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Von des Eulenspiegel Geburt und dreifacherTaufe.
Im Lande Sachsen, im Waldfelde, ist ein Dorf gelegen, das Kneitlingen genannt ist. Da wurde dem Bauernpaare Klaus Eulenspiegel und seiner Ehefrau Anna, geborene Weibekind, ein Sohn geboren, der in der Taufe den Namen Till Eulenspiegel erhielt. Vollzogen wurde die Taufe in der Kirche des Amtes Lehen, dessen Raubschloß die Magdeburgischen und ihre Verbündeten in Trümmer gelegt hatten. Nach alter Gewohnheit trug man das Kind nach der Taufe ins Bierhaus, daß sich die Gevattern auch erfreuen könnten. Als man aber wieder aufgebrochen war, ließ die Trägerin das Kind unterwegs, als sie über einen Steg zu gehen hatte, im Stolpern fallen, und zum zweiten Male wurde der junge Weltbürger benutzt, indem er in den tiefen Schlamm des Weges fiel; doch kam er ohne Schäden davon, denn wie das Sprichwort sagt: Unkraut verdirbt nicht.
Zu Hause aber erhielt er nun seine dritte Taufe, indem man ihn gründlich in warmem Wasser abwusch.
Das war ein Zeichen, daß ihm Besonderes im Leben zustoßen sollte.
* * *
Der Nachbarn Klage über den ungeratenen Knaben.
Kaum konnte Till Eulenspiegel auf seinen Beinen stehen, da begann sich bereits der Schalk in ihm zu regån, denn, was ein Häkchen werden will, das krümmt sich beizeiten.
Der kleine Till, der sich wie ein Affe auf dem Kissen und auf dem Grase herumwälzte, über Tische und Stühle sprang und in gar komischer Weise mit seinen Beinchen sich hinter den Ohren zu kratzen verstand, vollführte bald zum Schrecken der Nachbarn tausend lose Streiche.
Da gingen sie denn zum Vater Klaus und führten bittere Klage über seinen Sohn.
Der Alte schüttelte darum den Kopf und sagte zu Till:
»Wie geht doch das immer zu, daß alle unsere Nachbarn sprechen, du seiest ein Schalk?«
Till antwortete:
»Lieber Vater, ich tue doch niemand etwas, das will ich dir offenbar beweisen. Geh' hin, setze dich auf dein eigen Pferd, und ich will mich hinter dich setzen und stillschweigend mit dir durch die Gasse reiten; dennoch werden sie auf mich lügen und sagen, was sie wollen; gib nur acht!«
Also tat der Vater und nahm ihn hinter sich auf das Pferd. Dort saß der kleine Eulenspiegel so ehrbar und fromm, daß es eine Freude war. Als das Pferd aber mit Vater und Sohn an den Türen der Häuser, wo die Nachbarn standen, vorüber war, da streckte der Schelm die Arme nach rückwärts und schnitt den Leuten lange Nasen.
»Nun seht, was für ein Schalk das ist!« riefen die Männer und Frauen hinter ihm her.
Da sprach Eulenspiegel zum Vater:
»Du siehst doch nun, daß ich stillschweige und niemand etwas tue, und trotzdem sagen die Leute, ich sei ein Schalk.«
Der Vater schüttelte verwundert den Kopf und setzte seinen lieben Sohn vor sich aufs Pferd.
Da saß Eulenspiegel still, aber er sperrte den Mund auf und schnitt den Bauern allerlei Grimassen.
Die Leute liefen zornig herbei und riefen:
»Sehet doch, welch ein junger Schalk das ist!«
Da sprach der Vater:
»Du bist in einer unglücklichen Stunde zur Welt gekommen, armer Junge. Du sitzest still und schweigst und tust niemand etwas, und doch sagen die Leute, du wärest ein Schalk.«
Weil aber die Klagen der Nachbarn nicht aufhören wollten, so ward dem Vater Klaus der Aufenthalt zu Kneitlingen verleidet; er packte seine sieben Sachen zusammen und zog mit Weib und Kind in das magdeburgische Land an die Saale, woher sein Weib Anna stammte.
* * *
Wie der junge Eulenspiegel sich im Seiltanz übt. Wie er den Jungen die Schuhe durcheinanderwarf.
Bald danach aber starb der alte Klaus Eulenspiegel. Mutter und Sohn blieben in dem Dorfe und verzehrten, was sie hatten. Also ward die Mutter arm und Eulenspiegel nach und nach sechzehn Jahre alt, ohne daß er Lust verspürte, ein Handwerk zu lernen. Nach wie vor trieb er seine Koboldstreiche und lernte mancherlei Gauklerei.
Eulenspiegels Mutter wohnte in einem Haus, dessen Hof an die Saale mündete. Eulenspiegel begann auf dem Seile zu gehen, und zwar versteckt auf dem Dachboden des Hauses, denn die Mutter wollte diese neue Torheit von ihm nicht leiden und drohte, ihn deshalb zu schlagen. Einmal erwischte sie ihn auch richtig auf dem Seil, nahm einen großen Knüttel und wollte ihn damit tüchtig durchprügeln; allein er entrann durchs Fenster und setzte sich oben auf das Dach, wohin sie ihm freilich nicht zu folgen vermochte.
Als er jedoch abends nach Hause kam, gab ihm die Mutter eine tüchtige Tracht Schläge und dann erst ein Butterbrot, das er heulend verzehrte.
Die Wirkung der Prügel hielt bei ihm eine Zeitlang vor; dann aber begann er wieder seine Übungen auf dem Seile, bis er es schließlich oben von seiner Mutter Haus über die Saale in ein anderes Haus am jenseitigen Ufer zog.
Dieses Beginnen Eulenspiegels lockte natürlich alt und jung herbei, denn jeder wollte ihn auf dem Seile gehen sehen. Der Schalk produzierte sich denn auch und trieb auf dem Seile allerlei Possen, so daß der immer größer werdende Zuschauerkreis aus dem Lachen nicht herauskam.
Da aber eilte Eulenspiegels Mutter herbei und begann heftig zu zanken. Till kümmerte sich jedoch wenig darum, sondern trieb seine Narrenpossen weiter. Die Mutter vermochte nichts gegen ihn auszurichten; sie schlich sich daher auf den Hausboden, wo das Seil angebunden war, und schnitt es entzwei, daß Eulenspiegel unter Gelächter ins Wasser fiel.
»He, he, bade dich nur ordentlich aus, du hast lange nach dem Bade verlangt!« riefen ihm die Jungen zu.
Das verdroß Eulenspiegel sehr, und er dachte sogleich daran, wie er den Bauernjungen ihren Spott wohl wiedervergelten und heimzahlen könnte. Um sich von seinem Ärger aber nichts merken zu lassen, machte er gute Miene zum bösen Spiel und plätscherte lustig im Wasser herum.
Schon am nächsten Tage führte er seinen Racheplan aus, indem er das Seil auf dem Boden eines anderen Hauses befestigte und es dann wieder über die Saale zog.
Kaum wurden das die Leute gewahr, als sie sich wieder in hellen Haufen versammelten, alt und jung durcheinander, denn alle waren gespannt darauf, was Eulenspiegel wohl heute beginnen werde.
»Ich will euch ein schönes Kunststück zeigen!« rief der junge Schalk den anwesenden Bauernjungen zu. »Gebt mir nur jeder seinen linken Schuh, und ihr sollt eure Freude daran haben, was ich auf dem Seile damit anfangen werde!«
Die Jungen blickten auf die Alten, welche ihnen zunickten und sagten:
»Tut nur dem Eulenspiegel seinen Willen. Er wird schon etwas Komisches machen.«
So zogen denn die Jungen jeder seinen linken Schuh aus und gaben ihn dem Eulenspiegel. Es waren beinahe zwei Schock.
Der Schalk befestigte die Schuhe an einer Schnur und stieg damit auf das Seil.
Alles blickte erwartungsvoll zu ihm empor.
Er lächelte wiederum freundlich herab, bis er plötzlich rief: »Ein jeder gebe fein acht und suche sich seinen Schuh wieder!«
Nach diesen Worten schnitt er die Schnur entzwei und warf die Schuhe von dem Seil auf die Erde, so daß sie über- und durcheinanderpurzelten.
Die Jungen aber erhoben ein Wehgeschrei und stürzten mit den Alten herzu, denn jeder wollte möglichst schnell seinen Schuh wiederhaben. Das gab aber ein entsetzliches Durcheinander; bald rief es: »Der Schuh ist mein!« – und bald wiederum: »Du lügst, er gehört mir.« Die Jungen gerieten einander in die Haare und begannen sich herumzubalgen; der eine lag unten, der andere oben, der eine schrie, der andere weinte. Die Alten wollten den Streit schlichten, erhielten aber auch Püffe und Stöße, bis sie zu guter Letzt selbst aneinandergerieten. Kurzum, es war eine allgemeine Prügelei.
Eulenspiegel aber saß währenddessen vergnügt auf seinem Seil, rieb sich lachend die Hände und rief hinab:
»He, he, suchet nur die Schuhe, wie ich gestern ausbaden mußte!«
Das Ende der Prügelei wartete er aber wohlweislich nicht ab, sondern zog sich mit seinem Seile zurück.
In den nächsten vier Wochen durfte er sich auf der Straße nicht blicken lassen, so groß war der Zorn, den die Jungen und Alten gegen ihn hegten. Er blieb daher im Hause und flickte Schuhe, zur großen Freude seiner Mutter, die von seinem neuesten Streich nichts erfahren hatte und deshalb allen Ernstes an seine Besserung glaubte.
* * *
Eulenspiegel soll ein Handwerk lernen. Wie er der Mutter Brot schaffte.
Die Mutter Eulenspiegels war eine arme Frau, und obwohl sie sich rechtschaffen plagte und die Hände nicht müßig in den Schoß legte, so kamen doch Stunden und Tage, wo in dem Häuschen Schmalhans Küchenmeister war.
Dieser Fall trat wieder einmal ein. Die Mutter jammerte daher und sagte zu Eulenspiegel:
»Du bist wahrlich alt genug, um dafür zu sorgen, daß Brot im Hause ist.«
Der Sohn blieb ein Weilchen still, dann entgegnete er:
»Das ist schon wahr, Mutter, und ich will auch sehen, daß ich Brot anschaffe. Aber hier im Ort gibt's keins zu kaufen; ein jeder bäckt sich sein Brot selbst.«
»Hätte ich Mehl, täte ich's auch«, versetzte die Mutter. »Aber in der Stadt, in Staßfurt, gibt's Brot in Menge. Siehe zu, daß du dir dort etwas verdienen kannst, und dann kaufe Brot und bringe es her.«
Eulenspiegel überlegte. Plötzlich sprang er in die Höhe, daß die Mutter ordentlich erschrak, und rief:
»So ist's recht; ich will Brot bringen!«
Gleich nachher war er zum Zimmer und zum Dorf hinaus, die Richtung nach der Stadt einschlagend.
Vor dem Laden eines Brotbäckers blieb er dort stehen endlich faßte er sich ein Herz, ging hinein und fragte den Bäcker, ob er ihm für seinen Herrn für zehn Groschen Roggen- und Weißbrot mitgeben wolle. Er gab an, sein Herr sei ein Gutsbesitzer aus der Umgegend und gerade zu fällig nach Staßfurt gekommen. Er nannte auch den Gast hof, in welchem sein Herr wohne, und bat den Bäcker ihm einen Knaben mitzugeben, der solle dann das Geld für die gelieferte Ware gleich in Empfang nehmen. Da der Bäcker nichts dagegen hatte, holte Eulenspiegel einen großen Sack und ließ sich in diesen das Brot hineinzählen. Dann ging er fort, nachdem ihm der Bäcker noch einen seiner Lehr linge mitgegeben, der das Geld in Empfang nehmem sollte.
Als sie nun nicht mehr weit von dem bezeichneten Gasthof entfernt waren, ließ Eulenspiegel ein Weißbrot aus seinem Sack fallen, tat aber, als habe er es nicht bemerkt. Der Junge, der, da Eulenspiegel eine ziemlich schnelle Gangart angenommen, nicht schnell genug hatte folgen können und deshalb einige Schritte zurückgeblieben war, machte ihn darauf aufmerksam und hob das Brot auf. Eulenspiegel setzte den Sack nieder und sprach zu dem Jungen:
»Ja, solch ein beschmutztes Brot darf ich meinem Herrn nicht bringen. Da würde ich schön ausgezankt werden. Sei so freundlich, laufe rasch zu deinem Meister zurück und sage ihm, er solle dir ein anderes Brot geben, ich würde es ihm extra bezahlen. Ich will hier auf dich warten, und wenn du recht schnell wieder da bist, so soll es mir auf eine kleine Belohnung nicht ankommen.«
Der Junge lief zurück und holte ein anderes Brot. Als er aber an der Stelle, wo Eulenspiegel auf ihn hatte warten wollen, wieder ankam, konnte er weder von Eulenspiegel noch von den Broten eine Spur erblicken. Er lief rasch zu seinem Meister und teilte ihm das mit. Dieser ging in den Gasthof, der ihm bezeichnet worden war, um sich sein Geld selbst zu holen und den Fremden zur Rede zu stellen, warum er nicht gewartet. Dort wußte man aber weder von einem Gutsbesitzer, noch von dessen Diener etwas, und der Bäcker gelangte zu der Einsicht, daß man ihn betrogen hatte.
Unterdessen war Eulenspiegel in die Vorstadt in ein Haus gegangen, in welchem ein Karren aus seinem Flecken stand, darauf legte er seinen Sack und fuhr ihn nach Hause zu seiner Mutter. Als diese das viele Brot sah, freute sie sich sehr darüber, wollte aber doch auch wissen, wie er dazu gekommen sei; allein auf alle ihre Fragen gab er ausweichende Antworten und sagte:
»Iß und freue dich, daß du etwas hast; es werden auch schon wieder Zeiten kommen, wo du mit St. Nikolaus fasten mußt.«
* * *
Wie Eulenspiegel für ein übles Weckbrot, das ein Maurer der Dorfjugend bereitet hatte, dessen Hühnern einen üblen Bissen bereitete.
In dem Flecken, in welchem Eulenspiegel und seine Mutter wohnten, bestand ein alter Brauch. Jeder Hauswirt nämlich, der ein Schwein schlachtete, mußte einen Brei zurichten und diesen den Kindern der Nachbarn schenken. Dieser Brei wurde schon von alters her das »Weckbrot« genannt.
Nun wohnte im Dorfe ein Maurer, der war so geizig, daß er sich kaum satt aß. Da es ihm viel billiger kam, wenn er selbst schlachtete, als wenn er die Würste und das Fleisch den Nachbarn abkaufte, so war er mehrmals im Jahre gezwungen, den Kindern das Weckbrot zu geben. Das ärgerte ihn, denn er berechnete, daß er von dem, was ihn dieser Brei koste, schon wieder einen oder zwei Tage leben könne; deshalb suchte er von dieser Ausgabe loszukommen. Verweigern durfte er das Weckbrot nicht, denn sonst hätte er sich mit sämtlichen Nachbarn verfeindet; er suchte deshalb den Kindern dasselbe zu verleiden. Er schnitt in eine Schüssel, die für Molken bestimmt war, harte Brotrinden und goß eingemachte Rüben darauf, aber viel mehr, als die Kinder mit dem besten Willen verzehren konnten. Nun kamen die Knaben und Mädchen aus der Nachbarschaft und fingen an, sich an dem Brei gütlich zu tun. Wenn nun aber eins derselben satt war und fortgehen wollte, kam der Hauswirt und schlug das Kind so lange mit einem biegsamen Haselstock, bis es wieder umkehrte und weiter aß.
Da er nun Eulenspiegel, der sich auch unter den Knaben befand, als Schalk kannte, gab er besonders auf ihn acht, und wenn er die anderen schon tüchtig schlug, so prügelte er Eulenspiegel noch viel mehr, und das trieb er so lange, bis die Rüben und die Brotrinden vollständig aufgegessen waren. Daß den Kindern der im Übermaß genossene Brei nicht gut bekommen konnte, versteht sich von selbst, und keins von ihnen ging jemals wieder zu dem alten Geizhals, mochte er auch noch so viele Schweine schlachten, und somit hatte er seinen Zweck erreicht, denn das Weckbrot konnte er nunmehr für sich behalten.
Schlimm sollte es ihm aber bekommen, daß auch Eulenspiegel unter den Kindern gewesen, die er so übel behandelt hatte, denn dieser ließ sich nicht ungestraft durchprügeln, sondern sann auf Rache. Er begegnete am andern Tage dem Maurer, als dieser gerade an seine Arbeit ging.
»Nun, Eulenspiegel,« rief der geizige Mann lachend, »wie hat dir das Weckbrot gemundet? Wirst du dich bald wieder zu Gaste laden? Soll mich sehr freuen, und du kannst dich eines ebenso warmen Empfanges versichert halten.«
»Ob ich bald wiederkomme?« gab Eulenspiegel, das andere absichtlich überhörend, zur Antwort. »O ja, sobald sich deine Hühner, immer ihrer vier, um eine Lockspeise ziehen werden, kannst du für mich ein Weckbrot anrichten.«
Der Maurer ging lachend davon, denn er dachte, Eulenspiegel wolle hinter diesen Worten nur seinen Ärger über die erlittene Beschämung verbergen.
Kaum war er aus dem Dorf heraus, so führte Eulenspiegel auch schon seinen Racheplan aus. Er hatte ungefähr zwanzig Fäden in der Mitte verknüpft und an jedem Ende Brot festgebunden und legte diese nun in die Nähe des Platzes, auf welchem die Hühner des geizigen Mannes weideten, und zwar so, daß nur das Brot zu sehen war, die Fäden aber durch Sand und Gras verdeckt wurden.
Wie die Hühner die schönen Brotstücke erblickten, stürzten sie darauf zu und verschluckten dieselben in großer Hast; weil sie aber auch die Fäden mitzuziehen versuchten, so zerrten sie aus allen Kräften daran, um doch wenigstens den ganzen Faden zu verschlucken. Da es aber an den anderen drei Enden je einem andern Huhn geradeso erging, so standen sich diese nun gegenüber und zogen sich gegenseitig aus Leibeskräften, denn wegen der Größe des Brockens konnten sie das Verschlungene nicht wieder herausgeben.
Wie der Maurer nach Hause kam und das seltsame Schauspiel sah, geriet er in namenlose Wut und wollte Eulenspiegel zu Leibe rücken, doch fand er diesen nicht zu Hause, und mußte sich begnügen, aus Leibeskräften zu schimpfen und Rache zu geloben.
* * *
Wie Eulenspiegel zum ersten Male auf Wanderschaft ging.
Immer wieder schalt Tills Mutter, daß der schon erwachsene Sohn kein ordentliches Handwerk lerne, um sich selbst ehrlich ernähren zu können.
Als nun andere Burschen aus dem Flecken, worin er mit seiner Mutter wohnte, zum erstenmal in die weite Welt hinauszogen, nachdem sie ihre Lehrzeit beendet hatten, ermahnte die Mutter unsern Till Eulenspiegel, daß auch er in die Fremde gehe, die Welt kennen lerne und sich nützliche Kenntnisse erwerbe.
So schnürte er denn sein Bündel, und mit einem guten Mundvorrat in der Tasche trat er seine Reise an.
Als er aber den letzten Rest verzehrt hatte und ihn zu hungern anfing, da kamen ihm seiner Mutter Fleischtöpfe in den Sinn, und er beschloß, wieder umzukehren. Als er bei einbrechender Nacht auf den Hof kam, verkroch er sich heimlich in den Hühnerstall, um den Morgen zu erwarten.
Als er erwachte, sah er einen Fuchs aus dem Hühnerstalle schleichen, der einen jungen Hahn im Maule davontrug.
Eulenspiegel erzürnte sich heftig. Er streckte drohend die Faust aus und rief grimmig: »Warte, du Erzdieb! Ich sollte jetzt nicht in der Fremde sein, wie wollte ich dich!«
Die Mutter vernahm des Sohnes Worte, kam herbei und war nicht wenig verwundert über den kurzen Verlauf der ersten Wanderschaft.
* * *
Till Eulenspiegel im Bienenkorbe und die beiden Diebe.
