnis zunahm. Es entstand jenes Mißverhältnis, dessen ganze nervenaufreibende Qual nur der ermessen kann, der es selbst erlebte, zwischen einem glänzenden Leben nach außen mit ausgedehnter Geselligkeit, schönen Toiletten und einem großen Haushalt und der ängstlichen Sparsamkeit nach innen, die meiner Mutter früh jeden Frohsinn nahm und das Familienleben mit jener Gewitterschwüle erfüllte, die sich schwer auf die Brust eines jeden legte und den freien Atem beengte. Wer anders war es, als wieder die Großmutter, die helfend einsprang, sei es durch materielle Opfer, sei es dadurch, daß sie Tochter und Enkelin monatelang zur Kräftigung ihrer zarten Gesundheit und zur Erleichterung des Lebens mit sich nahm, wenn sie nach Karlsbad, nach der Schweiz oder nach Tirol reiste. »Alle irdischen Hoffnungen, die noch so sicher erschienen, erwiesen sich in meinem Leben als auf Sand gebaut«, schrieb Jenny Gustedt im Hinblick auf das Schicksal ihrer Kinder; »es ist das der Weg, den Gott mit uns geht, um uns zu der Erkenntnis zu führen, daß alles eitel ist und nur eins not tut. Ich würde auch für mich selbst nicht klagen, denn ich verstehe den Lehrmeister und habe immer mehr irdischen Ballast über Bord geworfen. Aber meine Kinder verstehen ihn ganz und gar nicht. Ihnen wird irdisches Unglück nicht zur Stufenleiter geistigen Wachstums; sie vermögen ihm nicht ruhig ins Gesicht zu sehen, es willkommen zu heißen mit der Frage: wohin führst Du mich? Ich bin bereit! Und was mich für sie doppelt sorgenvoll in die Zukunft sehen läßt, das ist die Tatsache, daß sie ja vom eigentlichen Unglück, von wirklichen Nahrungssorgen, von leiblicher oder seelischer Gefährdung der Kinder noch gar nichts wissen; wie würden sie das ertragen, da sie schon jetzt sich als zu schwach erweisen . . . Ich frage mich oft, was ihnen besser ist, wenn ich in ihrer Nähe oder wenn ich fern von ihnen bin, aber da ich, so schmerzlich auch diese Erkenntnis ist, mit meinem Rat und Beispiel gar nichts und nur mit materieller Unterstützung helfen kann, so ist es besser, ich bleibe in Weimar und erhalte mich in der dortigen, mir so wohltuenden Atmosphäre ihnen so lange wie möglich.«

