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Das ist vortrefflich, daß man drei, die allerschönsten, Stück auf die Letzt behalten, wiewohl ich Lear in diesen und Romeo und Julie in jenen Band verlegte. Romeo soll eine wahrhafte Geschichte sein, oder die Geschichte dieser zwei unglücklich Liebenden, will ich sagen, soll eine wahre Begebenheit sein, die sich zu Verona, zu Anfang des 14. Jahrhunderts soll zugetragen haben. Es ist freilich ein artiger Stoff zu einem Spiel, und durchaus scheint's auch nur ein Spiel. Das Unglück der Liebenden dünkt ein doch romanhaft, sei's wahr oder nicht. Montague und Kapulet, zwei angesehene Geschlechter in Verona, die von langen Zeiten her in Haß und Feindschaft lebten, zwei Häupter dieser Geschlechter gleichen Namens, hatten Kinder, die sich heftig ineinander verliebten. Romeo, Montagues Sohn, und Julie, Kapulets Tochter – diesen war es unmöglich einandern öffentlich zu heiraten, wegen der Feindschaft ihrer Eltern. Ein Pater Lorenzo kopulierte sie im Geheim – hernach sollte Julie einen Paris heiraten – dieser Pater erfand aber eine List, daß sie durch einen Trank am Hochzeitstag eine Leiche war, schickte einen Boten an Romeo, daß er seine Julie um bestimmte Zeit aus ihrer Gruft erwachend abholen und entführen sollte. Dieser Bote verfehlte Romeo. Weil er schon von ihrem Tode gehört und von der List nichts wußte, eilte er nach ihrem Grabe, findt sie, meint sie sei tod, wo die Stunde ihres Erwachens beinahe da war. Er duelliert noch mit Paris, der eben auch ihr Grab besuchte, trank Gift und sank tod in ihr Grab hin. Indeß erwachte Julie und sieht all dies erbärmliche Spektakel, findet einen Dolch und ersticht sich selbst. Pater Lorenzo, voll Bestürzung, entdeckte, was er von der Sach wußte. Indeß waren diese zwei Opfer Ursach zum Frieden dieser Häuser. Gewiß ist es ein vortreffliches Stück, ein charmantes Spiel, und doch dünkt's mir nur ein Spiel. Die zwei Verliebten kommen mir so stettig vor und melancholisch, so finster und eigensinnig, daß mir ihr Schicksal nicht sonderlich nahe geht. Julie hat Romeo kaum gesehen, so sagt sie schon, das Grab sei ihr Brautbette, wann dieser Mensch ein Verheirateter sei – eh sie ihn noch kannte. Ei, das ist zu hastig. Und Romeo liebte vorher so sterblich und nun ist er in Julie den ersten Augenblick verliebt und den ersten Augenblick sterblich verliebt, rasend verliebt. Er schwärmt daher wie ein Wahnwitziger, so unbedacht hitzig – ich hätte bald gesagt, wie ein Narr. Aber just zwei solche Geschöpfe braucht's zum Selbstmorden. Die Personen sind sonst, wie mich dunkt, trefflich charakterisiert, und doch reden die meisten so schwül und feurig daher, so hoch und schwärmerisch, wenn's gleich die kaltblütigsten Kerl sind. O Dichter, hier konntest du dein feuriges, ungestümes Genie gar nicht verleugnen, nur nicht ein Weilchen verbergen. Alle Personen treten daher und reden deinen Götterton. Nein, ich lüge, die Bedienten Kapulets, Gregorio und Sampson sind – was sind sie – wahrhaftig so feurig wie getreue Hund; und doch reden sie ihre ungekünstelte Sprache. Des Julchen Wärterin, die ist perfekt gezeichnet, mir ist, ich höre die Plaudertaschen all vor mir reden; wahrhaftig, ich war recht oft verliebt in solche Dudelsäcke, die so in einem Atem daherschwätzen, Kreuz- und Quersprünge machen und jede alte Narrheit zum Heiligtum machen. Merkutio gefällt mir am besten unter allen, das ist ein lustiges Gemüt, ein aufgeräumeter Humor – wahrhaftig, Romeo hätte nicht so ein schwarzer Träumer sein sollen, wenn niemand gewesen wäre als seine Freunde Merkutio und Benvolio. So ein Freund wie Merkutio müßt den allerschwermütigsten Stockfisch von seiner Sucht heilen. Schade, daß der feurige Tybalt, der kollerische Prahlhans, diesen