Die Mutter hatte sich mit Eulenspiegel in ein nahes Dorf begeben, in welchem man gerade Kirchweihe feierte. Da Eulenspiegel an den Genuß des Weines nicht gewöhnt war, so wurden ihm bald die Augen schwer, und er ging in den Hof, um sich ein ruhiges Plätzchen auszusuchen, wo er einige Zeit schlafen konnte. Er fand neben den vollen auch einige leere Bienenstöcke und legte sich in einen von diesen. Der Wein tat seine Wirkung, und er wachte erst mitten in der Nacht wieder auf. Seine Mutter hatte ihn gesucht; da sie ihn aber nicht gefunden, glaubte sie, er sei schon voraus nach Hause gegangen.
Er wollte eben seinen etwas unbequemen Ruheplatz verlassen, als zwei Männer in die Nähe kamen, die einen Bienenstock stehlen wollten. Er blieb deshalb mäuschenstill liegen und horchte auf das Gespräch der beiden Diebe.
»Ich habe immer gehört,« begann der eine, »daß stets der schwerste Bienenstock auch der beste sei. Deshalb wollen wir uns den schwersten heraussuchen.«
Sie hoben die leeren Bienenstöcke in die Höhe und kamen auch zu dem, in welchem Eulenspiegel lag.
»Hei,« rief der eine dem andern zu, »komm' hierher, dieser Bienenstock ist so schwer, daß ich ihn kaum allein in die Höhe heben kann, das ist der beste; den wollen wir mitnehmen.« Es war aber so finster, daß einer den andern nicht sehen konnte.
Sie nahmen den Bienenstock auf und wollten ihn eben auf ihre Schultern heben, als Eulenspiegel dem vorderen Träger in das Haar faßte und furchtbar daran riß.
Der Verletzte meinte nicht anders, als sein Kamerad habe das getan, und fluchte ihm.
»Träumt dir, oder gehst du im Schlaf?« rief der andere. »Wie soll ich dich am Haare raufen, da ich doch kaum den Bienenstock mit den Händen halten kann.«
Als sie eine Strecke weitergegangen waren, gab Eulenspiegel dem hinteren einen tüchtigen Schlag.
»Was fällt dir denn ein?« schrie der Geschlagene, indem er den Bienenstock losließ, seinen Gefährten bei der Brust faßte und so schüttelte, daß auch dieser denselben mitsamt seinem Inhalt fallen lassen mußte. Das wollte sich der andere natürlich nicht gefallen lassen, sondern zahlte mit gleicher Münze, und im Augenblick waren beide in eine förmliche Prügelei verwickelt.
Eulenspiegel benutzte die günstige Gelegenheit, sich aus dem Staube zu machen, und als die beiden Diebe, nachdem sie sich gegenseitig genug gehauen hatten, den Bienenstock wieder aufnahmen, glaubten sie an Hexerei, denn der vorher so schwere Stock war jetzt federleicht geworden; daher liefen sie schreiend davon.
* * *
Der Dienst im Pfarrhause und das schlimme Osterspiel.
Eulenspiegel wußte nicht, wohin er sich zu wenden habe, um wieder nach Hause zu kommen. Er schlug auf gut Glück eine Richtung ein, bis er zu spät inne ward, daß er die rechte verfehlt und sich schon weit von dem Dorfe der Mutter entfernt habe.
»Ei was,« dachte er bei sich, »bei der Mutter kann ich doch nicht immer bleiben, und Prügel habe ich von ihr genug gekriegt. Will mir einmal die Welt ansehen.«
Gedacht, getan.
Eulenspiegel wanderte weiter und kam nach langem Gehen in ein Dorf im Stifte Magdeburg, das Budensteten hieß. Dort gelang es ihm, bei dem Pfarrer als Knecht unterzukommen.
Der Geistliche war ein freundlicher, wohlwollender Herr und sprach zu ihm:
»Du sollst gute Tage bei mir haben, mein Sohn. Du sollst genug zu essen und zu trinken bekommen, und es so gut haben wie meine Wirtschafterin, und ich hoffe, daß du das, was du tun mußt, mit halber Arbeit verrichten wirst.«
»Das hoffe ich auch, Herr Pfarrer«, gab Eulenspiegel zur Antwort.
Die Wirtschafterin des Pfarrers nahm zwei Hühner, steckte sie an den Spieß und sagte zu Eulenspiegel, er solle sich an den Herd setzen und die Hühner umwenden. Dieser gehorchte und drehte den Spieß über dem Feuer. Er hatte gleich bei seinem Eintritt bemerkt, daß die Wirtschafterin nur ein Auge hatte, und beschloß, daraus Kapital zu schlagen.
Wie die Hühner nun so schön gebraten waren und die Wirtschafterin gerade die Küche verlassen hatte, dachte er bei sich:
»Der Pfarrer sagte bei meinem Dienstantritt, ich solle genug zu essen haben, und zwar so gut wie seine Wirtschafterin; da nun hier nur zwei Hühner vorhanden sind, das eine aber jedenfalls für den Pfarrer bestimmt ist, so soll das andere wahrscheinlich für die Wirtschafterin sein. Ich soll nun gerade so gut zu essen bekommen wie die Wirtschafterin: wenn sie also ein Huhn bekommt, muß ich auch eins haben, und damit es mir niemand wegnimmt, will ich es lieber gleich verzehren.«
Nach diesem Selbstgespräch nahm er das eine Huhn vom Spieß und verzehrte es.
Wie nun die Zeit des Mittagessens herankam, trat die Wirtschafterin in die Küche, um die Hühner vom Spieße zu nehmen und anzurichten. Da aber nur noch ein Huhn am Spieße hing, sagte sie ziemlich barsch zu Eulenspiegel:
»Ich habe Euch doch zwei Hühner gegeben, und jetzt ist nur noch eins da, wo ist denn das andere hingekommen?«
Eulenspiegel fing an zu lachen und erwiderte:
»Liebe Frau, tut Euer anderes Auge auch auf, so werdet Ihr die Hühner alle beide sehen!«
Kaum hatte er ausgesprochen, so lief die Wirtschafterin auch schon wutschnaubend aus der Küche und in das Studierzimmer des Herrn Pfarrers.
»Das ist ein hübscher Knecht«, rief sie dort im höchsten Zorn. »Ich habe ihm zwei Hühner zum Braten gegeben, und wie ich ihn jetzt, da nur noch eins am Spieß steckt, über das Fehlen des zweiten zur Rede setzte, da verspottet er mich und sagt, ich solle mein zweites Auge auftun, wenn ich zwei Hühner sehen wolle.«
Der Pfarrer ging in die Küche und sprach zu Eulenspiegel, der ruhig am Herd saß:
»Warum verspottest du meine Wirtschafterin? Ich war doch dabei, wie sie dir zwei Hühner gab, und nun ist nur noch eins da. Sprich, waren es nicht zwei Hühner?«
Eulenspiegel ließ sich nicht aus der Fassung bringen, sondern erwiderte ganz ruhig:
»Ja, es waren zwei Hühner.«
Durch den Gleichmut Eulenspiegels in Zorn gebracht, rief der Pfarrer heftig:
»Wo ist denn das andere hingekommen?«
Eulenspiegel antwortete, indem er auf den Spieß deutete:
»Das steckt doch da, tut Eure beiden Augen auf, so sehet Ihr wohl, daß ein Huhn an dem Spieße steckt. Das sagte ich zu Eurer Wirtschafterin auch, und deshalb wurde sie zornig.«
Der Pfarrer mußte lachen und sagte:
»Leider kann meine Wirtschafterin freilich nicht beide Augen aufmachcn, denn sie hat nur ein Auge.«
»Herr,« rief Eulenspiegel, »das habt Ihr gesagt, ich würde es nicht gewagt haben.«
»Was ich gesagt, nehme ich auf mich,« erwiderte der Pfarrer etwas ärgerlich, »allein das zweite Huhn ist deshalb doch verschwunden.«
»Ja, das ist richtig,« meinte Eulenspiegel, »ein Huhn ist weg, und ein Huhn steckt noch da, denn das eine habe ich gegessen, aber nur, um Euch einen Gefallen zu tun. Denn, wie ich mich bei Euch verdingte, sagtet Ihr, ich sollte essen gerade wie Ihr und Eure Wirtschafterin. Da nun aber zwei Hühner da waren und Ihr eins gegessen hättet und eins Eure Wirtschafterin, so mußte ich das meinige doch vorher essen, um Euch nicht in Versuchung zu bringen, Euer Wort zu brechen, indem Ihr auch meinen Teil mit äßet.«
»Nun gut,« erwiderte der Pfarrer, indem er nur mühsam ein Lächeln unterdrückte, »es ist mir ja auch nicht wegen des Bratens; aber tue ferner, was meine Wirtschafterin dir befiehlt, und befleißige dich, ihr in allem zu gehorchen.«
Das versprach Eulenspiegel und tat in Zukunft alles, was ihm die Wirtschafterin befahl, aber nur halb. Wenn er einen Eimer mit Wasser holen sollte, so brachte er ihn halb voll, und wenn er zwei Scheite Holz an das Feuer holen sollte, so kam er nur mit einem; sollte er den Kühen zwei Bündel Heu geben, so bekamen diese sicher nur eins; statt einer Maß Wein aus dem Wirtshaus brachte er nur eine halbe, und dergleichen in vielen Stücken. Die Wirtschafterin merkte gar zu bald, daß er das nur tue, um sie zu ärgern, und sie verklagte ihn bei dem Pfarrer.
Dieser kam zu Eulenspiegel, um ihm Vorwürfe zu machen.
»Lieber Knecht,« fing er an, »meine Wirtschafterin beklagt sich über dich, du tätest alles nur halb; ich bat dich doch, ihr in allem zu gehorchen.«
»Ja, Herr Pfarrer,« erwiderte Eulenspiegel, »ich habe nichts anderes getan, als was Ihr mich geheißen habt. Ihr sagtet mir, ich könne Eure Sachen mit halber Arbeit tun, und Eure Wirtschafterin sehe gern mit beiden Augen; sie sieht doch nur mit einem, und sie sieht nur halb, also tue ich halbe Arbeit.«
Der Pfarrer mußte über die Art und Weise, mit der Eulenspiegel seine Verteidigung vorbrachte, lächeln; allein die Wirtschafterin fuhr zornig auf und rief:
»Herr, entweder verläßt der Knecht, oder ich verlasse Euer Haus; denn ich, die ich Euch schon zwanzig Jahre treu gedient habe, kann mich von so einem hergelaufenen Faulenzer nicht verspotten lassen, und wenn er nicht noch heute geht, so laufe ich davon.«
Da war denn der Pfarrer gezwungen, seinen Knecht aus dem Dienste zu entlassen.
Es war aber im Dorf gerade der Mesner gestorben, und da die Bauern notwendig einen neuen Mesner brauchten, nahmen sie auf des Pfarrers Vorschlag Eulenspiegel als solchen in Dienst.
Da nun das Osterfest nahte, sprach der Pfarrer zu Eulenspiegel, dem Mesner:
»Es ist Gewohnheit, daß die Bauern in der Nacht vor Ostern ein Spiel machen und unseres Herrn Auferstehung darstellen; dazu mußt du helfen, denn von Rechts wegen soll das der Mesner zurichten.«
Eulenspiegel dachte: »Wie soll das Marienspiel zugehen mit den Bauern?« und sprach zu dem Pfarrer: »Es ist kein Bauer hier, der gelehrt ist; Ihr müßt mir Eure Magd dazu leihen, die kann schreiben und lesen.« Der Pfarrer sprach: »Ja, nimm dazu, wen du brauchen kannst; meine Magd ist auch schon früher dabei gewesen.«
Der Köchin war es lieb; sie wollte der Engel im Grabe sein, denn sie konnte den Reim dazu auswendig.
Da suchte Eulenspiegel zwei Bauern und nahm sie zu sich; das sollten die drei Marien sein, und der Pfarrer war unser Herrgott, der aus dem Grabe erstehen sollte.
Da nun Eulenspiegel mit seinen Bauern, die als Marien gekleidet waren, vor das Grab kam, sprach die Köchin: » Quem quaeritis? Wen suchet Ihr?« Da sprach der Bauer, der die erste Maria vorstellte, wie ihn Eulenspiegel gelehrt hatte: »Wir suchen eine alte, einäugige Pfaffenköchin.« Als sie das hörte, ward sie zornig auf Eulenspiegel, sprang aus dem Grabe und wollte ihn mit den Fäusten ins Angesicht schlagen; sie schlug aber fehl und traf einen Bauern, so daß ihm das Auge schwoll.
Als der andere Bauer das sah, schlug er auch hin und traf die Köchin an den Kopf, daß ihr die Flügel abfielen. Der Pfarrer ließ die Fahne fallen, kam seiner Köchin zu Hilfe und fiel dem Bauer in die Haare; die anderen Bauern liefen auch hinzu, und es entstand ein großes Geschrei und großes Geraufe, so daß Pfarrer und Köchin bald oben, bald unten lagen.
Eulenspiegel aber nahm seine Zeit wahr, lief aus der Kirche und kam nicht wieder. Wir wissen nicht, wo die Bauern einen andern Mesner herbekommen haben.
* * *
Wie Eulenspiegel zu Magdeburg vorgab, daß er fliegen wollte.
Eulenspiegel machte sich indessen nicht viel daraus, daß er nun wieder ohne Stellung war. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und wanderte wohlgemut weiter. Nach ein paar Tagen gelangte er nach Magdeburg. Dort ließ er nun seinem Mutwillen die Zügel schießen und trieb so viel Narrenspossen, daß sein Name bekannt wurde und jeder wußte, wer Eulenspiegel sei.
Einige der angesehensten Bürger baten ihn, er solle etwas öffentlich zum besten geben, um die Einwohnerschaft zu erfreuen. Das sagte er auch zu und ließ bekanntmachen, er wolle von der Rathauslaube, dem Erker des Rathauses, aus über die Stadt fliegen.
Alles stürmte auf den Marktplatz, um das nie dagewesene Schauspiel nicht zu versäumen, und die Taschendiebe hielten eine reiche Ernte, denn aller Augen waren mit gespannter Erwartung auf das Rathaus gerichtet, wo ja jeden Augenblick der Tausendkünstler erscheinen konnte.
Endlich nach langem Warten brach die Menge in ein lautes Hochrufen aus, denn der Held des Tages, Eulenspiegel, war eben auf dem Erker des Rathauses erschienen. Eine feierliche Stille trat darauf ein, und man hätte eine Fliege summen hören können, so gespannt harrte jeder der Dinge, die da kommen sollten.
Eulenspiegel bewegte die Arme, sprang auch einigemal in die Höhe und gebärdete sich so, als ob er wirklich fliegen wollte.
Die Leute standen und taten Augen und Mäuler auf, denn sie meinten nicht anders, als daß er jetzt wirklich anfangen werde zu fliegen.
Da mußte sich Eulenspiegel mit Gewalt das Lachen verbeißen und rief den Leuten zu:
»Weil alle Welt mich einen Narren schilt, so dachte ich, wäre ich auch der einzige. Nun sehe ich aber, daß fast die ganze Stadt Magdeburg voll Narren sitzt. Denn wenn ihr mir alle zusammen gesagt hättet, ihr wolltet fliegen, so hätte ich es euch doch nicht geglaubt, und mir schenkt ihr Glauben, mir, den ihr einen Narren scheltet! Ohne Flügel kann niemand fliegen; seht doch her, ob ich eine Gans bin oder ein anderer Vogel, der Fittiche hat. Geht heim und schämt euch, daß ihr euch von einem Narren habt betrügen lassen!«
Nach diesen Worten drehte er sich auf dem Absatz herum und lief eilig vom Erker. Das Volk entfernte sich, ein Teil schimpfend, der andere lachend. Aber alle sagten:
»Er ist zwar ein richtiger Schalksnarr, aber recht hat er doch gehabt! Wir sind die Betrogenen, aber warum haben wir ihm geglaubt! Es soll uns nicht noch einmal passieren.«
Da sie sich nun in Zukunft vor ihm und seinen Schwänken in acht nahmen, so war für Eulenspiegel in Magdeburg nichts mehr zu holen, und deshalb wanderte er auf gut Glück nach Halberstadt. Unterwegs erfuhr er, daß dort ein neues Spital errichtet worden sei; darauf gründete er seinen Plan, der zunächst darin bestand, seinen Säckel mit Geld zu füllen.
* * *
Wie Eulenspiegel die Kranken im Spital ohne Arznei alle auf einmal gesund macht.
Eulenspiegel begab sich, sobald er in Halberstadt angelangt war, zu dem dortigen Vorsteher des Spitals, stellte sich ihm als Arzt vor und teilte ihm mit, daß er ein Mittel besitze, mit dem er allen Kranken wieder auf die Beine verhelfen könne.
Das freute den Spitalmeister außerordentlich, und er sagte zu Eulenspiegel:
»Wie groß müßte das Honorar sein für Eure Kur, und wie viele Kranke würdet Ihr gesund machen?«
»Wenn Ihr mir 200 Gulden gebt,« erwiderte Eulenspiegel, »so will ich Euch sämtliche Kranke heilen.«
Da war der Spitalmeister natürlich gleich zufrieden, Und er gab ihm zwanzig Gulden Vorschuß, aber mit der Bedingung, daß er seine Kur noch am nämlichen Tage ausführe.
Eulenspiegel begab sich gleich in das Spital und fragte einen jeden nach der Art seiner Krankheit. Nachdem er sie über alles ausgefragt, sagte er einem jeden heimlich, er wolle ihm etwas vertrauen, wenn er stillschweigen könne. Nachdem ihm dies versprochen war, flüsterte er den Kranken, aber jedem einzeln, und zwar so, daß es die andern nicht hören konnten, ins Ohr:
»Ich soll euch heilen und euch allen wieder zur Gesundheit verhelfen. Das ist aber unmöglich, wenn ich nicht einen von euch zu Pulver verbrenne und das den andern eingebe. Da sich aber wahrscheinlich niemand dazu freiwillig hergeben wird, so werde ich den Kränksten von euch, der nicht mehr recht laufen kann, dazu nehmen. Um nun herauszubringen, wer der Kränkste ist, werde ich mich mit dem Spitalmeister an die Tür des Krankenhauses stellen und rufen: ›Wer nicht krank ist, der komme heraus, behend und Bald!‹ Verschlafe das ja nicht, denn der letzte muß die Kosten bezahlen, indem er für euch andern sich aufopfert.«
Das merkten sich alle, und wie nun der Spitalmeister mit Eulenspiegel an der Tür des Saales erschien, eilten sie, auf die Aufforderung des Schelms hin, an den Ausgang, selbst solche, die seit zehn Jahren ihr Bett nicht verlassen halten, nicht ausgenommen.
Wie nun der Saal vollständig leer war, forderte Eulenspiegel sein Geld vom Spitalmeister und sagte, er müsse noch in ein anderes Spital, um dort die Kranken ebenfalls zu heilen. Er bekam seinen Lohn und noch großen Dank obendrein. Kaum war er aber fort, so kamen sämtliche Kranke und legten sich wieder in ihre Betten. Da fragte sie der Spitalmeister:
»Ja, wie geht denn das zu? Ich habe euch doch den großen und bedeutenden Arzt geschickt, und dieser hat euch so geholfen, daß ihr alle ohne fremde Hilfe den Saal verlassen habt. Was wollt ihr denn noch? Für Gesunde ist dieses Haus nicht gebaut worden.«
Da erzählten ihm die Kranken, was ihnen Eulenspiegel anvertraut habe, und sagten, sie hätten sich gefürchtet, zu Pulver verbrannt zu werden. Nun merkte, der Spitalmeister, daß er betrogen worden sei. Er lief, um Eulenspiegel wieder einzufangen und ihm das Geld abzunehmen, aber dieser war schon längst verschwunden; der Spitalmeister hatte sein Geld verloren und seine Kranken wiederbekommen.
* * *
Wie Eulenspiegel sich zu Braunschweig bei einem Bäcker verdingt und bei einem andern in den Mondschein beutelt.
Inzwischen hatte der Schalk Braunschweig erreicht. – Die Bäckerläden waren von jeher für ihn anziehend gewesen; er pflanzte sich daher vor einem derselben auf und blickte unverwandt den dicken Meister an, der vor dem Laden sich sonnte.
»Du hältst wohl Maulaffen feil?« fragte der Meister Eulenspiegel ärgerlich.
»Ja,« lautete die spöttische Antwort, »wollt Ihr mir davon abkaufen? Euch gebe ich sie billig.«
»Na, das muß ich gestehen,« brummte der Meister, »du bist nicht auf den Mund gefallen. Was bist du denn eigentlich deines Zeichens?«
»Ich bin ein Bäckerknecht«, antwortete Eulenspiegel rasch, ohne sich zu bedenken.