Die Entfernung allein war auch imstande, ihre Gedanken und Empfindungen abzulenken und ihr noch ein persönlich reiches Leben zu sichern, wie Weimar es ihr bieten konnte. Bald nach ihrer Rückkehr aus Ostpreußen schrieb sie mir von dort: »Warm und freundlich haben meine stillen Stuben mich wieder aufgenommen. Mein guter Schwager, der liebe Großherzog, Walter Goethe und alle anderen Freunde und Freundinnen kamen mir entgegen, als hätten sie mich alle sehr vermißt, und es gab ein Fragen, ein Erzählen ohne Ende. Viele schöne Blumen haben mein Zimmer in einen Garten verwandelt, eine Reihe schöner Bücher lassen mich schon die Abendstunden ahnen, bei denen Du, mein Lilychen, mir recht fehlen wirst. Ich wünschte, Du wärst wieder unter meinem Dach, wo es Dir so gut gefällt und Dein leider sonst so verschlossenes Herzchen Dir wieder aufgehen würde. Jedenfalls sollst Du wissen, daß Du mir immer alles sagen kannst, ohne ein Mißverstehen zu fürchten. Deine alte Großmama war auch einmal jung und war wie Du . . .« Nachdem ich es mit Großmamas Hilfe erreicht hatte, daß meine Briefe nicht mehr als Stil- und Schönschreibübungen betrachtet wurden, die vor der Absendung die Kritik beider Eltern zu bestehen hatten, schrieb ich ihr oft, und jede Antwort von ihr war ein Fest, das mich nach dem lieben Weimar zurückzauberte. »Du würdest Dich wie ein Fischlein im Bache wohlfühlen«, schrieb sie mir im Sommer 1878, »wenn Du all die Herrlichkeit mit erleben könntest, von der jetzt ganz Weimar voll ist. Im Juni war hier die Erstaufführung von Wagners ›Rheingold‹. Es wimmelte von Musikbeflissenen – echten und unechten – aus aller Herren Ländern, und jeder dritte Mensch, dem man begegnete, war eine Berühmtheit oder eine, die es werden wollte. Da hätte doch mein Lilychen hineingepaßt?! Ich habe den Strom an mir vorüberfluten lassen, habe ganz im stillen manches Schöne gehört, habe unter anderem auch die Wagnersche Nibelungendichtung gelesen, die aber dem Original nicht gerecht wird. Die germanischen Göttersagen haben mir sowohl vom ästhetischen wie vom sittlichen Gesichtspunkt immer viel höher gestanden als die griechischen; sie sind ein unerschöpflicher Quell für die epische und die dramatische Dichtung, der aber in seiner lebendigen Urkraft nur in den Dramen Hebbels zu spüren ist. Hebbel als Dichter – Wagner als Komponist – das wäre vielleicht die richtige Mischung gewesen, da einen Goethe und einen Wagner zusammen zu wünschen, eine Vermessenheit wäre . . . Was mir einen sehr fatalen Eindruck machte, ist das genialische Gebärden, das sich die Kunstjünger beiderlei Geschlechts jetzt angewöhnt zu haben scheinen: wehende Locken und vernachlässigte Toilette. Es erinnert mich an ein Wort Goethes, das er einmal angesichts ähnlicher Erscheinungen sagte: Je mehr einer was scheinen will, desto weniger ist er was . . . Eben haben wir das Jubiläumsfest des lieben Großherzogs überstanden. Es war ein gräßlicher Trubel, mein armer Fritz aufs äußerste angestrengt. Den ganzen Tag waren Husaren, Lakaien, Hofequipagen unterwegs. Wie Cyrus seinem Großvater vor dessen üppiger Tafel sagte: Wieviel Umstände, um satt zu werden, so sage ich: Wieviel Umstände, um zu leben. Eine Episode der Feste war wunderschön: das Morgenkonzert im Park unter dem goldenen flutenden Glanz der Sommersonne mit der schönen Greisengestalt Franz Liszts am Dirigentenpult . . .«

Ein altes Bild von Goethes Lili hatte Großmama dem Großherzog als Jubiläumsgeschenk gegeben und mit folgenden Versen begleitet:

Anmutig im Vergangenen sich ergehen,
Das Schöne schöner noch zu sehen,
Die Schatten doppelt zu verdecken,
Viele Liebe geben und viele Liebe wecken;
Das ist des Tages festliches Beginnen,
Das Ziel von unserm Wünschen, unserm Sinnen.
Ein Frauenbild, das lieblichste von allen,
Das irdisch längst der Zeit verfallen,
Bring ich dir heut; es mahne dich der Zeiten,
Die, ob auch tot, uns noch lebendig leiten.
So möge nie im Herzen uns veralten,
Was liebt und lebt in ewigen Gestalten.
Und wenn wir heut uns in Gedanken einen,
Wird über uns ein ander Bild erscheinen,
Im Glorienglanze steigt es vor uns auf;
Ich nenn' es nicht – ich zeige nur hinauf!
Was groß und gut dir heute kommt entgegen –
Das Beste dankst du deiner Mutter Segen.

Der Großherzog antwortete darauf:

»Zierlich denken und süß erinnern,
Ist das Leben im tiefsten Innern!«

»Nie hab' ich die Wahrheit dieses Wortes von Lilis unsterblichem Freunde tiefer empfunden als heute, als in diesem Augenblick, wo die innigst verehrte Freundin mir jenes Bildnis durch meine Tochter übermitteln läßt und die Gabe durch ein Gedicht begleitet, das mich unentschieden läßt, was sinniger zu bezeichnen ist, Bild oder Gedicht. Indessen stammt beides noch von einem Sinn und von demselben Herzen, das so glücklich zu geben weiß, weil es so richtig empfindet und in der ›Mutter Segen‹ den Schlußstein für so bedeutungsreiche Erinnerungen, so viel bedeutende Wünsche findet. Glauben Sie meinem Dank, weil er nicht die Worte zu finden weiß, und Sie vor allem dem Herzen glauben,

Ihres wahrhaft ergebenen Freundes

Carl Alexander.«

Weimar, am 8. Juli 1878.