kurzweiligen Mann für diese Welt so pfeffern mußte – aber er bekam sein Teil Pfeffer auch von Romeo. Pater Lorenzo ist ein guter, feiner Mann; ich höre ihn recht gern so daher moralisieren von Morgen und Abend und anderen natürlichen Sachen. Aber Romeo, der stürmische Junge, hat mich böse gemacht, er will den guten Pater nie zu Worten kommen lassen, schreit immer über Hals und Kopf von Tod und Hölle, will von Anfang her alleweil mit Gewalt sterben. Als ihm der Pater seine Verbannung kund tut, wo er den Tod erwartete, schmält und lärmt er wie ein vernunftloser Narr, schreit immer tod, tod, tod, und Julie redt die nämliche Sprache. Nein ich bin diesem ungestümen, geduldlosen Paar gar nicht gut; für dergleichen Narren gehört ein solches Ende. Guter Pater, ich war müde geworden, einen so starrköpfigen Heuler zurechtzuweisen – ha, und dann war ich so ungeduldig als er. – Ich kann mir nicht helfen. – Ich liebe die Lerche oder die Nachtigall mehr als dies gramsüchtige Paar, über deren Gesang sie am Brautnachtmorgen einen Liebensstreit hatten. Kapulet, der seine Julie mit Gewalt an den Paris verheiraten will, hat mich auch böse gemacht: er war ein kollerischer Grobian. Daß doch die Ungeduld nie harren, nie warten kann! Drum heißt sie Ungeduld und eben darum ist dieser Ausgang ihr Los.
Hamlet, du König unter allen Spielen, du Kern aller Werke, das je ein Dichter von der Art machen konnte, du Edelstein in der Krone, die dem Künstler mehr Ehre macht als dem, der sie trägt, du Ausbund unter den schönen, Zierde aller Bühnen, Diamant aller Büchersäle, Herz in den Herzen – ich wüßte nicht Worte mich auszudrücken, wie sehr du mein Liebling bist; ich werde nicht ruhen, bis du nebst deinen Bedienten, oder wenigstens einzeln, mein armseliges Bücherschrank zierst. Du nützst mir mehr als tausend Habermann und zehntausend Wetterglocken – mehr als alle Schmolcken und Zollikofer – machst mich wirksamer, tätiger als alle Bogatzkischen Sporren. Hamlet, du bist mir, was ich will – durch dich seh ich deinem Meister ins Innerste. Komm, großer William, hier will ich mit dir ins Allerheiligste eindringen – stoße mich nicht zurück, – besorge nichts, ich will nichts ausschwatzen, nur wie dein Hündchen hintennachschleichen. Du hast noch nichts deutsch herausgesagt, aber ich errate dich doch, vielleicht konntest du dich nicht deutlicher erklären. Recht, ich auch nicht, – schweige nur, ich will auch schweigen – die Geheimnisse vom Innern des Tempels wollen wir bei uns behalten. Halt, du gehst zu weit, Fantasei – wann ich nur das Einlenken verstünde. Ha, ich wollte den Hauptinhalt dieses schönen Trauerspiels hersetzen, in kurzen Zügen zusammenfassen – aber es wäre mir unmöglich – o, es war himmelschad, ich würde den ganzen Bau jämmerlich verhunzen. Nein, ich will lieber wie ein Hummel auf einer buntgeschmückten, blumenreichen Flur frei herumflattern, mich voll Entzücken auf jede Blume setzen und Labung saugen –. Vergönne mir's, großer Mann, keine Blume soll nicht das geringste von Farb und Geruch verHeren, ich will nur Düfte mitnehmen, deren jede genug hat, wenn auch gleich noch Millionen von Hummeln darauf sitzen und jede ihr Leibgeschmack heraussaugt. Da find ich all die herrlichste, innigste Anmut in diesem Leben – Leidenschaften – zärtliche, wehmütige Handlungen – überzuckerte Sünden, alles durcheinander gewebt und so zierlich gebaut wie ein fürstliches Schloß, wo's Gefängnisse, Roßställe und auch güldene Zimmer hat. – Der anmutigste Irrgarten, wo's die herrlichsten Rosen, die schönsten Blumen, aber stolzne Stinkrosen, übergüldete Sodomsäpfel auch hat. Hier irrt man wie begeistert, voll inniger Wonne herum, hat die anmutigsten, die herzlichsten Träume. Bald schmelzt man in liebender Wehmut zu Boden – ein heiliger