»Ei, das trifft sich ja herrlich«, rief der Bäcker erfreut; »ich habe gerade keinen Knecht und suche schon ein paar Tage nach einem. Willst du bei mir in Dienst gehen?«
»Gern«, meinte Eulenspiegel. Und so wurde er ein Bäckerknecht.
Wie er nun schon zwei Tage in dem neuen Dienst war, sagte der Bäcker, der, statt am Backofen zu stehen, die Nacht lieber mit seinen Freunden im Wirtshause beim Kartenspiel verbringen mochte, zu seinem neuen Gesellen:
»Heute abend mußt du allein backen; ich habe keine Zeit, dir zu helfen, werde aber morgen früh nachsehen, was du fertiggebracht hast.«
»Ja, was soll ich denn aber backen?« fragte Eulenspiegel.
Der Bäcker ärgerte sich über diese Frage und rief höhnisch:
»Bist ein Bäckerknecht und mußt erst fragen, was du backen sollst? Was pflegt man denn zu backen, Eulen oder Meerkatzen?«
Mit diesen Worten ging er fort.
Eulenspiegel blieb in der Backstube; er formte den ganzen Teig zu Eulen und Meerkatzen und backte dieselben.
Morgens kam der Meister, um ihm zu helfen. Wie er aber in die Stube trat, sah er weder Wecken noch Semmeln, sondern nur lauter Eulen und Meerkatzen. Da wurde er zornig und schrie Eulenspiegel an:
»Daß du das Fieber kriegst! Was hast du denn da gebacken?«
»Eulen und Meerkatzen,« gab Eulenspiegel ruhig zur Antwort, »wie Ihr mir befohlen habt.«
»Du Narr,« rief der Bäcker im höchsten Zorn. »Was soll ich denn mit dir anfangen? Bezahle mir meinen Teig, denn solches Brot kann ich nicht gebrauchen. Welcher vernünftige Mensch wird gebackene Eulen oder Meerkatzen essen wollen.«
»Wenn Ihr wollt,« erwiderte Eulenspiegel, »so werde ich Euch den Teig recht gern bezahlen, nur müßt Ihr mir dann die Ware geben, die ich davon gebacken habe.«
»Was frage ich nach einer solchen Ware,« schrie der Bäcker, immer zorniger werdend. »Mein Geld will ich, und dann packe dich aus meinem Hause.«
Eulenspiegel bezahlte den Teig und nahm die gebackenen Eulen und Meerkatzen in einem Korb in die Herberge zum wilden Mann.
Am Abend war St.-Niklaus-Feier. Er stellte sich mit seiner Ware vor die Kirche, indem er bei sich dachte:
»Du hast doch schon oft gehört, man könne noch so Seltsames und Wunderliches nach Braunschweig bringen, man würde es doch los.«
Und richtig, er hatte sich nicht getäuscht. Sobald die Kirche aus war, stürmten die Leute beinahe seinen Tisch, und er löste viel mehr Geld, als er für den Teig hatte zahlen müssen.
Wie das der Bäcker hörte, eilte er so schnell als möglich vor die Kirche, um Eulenspiegel zu bitten, wieder zu ihm zu kommen und ihm zu backen, aber dieser war mit seinem Gelde schon längst fort, und der Bäcker hatte das Nachsehen.
Eulenspiegel wanderte weiter und kam in ein Dorf, das hieß Ülsen; dort verdingte er sich wieder bei einem Bäcker.
»Beutle das Mehl heute nacht, damit ich morgen früh backen kann«, sagte der Meister zu ihm.
»Wohl,« meinte Eulenspiegel, »aber Ihr müßt mir ein Licht geben, daß ich auch etwas sehen kann.«
»Meinen früheren Knechten habe ich nie ein Licht gegeben,« sagte der Bäcker, »also bekommst du auch keins. Beutle das Mehl im Mondenschein.«
Damit war Eulenspiegel zufrieden.
Der Meister entfernte sich, um indessen einige Stunden zu schlafen.
Kaum war er fort, so nahm Eulenspiegel den Beutel, streckte ihn zum Fenster heraus und stäubte das Mehl in den Hof, in welchen der Mond schien. Wie nun der Bäcker am andern Morgen in die Backstube trat, um zu backen, da stand Eulenspiegel noch und beutelte das Mehl.
Der Bäcker traute seinen Augen kaum, als er sah, wie Eulenspiegel schon solche Massen von Mehl in den Hof geworfen hatte, daß die Erde ganz weiß war.
»Was der Teufel, was machst du denn hier? Hat denn das Mehl nichts gekostet?«
»Habt Ihr mich nicht geheißen, das Mehl in den Mondschein beuteln ohne Licht? Das habe ich getan.«
»Ach was,« rief der Bäcker erbost, »ich hieß dich beuteln bei dem Mondschein.«
»Seid nur zufrieden, Meister,« meinte Eulenspiegel, »es ist beides geschehen, in und bei dem Mondschein. Was ist da verloren, höchstens eine Handvoll, denn ich will das Mehl wieder aufraffen.«
»Ja,« höhnte der Bäcker, »du willst das Mehl aufraffen! Was kann mir das nützen? Während du das Mehl zusammenkehrst, kann man keinen Teig machen; wenn man keinen Teig machen kann, kann man auch nicht backen, und so wird es zu spät, und ich kann nichts mehr verkaufen.«
»Halt,« rief Eulenspiegel, »da weiß ich Rat. Wir wollen so bald backen wie unser Nachbar. Sein Teig liegt in der Mulde, und wenn Ihr es so haben wollt, so hole ich ihn und trage unser Mehl dafür an dieselbe Stelle.«
Da ward der Meister zornig und rief:
»Stehlen? Geh, du Schalk, an den Galgen und hol' den Dieb!«
»Gut,« sprach Eulenspiegel, indem er sich entfernte.
Er ging geradeswegs an den Galgen. Da lag das Gerippe eines Diebes, der gehenkt worden war. Das nahm er auf den Rücken und trug es seinem Meister ins Haus.
»Hier, lieber Herr,« fing er an, »bringe ich den Dieb vom Galgen. Wozu wolltet Ihr ihn denn aber haben? Ich wüßte nicht, was man mit diesen alten Knochen anfangen könnte.«
»Ist das alles?« rief der Bäcker, vor dem Gerippe scheu zurücktretend. »Hast du sonst nichts mehr?«
»Das ist alles, was ich gefunden habe«, erwiderte Eulenspiegel. »Wäre mehr dagewesen, so hätte ich es Euch mitgebracht.«
»Du hast das Gericht bestohlen und den Galgen beraubt,« schrie der Bäcker, ganz außer sich vor Wut. »Das will ich dem Herrn Bürgermeister klagen, und nun sollst du sehen, wie dir's gehen wird.«
Er eilte aus dem Haus auf den Markt, und zwar so eilig, daß er sich gar nicht umsah und nicht merkte, daß Eulenspiegel ihm nachging.
Auf dem Marktplatz stand der Bürgermeister. Auf ihn eilte der Bäcker zu und fing an zu klagen. Eulenspiegel stellte sich neben ihn und sperrte seine Augen weit auf. Wie der Bäcker ihn erblickte, ward er so wütend, daß er seine Klage vergaß und ihn zornig anschrie:
»Was willst du hier?«
Eulenspiegel erwiderte:
»Ich muß doch meine Augen weit aufmachen; Ihr habt ja gesagt, ich solle sehen, wie mir's ergeht.«
»Geh mir aus den Augen, du Schalk,« rief der Bäcker, indem er sich umwandte.
»Wenn ich Euch aus den Augen gehen soll, so müßte ich doch zuerst drinnen sein, und dann müßte ich ja zu den Nasenlöchern herauskriechen, wenn Ihr die Augen zumachtet.«
Da lachte der Bürgermeister und ging weg. Eulenspiegel sprang auf der entgegengesetzten Seite davon und rief seinem Meister zu:
»Wann wollen wir denn backen? Es wird höchste Zeit! Verderbt Euch nur den Magen nicht an Euren Wecken.«
Der Bäcker ging schimpfend nach Hause, während Eulenspiegel wohlgemut seiner Straße zog.
* * *
Drei Dinge, vor denen sich Eulenspiegel auf seinen Wanderungen stets hütete.
Sehr gern war Eulenspiegel in munterer Gesellschaft, und wußte stets zur allgemeinen Heiterkeit beizutragen. Wie er selbst recht derbe Späße mit andern trieb, so wußte auch er einen derben Spaß mit guter Miene zu ertragen.
Vor drei Dingen aber hütete Eulenspiegel sich auf allen seinen Wanderungen.
Er ritt nie ein graues, sondern stets nur ein fahles Pferd, des Gespöttes wegen, wie er behauptete.
Wo Kinder waren, wollte er nirgends bleiben, denn er behauptete, daß man überall der Kinder mehr achte als seiner. Auch war er nicht gern zur Herberge, wo ein stiller Wirt war, denn so ein alter, stiller Wirt achtete Eulenspiegels Armut nicht.
Auch mied er alle Morgen, wie er sagte, drei Dinge, nämlich gesunde Speise, großes Glück und starken Trank.
Die Speise aus den Apotheken meinte er, denn, wiewohl sie gesund ist, ist sie doch ein Zeichen der Krankheit. Wenn ein Stein vom Dache fiel, war er gern weit davon. Zwar sagt man öfters: Hätte ich da gestanden, so hätte mich der Stein totgeschlagen, das war mein Glück; aber solches großes Glück wollte er gern entbehren.
Und drittens mochte er kein Wasser trinken.
»Wasser,« sagte er oft, »ist ein starker Trank; vermag es doch große Mühlenräder zu treiben, auch den Tod kann man darin trinken; ich aber vermeide es gern und trinke viel lieber Bier oder Wein.«
* * *
Wie Eulenspiegel ein Brillenmacher ward.
Fast zornig waren die Kurfürsten untereinander, daß sie über die Wahl eines römischen Königs oder Kaisers nicht einig werden konnten. Endlich kamen sie doch überein, daß der Graf von Supplingenburg König werden solle. Aber da waren andere, die mit Gewalt in das Reich dringen wollten und weggeschlagen werden mußten. Der neugewählte König mußte wohl oder übel sechs Wochen vor Frankfurt liegen und warten, wer wider ihn zu stehen wage. Und es versammelten sich dort viele Fürsten und Herren aus allen Ländern.
Da dachte Eulenspiegel, es lasse sich da wohl etwas »verdienen«, und machte sich auf den Weg.
In der Wetterau bei Friedberg begegnete ihm nun der Bischof von Trier mit seinem Volke, und da Eulenspiegel seltsam gekleidet war, so fragte ihn der Bischof, was er für ein Geselle sei?
»Gnädiger Herr,« antwortete ihm der Schelm, »ich bin ein Brillenmacher und komme aus Brabant, aber da ist derzeit nichts zu verdienen und gibt's keine Arbeit. Da, wollte ich versuchen, ob vielleicht hier etwas für mich abfiele.«
Der Bischof sagte: »Ich meinte, dein Handwerk sollte von Tag zu Tag besser gehen, aus Ursachen, weil die Leute immer älter werden und das Gesicht abnimmt, weswegen man viel Brillen braucht.«
Eulenspiegel antwortete: »Ja, gnädiger Herr, Ew. Gnaden sagen wahr, aber eins verdirbt jetzt unser Handwerk, wenn ich das sagen dürfte und Ew. Gnaden nicht darüber böse würden.«
»Nein,« sagte der Bischof, »wir sind das gewöhnt; sage es nur frei.« Da sagte Eulenspiegel: »Gnädiger Herr, das verdirbt unser Handwerk, und es ist zu besorgen, daß es auch damit vertilgt wird, denn Ihr und andere große Herren, Päpste, Kardinäle, Bischöfe und Kaiser, die sehen zurzeit durch die Finger, aber vor Zeiten findet man geschrieben, daß die Herren und Fürsten alle in Rechten zu lesen pflegten, auf daß niemand unrecht geschähe. Da war unser Handwerk gut; da studierten auch die Pfaffen mehr als jetzo; da gingen auch die Brillen überall. Jetzo sind sie aber gelehrt, daß sie alles auswendig können, darum ihre Bücher wohl in vier Wochen nicht einmal ansehen; deshalb ist unser Handwerk verderbt, und ich lauf' aus einem Land ins andere und kann nirgends Arbeit bekommen; dieses ist schon so weit gekommen, daß es die Bauern auf dem Lande tun.«
Der Bischof verstand den Pfiff wohl und sagte zu Eulenspiegel: »Gehe mit nach Frankfurt, und wir wollen dir ein Geschenk geben.« Und er ging mit nach Frankfurt.
* * *
Wie sich Eulenspiegel in Dresden als Schreinergeselle wenig Dank verdiente.
In Dresden gab sich Eulenspiegel bei einem Meister als Schreinergeselle aus, und dieser nahm ihn an, da er gerade nötig einen Gesellen brauchte.
Der Meister wollte gern auf eine Hochzeit gehen und sagte zum neuen Arbeitsgehilfen:
»Lieber Geselle, ich muß morgen zur Hochzeit gehen und werde bei Tage nicht wiederkommen; arbeite fleißig und bringe die vier Bretter auf dem Kontor zusammen in den Leim.«
Er sagte: »Ja, welche Bretter gehören zusammen?«
Der Meister legte die vier aufeinander, die zusammengehörten, und ging mit seiner Frau auf das Hochzeitsfest.
Eulenspiegel nahm sofort die vier schönen Tischbretter an drei oder vier Enden, schlug sie zusammen und schmolz den Leim in einem großen Kessel. Darauf bestrich er die Bretter überall, trug sie auf das Dach und stieß sie zum Fenster hinaus, damit sie in der heißen Sonnenglut schön trocknen sollten. Dann machte er bald Feierabend. Am Abend kam der Meister, der sich auf dem Feste einen tüchtigen Rausch angetrunken hatte, sehr vergnügt nach Hause und fragte Eulenspiegel, was er inzwischen gearbeitet habe.
»Oh,« sagte dieser, »ich habe die vier Tischbretter aufs genaueste in Leim gebracht und dann bei guter Zeit Feierabend gemacht.«
Das gefiel dem Meister, und er sagte zu seiner Frau: »Das ist ein rechter Geselle; dem tue ich gütlich.«
Des Morgens hieß nun der Meister Eulenspiegel den Tisch bringen. Als dieser nun mit seiner Arbeit vom gestrigen Tage hervorkam und der Meister sah, daß der Schalk die Bretter völlig verdorben habe, sprach er zu ihm: »Wie ist das, Geselle, hast du auch das Schreinerhandwerk gelernt?«
»Warum fragt Ihr das, Meister?« erwiderte Eulenspiegel.
»Ich frage darum, weil du mir die Bretter verdorben hast.«
Er sprach: »Meister, ich habe genau getan, wie Ihr mich geheißen habt; ist es nun verdorben, so ist es nur Eure Schuld.«
Da ward der Meister zornig und sprach: »Du Schalk, gehe mir sofort aus der Werkstatt; ich habe von deiner Arbeit keinen Nutzen.«
Also ging Eulenspiegel fort und hatte sich schlechten Dank verdient.
* * *
Eulenspiegel wird Turmbläser beim Grafen von Anhalt.
Nach einigen Tagen kam er an den Hof des Grafen von Anhalt und ließ sich dort als Turmbläser anstellen.
Der Graf hatte viele Feinde und mußte deshalb eine große Anzahl Ritter jederzeit gerüstet in seinem Städtchen und in dem Schlosse haben. Diese mußten alle Tage ihre Speise aus der Hofküche bekommen, und so war es kein Wunder, daß eines Tages Eulenspiegel auf seinem Turm vergessen wurde. Zufällig überrumpelten an dem nämlichen Tage die Feinde des Grafen das Städtchen und trieben sämtliches Vieh den Bewohnern weg. Es wäre nun Eulenspiegels Pflicht gewesen, durch Blasen oder Schreien den Grafen auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Er tat dies aber nicht, sondern lag ruhig in seinem Turm und schaute zum Fenster hinaus.
Der Graf war durch einen Boten von der Überrumpelung benachrichtigt worden und eilte mit seinen Mannen auf das Feld, um den Feinden die Beute wieder abzujagen. Wie sie eben aus dem Schloßhof ritten, sahen sie nun Eulenspiegel, wie er zum Fenster herausschaute und lachte. Da rief ihm der Graf zu:
»Warum hast du nicht geblasen oder uns gerufen?«
»Wenn ich noch nicht gegessen habe, kann ich auch nicht rufen,« gab Eulenspiegel zur Antwort.
»Willst du denn die Feinde nicht anblasen? Du bist doch als Turmbläser angestellt,« rief ihm der Graf zu.
Da antwortete Eulenspiegel:
»Ich darf keinen Feind anblasen, denn es sind ihrer schon genug hier auf dem Felde; sie haben sämtliche Kühe weggetrieben; wenn ich noch mehr Feinde heranbliese, so schlügen sie Euch ja die Tore ein.«
Der Graf hatte keine Zeit mehr zu verlieren, so ritt er denn mit seinen Mannen auf das Feld, den Feinden entgegen, und ruhte nicht eher, als bis er Sieger geworden und die gesamte Beute wiedererlangt hatte.
Wie er mit seinen Rittern wieder ins Schloß kam, wartete ihrer ein prächtiges Mahl. Aber Eulenspiegel wurde wieder vergessen.
Plötzlich schallte vom Turme herab das Zeichen, daß Feinde nahen, und wie der Blitz eilten sämtliche Ritter, der Graf an der Spitze, in den Hof und von da hinaus auf den eben erst verlassenen Kampfplatz.
Unterdessen lief Eulenspiegel behend in den Speisesaal des Grafen und nahm sich von der gedeckten Tafel, was ihm gerade beliebte. Als der Graf und die Seinigen zurückkehrten, saß er schon wieder in seinem Turme und schaute essend zum Fenster heraus.
Da Eulenspiegel nur aus Schalkheit geblasen hatte, konnte der Graf natürlich auch keinen Feind finden und ritt deshalb in ärgerlicher Stimmung nach Hause. Wie er nun den Eulenspiegel zum Fenster herausschauen sah, rief er ihm zu:
»Bist du denn unsinnig oder toll geworden?«
»Das nicht,« schrie Eulenspiegel herunter, »aber der Hunger erdenkt manche List.«
»Warum hast du ›die Feinde sind da‹ geblasen?« verhörte der Graf weiter, »und es ist gar keiner dagewesen.«
Eulenspiegel erwiderte:
»Da keine Feinde da waren, mußte ich doch einige herblasen.«
»Du kratzest dich mit Schalksnägeln,« rief der Graf ärgerlich. »Wenn Feinde da sind, willst du sie nicht anblasen, und wenn keine da sind, bläst du sie an. Du wolltest dir wohl einen Scherz erlauben? Damit dies nicht wieder vorkommen kann, werde ich mir einen anderen Turmbläser nehmen, und du mußt mit ins Feld ziehen als Fußknecht.«
So geschah es denn auch, und die guten Tage Eulenspiegels hatten aufgehört. Er zeichnete sich aber nicht durch gar zu großen Kampfeseifer aus.
Jedesmal, wenn sie gegen die Feinde auszogen, war er immer der letzte, der das Schloß verließ; wenn sie aber wieder umkehrten, kam er stets als der vorderste zum Tor herein.
Das verdroß den Grafen; er rief ihn eines Tages zu sich und fragte ihn, was er sich dabei eigentlich denke? Das sei doch nicht das Benehmen eines tapferen Soldaten. Eulenspiegel besann sich nicht lange, sondern erwiderte keck:
»Ihr solltet mir deshalb nicht zürnen, Herr Graf. Während Ihr und Euer Hofgesinde alle aßet, saß ich auf meinem Turm und verging vor Hunger; dadurch bin ich kraftlos geworden. Wenn ich nun der erste gegen den Feind sein soll, so muß ich auch die Zeit einbringen und herbeieilen, um auch der erste an der Tafel zu sein und natürlich auch der letzte, damit ich wieder stark werde, denn ich muß essen wie Ihr, aber auch das noch nachholen, was ich auf dem Turm versäumt habe. Wenn ich das alles eingebracht haben werde, dann will ich auch der erste gegen die Feinde sein, und als letzter zur Tafel kommen.«
»Dafür bedanke ich mich,« erwiderte der Graf höhnisch; »da könnte ich dich vielleicht jahrelang füttern, und du hättest das Versäumte womöglich immer noch nicht eingebracht. Nein, solchen Knecht kann ich nicht brauchen. Mach', daß du fortkommst, und laß dich bei mir nicht wieder blicken.«
So hatte Eulenspiegel seinen Zweck erreicht, von dem Hofe des Grafen fortzukommen; denn alle Tage gegen Feinde kämpfen, war nicht gerade seine Leidenschaft, und fröhlichen Mutes zog er weiter; er werde schon anderwärts sein Fortkommen finden, ohne hungern zu müssen, und ohne die Gefahr, im Feld von Feinden erschlagen zu werden.