Die nächsten Jahre verflossen, nur von Reisen zu ihren Kindern und nach Karlsbad unterbrochen, still und friedlich. Meine Korrespondenz mit meiner Großmutter drehte sich mehr und mehr um religiöse Fragen und Zweifel, die mich um so stärker beschäftigten und quälten, als ich durch einen ultraorthodoxen Geistlichen, dessen Ansichten mit denen meiner Großmutter in schroffem Widerspruch standen, für meine Einsegnung vorbereitet wurde. Ihre aus diesem Anlaß an mich geschriebenen Briefe bilden in ihrem Zusammenhang ihr religiöses Glaubensbekenntnis, das sie in den letzten Jahren ihres Lebens nur noch wenig modifizierte. In einem ihrer ersten Briefe schrieb sie: »Alle meine Gedanken sind bei Dir, mein liebes, liebes Kind, nicht bloß weil die Bestrebungen unserer Seelen sich gleichen, sondern weil ich Dich vor allen Klippen, Rückfällen und Kämpfen bewahren möchte, die auf meinem Wege lagen und einen langen Teil meines Lebens recht rauh gemacht haben . . . Das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren, gibt Goethe als des Menschen würdigste Seeleneinrichtung an, und bei der Umarbeitung seiner morphologischen Studien ein Jahr vor seinem Tode schrieb er: ›Man muß ein Unerforschliches voraussetzen und zugeben, alsdann aber dem Forscher selbst keine Grenzlinien ziehen. Muß ich denn nicht selbst zugeben und voraussetzen, ohne jemals zu wissen, wie es wirklich mit mir beschaffen sei, studiere ich mich nicht immerfort, ohne mich jemals zu begreifen? Und doch kommt man frisch und fröhlich weiter!‹ Du siehst daraus, daß der größte Geist, den seit Jahrhunderten die Welt gesehen hat, nicht wie jetzt die naseweisen Schulbuben, ein letztes Unerforschliches zugab. Die ganze Welt ist ja voller Mysterien, von der Eichel an, die zur Eiche, bis zum Kinde, das zum Propheten, zum Dichter, zum Helden wird. Für den klügsten Menschen bleibt also stets unendlich viel, was sein Verstand nicht erreicht, was entweder zur Glaubenssache wird, oder was dahingestellt bleiben muß. Unerkennbares zu glauben wird gegeben, aber nicht ergrübelt. Es kommt aber auch gar nicht auf dies ›Glauben‹ im Sinne eines Fürwahrhaltens an. Laß alles dahingestellt. Folge Christus nur auf dem Wege, den er vorgeschrieben hat: ›Tut nach meinen Worten, und ihr werdet sehen, ob es Gottes Worte sind oder ich aus mir selber rede.‹ Beten und arbeiten, mit den Menschen Frieden halten, alles fröhlich genießen, was sich ohne Sünde genießen läßt, barmherzig, wahr, liebevoll sein – das ist des Weges Anfang . . . Das erste aller Geheimnisse – das Leben – hat noch niemand ergründet, obwohl wir es sehen, fühlen, haben; es ist auch ganz gleichgültig, wie wir uns seine erste Entstehung denken – einen allerallerersten Anfang uns denken zu wollen, bleibt sowieso unmöglich – aber darauf kommt es an, was wir daraus machen. Christus ist mit seinen Jüngern auch nicht den Weg des Grübelns gegangen, sondern den der Tat, die unter der ganz schlichten, ganz begreiflichen Weisung stand: Liebe deinen Nächsten als dich selbst. Er brauchte gar nicht existiert zu haben, wir brauchten gar nichts von ihm zu wissen, und dieses einzige Gebot – ›darinnen hänget das ganze Gesetz und die Propheten‹ – würde die höchste Richtschnur sein . . . Niemals dürfte die Idee von der Erlösung von der Sünde so verstanden werden, als ob etwa ihr bloßes Fürwahrhalten uns los und ledig spräche von allem Unrecht, das wir begehen. Wir müssen sie uns vielmehr täglich und stündlich im Kampf gegen das Böse, Selbstsüchtige in uns erringen. Ist unser Wille darauf gerichtet, ist nicht das Glücklichsein im Sinne einer Anhäufung materieller Genüsse, sondern das Gutsein, im Sinne des Freiwilligendienstes der Menschheit, unser Ziel, so werden wir auch glücklich sein, weil Schmerz und Unglück uns nicht mehr bitter, trotzig, menschenverachtend machen, sondern milde, ergeben, liebevoll, stark.