Feureifer sprengt uns wieder auf, dann kommt ein sanftes elisäisches Säuseln mit feuchtenden Dünsten und schmelzt alles zusammen in ein neubelebendes Element, daß man keinen Ausgang wünschet. Die Handlungen sind so mannigfaltig und so abwechselnd und der Stoff so ausgesucht und getroffen, daß tausend Romeo sich verbergen davor. Hier geht alles so sachte, so ordentlich seinen Gang wie die ganze Natur. Vorher kann man's nicht erraten, und nachher sagt man, das hab ich wohl gedacht – oder ich hätt's doch erraten sollen. Da gibt es Brüder – o, so herzliche Brüder Soldaten auf ihren Posten –, die da in der einsamen Nacht so brüderlich Gedanken wechseln und gerade so denken, wie einer, der kann denken, bei Nacht denkt – in der mäusestillen Mitternacht, wo all des Himmels Herrlichkeiten so majestätisch und ruhig ob unsern Köpfen hinschweben. Die heilige Stille, ein sanftes Schwirren um uns her, das dumpfe Getöse fort –, immerfort rollender Bäche – und dann der schwarze Flor – das all die Geister so belebt machende Todesbild – sollte Francesko, sollte – o, wer sollte nicht denken und viel denken! Kein Wunder, wenn Geister sich in solche Nächte verlieben, kein Wunder, Hamlet, daß deines Vaters Geist diese holden Schatten ausliest, um dir aus jener Welt Bericht zu sagen. Doch ich will nichts von Geistern bis dies Gehäus zerfällt – dann, dann, o dann all ihr Scharen guter wohltätiger Geister, dann nehmt meinen nackten Geist in euere Gesellschaft auf. Hamlet, Hamlet – ha, dein Grillisieren, Fantasieren über Gegenwart und Zukunft, über Leben und Tod, Schlafen und Träumen und all der rätselhaften Dinge – ha das macht einen so voll Gedanken – nicht unruhig – nein sanft träumend, dir nachspürend in der anmutigsten Sphäre. – Und dein Wahnwitz, Hamlet – nein, man sollte glauben, die andern, nicht du, seien wahnwitzig – Polonius, Rosenkranz, Güldenstern, Osrik – o, die sind wahnwitzig. Dein Lesen da und deine Antwort – ha, der satirische Bube da schreibt, alte Männer haben graue Bärte – und dort wolltest du Güldenstern pfeifen lehren – ja du warst mir auch der rechte Pfeifer. Aber auf dir möcht ich nicht pfeifen, und doch bist du mir die liebenswürdigste Pfeife – sonderlich, wenn dein rauhstes Tonloch verstopft wäre. Nur etwas mehr Milde, göttliche Milde, dann wärst du ein Halbgott, die schönste Seele. Und dein Horatio, dein Freund, den du so reizend beschreibst, o, so ein Freund ist mehr wert als eine halbe Welt. O Welt, warum bist du so dünn besät mit solchen Freunden, solch redlichen Seelen, solch edlen Herzen. O ihr Himmelssöhne, wo ihr immer seid, wohl euch, ewig wohl; ihr tragt einen Himmel in euerem Busen, Ruhe und Segen wird eueren Seelen folgen, die Scharen Geister solcher Engelssöhne werden euere Überfahrt besorgen, euch mit Jauchzen in ihre frohen, seligen Gesellschaften aufnehmen. O, laßt immer die falschen Freunde am Weg stehn, lächeln und lächeln und süße Gesichtli machen, die bittern Zahner ihre Zähne blöcken – nur getrosten Muts, der Himmel spottet der List des Schlangengeschlechts, er hasset die falschen Herzen, Angst und Unruh folgt ihren Tritten – weint ihnen doch eine wehmütige Träne, ihr redlichen Seelen, dann sie sind arme, elende Geschöpfe. – Doch ich verliere mich, möchte um viel kein Prediger sein. Die Szenen von Ophelia sind rührende Auftritte – ihre wahnwitzigen Liederchen, so sanft eindringend, welche Mark und Bein mit einer Wehmut füllen. Wann die Königin Gertrude nichts Gutes getan, hat sie doch dies getan, daß sie ihre Todesart so herzdurchdringend beschrieben. Man muß dir mit wehmütigen Schritten in die Flut hinein folgen, du schuldloses, zartes Lämmchen, wann dich der Strom so fortwälzt und du wie eine Wassernimphe singend daherfahrst und im Triumph dem Tode zueilst.