* * *
Wie Eulenspiegel zu goldenen Hufeisen für sein Pferd kommt.
Die Historie verschweigt uns, wie es Eulenspiegel angefangen habe, um als Hofmann gelten zu können; aber trotzdem ist die Tatsache wahr, daß so manche vornehme Herren und Fürsten ihn wohl leiden mochten und ihm Kleider, Pferd, Geld und Kost gaben.
So war er einst beim König von Dänemark und hatte sich so liebenswürdig gezeigt, daß der König ihm versprach, er wolle ihm sein Pferd beschlagen lassen mit den allerbesten Hufen.
»Wirklich?« fragte Eulenspiegel, »darf ich Euren Worten trauen, oder macht Ihr nur einen Scherz mit mir?«
»Was ich versprochen habe, halte ich auch«, gab der König zur Antwort.
Daraufhin ritt Eulenspiegel mit seinem Pferde zum Goldschmied und ließ es mit goldenen Hufeisen und silbernen Nägeln beschlagen. Dann kehrte er zum König zurück und fragte ihn, ob er jetzt den Hufschlag bezahlen wolle.
»Natürlich,« gab der König zur Antwort und befahl seinem Schreiber, er solle mitgehen und die Schuld bezahlen. Der Schreiber entfernte sich mit Eulenspiegel. Er dachte nun freilich, es ginge zu einem gewöhnlichen Hufschmied. Doch da führte ihn Eulenspiegel in den Laden eines Goldschmiedes, und dieser verlangte 100 dänische Mark. Der Schreiber wollte diese bedeutende Summe nicht bezahlen, sondern ging zurück und sagte es dem König. Der ließ Eulenspiegel holen und äußerte sich zu ihm:
»Lieber Freund, was hast du dir denn für einen teuren Hufbeschlag ausgesucht? Wenn ich alle meine Pferde so beschlagen lassen wollte, so müßte ich bald Land und Leute verkaufen. Doch habe ich nicht gemeint, daß du dein Pferd mit Gold und Silber beschlagen lassen solltest!«
»Gnädiger König,« erwiderte Eulenspiegel, »Ihr sagtet, ich dürfe mir den besten Hufbeschlag aussuchen, und ich konnte nirgends einen besseren finden, als den von Gold und Silber.«
Da lachte der König und bezahlte die hundert Mark.
Eulenspiegel aber ließ die goldenen Hufeisen abbrechen, um sie möglichst vorteilhaft zu veräußern, und ließ sein Pferd wieder mit Eisen beschlagen.
* * *
Wie der Herzog von Lüneburg ihn des Landes verwies.
Weniger gut erging es dem Schalk zu Lüneburg, da er den dortigen Herzog so heftig erzürnte, daß ihn dieser nicht nur des Landes verwies, sondern bekannt machte, wer Till Eulenspiegel im Lüneburger Lande fände, sollte ihn ergreifen und vor den Herzog bringen.
Eulenspiegel machte sich daraus sehr wenig, und wenn ihn sein Weg gerade durch das Land führte, so ritt oder ging er ganz ruhig hindurch, obwohl ihm der Herzog gedroht hatte, ihn hängen zu lassen, wenn er ihn erwische.
Er ritt wieder einmal durch die Gegend, da begegnete ihm der Herzog.
»Versuchst du zu fliehen,« dachte er bei sich, »so werden sie dich mit ihren raschen Gäulen bald überholt haben, stechen dich hinab vom Pferd, und der Herzog kommt und läßt dich aufhängen.«
Nach kurzer Überlegung sprang er vom Pferde und schnitt diesem den Bauch auf, schüttelte das Eingeweide heraus und stellte sich in den Rumpf. Wie nun der Herzog mit seinen Reitern an den Platz kam, an welchem Eulenspiegel in seines Pferdes Bauch saß, rief einer der Diener:
»Gnädiger Herr, hier sitzt Eulenspiegel in einer Pferdehaut.«
Der Fürst ritt zu ihm hin und redete ihn an.
»Ei, sieh da, Eulenspiegel, was tust du denn hier, und noch dazu mit einem toten Pferde? Habe ich dir nicht mein Land verboten und dir versprochen, dich hängen zu lassen, wenn ich dich auf meinem Grund und Boden erwische?«
»Ach, gnädigster Herr und Fürst,« sprach Eulenspiegel, »ich hoffe, Ihr werdet mich begnadigen; was habe ich denn so Schlimmes getan, daß ich gehängt werden soll?«
Der Herzog ging auf seine Frage nicht ein, sondern sagte:
»Was bezweckst du denn damit, daß du dich in eine Pferdehaut steckst?«
»Ach, gnädiger Herr,« gab Eulenspiegel zur Antwort, »ich fürchtete mich vor Eurer Ungnade, und da ich immer gehört habe, daß ein jeglicher solle Frieden haben in seinen vier Pfählen, so habe ich mir hier ein kleines Zuhause eingerichtet.«
Bei diesen Worten zeigte er auf das tote Pferd, und zwar mit so kläglicher Gebärde, daß der Herzog laut lachen mußte und zu ihm sprach:
»Willst du von nun an aus meinem Lande bleiben, so will ich dir für diesmal die Strafe erlassen.«
»Wie Eure Fürstlichen Gnaden wollen,« gab Eulenspiegel zurück.
Der Herzog ritt davon; Eulenspiegel aber sprang mit einem Satz aus dem toten Pferde heraus und sprach zu diesem:
»Habe Dank, mein gutes Pferdchen; du hast mir meinen Hals gerettet und mein Leben erhalten. Hast zwar deines darum geben müssen, und dich werden jetzt die Raben fressen; aber immerhin besser, als wenn sie mich gefressen hätten.«
Damit ging er davon, in ein Dorf bei Celle, und wartete, bis der Herzog wieder dorthin reiten werde. Er hatte schon wieder ein anderes Pferd und sich in dem Dorfe einen Schubkarren gekauft. Er kam zu einem Bauer, der gerade das Feld pflügte, und fragte ihn, wem der Acker gehöre.
»Der gehört mir,« gab ihm der Bauer zur Antwort, »den habe ich geerbt.«
»Was muß ich Euch geben, guter Mann, wenn Ihr mir einen Schubkarren voll Erde ablaßt?« fragte Eulenspiegel.
»Einen Schilling nehme ich dafür,« erwiderte ihm der Bauer kopfschüttelnd.
Eulenspiegel gab ihm den Schilling, ließ sich den Karren mit Erde füllen und fuhr damit vor des Herzogs Burg. Dort stellte er den Karren hin und setzte sich darauf.
Nach kurzer Zeit kam der Herzog des Wegs daher und sah Eulenspiegel auf dem Karren sitzen.
»Ei, Eulenspiegel,« fing er an, »finde ich dich schon wieder gegen mein Verbot im Lande. Weißt du denn nicht mehr, daß ich mir vorgenommen habe, dich hängen zu lassen, wenn ich dich wieder auf meinem Gebiet fände?«
»Ja, gnädiger Herr,« gab Eulenspiegel scheinbar ganz verwundert zur Antwort. »Aber ich bin nicht in Eurem Land; da irrt Ihr sehr; ich sitze auf meiner Erde, die ich mir von einem Bauern gekauft habe; der sagte mir, es sei sein Erbteil. Das ist jetzt wirklich mein Erdreich.«
»Fahre du jetzt augenblicklich mit deinem Erdreich aus meinem Erdreich und komme ja nicht wieder,« rief der Herzog, »sonst werde ich dich mitsamt deinem Pferd und Karren aufhängen lassen.«
Auf diese freundliche Aufforderung hin sprang Eulenspiegel aus seinem Karren, setzte sich auf sein Pferd und ritt aus dem Lande. Den Karren mit der Erde ließ er vor der Burg stehen.
Daher kommt es, daß noch heute vor der Burg bei Celle Eulenspiegels Erdreich liegt.
* * *
Wie Eulenspiegel beim Landgrafen von Hessen malt.
Abenteuerliche Dinge trieb Till Eulenspiegel im Lande Hessen. Da er das Sachsenland fast ganz und gar durchwandert hatte und überall bekannt war, so daß er sich mit seiner Büberei gar nicht mehr dort sehen lassen durfte, da tat er sich in das Land Hessen und kam zu Marburg an des Landgrafen Hof.
Der Landgraf fragte ihn, was er für ein Abenteurer sei.
»Gnädiger Herr,« antwortete Eulenspiegel, »ich bin ein Künstler.«
Darüber freute sich der Landgraf, denn er meinte, wenn einer ein Künstler sei, so verstehe er auch sicher etwas von der Goldmacherkunst. Er beschäftigte sich nämlich sehr gern mit dieser Geheimkunst.
»So, so, ein Künstler,« sagte der Landgraf, indem er sich behaglich seinen Bart strich, »da verstehst du wohl auch etwas von der Goldmacherkunst?«
»Nein, gnädiger Herr,« gab Eulenspiegel zur Antwort. »Ich bin ein Maler, wie man ihn wohl nicht so bald wieder finden wird; denn meine Gemälde übertreffen alle anderen auf der Welt.«
»So laß uns etwas von deiner Arbeit sehen, wenn sie wirklich so bedeutend ist,« meinte der Landgraf.
»Gleich, gnädiger Herr,« erwiderte Eulenspiegel und zog etliche bemalte Tücher und einige Bilder, die er in Flandern gekauft hatte, hervor und zeigte sie dem Landgrafen. Die gefielen diesem sehr gut, und er sagte zu Eulenspiegel: »Lieber Meister, wieviel würdet Ihr wohl nehmen für ein Gemälde in unserm Saal, das meine Vorfahren und die Ahnen meiner Frau darstellen soll?«
»Gnädiger Herr, vierhundert Gulden würde es wohl kosten,« meinte Eulenspiegel.
»Wenn das Gemälde recht schön wird, sollt Ihr die vierhundert Gulden haben, Meister, und noch ein gutes Geschenk obendrein,« versicherte der Landgraf.
Eulenspiegel ließ sich hundert Gulden Vorschuß geben, um Farben zu kaufen und Gesellen anzuwerben.
Nachdem er drei Männer gefunden hatte, die ihm zu passen schienen, wollte er sich mit diesen an die Arbeit machen. Doch vorher stellte er noch die Bedingung, daß niemand außer ihm und seinen drei Gesellen den Saal betreten dürfe, denn sonst werde er in seiner Kunst gehindert. Der Landgraf bewilligte ihm auch dies.
Eulenspiegel schloß sich mit seinen Gehilfen in den Saal ein und sagte ihnen, wenn sie ihm versprächen, stillzuschweigen, sollte ihre ganze Arbeit im Brett- und Schachspiel bestehen, und sie bekämen trotzdem ihren Lohn. Das nahmen natürlich die Gesellen mit großer Freude an, denn mit Müßiggang hatten sie bis jetzt noch kein Geld verdient.
Das dauerte nun so drei bis vier Wochen. Der Landgraf wollte aber doch auch endlich sehen, wie weit der Meister mit seinen Kumpanen gekommen sei, und sprach deshalb zu ihm:
Liebster Meister, ich möchte gar zu gern Eure Arbeit sehen und bitte Euch deshalb, mich einmal in den Saal zu lassen.«
»Recht gern, gnädiger Herr,« gab Eulenspiegel zurück, »aber eins muß ich Euer Gnaden noch vorher sagen: Wer nämlich nur ein einziges Mal in seinem Leben gelogen hat, der kann mein Gemälde nicht sehen.«
»Meister, das wäre ein großes Werk, wenn Ihr so etwas fertiggebracht hättet,« meinte der Landgraf.
Sie gingen nun zusammen in den Saal.
Eulenspiegel hatte ein langes, leinenes Tuch an die Wand hingespannt, auf die er malen sollte, und wie nun der Landgraf davorstand, zog er den Vorhang zurück und zeigte mit einem weißen Stäbchen an die Wand.
»Sehen der gnädige Herr,« fing er an zu erklären, »dieser Mann hier ist der erste Landgraf von Hessen; er hat eine Fürstin zur Frau gehabt, Tochter des milden und guten Justinianus, der hernach Kaiser wurde. Hier, gnädiger Herr, steht Adolf, des vorigen Sohn; von diesem stammte Wilhelm der Schwarze, von ihm Ludwig der Fromme, und so fort bis auf Eure Fürstlichen Gnaden. Ich will mich zwar nicht selbst rühmen; allein ich weiß, daß mir mein Werk gelungen ist, und daß niemand meine Arbeit erreichen kann, so schön und meisterhaft ist sie ausgeführt. Sehen doch auch Eure Gnaden nur hier diese schönen Farben, die ich zu den Gesichtern genommen habe.«
Der Landgraf sah nichts als Wand und Farben.
Jetzt fiel ihm auf einmal das Wort des Malers ein, welcher ja zu ihm geäußert, daß niemand das Bild sehen könne, der sich schon einmal einer Lüge schuldig gemacht.
Von diesem Vergehen vermochte sich aber der Herzog nicht reinzusprechen. Um sich jedoch vor dem fremden Künstler nichts zu vergeben, sagte er:
»Lieber Meister, Eure Arbeit gefällt mir sehr, nur bin ich nicht Kunstkenner genug, um auf die Einzelheiten eingehen zu können.«
Nach diesen Worten verließ er den Saal.
Wie er zu seiner Frau kam, fragte sie ihn gleich:
»Ach, gnädiger Herr Gemahl, was malt Euer Maler? Wie gefällt Euch seine Arbeit? Ich hege keine großen Erwartungen, denn er sieht aus wie ein Schalk. Ich kann nicht glauben, daß der Mann je etwas Ordentliches zustande bringt.«
Der Herzog war begierig, zu sehen, ob es seiner Frau besser ergehen werde als ihm; er hütete sich jedoch, der Fürstin zu gestehen, daß er von dem Bilde nichts habe wahrnehmen können.
»Nun, liebe Frau,« antwortete er daher der Landgräfin, »seine Arbeit gefällt mir recht gut, und er malt wacker darauflos, so daß ich hoffe, in kurzer Zeit das Bild vollendet zu sehen.«
»Ach, dürften wir das nicht auch einmal anschauen?« fragte die Landgräfin.
»Ja, wenn der Meister es erlaubt.«
Eulenspiegel wurde gerufen, und die Landgräfin teilte ihm ihren Wunsch mit. Er sagte ihr, wie dem Fürsten, daß nur der das Gemälde sehen könnte, der noch niemals gelogen. Wenn sie sich aber das Bild anschauen wolle, so habe er gar nichts dagegen und wolle ihr gern alles zeigen und erklären.
Die Gräfin folgte ihm gespannt in den Saal und war sehr neugierig, das Bild zu sehen, das ihrem Gemahl so gefallen hatte.
Eulenspiegel zog wieder das Tuch zurück und erzählte der Gräfin ihr ganzes Herkommen, indem er bei jeder neuen Person, die vorkam, mit dem Stäbchen auf die leere Wand deutete.
Der Fürstin erging es nicht besser als ihrem erlauchten Gemahl. Sie sah nichts als die weiße Wand, dennoch mochte sie nicht eingestehen, daß sie nichts zu sehen vermochte, und auch sie spendete dem Maler volles Lob.
Dem fürstlichen Ehepaare gelüstete es indessen, zu sehen, wer von dem Hofpersonal frei von Lüge sei. Deshalb wurden die edeln Herren und Damen der Reihe nach in den Saal geführt, und allen sagte der Maler dasselbe, ehe er den Vorhang wegzog.
Die Herrschaften brachen vor lauter Bewunderung in begeisterte Beifallsspenden aus, nur das jüngste Hoffräulein rief unter Lachen:
»Aber was ist denn da zu bewundern? Man sieht ja nichts als die leere Wand!«
Die Hofherren und Damen bissen sich auf die Lippen, und einige derselben konnten in ihrem Ärger nicht umhin, dem naiven Mädchen den Namen eines Vogels zu geben, dessen Vorfahren dereinst das römische Kapitol gerettet haben sollen.
Da aber nahm sich der Landgraf ihrer an, indem er seine Rechte auf ihr Haupt legte und sagte:
»Sie allein steht rein und ohne Lüge da! – Ich habe euch durch den fremden Maler nur prüfen lassen wollen, ob ihr auch stets die Wahrheit sprecht. Ihr habt aber schlimm bestanden, und ich weiß jetzt, was ich in Zukunft auf eure Worte zu geben habe.«
Die Herrschaften schämten sich ganz entsetzlich, und einige der mutigsten Hofherren wollten dem Maler zu Leibe. Doch der Landgraf wehrte es ihnen.
»Wir haben dem braven Mann viel zu danken,« äußerte er, »und ich will ihn reich belohnen.«
Noch in derselben Stunde erhielt der glückliche Eulenspiegel eine hübsche Reihe blanker Silbergulden von dem fürstlichen Rentmeister ausgezahlt, worauf er sich lustig und guter Dinge aus dem Staube machte.
* * *
Wie Eulenspiegel zu Prag auf der Hohen Schule disputierte und wohl bestand.
Der Schalksnarr hatte die Hofluft satt; deshalb hängte er den Kavalier an den Nagel und umgab sich mit dem Schein von Gelehrsamkeit.
Er zog von Marburg nach Prag ins Böhmerland und versuchte sich zum erstenmal darin, indem er sich für einen Doktor der Weltweisheit ausgab und an die Türen der Universität anschlagen ließ, daß er ein großer Meister sei, der über jede Frage Auskunft zu geben vermöge, selbst über solche, bei denen anderen Gelehrten der Flachs ausgehe.
Das ärgerte natürlich den Rektor, die Doktoren und Magister der Universität. Sie hielten Rat, wie sie es anstellen könnten, um Eulenspiegel Fragen vorzulegen, die er nicht lösen könne. Denn wenn er nicht auf alles antworten konnte, so durfte er sich auch nicht Doktor der Weltweisheit nennen, und sie konnten ihn dann mit Schimpf und Schande aus der Stadt jagen.
Endlich wurden sie einig.
Sie ließen Eulenspiegel durch den Pedell der Universität vorfordern, und der Rektor sollte die Fragen an ihn stellen. Eulenspiegel ließ ihnen sagen, er werde am andern Tage zur bestimmten Stunde erscheinen und hoffe, das Examen ebensogut zu bestehen wie alle früheren.
Am andern Tag versammelten sich alle Doktoren und Gelehrten im Universitätsgebäude.
Zuletzt kam Eulenspiegel, und zwar in Begleitung seines Wirts und einiger guter Freunde, damit er gegen einen etwaigen Überfall der Studenten gesichert sei.
Wie er in die Versammlung trat, mußte er sich auf einen Stuhl stellen, um von diesem erhöhten Standpunkt aus die vorgelegten Fragen zu beantworten.
Nachdem der Rektor das Examen durch einige einleitende Worte eröffnet hatte, tat er die erste Frage:
»Kannst du mir sagen, wieviel Ohm Wasser im Meer sind? Wenn du es nicht kannst, so werden wir dich als einen ungelehrten Anfechter der Wissenschaft verdammen und bestrafen. Antworte schnell!«
»Würdiger Herr Rektor,« begann Eulenspiegel, »heißet die andern Wasser stillestehen, die von allen Seiten in das Meer laufen, so will ich Euch messen und beweisen, wieviel Ohm das Meer faßt.«
Der Rektor stand beschämt da, denn die sämtlichen Wasser der Erde in ihrem Lauf zu hemmen, war selbst für den Rektor der Prager Universität ein zu schwieriges Werk. Er tat deshalb ohne Aufschub die zweite Frage.
»Sage mir, wie viele Tage sind verflossen von Adams Zeiten bis auf den heutigen Tag?«
»Nur sieben Tage,« gab Eulenspiegel zur Antwort, »und wenn die abgelaufen sind, so fangen sieben andere Tage an, und das geht so fort, bis zum Ende der Welt.«
Der Rektor ärgerte sich, daß auch dies den Examinanden nicht aus der Fassung gebracht hatte, und schritt zur dritten Frage.