« In einem anderen Briefe heißt es: »Mit all meinen Gedanken bin ich bei Dir, mein Kind, und es bekümmert mich tief, daß Du, wie es scheint, mehr von einem Theologen als von einem Christen unterrichtet wirst. Es ist der Fluch der Theologie, daß sie Glaubenssätze aufstellt und daran festhält, wenn der wirkende Geist Gottes längst darüber hinausging, wenn sie erklären will, was nur erfahren werden kann, und wenn sie oft so alberne Erklärungen gibt, die sie Glauben nennt. Nicht nach dieser vorgeschriebenen Weise glauben zu können, ist kein Unglauben, aber in Hochmut und Übereilung die Glaubenslehren wegwerfen, das führt zum Unglauben, weil es verhindert, daß Geist und Herz nach dieser Seite hin tätig sein, innere Erfahrungen machen und auf diesen weiter bauen kann. Ich glaube jetzt an Christus als an den geistigen Sohn Gottes, an sein liebevolles Werk, an sein Einssein mit dem Vater, an das großartige Erziehungswerk, wodurch nach Äonen alle Menschen selig werden; ich glaube jetzt an den heiligen Geist als an die schaffende Kraft Gottes, die das Universum erfüllt, in Menschen, Kunstwerken, Erkenntnissen der Wissenschaft zu Form und Gestalt sich bildet . . . Du fragst, wie es möglich sei, eine Entscheidung zu treffen, wenn Glaube und Wissenschaft einander widersprechen. Handelt es sich um echte Wissenschaft, um das Ergebnis sorgfältiger Untersuchung, so ist sie Wahrheit, und der Glaube, das Fürwahrhalten, wird ihr selbstverständlich weichen, wie er vor der Erkenntnis der Kugelgestalt der Erde weichen mußte. Sagt dir aber jemand im Namen der Wissenschaft, daß es z. B. eine Seele nicht geben könne, weil er sie nicht unter dem Mikroskop gefunden habe, so fordere ihm den Beweis für das Leben ab, denn alles Sichtbare ist tot, eigentliches Leben ist unsichtbar. Das entflohene Leben des Körpers hast Du nie gesehen, der tote Körper ist ja als Leiche derselbe, der Dir sichtbar war. Liebe, Dankbarkeit, ja sogar die unedlen Empfindungen sind unsichtbar, und wo sie sichtbar sind, werden sie es nicht durch Form, sondern durch Ausdruck und Gefühl. Der eben abgehauene Baum ist das, was Du vom Baume siehst, sein Leben siehst Du nicht, den Duft der Rose siehst Du nicht, die gewaltigsten Naturkräfte, Magnetismus, Elektrizität, siehst du nicht . . . Das Christentum verlangt von seinen Anhängern gar keinen Wunderglauben, es bekämpft nur den geistigen Hochmut – der übrigens auch menschlich ein Zeichen der Unbildung ist –, der alles zu wissen und erklären zu können behauptet. Nicht Wunder als Ausschreitungen der Natur brauchst Du anzunehmen, bekenne Dir nur in Demut, daß Deine Intelligenz noch nicht bis zur Erkenntnis aller göttlichen Gesetze reicht, durch die diese Wunder erklärt werden. Hätte Christus vor fast zweitausend Jahren gesagt: ›Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr ein Mikroskop hättet, ihr würdet Tausende von lebenden Geschöpfen in einem Wassertropfen sehen, oder wenn ihr ein Fernrohr hättet, ihr könntet Millionen Welten entdecken, wenn ihr ein Telephon hättet, ihr würdet die Sprache eurer fernen Freunde hören‹, sie hätten den Herrn ebenso verspottet, als da er sprach: ›Wahrlich, ich sage euch, so ihr Glauben hättet, ihr könntet Berge versetzen!‹«