Aber alles übertrifft die Szene, wo die Totengräber ihr Grab machen – gewiß die Kerl könnten nicht netter gezeichnet sein. Wie Hamlet und sein Freund Horatio so zusehen, wie die Kerls mit den Knochen und Schädeln herumspielen und sie so drüber kritteln und Schlüsse machen. Gewiß, William, du hast diese Szene auf einem Kirchhof gemacht – ich weiß, wie da eim die Gedanken im Kopf rumwirbeln, wann das Totengebrumm der Glocken durch die Ohren fahrt und das Klaggeheul der Weiber und all die traurigen Feierlichkeiten so eindringen. Ja, ja, William, da fahren tausend Gedanken durch den Kopf, die man sonst selten denkt. Dein Yorik, Hamlet, dein Yorik – ich weiß wie nahe das geht, wenn man erst sieht die Knochen eines Vaters heraushudeln – wie das all durch die Seele fahrt. Gott, was sind die Menschen! Konnten du und Laertes bei allen diesen Feierlichkeiten noch so heftig ineinanderfahren. Ach das brutale Ding, der Mensch, tut's nicht anders, so lang er Luft in sich zieht. Nein, Hamlet, du und Laertes haben sich menschlich edel verhalten, einen anständigen Frieden gemacht. Laertes hatte recht, böse auf dich zu sein, warum hast du seinen Vater für eine Ratze erstochen; – schon er ein geselliger, plauderhafter Hofmann war, so war er doch sein Vater – und Laertes gefällt mir wohl. Aber gegen Rosenkranz und Güldenstern bist du streng, – vielleicht wußten sie gar nicht um den Befehl, dich hinzurichten, und doch gabst du Ordre, sie so traurig hinzurichten. Wie mögen die Männer Augen gemacht haben, daß man sie schnell zum Block führte, so bald sie nur einen Fuß ans Land setzten.
Den übertünkten königlichen Heuchler hast du gar zu gut gezeichnet. Aber warum hast du auf dem Duellplatz – Hamlet, warum hast du nicht das Billet wegen deiner Hinrichtung hervorgezogen, deinen Verräter entdeckt und deine und Laertes Wut auf ihn gerichtet und dem traurigen Spektakel ein Ende gemacht?
Ich möchte dies Stück auf der Bühne sehen spielen – und da dünkt's mich, ich woll's lieber so – meine immer, es sei schade drum. Gewiß, man muß es verderben – ich glaube nicht, daß man so leicht ein Gesicht finde, das zu Hamlets Charakter paßt. Königs und seiner Gertrude gibt's genug, Polonius, Rosenkranz und Güldensterns auch. Aber die Szene, wo der Geist in voller Rüstung auftritt, und wo die Totengräber auftreten und man das sanft schlafende Täubchen zur Ruhe hinsenkt, die müssen gewiß verhunzt werden. Nein, so lebhaft kann's nicht vorgestellt werden, als wie man sich's vorstellt, wenn man's liest. Genug, Hamlet, du bist ein wundervoller Mann. Hätte dich nicht ein großer Künstler gemacht, so wärst du nicht, was du bist – aber du hattest auch ein schweres Geschicke zu tragen.