»Sage mir, wo ist der Mittelpunkt der Welt?«
»Hier,« antwortete Eulenspiegel, indem er auf eine bestimmte Stelle des Saales hinwies, »und wenn Ihr es mir nicht glaubt, so laßt es mit einer Schnur ausmessen, und wenn nur eines Strohhalms Breite fehlt, so will ich unrecht haben.«
Da der Rektor das doch nicht ausmessen konnte, so schritt er zur nächsten Frage.
»Sag' an, wie weit ist's von der Erde in den Himmel?«
»Das ist nicht schwer zu bestimmen,« meinte Eulenspiegel, »wenn man hier auf Erden ist, so kann man es im Himmel hören. Steigt hinauf, Herr Rektor, in den Himmel, und ich will dann ganz sanft rufen, und wenn Ihr mich nicht hört, so will ich unrecht haben.«
Der Rektor kannte den nächsten Weg in den Himmel nicht, deshalb fragte er weiter.
»Wie groß ist der Himmel?«
»Tausend Klafter breit und tausend Ellenbogen hoch«, erwiderte Eulenspiegel. »Wenn Ihr es nicht glauben wollt, so nehmt Sonne, Mond und Sterne vom Himmel weg, und messet es recht genau, so werdet Ihr finden, daß ich recht habe.«
Was sollten die Herren dazu sagen? Eulenspiegel war ihnen allen zu gescheit, und sie mußten ihm recht geben.
* * *
Wie Eulen spiegel auf der Universität zu Erfurt einen Esel lesen lehrte.
Da unser Eulenspiegel aber ein unruhiger Kopf war, der nirgends lange aushielt, so verließ er auch Prag wieder und zog nach Erfurt, woselbst sich zu jener Zeit auch eine große und berühmte Universität befand.
Dort schlug er seinen Brief auch an.
Die gelehrten Herren an der dortigen Universität hatten viel gehört von seinem Examen zu Prag und beratschlagten, was sie ihm wohl aufgeben sollten, damit sie sich nicht auch so bloßstellten.
Endlich hatten sie was gefunden, von dem sie glaubten, das würde er doch trotz seiner Verschlagenheit nicht fertigbringen. Sie wollten nämlich einen Esel zu ihm in die Lehre tun, denn es gab damals viele Esel in Erfurt, alte und junge.
Sie luden Eulenspiegel vor, und der Rektor der Universität sprach zu ihm:
»Magister, Ihr habt in Eurem Briefe versprochen, Ihr wolltet jede Kreatur in kürzester Zeit lesen lehren. Wir wollen sehen, ob Ihr Euer Versprechen haltet, und einen jungen Esel zu Euch in die Lehre tun; getraut Ihr Euch, auch diesem die edle Lesekunst beizubringen?«
»O ja,« erwiderte Eulenspiegel, »nur muß ich für einen solchen Schüler etwas mehr Zeit haben, weil ein Esel doch eine gar zu dumme und unvernünftige Kreatur ist.«
Sie setzten also eine Zeit von zwanzig Jahren fest, in welcher er dem Esel das Lesen beigebracht haben müsse. Für ihn und seinen neuen Schüler wurde ein monatlicher Unterhaltsbetrag ausgesetzt. Das war Eulenspiegel genehm, denn er dachte: »Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Stirbt unterdessen der Rektor, geht mich der ganze Handel nichts mehr an; sterbe aber ich oder der Esel, so sind die Lesestunden sowieso vorbei.« Er nahm den Esel und kehrte in seine Herberge zurück.
Für seinen Schüler suchte er sich einen Stall aus und ließ sich einen alten Psalter geben, den er in die Krippe legte, und zwischen je zwei Blätter streute er etwas Hafer.
Das wurde der Esel gewahr und warf die Blätter mit dem Maul herum, um des anderen Hafers habhaft zu werden. Wenn er nun einmal zwischen den Blättern keinen Hafer fand, so wieherte er, und das klingt bei den Eseln bekanntlich wie »i–a, i–a.«
Wie Eulenspiegel das merkte, ging er zu dem Rektor und sagte:
»Herr Rektor, wann wollen Sie einmal Nachsehen, was mein Schüler für Fortschritte macht?«
»Ja, aber lieber Magister,« erwiderte der Rektor, »können Sie ihm denn wirklich etwas beibringen?«
»Es ist zwar schwer,« meinte Eulenspiegel, »und kostet große Mühe; allein ich habe so viel Fleiß und Arbeit darauf verwandt, daß er jetzt wirklich schon einige Vokale zu lesen vermag. Wenn Sie mit mir gehen wollen, so sollen Sie es selbst sehen und hören.«
Er hatte den Esel nun bis drei Uhr nachmittags fasten lassen. Wie da der Rektor mit einigen Magistern in den Stall kam, legte Eulenspiegel das Buch in die Krippe. Der Esel wandte gleich sämtliche Blätter nacheinander mit seinem Maule um, als er aber nirgends eine Spur von Hafer entdeckte, wieherte er mit lauter Stimme:
»I–a, i–a!«
»Sehen Sie, meine Herren,« erklärte Eulenspiegel, »die beiden Buchstaben i und a kann er jetzt. Die hat er nun zufällig in dem Buch gefunden und freut sich, seine Weisheit an den Mann bringen zu können. Ich hoffe, er soll noch einmal gut lesen lernen.«
Der Rektor starb in kurzer Zeit, und Eulenspiegel ließ den guten Esel bald darauf auch sterben. Er zog mit dem Gelde, das er als Vorschuß für den nächsten Monat empfangen, davon und dachte: »Was würde das für Fleiß brauchen, wenn du alle Esel in Erfurt klug machen solltest. Das wäre fast unmöglich, und also lasse ich es lieber bleiben.«
* * *
Wie Eulenspiegel den Frauen die alten Pelze wusch.
Eulenspiegel kam nun wieder ins Land Thüringen, in das Dorf Nugenstädten, und bat dort um eine Herberge. Die Wirtin fragte ihn, was er für ein Gesell wäre. »Ich bin kein Handwerksgesell,« antwortete Eulenspiegel, »sondern ich bin einer, der stets die Wahrheit sagt.« Die Wirtin antwortete: »Die beherberge ich gern und bin denen besonders freundlich gesinnt, die die Wahrheit sagen.«
Als Eulenspiegel nun seine Wirtin genau betrachtete, sah er, daß sie schielte, und sprach zu ihr: »Schielende Frau, wo soll ich sitzen, und wo soll ich meinen Ranzen und Stab hinlegen?«
»Ach, daß dir nimmer Gutes geschehe,« sprach die Wirtin; »all mein Lebtag hat mir noch niemand vorgeworfen, daß ich schiele.« »Ja, aber liebe Frau,« sprach Eulenspiegel, »soll ich allezeit die Wahrheit sagen, so darf ich auch das nicht verschweigen.«
Da lachte die Frau laut auf, war es zufrieden, und Eulenspiegel durfte die Nacht dableiben.
Es kam am Abend auch die Rede darauf, wie er alte Pelze gut zu waschen verstehe, und das gefiel der Frau wohl. Sie bat ihn, daß er ihren Pelz waschen möge; sie wolle es auch ihren Nachbarinnen sagen, daß sie ihre Pelze brächten; dann könnten sie alle zusammen gewaschen werden. Eulenspiegel war es zufrieden.
Als am Morgen die Frauen ihre Pelze brachten, sagte Eulenspiegel: »Wir müssen Milch haben. Ohne Milch würden wir die Pelze nimmer rein bekommen.«
Die Frauen hatten noch nie davon gehört, daß man Pelze in Milch zu waschen habe, aber sie glaubten dem Eulenspiegel, und alle Frauen holten nun Milch aus ihrem Hause. Eulenspiegel setzte drei große Kessel voll Milch auf, legte die Pelze hinein und ließ sie kochen.
Nach einiger Zeit sprach er zu den Frauen: »Nun holt mir junges, weißes Lindenholz her; streift es aber ab; ich will derweil die Pelze herausnehmen. Ich will sie dann auswaschen und tüchtig auswalken; dazu brauche ich das Holz; gekocht haben sie nun bald genug.«
Die Weiber liefen allesamt eilig nach dem Holze, und die Kinder begleiteten sie mit fröhlichem Gesange.
Eulenspiegel aber legte noch mehr Holz unter die Kessel und ging dann lachend davon. Als die Frauen nach längerer Zeit zurückkamen, war Eulenspiegel verschwunden, die Pelze aber waren alle so verbrüht, daß sie auseinanderfielen.
* * *
Wie Eulenspiegel die Scharwächter zu Nürnberg zum Laufen brachte.
Eine Zeitlang wanderte nun Eulenspiegel in den deutschen Landen ohne Zweck und Ziel herum. – Er besaß noch genug Geld, deshalb faßte er den Entschluß, sich erst von seinen Taten auszuruhen, und da es zu Nürnberg einen feinen Stoff Bier gab, Eulenspiegel aber ein großer Freund des edlen Gerstensaftes war, so verblieb er in jener Stadt. Zu jedem neuen Tage sagte er: »Guten Morgen, Feierabend!« und aß und trank nach Herzenslust.
Trotzdem konnte er die Schalkheit nicht aus sich verbannen, besonders da die Scharwächter, welche in einem großen, kastenähnlichen Bau unter dem Rathaus im Harnisch schliefen, und ihre dummen Gesichter ihn dazu reizten, irgendeinen Schabernack auszuführen. Er kannte zu Nürnberg Weg und Steg. Das Rathaus stand in der Nähe der Pegnitz, über welche eine alte Brücke führte. Diese wollte Eulenspiegel bei seinem Streich benutzen.
Er wartete, bis die Nürnberger Herren alle schlafen gegangen waren und die Stadt so still wie ausgestorben dalag. Wie er merkte, daß jetzt so leicht niemand in die Nähe kommen würde, brach er aus der Brücke drei Bohlen, so daß man schon ein guter Springer sein mußte, um über das entstandene Loch hinwegzukommen. Hierauf ging er vor das Rathaus, hieb mit einem alten Messer auf das Pflaster, daß die Funken umherstoben, und lärmte in ganz entsetzlicher Weise.
Wie die Wächter das hörten, liefen sie eilig auf Eulenspiegel zu, um ihn einzufangen; denn da die Nürnberger Herren ziemlich friedfertiger Natur waren, so hatten die Scharwächter wenig zu tun, und deshalb freuten sie sich, einmal einen guten Fang zu machen.
Eulenspiegel ließ sie ganz nahe herankommen und tat, als bemerke er sie gar nicht. Erst als sie nur noch einige Schritte von ihm entfernt waren, fing er an zu laufen, und gerade der bewußten Brücke zu. Die Scharwächter, die gehofft hatten, unbemerkt an ihn heranschleichen zu können, schimpften, was sie konnten, als sie dem leichtfüßigen Eulenspiegel in ihren schweren Harnischen nachsetzen mußten. Wie Eulenspiegel bei der Brücke ankam, nahm er einen gewaltigen Anlauf und kam glücklich über das von ihm selbst bereitete Loch. Drüben blieb er stehen und lachte die Scharwächter aus.
»O ihr Bösewichter,« schrie er zu ihnen hinüber, »ihr wollt Scharwächter sein? Man könnte ja die ganze Stadt wegtragen, und ihr würdet den Dieb doch nicht einfangen. Na, wartet, wenn ich erst einmal Bürgermeister von Nürnberg bin, werdet ihr alle abgesetzt.«
Durch diese Worte in die höchste Wut versetzt, achteten die Wächter nicht auf den Weg, sondern stürzten blindlings auf Eulenspiegel zu.
Doch plötzlich verschwanden sie sämtlich von der Bildfläche, und man hörte nur ein Wut- und Jammergeheul, das von den ins Wasser gefallenen Wächtern herrührte. Eulenspiegel stand oben am Ufer und rief:
»Ja, warum lauft ihr denn nicht? Ist das euer Amtseifer? Ihr hättet übrigens nicht so zu jagen brauchen; zu diesem Bad wäret ihr doch noch früh genug gekommen.«
Wie er aber sah, daß einige der Scharwächter, die sich inzwischen aus dem Wasser herauszuarbeiten versucht hatten, Anstalten machten, das Ufer zu erklimmen, lief er eilends fort, denn er dachte, das Nürnberger Gericht könne diesen Spaß vielleicht nicht so ganz harmlos finden und ihn am Ende eine nähere Bekanntschaft mit Wasser und Brot machen lassen, und dazu fühlte er wenig Neigung.
* * *
Wie Eulenspiegel zu Bamberg für sein Essen noch Geld verlangte und umsonst aß.
Es gelang unserm Schelm wirklich, den Nürnberger Scharwächtern, die ihn so pudelnaß, wie sie aus dem Wasser der Pegnitz herausgestiegen waren, wütend verfolgten, glücklich zu entkommen, und er wanderte nach Bamberg, wo er sehr hungrig anlangte.
Er kehrte im ersten Wirtshaus ein, bei einer Wirtin, die hieß Frau Künojine.
»Kann ich etwas zu essen haben?« fragte er sie, nachdem er es sich in der Wirtsstube bequem gemacht.
»Bei mir kann man alles haben,« lautete der Bescheid.
»Ich bin ein armer Gesell,« erwiderte Eulenspiegel, »und hoffe, daß Ihr mir aus christlicher Nächstenliebe etwas zu essen geben werdet.«
»Da irrt Ihr Euch gewaltig,« meinte die Wirtin, »der Fleischer und Bäcker geben mir auch nichts umsonst, ich muß ihnen mein gutes Geld dafür zahlen. Also kann ich auch nur gegen Geld etwas abgeben.«
»Nun, ich kann auch für Geld essen,« sagte Eulenspiegel »Für wieviel soll ich denn essen?«
»An der Herren Tisch für 24 Pfennig,« antwortete die Frau, »an der Bürgertafel für 18 Pfennig und am Gesindetisch für 12 Pfennig.«
»Frau, das meiste Geld dient mir am besten,« erwiderte Eulenspiegel und setzte sich an die Herrentafel.
Nachdem er sich satt gegessen und getrunken hatte, sagte er zur Wirtin:
»Liebe Frau, ich bin jetzt fertig; wir wollen abrechnen, denn ich habe nicht viel Zeit zu verlieren.«
»Da ist nicht viel zu rechnen,« meinte die Wirtin, »gebt für Eure Mahlzeit die 24 Pfennig, so sind wir fertig miteinander.«
»Nein,« rief Eulenspiegel, indem er vom Tisch aufstand, »so war's nicht ausgemacht. Ihr müßt mir 24 Pfennig geben, so habt Ihr's versprochen. An der Tafel ißt man für 24 Pfennig, habt Ihr mir gesagt; das habe ich natürlich so verstanden, daß ich für meine Mühe, die ich mit dem Essen gehabt, 24 Pfennig verdienen solle. Und wahrhaftig, Frau, ich habe das Geld redlich verdient, denn ich habe gegessen, daß mir der Schweiß ausgebrochen ist, und wenn es sich um Leib und Leben gehandelt hätte, ich hätte wirklich nicht mehr fertiggebracht. Darum gebt mir aber auch meinen sauer verdienten Lohn.«
»Ja, das muß wahr sein,« sagte die Wirtin, »Ihr habt für drei Mann gegessen. Wie ich aber dazu kommen soll, Euch dafür noch zu bezahlen, das verstehe ich nicht. Aber so viel merke ich schon, daß es um die Mahlzeit getan ist, und Ihr mögt meinetwegen damit weggehen. Aber Geld gebe ich Euch keins, das braucht Ihr Euch nicht einzubilden. Kommt mir nur ja nicht wieder; denn wenn ich viele Gäste hätte wie Euch, so müßte ich Haus und Hof verlassen.«
Eulenspiegel schied von der Wirtin, ohne gerade bei ihr ein angenehmes Andenken hinterlassen zu haben.
Der Schalksnarr war im Deutschen Reich kein Unbekannter mehr, sondern sein Name berüchtigt, und er selbst gefürchtet. Jedermann hütete sich vor Till Eulenspiegel.
Dies brachte ihn allmählich in große Bedrängnis, da es nunmehr für ihn schwer hielt, durch Narretei seinen Unterhalt zu verdienen. Ein Handwerk verstand er nicht, Schulkenntnisse besaß er keine; was sollte er da anfangen?
Ein anderer an seiner Stelle würde wohl den Kopf haben sinken lassen; doch Eulenspiegel behielt ihn aufrecht.
»Ich muß einen Abstecher in ein fremdes Land machen,« sagte er zu sich; »inzwischen vergessen die guten Deutschen wohl mich und meinen Namen, denn sie haben doch sicherlich an Wichtigeres zu denken, als an einen so armen Schalksnarren, wie ich bin. Ich habe mir sagen lassen, daß es in Italien sehr schön sein soll. Will einmal meine Spazierhölzer dorthin führen.«
Gesagt, getan. –
Er schnitt sich einen frischen Wanderstab und marschierte auf Schusters Rappen über die Alpen nach dem Lande der Feigen, Datteln und Apfelsinen.
* * *
Eulenspiegel in Italien; er kommt zum Papst nach Rom.
Er ahmte die Lazzaroni, die italienischen Bettler, nach, welche auch von nichts leben und den lieben Gott sorgen lassen, – und so focht er sich durch bis nach Rom, wo er eine Herberge bezog.
Die Wirtin, eine freundliche Witwe, fragte ihn, wo er her wäre.
»Ich bin aus Sachsen,« antwortete Eulenspiegel, »und bin nach Rom gekommen, um bei dem Papst zu Worte zu kommen.«
»Den Papst könnt Ihr wohl sehen, lieber Freund,« sagte die Frau, »aber mit ihm sprechen, das wird Euch nicht gelingen. Ich bin hier in Rom geboren und erzogen, habe aber noch nie mit dem Papste reden können, und ich gäbe doch 100 Dukaten darum, wenn ich ihn sprechen dürfte.«
»Wirklich?« fragte Eulenspiegel, »wenn ich das Glück hätte, Euch zu einer Unterredung mit dem Papst zu verhelfen, würdet Ihr mir dann die 100 Dukaten geben?«
Die Frau versprach es, sagte ihm aber, daß es unmöglich sei, das zustande zu bringen.
»Aber wenn ich es fertigbringe, so bekomme ich die 100 Dukaten?« fragte Eulenspiegel nochmals.
»Ja,« antwortete die Frau, dachte aber bei sich: »Du bist noch lange nicht beim Papst, und ich bin's auch nicht.«
In der Kapelle Jerusalem, die zu St. Johannes Lateran liegt, las der Papst alle vier Wochen die Messe. Dorthin ging Eulenspiegel. Bei der Stillmesse drehte er den Rücken gegen den Papst. Das bemerkten die Kardinale und sagten es diesem.
»Bringt diesen Menschen zu mir,« befahl der Heilige Vater, »denn, wenn er so etwas wagen kann, so ist er, scheint es, kein guter Christ, und dann darf er seiner Strafe nicht entgehen.«
Eulenspiegel wurde herbeigeholt und vor den Papst geführt.
»Was bist du für ein Mann?« begann dieser das Verhör.
»Ich bin ein guter Christenmensch,« antwortete Eulenspiegel.
»Was hast du für einen Glauben?«
»Ich habe solchen Glauben, wie meine Wirtin hat.«
Da befahl der Papst, daß die Frau auch vorkommen solle.
Wie sie erschien, wurde sie auch gleich befragt:
»Was hast du für einen Glauben?«
»Ich habe den Christenglauben und glaube, was die christliche Kirche befiehlt und verbietet. Sonst habe ich keinen Glauben,« sagte sie.
Eulenspiegel kniete nieder und sprach:
»Allergnädigster Vater, den nämlichen Glauben habe ich auch; ich bin ein guter Christ.«
»Aber warum kehrst du denn dem Altar in der Stillmesse den Rücken zu?« fragte ihn der Papst.
»Allerheiligster Vater,« antwortete Eulenspiegel, »ich bin ein großer Sünder, und ich glaubte nicht würdig zu sein dazu, bis ich meine Sünden gebeichtet.«
Dessen war der Papst zufrieden und entließ Eulenspiegel in Gnaden. Dieser kehrte mit seiner Wirtin nach der Herberge zurück.
Als er mit ihr wieder zu Hause angelangt war und sich an Speise und Trank erquickt und sich über vieles unterhalten hatte, was sie in der Kirche gesehen, streckte Eulenspiegel der Frau seine leere Hand entgegen.
»Nun, wollt Ihr mir jetzt meine 100 Dukaten geben? Ich habe geleistet, was ich Euch dagegen versprochen habe. Oder habt Ihr etwa nicht mit dem Papste gesprochen? Gebt mir nun, was Ihr mir zugesagt, denn jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert.«
Die Frau, welche recht vermögend war, mußte lachen.