Auf meine Frage, ob ich nach ihrer Auffassung gezwungen wäre, an Gott zu glauben – mein Lehrer hatte mir mit allen Strafen der Hölle gedroht, wenn ich die drei Artikel des Glaubensbekenntnisses nicht eidlich zu bekräftigen vermöchte – antwortete sie: »Zum Glauben zwingen wollen ist ein Verbrechen an der Menschenseele und kann nur zum Bösen führen, wie es nur zum Bösen führt, wenn man einen Menschen dadurch zum treuen Arbeiter machen will, daß man ihn in Sklavenketten legt. Gott wird die Seelen nicht fragen: glaubst du an dies und das? sondern: wie war dein Herz, was hast du getan? Dann wird mancher, der sonntäglich in die Kirche ging und den Morgen- und Abendsegen nicht vergaß, wohl aber die tätige Menschenliebe, vor dem zurücktreten müssen, der sagte: wer darf ihn nennen, wer ihn bekennen? und der betete: gib mir große Gedanken und ein reines Herz . . .

Beängstigend, einengend ist mir immer so vieles gewesen, was aus dem Christentum herausgequält und als Glaubensartikel hingestellt wird, wie z. B.: ›Gottes Gerechtigkeit fordert ein Opfer, deshalb stirbt der Sündlose für den Sünder‹, was aber die größte Ungerechtigkeit wäre. Oder: ›Meine Sünden haben den Herrn ans Kreuz geschlagen‹, was auch unverständlich ist, fast zweitausend Jahre nach Christus. Oder das Allerschwerste: ›Das ist mein Leib, das ist mein Blut‹, während das Neue Testament so einfach und erklärend hinzufügt: ›Solches tut, sooft ihr es tut, zu meinem Gedächtnis‹ . . . Da ich demnächst bei Euch zu sein hoffe, so wollen wir vor Deiner Einsegnung uns noch gründlich aussprechen. Es soll Dir in keiner Weise Gewalt angetan werden. Das eine aber laß Dir jetzt noch sagen und halte daran fest: Es kommt nicht auf das Glauben an Gott, sondern auf das Handeln im Sinne Gottes an. Der Glaube, jenes unerschütterliche Vertrauen in Gott, das uns seine Wege nicht nur tapfer gehen läßt, sondern auch die härtesten zu denen macht, die uns am meisten vorwärtsführen, ist ein Geschenk höherer Seelenentwickelung, eine Gnade, ein Glück, aber kein Sittengesetz . . .«

Ich weiß nicht mehr, warum, aber Großmama kam nicht. Ich blieb allein, auch innerlich, denn in der tiefen Zerrissenheit meines Gemüts – einer Folge des Religionsunterrichts, den ich genoß – blieben ihre Worte ohne tieferen Eindruck, und ich wagte ihr nicht zu schreiben. Erst am Tage meiner Einsegnung, als die Kirchenglocken mir wie die Stimmen des ewigen Gerichts in die Ohren gellten und ich das Glaubensbekenntnis sprach in der Überzeugung, einen Meineid zu leisten, sah ich sie wieder. Mit den Sorgen um ihren ältesten Sohn und das Ergehen ihrer Tochter mehr denn je beschäftigt, hatte sie für die blasse, stille, vierzehnjährige Enkelin wohl Worte zärtlicher Liebe, aber sie pochten nur an die Türe meines Herzens, die eine fremde Gewalt in das Schloß geworfen hatte und darin festhielt. Wir reisten zusammen nach Ostpreußen, aber ich ging dem Alleinsein mit ihr aus dem Wege. Dann kam ich aus dem Hause, und die Korrespondenz schlief ein, weil die gestrenge Tante, bei der ich mich zur Erwerbung des letzten Erziehungsschliffs aufhielt, die Briefe las, die ich schrieb oder zu bekommen pflegte. Aber die Erinnerung an Weimar, an Großmama war um so lebendiger in mir und steigerte sich um so mehr zur Sehnsucht, je schroffer der Gegensatz zwischen dort und hier mir fühlbar wurde, und ich ergriff schließlich die erste Gelegenheit, die sich mir bot, um wieder in die alte Verbindung mit ihr zu treten. »Du wirst vor all dem Neuen an Menschen und Dingen, die Dir begegnen, Deine alte Großmutter wohl fast vergessen haben«, schrieb sie mir, »aber sie denkt um so mehr an Dich, mein Herzenskind. Deine Mutter teilte mir nur Gutes von Dir mit und schickte mir einige Deiner neuesten Gedichtchen, die in der Form sehr hübsch, im Inhalt aber gar zu einförmig sind. Liebe und Frühling sind sehr schöne Dinge und können ein junges sechzehnjähriges Herz wohl ausfüllen, aber mein Enkelkind kenne ich zu gut, als daß ich nicht wüßte, daß sie mehr zu sagen hat. Die hauswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Talente, die Deine Tante bei Dir pflegt, sind sehr nützliche, aber die wertvolleren sind die des Geistes. Weder darfst Du das Große und Gute von Dir werfen, noch über die Gaben stolpern, die Gott Dir vor die Füße legte, Du mußt sie aufheben und pflegen.