Komm, schwarzer Henker, komm, mache den Beschluß. Ich habe dich nicht hindenher geordnet, du kommst mir sonst zuletzt. Wann's an mir gelegen hätte, ließ ich dich nicht so hintendreintrappeln, du wärst mir zu schwarz. Nein, im Ernst, du bist nicht so schwarz wie Aron, aber doch schwarz genug um von einem schlauen Teufel verführt zu werden. O Dichter, warum mußtest du eben das grausamste Stück auf die Letze sparen, willt du deinen weichherzigen Lesern zur Letze noch übel machen, daß sie dich unmutig und böse wegwerfen? Gewiß, du hast dies barbarische Stück darzu eingerichtet – und wann ich's hundertmal lese und zehnmal mir als ein Gedicht vorstellen will, so kann ich mir doch so gewisse, wehmütige Übligkeiten nicht erwehren. Du hast alles so unter einen hübschen Mantel versteckt, alles so süß und glatt ineinandern verwebt und lassest zuletzt auf einmal das Ungeheur los. Du hast erst den Mohren viel zu gut gezeichnet und allzuviel Rühmens von ihm gemacht, daß man dies Gespenst nie hinter ihm suchen würde. Desdemona hast du zu einem Engel – daß man nie glauben würde, daß ihr solches begegnen könnte, gemacht; daß der Himmel je zugeben würde, daß solch ein neidischer Teufel, wie Jago, diese reizende Unschuld dahinbringen sollt. Du hast ein ganzes Korps gutmütige Menschen geschaffen und unter sie einen feinen Teufel hingestellt, den sie alle wie einen Engel des Lichts verehren. Sollte einem da nicht schwindlicht werden, der so zusehen muß, wie sie alle diesen Teufel zu ihrem Ratgeber machen, wie gottlos unverschämt er sie hintereinandern hetzt, wie sie in der letzten Not noch ihre Zuflucht zu diesem Bösewicht nehmen, der ihnen Trost zuspricht und doch fast allen den Hals bricht. O Dichter, Dichter, du hättest den Teufel selbst nicht häßlicher können zeichnen, in einem so ehrbaren Gewand. Das Herz schwillt eim von Anfang her empor – man möchte immer helfen und helfen und diesen schwarzen Verräter entdecken. Aber da hilft nichts – die anderen, Othello, Kassius, Desdemona, Roderigo, alle, alle müssen immer wie schwätzhafte, närrische Kinder dastehn, und dieser Feurdrache Jago allein regiert das Spiel. Und wie's aufs Äußerste kommt, muß sich Desdemona da stellen wie ein Kalb beim Schlachtbank, das zittert und schlottert, aber kein Wort sagt. Muß eim das Herz nicht klopfen, wann man diesen wütenden Mohren sieht sein schuldloses, folgsames Lämmchen zu Bette schicken und sein Vorhaben weiß und sie in ihr Schlafzimmer verfolgt, ihre ängstlichen Ahndungen, ihre Worte, Gebet und Gebärden, alles sieht und hört – möchte eim das Herz nicht zerspringen, wann man diesen wütenden Tiger sieht zur Tür hinein kommen und diesen schlafenden Engel noch küssen – das alles ginge noch hin, wann dieser Mohr in seiner Wut zuführe; aber er mußte noch so lange zaudern – man muß ihn noch hören diesem Engel den Tod ankünden und sie sehen wimmern, beben, hören bitten: nur bis morgen – töde mich morgen – nur noch eine halbe Stunde, nur noch ein Gebet laß mich tun. Es ist zu spät, sagte der wütende Tiger. O das geht über alle Fassung hinaus. Welche verdammte Teufelsstreiche hat dieser unerhörte Jago gespielt. Roderigo, ein leichtgläubiger Edelmann, hat er so lange am Narrenseil herumgeführt, ihm all sein Gelt abgelockt, ihm immer versprochen Desdemona in die Arme zu führen – und zuletzt verwickelt er ihn bei Nacht und Nebel in einen Duell und verspricht ihm beizustehen. – Kassio war sein Gegner und Jago haßte ihn auch. Da geht der verruchte Bube Jago und sticht Kassio ein Bein durch, und als Roderigo verwundet zu Boden lag und jämmerlich um Hülfe schreite, ging er und erstach ihn selbst. Kassio hat er mit Desdemona teuflisch verleumdet, indem er dem Othello weis machte, sie gingen auf eine unerlaubte Art miteinander um und dies hat er auf eine so eigene Art getan, auf eine so schlaue und verschmitzte Art, daß kein Mensch Böses argwohnen konnte, jedermann hielt ihn noch für den bravsten Mann. Aber seine Emilie mochte wohl wissen, was sie für einen Mann hatte – aber hätte sie es früher geoffenbaret – doch Ehleute entdecken einandern auch nicht gern ohne Not; – aber es wäre dein eigen Glück gewest, Emilia, du mußtest deine zu späte Relation mit deinem Leben bezahlen. Und die gute Desdemona mußte ein Opfer der höllischen Wut werden, die dein ehrloser Jago ausgebrütet hatte.