»So hatte ich's freilich nicht gemeint,« sagte sie. »Von dieser Unterredung habe ich wenig gehabt, und die paar Worte sind etwas teuer bezahlt. Aber ich habe es nun einmal versprochen, und will Euch Euer Geld nicht vorenthalten. Hier habt Ihr Euren Lohn.«
Und damit zahlte sie ihm die zugesagten 100 Dukaten.
Eulenspiegel bedankte sich aufs höflichste. Dann verließ er Rom und kehrte, nicht viel gebessert, nach der Heimat zurück.
* * *
Wie Eulenspiegel ohne Geld zu Hühnern kommt.
Wiewohl Till Eulenspiegel nicht ohne Besorgnis nach Deutschland zurückgekehrt war, daß es ihm jetzt wohl schwer fallen dürfte, durch Narrenspossen sein Leben zu fristen, so überzeugte er sich doch sehr bald davon, daß die Dummheit in der Welt nicht ausstirbt.
Er langte zu Quedlinburg an, als dort gerade der Wochenmarkt abgehalten wurde.
In seinem Geldbeutel sah es recht leer aus, und der Schalk dachte eben darüber nach, was er wohl tun müsse, um ihn wieder zu füllen, als sein Blick auf eine Bauersfrau fiel, die einen Korb voll schöner Hühner und einen Hahn feilbot.
»Was kostet das Paar?« fragte Eulenspiegel, indem er sich dem Korbe näherte.
»Das Paar zwei Stephansgroschen,« lautete der Bescheid.
»Gebt Ihr sie nicht billiger?« forschte Eulenspiegel weiter.
»Nein.«
Der Schalk nahm den Korb mit den Hühnern und dem Hahn und ging dem Burgtore zu. Die Frau lief ihm nach und rief:
»Halt, halt, wie soll ich das verstehen? Wenn du meine Ware haben willst, mußt du sie auch bezahlen.«
»Das versteht sich doch von selbst,« erwiderte Eulenspiegel, stehenbleibend. »Ich bin der Schreiber der Äbtissin.«
»Danach frage ich nicht,« entgegnete die Bäuerin ziemlich ungehalten. »Willst du die Hühner haben, so bezahle sie; ich mag weder mit dem Abt noch mit der Äbtissin zu tun haben. Mein Vater hat mich gelehrt, Leuten, vor denen man sich neigen und die man verehren muß, niemals zu borgen. Also sei so freundlich und bezahle die Hühner, oder gib sie mir wieder her. Hörst du wohl?«
»Aber Frau, wer wird so mißtrauisch sein?« gab Eulenspiegel zurück. »Ich will ja nur nach Hause, um das Geld für Euch zu holen. Doch damit Ihr mir ganz sicher sein könnt, so nehmt hier den Hahn zum Pfand.«
Die Frau ließ sich betören. Natürlich kam Eulenspiegel nicht wieder, und die Frau mußte ohne Hühner und ohne Geld nach Hause zurückkehren.
* * *
Wie Eulenspiegel ein schönes Pferd erlistete.
Der Schalksnarr verließ nach diesem neuen Streich Quedlinburg. Er kam nach dem Dorfe Kyssenbrück, und dort gelang es ihm, seine Beute zu Geld zu machen. Lustig und guter Dinge zog er hierauf in das Wirtshaus ein.
Dort vernahm er, daß der Herzog von Braunschweig im Orte sei und, von einem Jagdausflug zurückgekehrt, im Kruge übernachten wolle. Es zeigte sich jedoch, daß der Herzog nur in dem Dorfe blieb, weil er auf das Pferd des Pfarrers ein Auge geworfen. Es war dies ein allerliebster Litauer, mit hübscher Zeichnung am Kopf, Rücken und Beinen. Der Herzog wünschte das schmucke Reitpferd zu besitzen und hatte den Pfarrer durch andere Leute schon oft bitten lassen, es ihm zu verkaufen; er wolle ihm mehr geben, als es wert sei; allein dieser mochte nichts von diesem Handel wissen; er wollte es um keinen Preis hingeben, denn es war ihm sehr lieb.
Kaum hatte Eulenspiegel das vernommen, so ging er zum Fürsten und sagte ihm:
»Gnädiger Herr, was gebt Ihr mir, wenn ich Euch das Pferd des Pfarrers verschaffe?«
»Wenn du das fertigbringst,« rief der Herzog erfreut, »so sollst du den Rock, den ich eben anhabe, bekommen.«
Es war dies ein prachtvolles, mit Perlen gesticktes Jagdkleid. Des war Eulenspiegel zufrieden und ging in das Haus des Pfarrers. Da er diesen von früher her kannte, wurde er freundlich aufgenommen.
Wie er drei Tage dagewesen war, stellte er sich, als ob er krank wäre, legte sich zu Bett und klagte über heftige Schmerzen. Der Pfarrer und dessen Magd hatten großes Mitleid mit ihm, wußten sich aber keinen Rat. Zuletzt wurde Eulenspiegel so krank, daß ihn der Pfarrer ermahnte, zu beichten. Er war des zufrieden und tat es.
Nach vollendeter Beichte fragte ihn der Pfarrer, ob er nun nichts mehr zu gestehen habe.
»Ich weiß nichts mehr, was ich getan haben könnte,« antwortete Eulenspiegel mit matter Stimme, »nur ein Geheimnis kenne ich noch, das darf ich Euch aber nicht anvertrauen, denn Ihr würdet böse werden. Holt mir einen andern Pfarrer.«
»Lieber Eulenspiegel,« erwiderte der Angeredete, der sehr neugierig war, das Geheimnis kennenzulernen, »der Weg ist weit; ich kann meinen Amtsbruder nicht so bald. herbeiholen, und wenn du während dieser Zeit stirbst, so hast du, hab' ich die Schuld, wenn du nicht alles gebeichtet hast. Sage mir nur das Geheimnis, das dich drückt. Was könnte es mir helfen, wenn ich böse würde? Ich darf ja doch deine Beichte nicht melden.«
»So will ich es Euch denn beichten,« sagte Eulenspiegel. »Die Sünde ist auch nicht so schwer; es ist mir nur leid, daß Ihr zornig werdet, denn es betrifft Euch.«
Da verlangte der Pfarrer noch mehr, es zu wissen, und er sprach, wenn er ihm etwas gestohlen oder sonst Schaden getan hätte, solle er es nur beichten, er wolle es ihm vergeben. »Ach, lieber Herr,« sagte der Schelm, »ich weiß, daß Ihr darum zürnen werdet, doch ich empfinde, daß ich bald von hinnen scheiden muß, darum will ich es Euch sagen.« Und indem er seinen Mund dem Ohre des Pfarrers näherte, flüsterte er leise: »Eure Magd ist unehrlich und betrügt Euch.«
Der Pfarrer schrak zurück und schüttelte ungläubig das Haupt.
»Es ist so, wie ich sage,« fuhr der Schalk fort. »Ich habe die Magd belauscht, da ich noch gesund war, und gesehen, wie sie den Weinkeller und das Speisegewölbe plünderte. Ich wollte sie aber nicht verraten, trotzdem es mir leid tat, daß sie Euch um die schönen Schinken und Würste, die im Rauchfang hängen, betrog. Da es jedoch leicht sein kann, daß mein letztes Stündchen naht, so will ich nicht länger der Mitwisser eines so schlimmen Geheimnisses sein. Meine Beichte ist nun zu Ende.«
Der Pfarrer belobte Eulenspiegel wegen seiner Ehrlichkeit, ging aber gleich nachher zum Zimmer hinaus, und der lauschende Schalksnarr vernahm, wie er die Magd wegen ihrer Unehrlichkeit zur Rede stellte.
Das arme Mädchen begann zu heulen und beteuerte seine Unschuld, doch der Pfarrer geriet in Zorn und hieß es sein Bündel packen.
Am andern Morgen erhob sich Eulenspiegel ganz gesund aus seinem Bett, trat vor den Pfarrer hin und sagte zu ihm, daß er wieder wohlauf sei.
»Wohin willst du dich nun wenden?« fragte der geistliche Wirt, nicht ohne Verwunderung über die schnelle Genesung seines Gastes.
Eulenspiegel trat dicht an ihn heran und erwiderte ingrimmig: »Nach Halberstadt, um Euch dort beim Bischof zu verklagen.«
»Mich – bei dem Bischof?« fragte der Pfarrer wie im Traum. »Und weshalb?«
»Weil Ihr das Beichtgeheimnis verletzt habt,« lautete Eulenspiegels Bescheid.
Jetzt erschrak der gute Pfarrer erst recht, denn dadurch, daß er der Magd die Aussage seines Gastes, welche dieser ihm gebeichtet, mitgeteilt, hatte er sich in der Tat eines Vergehens schuldig gemacht und große Strafe zu gewärtigen. Er beschwor daher Eulenspiegel, zu schweigen; er wolle ihm auch 20 Gulden geben.
»Und wenn Ihr mir 100 Gulden geben wolltet,« erwiderte der Schalk, »ich würde es doch anzeigen.«
Der Pfarrer bat in der höchsten Angst, er möchte doch sagen, was er für sein Stillschweigen verlange.
»Gebt mir Euer Pferd,« gab Eulenspiegel zur Antwort, »so will ich meinetwegen schweigen.«
Der Pfarrer hatte zwar sein Pferd sehr lieb und hätte lieber seine ganze Barschaft hergegeben als dieses, aber die Not brachte ihn dazu. So gab er es denn Eulenspiegel mit schwerem Herzen, dieser aber ritt fort nach Wolfenbüttel.
Wie er auf dem Damme anlangte, sah er den Herzog auf der Zugbrücke stehen. Kaum hatte dieser den Schalksnarren mit dem ersehnten Pferde erblickt, so zog er auch schon den Rock aus und ging damit Eulenspiegel entgegen.
»Hier ist der Rock, den ich dir versprochen,« redete er ihn an.
»Gnädiger Herr,« antwortete Eulenspiegel, »hier ist Euer Pferd.«
Er mußte nun dem Herzog erzählen, auf welche Weise er zu dem Tier gekommen sei. Der Fürst lachte und freute sich so sehr über die Schalkhaftigkeit Eulenspiegels, daß er ihm zu seinem Rock noch ein Pferd schenkte.
Der Pfarrer aber kam nach einiger Überlegung, und da ihn das schnelle Gesundwerden des Gastes und sein weiteres Verhalten stutzig gemacht hatte, doch zu der Überzeugung, daß er von Eulenspiegel hinter das Licht geführt worden sei, und sagte zu der Magd, die ihm schon viele Jahre treu gedient:
»Ich glaube doch, daß du ein ehrliches Mädchen bist und der Eulenspiegel dich nur bei mir verleumdet hat, um mein liebes, schönes Pferd zu bekommen. Er ist ein Schalksnarr, vor dem man sich hüten muß!«
* * *
Eulenspiegel verdingt sich als Schmiedeknecht.
Da Eulenspiegels Schelmenstreiche so gut ausgefallen waren, trug er den Kopf wieder aufrecht und zog in deutschen Landen aufs neue umher. Zu Rostock in Mecklenburg verdingte er sich als Schmiedeknecht. Der Schmied, bei welchem er war, hatte die Angewohnheit, wenn der Knecht recht tüchtig mit den Bälgen blasen sollte, zu sagen:
»Ho, ho, folg' mit den Bälgen!«
Eulenspiegel stand eines Tages vor den Bälgen und blies. Dem Schmied war es aber noch nicht kräftig genug, deshalb ließ er Eulenspiegel hart an und rief:
»Ho, ho, folg' mit den Bälgen!«
Nach diesen Worten ging er in den Hof, um ein glühendes Stück Eisen auskühlen zu lassen.
Eulenspiegel nahm einen Balg auf die Schulter, ging dem Meister in den Hof nach und sagte:
»Hier, Meister, bring' ich den einen Balg; sagt nur, Wo ich, ihn hintun soll, ich will dann gleich auch den zweiten holen.«
Der Schmied ärgerte sich, verbiß aber seinen Zorn.
»So habe ich es nicht gemeint,« antwortete er in möglichst ruhigem Ton, »geh' wieder in die Werkstatt und lege den Balg an seinen früheren Platz.«
Während des ganzen Tages dachte er darüber nach, wie er das wohl dem Eulenspiegel heimzahlen könne. Endlich war er mit sich einig. Er beschloß, die beiden Knechte fünf Nächte lang immer um Mitternacht zu wecken und arbeiten zu lassen. Das tat er denn auch, und wie ihn Eulenspiegel fragte, warum sie schon um Mitternacht an die Arbeit gehen müßten, antwortete er:
»Das ist bei mir Sitte. Jeder neue Knecht darf die ersten fünf Nächte nicht länger auf seinem Bett ruhen, als bis Mitternacht.«
Eulenspiegel schwieg still. Wie sie aber die nächste Nacht wieder um zwölf Uhr aufstehen mußten, blieb er etwas hinter dem andern Knecht zurück, band sich sein Unterbett auf den Rücken und kam dann und hämmerte auf das heiße Eisen, daß die Funken davonstoben.
»Was machst du denn da wieder?« fragte der Meister ärgerlich. »Bist du verrückt geworden? Laß doch das Bett liegen, wo es hingehört.«
»Zürnet nicht, Meister,« antwortete Eulenspiegel, »das ist meine Sitte; wenn ich die halbe Nacht auf dem Bette liege, so soll dann das Bett die andere halbe Nacht auf mir liegen.«
»Du bist ein Schalk,« rief der Meister zornig. »Dich kann ich nicht gebrauchen. Hebe dich mir oben aus dem Haus, und das augenblicklich!«
»Gern,« sagte Eulenspiegel und entfernte sich. Er ging auf den Boden und legte das Bett an seinen Platz. Dann nahm er eine Leiter, stieg hinauf und durchbrach das Dach. Er ging nun auf dem Dache auf den Latten, zog die Leiter nach und erreichte mit Hilfe dieser die Straße. Hierauf entfernte er sich.
Der Schmied hörte vom Boden ein Gepolter, und wie er nun mit seinem Knecht hinaufstieg, sah er, daß Eulenspiegel das Dach aufgebrochen hatte und durchgestiegen war. Er wurde zornig und wollte ihm nacheilen, um ihn zur Rede zu stellen; doch sein Knecht griff ihn am Arm und sagte:
»Meister, laßt Euch raten. Ihr könnt ihm nichts anhaben, denn er hat nur getan, was Ihr ihm befohlen habt. Ihr sagtet zu ihm, er solle oben aus dem Hause gehen. Das hat er nun getan, wie Ihr seht.«
Was wollte der Schmied machen? Er mußte sich in sein Schicksal ergeben und das Dach wieder herstellen lassen.
Eulenspiegel wußte zwar nicht, wohin er sich wenden solle; allein da ihm noch nie um seinen Unterhalt bange gewesen war, so wanderte er einfach geradeaus. »Es wird sich schon etwas finden,« dachte er.
* * *
Eulenspiegel nimmt noch bei zwei andern Schmieden Arbeit.
Im ersten Dorfe, in das er kam, wohnte wieder ein Schmied, und diesen bat er, ihn als Knecht aufzunehmen. Der Meister wollte ihn aber nicht gern dingen, da er nicht viel zu arbeiten habe. Das war Eulenspiegel aber gerade recht, und er versprach, er wolle essen, was sonst kein Mensch essen möchte.
Damit war der Schmied zufrieden, und sie fingen zusammen an zu arbeiten.
Als es Zeit zum Mittagessen war, führte der Schmied Eulenspiegel zu einem Schweinetrog im Hofe und äußerte zu ihm:
»Du sagtest, du wolltest essen, was kein Mensch essen möchte; das hier darfst du nun alles verzehren. Guten Appetit!«
Damit ging er spöttisch lachend ins Haus, um sein Mittagbrot einzunehmen. Eulenspiegel antwortete gar nichts, sondern arbeitete ruhig bis zum Abend. Wie er nun zu Bett gehen wollte, sagte der Schmied zu ihm:
»Steh' morgen früh auf, und schmiede eins an das andere, was du hast, und haue Hufnägel ab, so lange, bis ich aufstehe.«
Als Eulenspiegel am andern Morgen sich erhob, sagte er halblaut vor sich hin:
»Das sollst du mir bezahlen, bester Meister, daß du mich hast gestern arbeiten lassen, ohne mir etwas zu essen zu geben, und mich noch dazu an den Schweinetrog geführt hast. Warte nur, das sollst du noch bereuen.«
Er ging in die Werkstatt und machte ein tüchtiges Feuer an. Dann nahm er Hammer, Zange, Feuer- und Sperrhaken und schweißte sie zusammen zu einem großen Klumpen. Den Hufnägeln hieb er die Köpfe ab und schmiedete sie auch zusammen. Wie er hörte, daß der Meister aufstand, machte er sich eilig davon.
Dieser trat in die Werkstatt, traute aber seinen Augen kaum, als er sah, was Eulenspiegel angerichtet. Er rief zornig die Magd und fragte sie, wo der Knecht hingegangen wäre.
»Er ist fortgegangen,« antwortete diese, »aber an die Tür hat er etwas hingemalt, das sieht aus wie eine Eule.«
Der Schmied ging hinaus und sah da eine Eule und einen Spiegel, und darunter stand: hic fuit. Das heißt auf deutsch: Hier ist er gewesen. Das war nämlich Eulenspiegels Gewohnheit. Wo er irgendeinen Streich ausführte, und man kannte ihn nicht, da zeichnete er das an die Tür. Der Schmied wußte nicht, was das bedeuten sollte, und ging deshalb zum Pfarrer. Dieser kam mit dem Schmied vor dessen Haus und sah die Schrift und das Gemalte.
»Das bedeutet so viel als: hier ist Eulenspiegel gewesen,« erklärte er dem Meister. »Das hättet Ihr mir aber auch sagen können; denn ich habe schon so viel von diesem Schalk gehört, daß ich ihn gern einmal gesehen hätte.«
»Wie sollte ich Euch denn das sagen; da ich doch nicht wußte, daß es Eulenspiegel war, der sich bei mir hat als Knecht aufnehmen lassen?« entgegnete der Schmied ärgerlich. »Jetzt weiß ich freilich, daß er dagewesen ist; das sehe ich schon an meinem Handwerkszeug. Oh, wäre er doch nie zu mir gekommen.«
Mit diesen Worten nahm er den Kohlenpinsel und wischte die Zeichnung Eulenspiegels weg.
Unterdessen ritt der Schalk weiter und kam nach Wismar an einem heiligen Tage. Da sah er eine saubere Frau mit ihrer Magd vor der Türe stehen; es war die Frau des Schmiedes.
Er bezog die Herberge gerade gegenüber der Schmiede. In der Nacht brach er seinem Pferde alle vier Hufeisen ab und führte das Tier am andern Morgen vor die Werkstatt. Als er den Schmied fragte, ob er ihm sein Pferd beschlagen wollte, erkannte dieser den Eulenspiegel; es war ihm lieb, mit dem vielberedten Manne sprechen zu können, und er rief schnell nach seiner Frau und Magd, sie sollten kommen und sich den Till Eulenspiegel, der schon so viele lustige Streiche ausgeführt hätte, ansehen. Wie diese herbeigekommen waren, sprach der Schmied zu Eulenspiegel:
»Wenn Ihr mir ein Wort sagen könnt, das wirklich wahr ist, so will ich Eurem Pferd ein Hufeisen schenken.«
»Gern,« antwortete Eulenspiegel. »Paßt auf:
Wenn Ihr habt Eisen und Kohlen
Und könnt Wind in den Balg holen,
So könnt Ihr wohl schmieden.«
»Wahrhaftig, das ist wahr,« meinte der Schmied und gab ihm ein Hufeisen. »Wenn Ihr jetzt noch meinem Knecht, meiner Frau und der Magd jedem eine Wahrheit sagt, so sollt Ihr für jede auch ein Hufeisen bekommen, und der Knecht soll sie ohne Belohnung Eurem Pferde aufschlagen.«
Dessen war Eulenspiegel zufrieden und wandte sich zum Knecht:
»Ein Schmiedknecht und sein Gesell,
Die müssen beide hart stehen,
Wenn sie wollen zu Werke gehen.«
»Das ist schon richtig,« meinte der Knecht, während Eulenspiegel, zur Frau gewandt, in die prophetischen Worte ausbrach:
»In der Nacht, wenn's finster ist,
Sind alle Katzen grau,
Und wenn der Mann die Gattin küßt,
So küßt er seine Frau.«
Auch die Wahrheit dieses Ausspruchs wurde von allen bestätigt, und Eulenspiegel sprach zur Magd:
»Der dich um eine Wohltat bat,
Das war ein armer Tropf,
Und wer den ganzen Ochsen hat,
Hat auch den Ochsenkopf.«
»Ihr habt Eure Hufeisen wohl verdient, Eulenspiegel,« rief der Schmied, indem er dem Schalk auf die Schulter klopfte, »und der Jakob soll sie gleich Euerm Pferde aufschlagen.«
Nachdem dies geschehen, stieg Eulenspiegel auf, sagte dem Schmied und seiner Familie Lebewohl und ritt davon, sich höchlichst darüber freuend, daß sie nicht einmal gemerkt hatten, wie sehr er sie zum besten gehabt.