Ich lese jetzt gerade die preußische Geschichte von Voigt; selten ist ein Werk so treu, so vollständig und so langweilig geschrieben worden. Ich möchte Dir nur raten – als Anregung zu poetischer Gestaltung –, die ungeheuer poetische und brillante Episode aus der Ritterzeit in Marienburg nachzulesen, wo Johann von Bendorf wegen Bruchs der Ordensgesetze vom Kriegszug der Ritter nach Livland ausgeschlossen wird und aus Rache und Verzweiflung den Hochmeister Winrich von Kniprode ermordet im Augenblick, da dieser die Kapelle verläßt. Johann wird im Hof der Burg enthauptet, während die Ritter an ihm vorüber in den Krieg ziehen. Was meinst Du dazu? Wage Dich an große Stoffe, spanne Deinen Bogen, so stark Du kannst, damit die Pfeile Deines Geistes weitgesteckte Ziele erreichen! . . . Und dann habe ich ein anderes Büchlein wieder gelesen, das mir mein armer, lieber Wolf Goethe wortlos übergab, ehe er auf immer von hier Abschied nahm: seine Erlinde. Sie hat mich sehr ergriffen, und ich schrieb ihm darüber nach Leipzig, wo er jetzt lebt. Da sein rechter Arm durch furchtbare neuralgische Schmerzen beinahe gelähmt ist, antwortete er mir nur diese wenigen Zeilen: ›Rühre die Wunde nicht an, denn nur dünn ist die Haut, die darüber wuchs; daß meine Erlinde einen lebenskräftigen Keim hatte, glaube auch ich, aber es war niemand da, der ihn pflegte.‹ – Hier hast Du das Buch, mein Herzenskind. Wenn es Dir etwas sagt, wird doch vielleicht, auch ohne es in Worte zu kleiden, ein warmes Gefühl das Herz des einsamen Unglücklichen berühren, dessen letztes, tragisches Bekenntnis er in diesen Versen niederlegte:

Alle Blumen sind gepflückt,
Alle Lieder sind verstummt,
Und ich geh' einher gebückt
In mein dumpfes Leid vermummt.

Ich stehe stets daneben,
Ich trete niemals ein;
Nur einmal möcht' ich leben!
Und Mensch nur einmal sein! . . .«

Dieser Brief griff mir ans Herz. Mit der überschwenglichen Schwärmerei eines sechzehnjährigen Mädchenherzens träumte ich mich in den Gedanken hinein, dem Enkel Goethes ein Glück bereiten zu können. Und der Zufall wollte es, daß ich einen Theaterdirektor kennenlernte, der die Aufführung Erlindens wagen wollte. Meine Großmutter übermittelte dem Verfasser seine Absicht. Wolf Goethe sandte ihr folgende Antwort:

»Leipzig, den 1. Januar 1881.

Teuerste Jenny!

Wie wunderbar und doch wie natürlich ist es, daß Dir jetzt die Erlinde nahegetreten. Welche Reihe von Gedanken und Empfindungen sich hieran für mich knüpfen muß, wirst Du Dir vorstellen können.

Es gibt Dinge, die wir ablehnen müssen, ja die es unsere Pflicht ist, abzulehnen, es gibt Dinge, bei denen wir zweifelhaft sein mögen, ob wir nicht den Willen der Vorsehung stören, wenn wir hemmend eingreifen. Zu solchen gehört wohl: später Erfolg, spätes Glück. Das Glück liebt es, uns verhüllt, in fremder Gestalt zu nahen. Erst wenn es im Weggehen das Haupt wendet und das unverhüllte Antlitz zeigt, erkennen wir es oft. Es wäre unnatürlich gewesen, wenn ich nicht an die Erlinde Hoffnungen geknüpft hätte. Daß sie nicht von den Menschen, von den vielen aufgenommen wurde, hat auf mein Leben großen Einfluß ausgeübt; aber ich empfinde keine Bitterkeit mehr deshalb! Es hat nicht sein sollen! Ob die Zeit der Erlinde gekommen ist, weiß ich nicht. Ob gar meine Zeit gekommen?! Ich glaube es nicht und wünsche es auch nicht. Der Mensch steht in der Welt erst im Augenblick nach seinem Tode vollendet da, bis dahin ist er für sie eine Gestalt ohne Haupt, sind die Glieder formlos.