Der redliche Kassio dauert mich auch in die Seele. Mußte er doch durch dieses Teufels schlaue Bosheit so in verdrießliche Händel verwickelt werden – und das alles so unschuldig; mußte sich da auf dieses Erzschelmen verräterische Veranstaltungen hin betrinken und im Rausch hitzig werden, welches ihm die Kassierung zuzieht. Da mußte noch der arme Kassio seine Zuflucht zu diesem erzfalschen Freunde nehmen. O Kassio, hättest du gewußt, was es heißt, einem falschen Kerl in die Hände fallen, hättest du gewußt, daß eben dieser Freund schuld an deiner Kassierung war, hättest du gewußt, mit was für einem noch viel größern Unglück dieser Teufel schwanger ginge – o dann hättest du allen diesen schröcklichen Trauerszenen vorbeugen können. Ha, wann man's allemal wüßte, aber diese falschen Teufel schleichen im Finstern wie die Kröte. Welch Unheil hat die schwarze falsche Bosheit schon angerichtet. Wie mancher Redliche schlaft und träumt ruhig in seinem Bette, indes ein verruchter Jago für ihn wachet, um sein Glück zu untergraben, ihm verfluchte Lotterfallen in den Weg zu legen. Der Redliche erwacht froh und geht ruhig seine Straßen, der falsche Teufel schleicht nebenher und leitet ihn als Freund mit einem lächelnden Gesichte, bis er in der Schlinge ist, oder er schleicht von ferne nach, um seine boshaften Augen an dem Fall seines unschuldigen Opfers zu weiden. Aber – o ihr Jagos, ihr seid elender dran als alle euere Opfer – ihr webt euer Garn, gleich tyrannischen Spinnen, und hockt irgend in einem Winkel – kommt eine unglückliche Fliege von welchem Ende der Welt hergeflogen und hängt sich an den geringsten Faden eueres Gewebs, so ist sie eine elende Gefangene von euch. Aber wenn ihr recht vollgestopft seid von dem Blute dieser armen, so gebt ihr ein recht fettes Opfer für irgend ein Ungeheur der Nacht. Wißt, es ist eine Wiedergeltung – Rache wartet euer. Und wann ihr zu tausenden irgend an einem Ort zusammenkommt in der andern Welt, so braucht es weiter kein Teufel – ihr Jagos, ihr werdet euch Teufels genug sein. Gott – Gott bewahre mich vor euerem Garn, vor euerer Gesellschaft und vor euerem Teil in Ewigkeit. Meine Seele komme nicht in eueren Rat, und euer Bild sei ein Panzer für meine Brust, daß kein falscher Gedanke hineinfliege.
Nun, mein teurer, mein hochwerter Sir William, nun hab ich alle deine Stücke durchgangen, nun will ich abrechnen mit dir, aber ich werde dir tausend Dank schuldig bleiben – wenn du auch mein gerührtes Herz und den Nutzen, den du bei mir geschafft, für dich auch noch so hoch anrechnen wirst. Ich für mein Teil bringe dir ein Opfer – so groß es sein kann, ohne Abgötterei zu begehen – ich zähle dich unter meine Heiligen und verehre dich in deinen Werken als einen Liebling des Himmels, als einen großen Hofmann des größten Königs – und wenn ich je die unverdiente Gnade genieße, bei diesem heiligen Korp nur der Allergeringste zu werden, sollst du die Ehre haben, mein Werber zu heißen. Doch was sollen diese verblümten Reden, dies ungereimte Lob. Ich beneide dich nicht, daß dich der Himmel besonderer Gnade gewürdigt – du hast der Welt deine Gaben mitgeteilt, und für deine Treu wirst du von einer mächtigen Hand belohnt werden, ohne den Lohn, den dir ein Wurm gibt, der auch von gleicher Gnade Leben und alles hat. Aber das sag ich noch, wenn die grobe Welt deine Arbeit verstünde – es könnte nicht anders sein, du müßtest mehr Nutzen schaffen als Millionen schwatzhafter Theologen mit allem ihrem Kram. Aber sie versteht's nicht, sie meint, du solltest all die Schandtaten und Liebespossen, die von Zeit zu Zeit in irgend einem Winkel der Erden sich ereignet haben, verborgen halten und nicht an's Tageslicht bringen. Die armen Leute! – Warum sind denn Davids und anderer israelitischen Könige Taten geschrieben worden? Ich verehre deine Gemälde – sie sollen in meinen Zimmern und überall vor meinen Augen hangen. Ich habe immer Stoff zu denken und meinen Gang zwischen allen Klippen hindurch zu richten, die ich vor Augen sehe.