* * *
Wie Eulenspiegel als Schuhmacher arbeitete
Es war in Stade, wohin Eulenspiegel nun auf seiner Wanderung kam, ein Schuhmachermeister, der schlenderte viel lieber auf dem Markt herum, als daß er selbst arbeitete.
Als Eulenspiegel bei ihm in Arbeit getreten war, hieß er ihn Leder zuschneiden und antwortete auf die Frage, welche Form es haben solle: »Schneide zu, groß und klein, wie es der Hirt zum Tore hinaustreibt.«
Als nun der Meister ausging, schnitt Eulenspiegel zu und machte aus dem Leder Ochsen, Kälber, Schafe, Ziegen und Böcke und allerlei Getier. Spät abends kam der Meister heim und wollte sehen, was sein Geselle zugeschnitten hätte. Er ward sehr böse und sprach zu Eulenspiegel: »Was hast du gemacht! Warum hast du das Leder so unnützlich zerschnitten?«
»Lieber Meister,« sprach Eulenspiegel, »ich habe es gemacht, wie Ihr mir gesagt habt. Ihr sagtet mir ja, ich sollte von dem Leder schneiden klein und groß, wie es der Hirte zum Tore hinaustreibt; das hab' ich getan, wie Ihr offenbar seht.«
Der Meister sprach: »Ich meinte das so, es sollten kleine und große Schuhe werden; das solltest du nähen, einen durch den anderen.«
»Hättet Ihr mich das geheißen,« sprach Eulenspiegel, »ich hätte es gern getan, und täte es noch gern.«
Nun, der Meister vertrug sich mit seinem Gesellen; er vergab ihm das Zuschneiden, und Eulenspiegel gelobte sich, er wolle es nun machen, wie jener es haben wolle, wenn er es ihm nur recht sage.
Der Schuhmacher schnitt Sohlen, legte sie Eulenspiegel vor und sagte: »Sieh' her, nähe die kleinen mit den großen, einen durch den andern.«
Eulenspiegel nahm einen kleinen und einen großen Schuh und nähte sie zusammen. Da sprach der Meister: »Du bist mir ein rechter Geselle, du tust alles, was ich dich heiße!« Eulenspiegel sprach: »Wer tut, was man ihn heißt, der wird nicht geschlagen, wenn es anders möglich zu tun ist.« Der Meister sprach: »Ja, mein lieber Geselle, so ist es; meine Worte waren also, aber meine Meinung war nicht also. Ich meinte, du solltest ein Paar große Schuhe fertig machen, und danach ein Paar kleine. Du tust nach den Worten und nicht nach der Meinung.
Und der Meister ward zornig, nahm ihm das zugeschnittene Leder fort, gab ihm ein anderes und sagte: »Hier, schneide die Schuhe über einen Leisten.«
Da er ein nötiges Geschäft zu besorgen hatte, ging er aus, aber unterwegs fiel ihm ein, daß er ja seinen Gesellen geheißen habe, die Schuhe über einen Leisten zu schneiden. Böses ahnend, eilte er nach Hause und fand da, daß Eulenspiegel indessen alles Leder über einen kleinen, linken Leisten geschnitten habe.
»Gehört zu dem linken Schuh kein rechter?« fragte er erzürnt.
»Ja,« sagte Eulenspiegel. »Wenn Ihr das noch haben wollt, so will ich sie wohl zusammenbringen und den rechten nachschneiden. Aber Ihr hießet mich, sie über einen Leisten zu schneiden.«
Als nun der erzürnte Meister verlangte, Eulenspiegel solle ihm das Leder bezahlen, das er verdorben habe, ging Eulenspiegel zur Tür und sprach: »Komme ich nicht wieder, so bin ich hier gewesen,« und war verschwunden.
Als er bei einem neuen Meister schon einige Tage gearbeitet hatte, ging dieser auf den Markt und kaufte eine Fuhre Holz. Er versprach dem Bauern eine Suppe, und dieser führte ihm dafür die Ladung vor das Haus. Da der Meister niemand zu Hause fand als Eulenspiegel – Frau und Magd waren ausgegangen –, er selbst aber noch einmal auf den Markt mußte, so bat er den Schalk, dem Bauer eine Suppe zurechtzumachen. Eulenspiegel sagte zu, der Landmann warf sein Holz draußen ab und kam dann ins Haus.
Unterdessen hatte Eulenspiegel Brot in die Schüssel geschnitten und die Suppe fertiggemacht; nur konnte er nirgends Butter oder Fett entdecken; so ging er denn zu dem Behälter, in welchem der Fischtran aufbewahrt wurde, und begoß dem Bauern die Suppe damit.
Dieser aß und hatte so großen Hunger, daß er es kaum bemerkte, wie sehr die Suppe stank. Als er damit fertig war, kam der Schuhmacher und fragte:
»Nun, Bauer, wie hat's geschmeckt?«
»Ganz gut,« antwortete dieser, »nur hat es einen Nachgeschmack wie neue Schuhe.« Nach diesen Worten verließ er das Haus.
Da lachte der Schuhmacher und fragte Eulenspiegel, womit er dem Bauer die Suppe begossen habe.
»Ihr sagtet mir,« erwiderte der Gefragte, »ich solle nehmen, was ich habe; ich fand nirgends Fett, da nahm ich etwas von dem Fischtran.«
»Nun, es ist gut,« meinte der Schuhmacher, »wenn's dem Bauern nur geschmeckt hat.«
* * *
Wie Eulenspiegel sich ein Paar Schuhe spicken ließ.
Auf dem Kohlenmarkt zu Braunschweig wohnte ein Stiefelmacher, der Christoffer hieß. Zu dem kam eines Tages Eulenspiegel, um seine Stiefel schmieren zu lassen.
»Meister,« redete er den Schuhmacher an, »wollt Ihr mir meine Stiefel spicken? Aber bis Montag müssen sie fertig sein. Glaubt Ihr damit zustande zu kommen?«
»O ja,« meinte der Meister, »am Montag könnt Ihr sie abholen.«
Eulenspiegel entfernte sich. Als er fort war, äußerte der Knecht zu seinem Herrn:
»Meister, das war ja Eulenspiegel, der alle Menschen anschmiert; wenn ich an Eurer Stelle wäre, so führte ich seinen Auftrag wörtlich aus.«
»Was hat er denn Außergewöhnliches gesagt?« »Hm,« meinte der Knecht, »er sagte Euch doch, Ihr solltet ihm seine Stiefel spicken, und meinte schmieren. Nun würde ich sie ihm auch wirklich spicken, wie einen Hasenbraten.« »Bravo,« rief der Meister, »das wollen wir tun; er soll sehen, daß es Leute gibt, die doch noch durchtriebener sind als er.«
Er nahm Speck, schnitt ihn in dünne Stücke, machte in die Stiefel breite Löcher und steckte den Speck hinein.
Am bestimmten Tage kam Eulenspiegel und fragte, ob seine Stiefel fertig seien.
»Jawohl,« lautete die Antwort, »dort hängen sie.« Eulenspiegel sah die Stiefel an, lachte und sprach: »Ihr seid ein braver Meister; habt mir's gemacht, wie ich's verlangt habe. Was bin ich Euch für diesen Dienst schuldig?«
»Einen alten Groschen.«
Eulenspiegel gab das Geld, nahm seine Stiefel unter den Arm und entfernte sich.
Meister und Knecht lachten hinter ihm her, und der erstere sagte:
»Der mag sich schön ärgern, so angeführt worden zu sein, er, der berühmte Schalksnarr.«
Unterdessen lief Eulenspiegel gegen die gläserne Ladentür an, denn die Werkstatt war ebener Erde, und sie stieß an die Straße. Während ein paar der Scheiben klirrend zu Boden fielen, wandte er sich wieder um und fragte den Schuhmacher:
»Meister, was ist das für Speck, den Ihr zu meinen Stiefeln genommen habt? Ist er von einem Schwein oder von einem Eber?«
Bei diesen Worten stieß er wiederum so heftig an die Glasfenster, daß auch die übrigen Scheiben in die Werkstatt fielen und der Schuhmacher voller Wut aufsprang und nach dem Schemel griff, um ihn nach dem Missetäter zu werfen.
»Liebster Meister,« sagte Eulenspiegel ruhig, »ereifert Euch nicht. Es interessiert mich, zu wissen, ob der Speck von einem Schwein oder einem Eber ist?«
Der Meister wurde zornig und rief: »Seid so freundlich und laßt mir meine Fenster unzerbrochen.«
»Wenn Ihr mir nicht sagen wollt, was das für Speck ist, so muß ich eben einen andern fragen. Gehabt Euch wohl.«
Damit schlüpfte er durch die zertrümmerte Ladentür und war verschwunden, ehe man nur an Verfolgung denken konnte.
Nun fing der Meister an, auf seinen Knecht zornig zu werden, und schrie ihm zu:
»Du gabst mir schlechten Rat. Wärst du nicht gewesen, hätte ich die Stiefel einfach geschmiert, wie sich's gehört. Jetzt gib mir auch Rat, daß meine Fenster wieder gemacht werden.«
Da der Knecht schwieg, rief der Meister:
»Wer ist nun geäfft? Er oder wir? Ich habe immer gehört, wer mit Schalksleuten beladen ist, der soll den Strick, an dem sie hängen, durchschneiden und sie laufen lassen. Hätte ich das auch getan, so hätte ich nicht Ärger gehabt, und meine Fenster wären ganz geblieben. Aber ich trage den Schaden nicht, sondern, wer daran schuld ist, der soll's auch bezahlen.«
»Glaubt Ihr denn, Ihr könntet den Eulenspiegel wieder einfangen?« fragte der Knecht.
»Das brauche ich gar nicht,« ereiferte sich der Meister. »Du hast mir den Rat gegeben, die Stiefel zu spicken, so magst du auch den Schaden davon haben.«
Da sich der Knecht das nicht gefallen lassen wollte, so gerieten sie miteinander in Streit, und das Ende vom Liede war, daß der Meister ohne Knecht arbeiten und bei zerbrochenem Fenster sitzen mußte, wenn er es nicht auf eigene Kosten wollte ausbessern lassen.
* * *
Eulenspiegel als Schneider in Berlin.
Als Eulenspiegel nach Berlin kam, verdingte er sich bei einem Schneider.
»Willst du nähen,« sprach der Meister zu ihm, »so nähe eng und fein, daß man es nicht sieht.«
Eulenspiegel sagte ja, nahm dann die Nadel und Zwirn und kroch mit dem Kleid unter ein Faß, wo er zu nähen begann.
»Was tust du da?« sprach der Meister. »Was ist das für eine seltsame Näherei?«
»Meister,« sprach Eulenspiegel, »Ihr sagtet, ich sollte nähen, daß man es nicht sähe. So vermag es niemand zu sehen.«
»Mein lieber Geselle,« sprach der Meister, »tue nicht also; nähe so, daß man es fein sehen kann.«
Eines Abends war der Meister müde und wollte zu Bette gehen; er nahm einen grauen Bauernrock, der noch halb ungenäht war, warf ihn Eulenspiegel mit den Worten zu: »Mach' den Wolf fertig und geh' danach zu Bette,« und ging selbst schlafen.
Eulenspiegel nahm den Rock, schnitt ihn auf, machte daraus einen Wolfskopf mit Leib und Beinen, und mit Hilfe von Stäben, die er sich herbeiholte, formte er das Ganze so, daß es einem in der Stube stehenden Wolfe ähnlich sah. Dann ging er zur Ruhe.
Des Morgens stand der Meister auf, weckte auch Eulenspiegel und fand dann den Wolf im Gemache stehen. Der Schneider erschrak, doch sah er bald, daß es gemacht war. Als nun Eulenspiegel hinzukam, sprach der Meister: »Was den Teufel hast du daraus gemacht?« – »Wie Ihr es mich hießet, machte ich einen Wolf,« sprach Eulenspiegel.
»Solchen Wolf meinte ich nicht,« entgegnete der Meister unwillig, »ich nannte den grauen Bauernrock einen Wolf.« – »Ja, lieber Meister, das wußte ich nicht. Hätte ich es gewußt, so hätte ich lieber den Rock gemacht, als den Wolf.« So mußte sich nun der Schneider zufriedengeben.
Nach einigen Tagen geschah es wieder, daß der Meister sich sehr müde fühlte und große Lust empfand, sich schlafen zu legen, doch wollte er den Gesellen noch nicht so früh zur Ruhe schicken. Da lag ein Rock, an dem nur noch die Ärmel einzunähen waren. Er warf ihn dem Eulenspiegel zu und sprach: »Wirf noch die Ärmel an den Rock, und dann geh' auch du schlafen.«
Als der Meister die Stube verlassen hatte, hing Eulenspiegel den Rock an einen Nagel, zündete zwei Lichter an, Nahm einen Ärmel und warf damit nach dem Rocke.
Als die Lichter verbrannt waren, holte er zwei neue und dann wieder neue, und warf immer wieder mit dem Ärmel nach dem Rocke, bis zum Morgen.
Da stand der Meister auf und kam in den Laden, wo er Eulenspiegel noch immer die Ärmel an den Rock werfend fand.
»Was machst du da für Possen?« fragte der Meister. – »Es sind mir das keine Possen,« sagte Eulenspiegel in aller Ruhe. »Ich habe die ganze Nacht dagestanden und habe die Ärmel an den Rock geworfen, aber sie wollen nicht daran hängen bleiben. Ihr hättet wohl besser getan, mich auch schlafen gehen zu lassen, denn Ihr müßtet es wissen, daß es unnütze Arbeit war.«
»Das ist doch nicht meine Schuld,« sagte der Meister. »Wie konnte ich denken, daß du es so verstehen würdest. So habe ich es nicht gemeint.«
»Ja, Meister,« sagte Eulenspiegel, »Pflegt Ihr denn ein Ding anders zu sagen, als Ihr es meint? Hätt' ich Eure Meinung gewußt, so hätte ich die Ärmel wohl bald angenäht und wäre noch zu einigen Stunden Schlaf gekommen. So mögt Ihr jetzt am Tage sitzen und nähen, ich aber muß erst schlafen gehen.«
Das wollte der Meister nicht leiden, verlangte auch, daß Eulenspiegel ihm die Lichter bezahlen sollte. Als der Streit immer heftiger wurde, packte der Geselle seine Sachen und ging davon.
* * *
Eulenspiegel und die drei Schneidergesellen.
Der Schalksnarr war alles und doch nichts. Sobald ihm bei der Ausübung eines Handwerks keine Schelmenstreiche mehr einfielen, wandte er sich einem andern zu. Hin und wieder trieb er sich aber auch nur strolchend in den Städten herum; dann war mit ihm besonders schwer Kirschen essen.
Das mußten auch drei Schneidergesellen in Brandenburg erfahren.
Um während des Arbeitens nicht in der dumpfen Stube sitzen zu müssen, hatten sie sich ein Brett zum Fenster herausgelegt, dieses durch in den Boden gerammte Pfähle unterstützt; auf diesem saßen sie so lustig und guter Dinge, wie drei Schneidergesellen nur immer sein können. Wenn Eulenspiegel an ihrem luftigen Standort vorbeiging, spotteten sie ihn aus und warfen ihn mit Tuchfetzen. Doch der Schalk tat, als bemerke er das nicht, und ging ruhig seines Weges.
Ein großer Markt sollte nun in der Stadt abgehalten werden, und zwar gerade auf dem Platz, an welchem die Schneiderwerkstätte sich befand; die drei Gesellen freuten sich schon einige Wochen lang auf diesen Tag, denn es mußte doch gar zu angenehm sein, »aus luftiger Höhe das wogende und wühlende Treiben der Menschheit zu beobachten,« wie sich einer von ihnen höchst poetisch ausdrückte.
Doch ihre Freude sollte zu Wasser werden; dafür sorgte Eulenspiegel, der seine Rache auf diesen Tag verschoben hatte.
In der Nacht sägte er die Pfosten, auf welchen das Sitzbrett der Schneider ruhte, durch, so daß sie bei dem leisesten Stoß nachgeben mußten.
Des Morgens ließen sich die Schneider auf ihrem Platz nieder und nähten lustig darauf los. Der Markt hatte sich gefüllt. Es dauerte nicht lange, da kam der Schweinehirt und blies aus, daß jeder seine Schweine aus dem Stall treiben solle. Auch das des Schneiders stürzte aus dem Haus, konnte aber, wie das jeden Tag geschehen war, der Versuchung nicht widerstehen, sich recht behaglich an den Pfählen zu reiben. Diese gaben jetzt, wo Eulenspiegel sie so bearbeitet hatte, natürlich nach, und die drei Schneider fielen von ihrer luftigen Höhe herab.
Eulenspiegel, der sich in der Nähe aufgehalten, hatte das kaum bemerkt, so lief er auch schon herbei und schrie: »Seht, der Wind hat die Schneider heruntergeweht!«
Die Leute drängten sich herzu, aber nicht etwa, um die Gesellen zu bemitleiden oder zu trösten, sondern um sie recht herzlich auszulachen. Diese wußten anfänglich gar nicht, wie sie von oben heruntergekommen waren, bis sie die durchgesägten Pfähle erblickten; da merkten sie, daß Eulenspiegel an ihnen Rache genommen, hüteten sich aber von da an, ihn jemals wieder zu verspotten.
* * *
Eulenspiegel ruft alle Schneider nach Rostock, um ihnen ein großes Geheimnis mitzuteilen.
Zu einer Zeit schrieb Eulenspiegel eine Versammlung aller Schneider aus, die im Wendenlande, im sächsischen Gebiet, in ganz Pommern, Holstein, im Stettiner Land, in Mecklenburg, in Lübeck, Hamburg, Bremen und Wismar wohnten.
Er liebe das Handwerk sehr, und wenn sie nach Rostock kommen wollten, so wolle er sie eine Kunst lehren, die ihnen und ihren Kindern in ewigem Gedächtnis bleiben und ihnen großen Nutzen stiften werde.
Die Schneider in den Ländern berieten durch Briefe, wann sie nach Rostock zusammenkommen wollten, und aus Städten und Dörfern strömten sie in Scharen nach der alten Hansastadt, um zu vernehmen, was doch Eulenspiegel ihnen zu sagen habe. Über solches Zusammenströmen von so viel Schneidern waren aber die Bewohner von Rostock höchlich verwundert.
Die Schneider baten nun den Eulenspiegel, sie abzufertigen und die versprochene Kunst zu lehren; er solle auch eine gute Gegengabe erhalten.
»Kommt alle mit mir auf die große Wiese, damit mich jeder hören kann,« forderte sie Eulenspiegel auf.
Als sie nun alle versammelt waren, ging Eulenspiegel in ein Haus, setzte sich auf ein Fensterbrett, so daß seine Beine nach unten hinaushingen, und begann:
»Ihr ehrbaren Männer des Handwerks der Schneider. Merkt und versteht es: Wenn ihr eine Schere habt und eine Elle, eine Nadel und Faden und dazu einen Fingerhut, so habt ihr alles, was ihr zu eurer Hantierung irgend brauchen möchtet. Das ist freilich keine Kunst zu wissen, das bringt das Handwerk mit sich. Aber lernt von mir wohl diese Kunst und gedenkt stets mein dabei: Habt ihr die Nadel eingefädelt, so vergesset nie, daß ihr an das andere Ende des Fadens einen Knoten macht, sonst möchtet ihr viele Stiche umsonst machen. Habt ihr aber den Knoten, so kann der Faden nicht aus dem Nadelöhr schlüpfen.«
Das wüßten sie schon lange, schrien da die Schneider; deshalb hätten sie nicht nötig gehabt, meilenweit zu reisen. Ob er ihnen nichts anderes zu sagen habe?