Wie Du, teuerste Jenny, halte ich die Erlinde für aufführbar, mit einigen Abänderungen und Auslassungen . . . Erlinde bedarf bei der Aufführung einer mäßigen Ausstattung und einer mit Maß angewandten Musik. Die Frage des Theaterdirektors, welche Du mir freundlichst mitteilst, hat mir große Freude bereitet, die Antwort wird mir aber nicht leicht. Die Gründe für sie, ja sie selbst, liegen schon in dem, was ich früher ausgesprochen habe. Soll ich die Gestaltung für die Aufführung der Erlinde ganz in die Hände von anderen legen, anderen ganz überlassen? Denn ich selbst vermöchte nicht, mich an ihr zu beteiligen. Wer weiß denn, ob sie nicht auch jetzt zurückgewiesen wird?! Soll ich selbst mir noch etwas Neues, Schweres, Schmerzliches heraufbeschwören? Ich weiß wohl, daß ein Erfolg viel unerwartetes Gutes für mich mit sich führen könnte. Ich weiß wohl, daß es zu den großen Seltenheiten gehört, wenn einer Dichtung die Stelle, die sie bei ihrem Erscheinen nicht erlangte, später eingeräumt wird, und daß etwas Entscheidendes darin hegt, auf einen bedeutenden Versuch in dieser Richtung nicht einzugehen. Nun aber bleibt mir nach meiner ganzen Lage nichts anderes übrig, als Dich zu bitten, in möglichst unscheinbarer Form, vielleicht durch die Güte Deiner verehrten Enkelin, zu antworten, daß der Verfasser der Erlinde, weil er nicht in der Lage ist, sich an ihrer Gestaltung für die Bühne zu beteiligen, gegenwärtig auf eine solche verzichten müsse.

Nun, teuerste Jenny, nimm, was ich schrieb, freundlich auf und lege alles an die rechte Stelle.«

Bis hierher ist der Brief ein Diktat. Darunter aber steht mit großer zitternder Schrift:

»Treulichst

Dein Wolf.

Und wenn ich doch noch an dem Leben hinge?!«

 

Meine Großmutter antwortete mit folgenden Zeilen:

»Mein lieber Wolf!

Du mußt Dir eine Antwort auf Deinen herrlichen – mir herrlichen – Brief gefallen lassen; es gibt auch mit siebzig Jahren Lichtstrahlen, wie sie das einundsiebzigste beleuchten, aber es sind nur Blitze, und unter einem solchen stand die Landschaft meines Jugendlebens vor mir, Deine Mutter, die ich nie aufgehört habe zu lieben, Du als Knabe, dunkle Wolken und nun milder Regen. Das mußte erst wieder still bei mir werden. Ich hoffte auch auf einen Brief meiner Enkelin, um zu erfahren, wes Geistes Kind der Theaterdirektor ist, ob verstehend oder nur berechnend, – sie hat aber noch nicht geschrieben, und ich glaube in Deinem Sinn gehandelt zu haben, als ich ihm gleich bei Lilys Anfrage, ehe ich Dir schrieb, sagen ließ, Du seist verreist, ich rate zu keiner direkten Anfrage, gab ihm auch nicht Deine Adresse. So bist Du, ohne ihn zu kränken, aus dem Spiel und frei, eventuell hervorzutreten. Ich verstehe Deine Auffassung – ich fühle ganz die letzten Zeilen Deines Briefes –, dann siegt aber doch die ungeheure Scheu vor den Krallen des Lebens, und wir behalten unsere Narben und unsere Ruhe!

Ich kann es nicht lassen, die Erlinde nur noch eifriger, eingehender und mit Berücksichtigung der Bühne zu lesen; da könnte allerdings nur Deine Hand die Bühnenfähigkeit geben. Gestrichen dürfte wenig werden, aber verbunden viel, sowohl in den einzelnen Szenen, die in lebendigere Beziehungen zueinander treten müßten, als in den Personen. Ich kann nicht leugnen, daß ich glaube, nur in Weimar würde man Erlinde ganz verstehen und mit Sorgfalt und Liebe zur Aufführung bringen, so daß das nahe und ferne Publikum ein Verständnis dafür bekäme. Ich hätte gern noch einen Stern in Euer Wappen gebracht und das Licht dazu war da – es lagen nur Nebel dazwischen, aber sie haben es verhindert, durchzudringen.