Nun habe ich den Hauptinhalt aller 36 Stücke in diesem kleinen Bändchen, welches mich mehr freut, als wenn ich alle Stapferschen Werke abgeschrieben hätte.
1. Gleich im ersten Stück, welches mir eins von den schönsten ist, hab ich Bilder von Böswichtern und von ehrlichen Menschen, einen guten Gonsalo und einen bösen Antonio. Kaliban, Trinkulo, Ariel sind wunderbare Geschöpfe, die einem mehr Denkens machen als hundert Alltagsmenschen.
2. Im zweiten hab ich wenigstens einen Squenz, Zettel, Schnauz, Schnok, Flaut, Schluker, in denen ich eine halbe Welt sehe.
3. Im dritten hab ich ein paar Freunde, Proteus und Valentin, zwei Frauenzimmer, Julie und Silvia, und zwei Bediente, Skeed und Lanz, welche sechs Personen meine ganze Aufmerksamkeit nach sich ziehen und rege machen. Doch ich bin müde. – Ich habe mir zwar vorgenommen, alle Stücke noch einmal durchzugehen und alle Personen, die mich am meisten interessiert haben, in eine Reihe hierher zu rangieren. Aber das Feur hat ein bischen nachgelassen – ich müßte alle wieder durchlesen und die Flammen wieder anblasen, ohne welche keine Feder fließt und alles Geschrieb einen abscheulich langweiligen Ton bekommt, – und zudem dachte ich doch, es wäre Wiederholung, indem ich keine von denen mir wichtigen Personen unbemerkt gelassen und ein Gedanke über jeden Charakterzug gemeldt, den wenigstens ich in der Folge wieder verstehe. An vielen Orten hab ich weniger geschrieben, als ich schreiben mochte, weil ich oft selbst gegen meine Gedanken mißtrauisch war – und weiter nicht gern gegen mich Mißtrauen erregen möchte.
Und nun, ihr meine besten, lieben, günstigen Herren Kritiker meiner Kritik – aber ich leugne es schlechtweg, ich habe keine Kritik gemacht, es mag auch dreinsehen, wie es will – ich hatte pur allein die Absicht, aus allen Stücken des vortrefflichen Shakespeares etwas in ein Bändchen zu sammlen, was mir aus einem jeden das Schönste, das Angenehmste war, damit ich's beisammen hätte, wovon in jedem Stück gehandelt wurde. Nehmt mir's nicht übel, ihr meine teuren Herren Freunde, die ich im Herzen hochschätze, ohne daß es der grobe Körper und der ungewöhnte Mund bezeugen kann. Verzieht mir, wo ich das Schönste, das Beste verfehlt, ich gebe mich für keinen Kenner des Schönen dar – doch werde ich auch dürfen meinem eigenen Geschmack folgen wie ein anderer freier Weltbürger. Aber ich bin doch nicht so dumm, mein Geschmack für delikat und gut zu glauben – und wann's ich glaubte, so dächte ich doch dabei, ich hätte diese Torheit mit andern großen Weltbürgern gemein.