Mein lieber Wolf, das soll kein Zureden sein; mir würde so bang werden wie Dir, daß Du Dir neue Schmerzen für Seele und Körper bereiten könntest; es liegt die Atmosphäre einer ganz anderen Welt zwischen Dir und den Menschen; was sie Dir bieten, achtest Du zu gering, und das ›Sesam, tu dich auf‹, das zu Deinen Schätzen führt, vertraust Du wenigen an . . .«

Er antwortete nicht auf diesen Brief. Monate später sandte er diese Zeilen, deren Buchstaben noch größer, noch zitteriger sind:

»Ich schreibe Dir Briefe in Gedanken; ich kann sie Dir aber nicht senden, weil wir auf der Erde sind, und später kannst Du sie nicht mehr erhalten, weil wir drüben nicht lesen können.

Dein                        
Wolf Goethe.«

Der Umschlag trägt das Wappensiegel: ein Stern – für einen anderen war daneben kein Platz mehr! Ein Jahr später folgte ein kleiner Zug von Trauernden einem einfachen Sarge, dessen Blumenschmuck schon auf dem Weg der rauhen Winterkälte erlag.

»Heute haben sie meinen lieben Wolf neben seiner Mutter begraben«, schrieb Jenny Gustedt an diesem Tage. »Napoleons Sohn ging jammervoll zugrunde wie er: an der Kraft, die nach innen zehrte, weil sie sich nach außen nicht entfalten durfte. Viele Generationen müssen sang- und klanglos versinken, ehe der eine aus ihnen hervorgeht, dessen Name in die ewigen Sterne geschrieben wird – das ist eine gerechte Entwicklung –, aber daß die Nachkommen an der Größe dieses einen zugrunde gehen, gehört zu den grausamen Rätseln, die wir nicht lösen können! – Bald wird Walter dem Bruder folgen – ich wollte, es wäre auch Zeit für mich zu gehen.«

Der Kummer, der aus diesen Zeilen spricht, hatte seinen Ursprung nicht in der Erlösung des Freundes von einem Leben der Schmerzen, auch um sie hatten sich die Nebel wieder zusammengeballt. »Daß ich meinen Kindern so fern bin«, schrieb sie, »daß mein Alter mir das Reisen zu ihnen fast unmöglich macht, daß ich sie in meinen eigenen Räumen nicht beherbergen kann und nicht die Mittel habe, mir zu dem Zweck eine geeignete Wohnung zu nehmen – ich muß ängstlich zusammen halten, denn immer wieder kommen Überraschungen, die mich nötigen, einzuspringen, – das macht meine letzten Lebensjahre zu recht traurigen.« Nach langen Kämpfen, die ihr durch ihre Weimarer Freunde und deren inständiges Bitten, sie nicht zu verlassen, noch schwerer gemacht wurden, als sie durch den Zwiespalt ihres eigenen Herzens sowieso schon waren, entschloß sie sich, nach Lablacken, dem Gute ihres jüngsten Sohnes, überzusiedeln. »Ich bedarf eines Heims, wo ich ohne Skrupel meine Kinder bei mir haben kann, und eines Lebens, dessen völlige Einfachheit mir ermöglicht, ihnen, was ich erübrige von meinem Einkommen, zuzuwenden«, heißt es in einem ihrer letzten Briefe aus Weimar.

Im Frühling 1883, als der Park seine erste duftende Lenzespracht entfaltete, kam ich zu ihr. Vierzehn Tage blieben wir zusammen dort. Nur wenige Freunde wußten, daß sie von der Karlsbader Reise, die sie vorhatte, nicht mehr nach Weimar zurückkehren wollte. Leise, ohne Abschiedsschmerzen, sollte die Trennung sich vollziehen. Wir gingen noch einmal all die schönen Wege nach Tiefurt, nach Belvedere, in die geheimnisvolle Stille von Goethes Gartenhaus, und auf den Kirchhof an das Grab ihrer Mutter und an das von Ottilie – von Wolf; wir schritten hinab in die Dämmerkühle der Fürstengruft und standen schweigend vor den irdischen Resten ihres väterlichen Freundes. Dann aber stiegen wir hinauf zu dem letzten Lebendigen, den er hinterlassen hatte: über die klassische Treppe in die kleinen, stillen Dachstuben. Ich ließ die beiden Freunde allein und betrat die Zimmer wieder, wo Goethe wirkte, bis der Tod ihn von der Arbeitsstätte mit sich nahm. Es war eine Stunde heiliger Andacht, aus der Großmamas leise Stimme mich weckte. »Komm«, sagte sie, und ihre Augen schwammen in Tränen. Ich gab ihr den Arm. Zum erstenmal sah ich, daß sie alt, sehr alt war, denn sie ging gebückt, und ihre Füße zitterten auf den breiten Stufen der Treppe, die sie nie wieder betreten sollte.

 


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