Ich hätte dieses Etwas meinem besten, größten Herren Freund und Wohltäter dediziert, wenn ich es wert gehalten hätte, auch nur einem lieben Bertold zuzueignen (der doch ein altes Weibermärchen nicht verachtet und die arme Schnecke im Weg würdigt mit seinem Schuh zu überschupfen), geschweige einem so großen, von lauter Güte fetten Herren. Doch weiß ich, daß sie und jede edle Seele dies unmündige Etwas – oder Nichts, wie man will – nicht verachten oder ausspötteln würden – und ein gutes Lächeln verdient es und nicht mehr – und ein in hoher Sphäre fliegender Geist wird es nie zu Gesicht bekommen – ein solcher, der wie ein Bube, der in dem Gipfel eines Kirschbaumes hockt und sich mit den besten Kirschen füttert, einem armen Tropf, der unter dem Baum sitzt und hinauf gähnt und doch nicht klettern kann – spöttisch herab lächelt – komm, komm herauf, armer Schelm – komm, komm – ei, wie sind das so gute Kirschen – dem's aber nie in seinen Sinn kommt, ihm eine Hand zu bieten und herauf zu helfen, der ihm noch einen Schupf gäbe, wenn er wollte klettern lernen – und wenn Kirschen da wären, daß sie die Vögel des Himmels nicht alle auffressen könnten. Dank euch, ihr edlen Seelen, die belohnende Hand des Höchsten wird euch's vergelten, die ihr hie und da einem armen Tropf an die Hand geht mit Rat oder Tat, die ihr nie glaubt, daß ihr nur für euch in der Welt seid, nie zweifelt, ob ein schmutziger Bauer mit Haaren überwachsen auch eine Seele habe, denen nichts zu gering, nichts zu armselig ist, eines Blicks zu würdigen. Und nun Dank, tausend Dank meinem guten, besten Herren, den ich im Innern ohne Worte verehre und hochschätze, der mir nebst andern Guttaten auch dieses schöne Werk in die Hände geliefert. Ich kann nicht schmeicheln – und wollte der Himmel, kein Schmeichler mißbrauchte Ihre Güte – Dank sei Ihnen, und kein Dank bringe Sie aus der Stellung der lautersten Absichten – Dank sei Ihnen für das Gute an jedem andern – aber nicht ich – der Himmel dank Ihnen – aus meinem Dank können Sie nichts kaufen. Gott weiß, wie sehr ich alle guten redlichen Seelen liebe, wie viel ich meine besten Freunde, ja die ganze H.Z.E. Gesellschaft ehre, wie sehr ich wünsche, und wie stark ich mich bemühe, ihrer würdig zu werden, meine Seele von allen unlauteren Flecken zu reinigen und auch eine je länger je bessere Seele in meinem Busen zu tragen. Man mag mich auch halten, wofür man will, gleichviel – einer weißt's – und wo ich mich auch immer betrüge und in einem andern irre – 's macht nichts – wenn ich Frieden in meinem Busen und eine halbe Welt voll guter Seelen um mich denke – Gott, welche Wollust!
Nun noch einen Dank und dann weiter meine Empfehlung. Dank für den lieben Sir William Shakespeare und nun meinen Urlaubpaß – aber noch nicht meinen Abschied. Heil und Segen müsse ein edles Paar begleiten, Friede und Ruhe bis in späte Jahre hinauf. – Ein liebes Paar, das der Himmel zum Wohltun gemacht, das seiner Bestimmung mit willigem Herzen und frohem Gemüte folget, müsse im grauen Alter noch grünen und blühen, nie müsse der unfreundliche Boreas mit seinem mürrischen Surren ihre spätesten Tage belästigen, alles verdiente Lob müsse nie unedle Wirkungen machen und das falsche Schmeichlerwort von ihren Ohren zurückprellen; Bosheit und Undank müssen verschanzte Herzen antreffen und nie ihre unedlen Absichten erreichen; Verehrer und Kenner der Tugend müssen sie im Herzen segnen, redliche Wünsche als Opfer vor dem Thron des Höchsten hinlegen, und sie ihrem Lohn in der Ewigkeit mit frohen Blicken entgegen sehen. Amen!
Der Druckherr bittet um gütige Nachsicht, die Druckfehler, die ohne Zweifel häufig sind, selber zu verbessern, indem die Buchstaben wegen häufiger Arbeit nur bei Nacht und Nebel gesetzt wurden – und der Setzer sonst nicht der akkurateste Kerl ist.