»Ja,« sagte Eulenspiegel, »die Kunst ist schon tausend Jahre alt, aber niemand gedenkt in der neuen Zeit der alten Weisheit. Ist es euch aber nicht zu Dank, was ich euch gesagt habe, so gehe jeder hin, wo er hergekommen ist.«
Die aus fremden Orten gingen zornig von dannen, die Schneider aber, die in Rostock zu Hause waren, spotteten ihrer und sagten: »Habt ihr nicht gewußt, was Eulenspiegel für einer ist?«
* * *
Eulenspiegel schafft Wildbret für das Kürschnermahl.
Wieder kam unser Eulenspiegel auf seiner Wanderung in eine große Stadt, in das reiche Leipzig, gerade um die Fastnachtszeit, wo auch die Kürschner Zusammenkunft hielten und ein Festmahl feiern wollten.
In seiner Herberge erfuhr er, daß die Kürschnerzunft ihren Stiftungstag feiern und ein großes Mahl zu geben gedenke, und daß sie dazu gern Wildbret gehabt hätte, welches aber zu der Zeit recht knapp war.
»Holla!« dachte der Schalk, »da muß auch für dich etwas herausspringen!«
Im nächsten Augenblick war er mit seinem Plan schon fertig. Der Herbergswirt hatte eine schöne Katze; diese nahm Eulenspiegel unter seinen Rock und bat den Koch eines in der Nachbarschaft gelegenen Gasthauses um ein Hasenfell; er wollte damit einen Spaß ausführen. Der Koch gab es ihm auch bereitwillig; darein nähte er nun die Katze. Dann zog er sich Bauernkleider an und stellte sich vor das Rathaus. Die verwandelte Katze hatte er in einen Sack gesteckt und wartete, bis einer der Kürschner vorbeikam.
»Lieber Herr,« redete er diesen an, »wollt Ihr nicht einen guten und schönen Hasen kaufen?« Er machte den Sack ein wenig auf und ließ den Kürschner hineinsehen.
»Ei, das ist ein schöner Hase,« dachte dieser bei sich und fragte dann Eulenspiegel, was er dafür wolle.
»Vier Silbergroschen für den Hasen und sechs Pfennige für den Sack.«
Der Kürschner, hocherfreut über den billigen Preis, bezahlte das verlangte Geld und trug seinen Kauf in des Zunftmeisters Haus. Dort waren schon alle anderen Festteilnehmer versammelt, und jeder sagte, nachdem er den Hasen betrachtet, so ein Prachtexemplar habe er noch nie gesehen.
Sie wollten sich, ehe der Hase geschlachtet wurde, noch eine Unterhaltung mit ihm schaffen, ließen ihn deshalb im Garten springen und hetzten die Hunde nach. Wie er nun nicht mehr laufen konnte, sprang er auf einen Baum und rief: »Miau, miau!«
Obwohl die Leipziger Kürschner über keine allzu bedeutenden Kenntnisse in der Tierkunde verfügten, merkten sie doch augenblicklich, daß sie angeführt seien, und eilten voll Zorn hin, um den Übeltäter zu suchen und tüchtig abzustrafen.
Eulenspiegel hatte unterdessen die groben Bauernkleider ausgezogen und seine gewöhnlichen angelegt und schloß sich lustig der allgemeinen Suche an, die natürlich keinen Erfolg hatte.
* * *
Eulenspiegel kann den Gestank der Felle schlecht vertragen.
Auf seiner Wanderung kam Eulenspiegel auch nach Aschersleben zu Winters- und teurer Zeit. Was willst du anfangen, dachte er, daß du aus dem schlimmen Winter herauskommst.
Vergeblich suchte er lange nach Arbeit; da war keiner, der seiner bedurfte. Endlich fand er einen Kürschner, der Arbeitshilfe nötig hatte und ihn als Gesellen annahm.
Aber als er nun auf die Werkstatt kam, war er des Geruches ungewohnt und sprach: »Pfui, du stinkst so übel!« Verwundert sagte der Meister: »Riechst du das nicht gern und kommst doch hierher; daß es stinkt, ist natürlich; das kommt von der Wolle, die das Schaf trägt.«
Eulenspiegel blieb sitzen, nähte und hustete sich die Haare aus dem Munde. Am Abend, als sie gegessen hatten, sagte der Meister: »Lieber Geselle, ich sehe wohl, daß du bei diesem Handwerk nicht gerne bist; du bist auch wohl kein gelernter Kürschner, denn du bist das nicht gewohnt. Hättest du nur vier Nächte dabei geschlafen, so würdest du nicht so die Nase darüber rümpfen. Gelüstet es dich also nicht, dabei zu bleiben, so magst du morgen wandern.«
»O, lieber Meister,« sprach Eulenspiegel, »erlaubt mir nur, daß ich vier Nächte bei dem Werke schlafe, so sollt Ihr schon sehen, was ich tun kann.« Der Meister war's zufrieden, denn Eulenspiegel konnte gut nähen, und er brauchte nötig einen Gesellen.
Als nun der Kürschner mit seiner Hausfrau zu Bette gegangen war, nahm Eulenspiegel die zubereiteten Felle, sowohl die trockenen wie die nassen, trug sie zusammen auf einen Haufen, legte sich mitten darunter und schlief bis zum Morgen.
Als der Meister aufgestanden war und die Felle nicht an ihrer Stelle fand, lief er eilig, um Eulenspiegel nach ihnen zu fragen. Da fand er diesen mitten unter den Pelzen, die trocken und naß untereinanderlagen. Voller Bekümmernis rief er klagend Frau und Magd herbei. Eulenspiegel erwachte von dem Rufen und sprach:
»Lieber Meister, warum ruft Ihr so laut und heftig?« Der Meister verwunderte sich, denn er wußte nicht, wo die Stimme herkam, und sprach: »Wo bist du?« »Hier bin ich,« versetzte Eulenspiegel. Der Meister schalt ihn, daß er ihm die Felle verdorben, indem er nasse und trockene zusammengelegt habe. »Wie ist das, Meister, warum seid Ihr zornig? Ich habe doch erst eine Nacht in den Fellen gelegen, und Ihr wolltet, daß es vier Nächte geschehe, weil ich des Werkes noch nicht gewohnt sei.«
Der erzürnte Meister ergriff einen Knüttel und wollte Eulenspiegel schlagen, aber dieser entlief ihm eilig. Als aber auf der Treppe Meisterin und Magd ihn aufhalten wollten, rief er heftig: »Laßt mich gehen, ich muß einen Arzt holen; der Meister hat das Bein gebrochen.«
Da ließen sie ihn gehen und liefen eilig die Treppe hinauf; der Meister aber, der Eulenspiegel einholen wollte, stürzte ihnen so hastig entgegen, daß sie alle drei niederfielen. Indes war der Schelm schon über alle Berge.
* * *
Wie Eulenspiegel den Weinzapfer zu Lübeck betrog und kaum dem Galgen entging.
Eulenspiegel wanderte nun nach Lübeck, wo er im Ratskeller die Bekanntschaft des Wirtes machte, der ein sehr hochmütiger und stolzer Mann war.
Mit ihm könne sich niemand messen, pflegte er zu sagen, und er möchte wohl den kennenlernen, der es fertigbrächte, ihn zu betrügen oder zu übervorteilen.
Das ärgerte natürlich die Bürger, und sie warteten nur auf eine günstige Gelegenheit, ihm einmal einen tüchtigen Schabernack zu spielen.
Wie Eulenspiegel den Übermut des Wirtes vernahm, konnte er den Schalk nicht länger verbergen und ging in die Wirtsstube, indem er bei sich dachte:
»Willst doch einmal sehen, ob er wirklich so gescheit ist, wie er immer behauptet.«
Von den Stammgästen hatten ihn einige erkannt. Sie nahmen ihn beiseite und äußerten zu ihm:
»Wenn es dir gelingt, Eulenspiegel, den hochnäsigen Weinzapfer anzuführen, so sollst du in unserer Stadt für acht Tage freie Zeche haben.«
»Topp, es gilt!« rief der Schalk erfreut. Er kaufte sich in einem Laden der Nachbarschaft zwei ganz gleich aussehende Weinflaschen, von denen er die eine mit Wasser füllte. Beide steckte er in die innere Tasche seines weiten Mantels und ging dann in den Ratskeller wieder zurück.
Inzwischen hatte der Wirt aber die Anwesenheit Eulenspiegels erfahren. Als derselbe eintrat, rief er ihm sofort zu:
»Höre, du Schalksnarr, ich hätte große Lust, mit dir anzubinden!«
»So binde an,« gab Eulenspiegel trocken zurück, während er an die Einschenke herantrat und die leere Flasche auf den Tisch setzte. »Was kostet denn bei dir der Wein?«
»Fünf Groschen die Flasche,« gab der Wirt mit überlegenem Lächeln zurück.
»Nun wohl, so fülle mir diese,« entgegnete Eulenspiegel, und schob ihm die Flasche hin.
Nachdem der Weinzapfer seiner Aufforderung nachgekommen war, steckte der Schalk sie wieder in die Manteltasche und wandte sich zum Gehen.
»Holla!« rief der Wirt, »erst bezahle mich.«
»Ach, richtig,« lächelte Eulenspiegel, »das hätte ich bei einem Haar vergessen. Hier hast du das Geld.«
Bei diesen Worten legte er ein Silberstück auf den Tisch der Einschenke und schritt der Türe zu.
Im nächsten Augenblick war aber der Wirt ihm nach und hielt ihn fest.
»O du dummer Teufel,« rief er mit zornigem Lachen. »Glaubst du wirklich, einen so gescheiten Mann, wie ich es bin, anführen zu können? Nein, da mußt du früher aufstehen. Heraus mit der Weinflasche! – Ihr müßt nämlich wissen,« wandte er sich an die lauschenden Gäste, »daß er mir ein Stück Blech für ein Fünfgroschenstück hat anhängen wollen.«
»Na, nichts für ungut,« äußerte Eulenspiegel scheinbar zerknirscht, während er die Weinflasche wieder auf den Schenktisch stellte. »Unsereins kann sich auch einmal irren; und ich muß gestehen, daß ich an dir meinen Meister gefunden habe.«
»Haha, siehst du wohl!« rief der Wirt und blähte sich auf. »Dort ist der Fleck, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat!«
Damit deutete er gebieterisch nach der Türe, durch welche Eulenspiegel betrübt schritt.
Der Wirt aber rühmte sich weiter und äußerte, daß ihm keiner klug genug sei. Als er eine Weile geprahlt, sagte einer der Gäste:
»Und ich wette mit dir, daß der Eulenspiegel dich doch angeführt hat!«
Der Zapfer geriet in Zorn und wettete um vier Maß Rüdesheimer.
»Nun wohl,« fuhr der Gast fort, »so verkoste zunächst von dem Wein, den dir Eulenspiegel in der Flasche dort hat zurücklassen müssen.«
Der Wirt tat dies mit wilder Hast; sein verblüfftes Gesicht aber, das er gleich nachher schnitt, rief ein schallendes Gelächter unter den Gästen hervor.
Er hatte zu dem Ingrimm und Zorn, den er jetzt losließ, hinlänglichen Grund, denn der Wein, den er in der von dem Schalk zurückgelassenen Flasche zu finden gemeint, war nichts als – Wasser.
All sein Wüten war vergebens, er blieb der Angeführte.
Aber er suchte sich mit Hilfe der Obrigkeit zu rächen. Er lief Eulenspiegel, der die volle Flasche noch unter dem Mantel trug, eilig nach und ließ ihn von einem Büttel, den er unterwegs traf, festnehmen. Eulenspiegel wurde für einen Dieb erklärt und ins Gefängnis gebracht.
Die Richter waren in großer Uneinigkeit, und die ganze Bewohnerschaft nach ihrer Meinung in zwei Parteien gespalten, die heftig gegeneinander standen.
Die einen behaupteten, er habe den Galgen wohl verdient, und man solle ihn henken, die andern aber erklärten demgegenüber, was Eulenspiegel getan, sei nichts als ein feiner Streich, nicht um der Bereicherung willen verübt, und der Weinzapfer, der ja immer spreche, niemand könne ihn betrügen, hätte sich besser vorsehen sollen; Eulenspiegel habe nur um der großen Vermessenheit des Weinzapfers willen den Streich ausgeführt.
Die Feinde Eulenspiegels gewannen die Oberhand, und er wurde zum Galgentode verurteilt. Am Hinrichtungstage war die ganze Stadt zu Fuß und zu Roß auf dem Wege zum Galgen. Manche vermuteten, er werde sich durch die schwarze Kunst freimachen; die meisten wünschten es ihm, daß er irgendwie freikomme.
Eulenspiegel aber verhielt sich auf dem Wege zum Richtplatze ganz still und sprach kein Wort, so daß jedermann sich verwunderte.
Am Galgen angelangt, ließ er den ganzen Rat vor sich bitten und flehte sie demütig an, ihm eine letzte Bitte zu gewähren. Nicht um Leib und Leben, Geld und Gut, noch ewige Messen, Spenden oder Gedächtnis wolle er bitten, sondern um eine kleine Sache, die der Rat zu Lübeck leicht und ohne Kosten tun könne. Nach einigem Ratschlagen erklärten sie, es solle ihm seine Bitte erfüllt werden, wenn er um nichts von dem bitte, was er selbst ausdrücklich ausgenommen habe. »Nein,« sprach Eulenspiegel, »das bleibt ausgenommen. Wenn ihr mir aber sonst gewähren wollt, was ich bitte, so hebt die Hände hoch.« Und sie gelobten es ihm mit Hand und Mund.
Nun sagte Eulenspiegel: »So ist meine Bitte, daß der Weinzapfer zuerst, dann der Kohlgraf komme, drei Tage hintereinander, und mich auf den nackten Leib küsse.« Alle schrien, das sei keine geziemende Bitte, aber Eulenspiegel beharrte darauf, daß der Rat ihm halte, was er ihm mit Hand und Mund zugesagt. Nach langer Beratung wurde endlich beschlossen, ihn freizugeben, und nachdem Eulenspiegel noch von denen, die es ihm vorher zugesagt, acht Tage lang frei Traktament erhalten, zog er lachend von dannen. Der Weinschenker aber hatte viel Spott zu leiden.
* * *
Wie Eulenspiegel die Metzger in Erfurt foppte.
Nach Verlauf dieser schönen Zeit wandte er seine Schritte Erfurt zu. Als er dort eines Tages spazieren ging, kam er bei den Bänken der Metzger vorbei.
»Nehmt etwas mit,« rief ihm einer derselben zu.
»Was denn?« fragte Eulenspiegel.
»Nun, einen schönen Braten,« meinte der Metzger.
Der Schalk nahm einen großen Braten und eilte davon.
»Halt, so haben wir nicht gewettet,« schrie der andere, »erst bezahlt mich, dann könnt Ihr fortgehen.«
»Von Bezahlen ist keine Rede,« meinte Eulenspiegel. »Ihr sagtet, ich solle einen Braten mitnehmen. Das werden jedenfalls die Nachbarn alle bezeugen können.«
»Ja, so ist es,« schrien nun die anderen Metzger, die ihren Genossen nicht leiden konnten, weil er die besten Kunden hatte.
Dieser wollte natürlicherweise seinen Braten nicht verlieren und zankte sich mit den anderen herum. Unterdessen nahm Eulenspiegel seine Beute unter den Rock und schlich sich davon.
Nach einigen Tagen begab er sich wieder zu den Fleischbänken.
»Komm wieder her und hole dir einen Braten,« rief derselbe Metzger dem Schalksnarren zu.
»Gern,« erwiderte Eulenspiegel und wollte nach einem Stück Fleisch greifen, doch der Metzger zog es zurück und schlug ihm auf die Finger.
»Laßt den Braten liegen,« sagte der Schalk, »ich will ihn bezahlen.«
Der Metzger legte ihn wieder auf die Bank, und Eulenspiegel fuhr fort:
»Wenn ich dir etwas sage, was dir zugute kommt, soll dann der Braten mir gehören?«
»Ja, wenn du etwas sagst, was mir gefällt, dann darfst du den Braten nehmen,« meinte der Metzger.
»Halte den Beutel offen und bezahle die Leute. Gefällt dir das nicht?«
»Ei ja, es gefällt mir schon, aber –«
Doch ehe er es ausgesprochen, hatte Eulenspiegel schon den Braten an sich genommen und war damit fortgeeilt.
* * *
Eulenspiegel in Hildesheim als Koch.
In Hildesheim wohnte in der Nähe des Heumarktes ein reicher Kaufmann. Er besaß vor der Stadt einen schönen Garten, wohin er allabendlich seine Schritte lenkte, um sich dort unter den schattigen Bäumen von des Tages Last und Hitze zu erholen.
Als er an einem schönen Abend sich wieder auf dem Wege dorthin befand, sah er auf einem Acker Eulenspiegel liegen, der sich gleich erhob und ihn ehrerbietig grüßte.
»Wie kommst du denn hierher, und was ist dein Gewerbe?« redete ihn der Kaufmann an.
»Ich bin ein Koch, Herr,« antwortete Eulenspiegel.
»Wenn du arbeitsam sein willst, so kannst du bei mir eintreten, denn meine Frau klagt jeden Tag über die Köchin, und ich glaube, sie wird es mir Dank wissen, wenn ich ihr einen guten Koch mit nach Hause bringe. Wie heißt du eigentlich?«
»Ich habe einen langen Namen, ich heiße nämlich: Bar – tho – lo – mäus.«
»Das ist mir zu lang, ich werde dich einfach Doll nennen. Ist dir das recht?«
»O ja, gnädiger Herr,« antwortete Eulenspiegel, »mir ist es ganz gleich, wie ich heiße.«
»Schön, so ist es dann abgemacht; du bist mein Koch. Komm gleich mit in den Garten; wir wollen Kraut mitnehmen, denn du sollst mir auf den Sonntag Hühner recht schön füllen; ich habe Gäste eingeladen.«
Eulenspiegel ging mit, schnitt Rosmarin, Zwiebeln und anderes Gemüse und folgte seinem Herrn nach Hause.
»Was bringst du denn da für einen sonderbaren Gesellen mit?« fragte seine Frau, indem sie auf Eulenspiegel deutete.
»Sei zufrieden, liebes Weib,« antwortete der Kaufmann, »es ist unser neuer Koch.«
»Na, der wird schöne Sachen kochen,« meinte die Frau spöttisch.
»Er soll uns morgen eine Probe seiner Geschicklichkeit ablegen,« äußerte der Hausherr. »Doll,« rief er Eulenspiegel zu.
»Hier,« schrie dieser zurück, indem er näher kam.
»Nimm einen Korb und begleite mich; wir wollen noch einen Braten einkaufen.«
Sie gingen zusammen zu den Fleischbänken. Der Kaufherr nahm ein großes, saftiges Stück Fleisch mit und ermahnte Eulenspiegel:
»Doll, lege den Braten morgen bald zu; doch bereite ihn kühl und langsam, daß er nicht verbrennt.«
Der Schalk stand am andern Morgen zeitig auf, steckte den Braten an den Spieß und legte ihn in den Keller zwischen zwei Faß Einbecker Bier, damit er ja kühl bleibe und nicht anbrenne.
Da der Kaufmann den Stadtschreiber und noch ein paar gute Freunde eingeladen hatte, so kam er kurz vor dem Mttagessen in die Küche, um zu sehen, ob der Braten auch recht geraten sei.
»Nun, ist dir alles gelungen?« fragte er seinen neuen Koch.
»Ja, Herr, besonders der Braten. Soll ich ihn heraufholen?«
»Heraufholen? Wo hast du ihn denn, ist er nicht hier in der Küche?«
»Nein, hier ist er nicht,« lautete die Antwort. »Ihr sagtet, ich solle ihn recht kühl legen, und eine kältere Stelle wüßte ich nicht, als den Keller. Da habe ich ihn hingetragen.«
Die Gäste waren unterdessen gekommen, und der Hausherr erzählte ihnen von der Dummheit seines neuen Koches. Sie lachten darüber und nahmen es als einen guten Spaß. Die Frau gab sich aber damit nicht zufrieden, sondern sagte zu ihrem Manne, er solle den Koch entlassen, sie wolle ihn nicht länger im Hause dulden.
»Liebe Frau,« antwortete der Kaufmann, »ich bedarf seiner noch zu einer Reise nach Goslar; wenn ich aber von da zurück bin, so muß er den Dienst verlassen.«
Darauf ging die Frau, wenn auch widerstrebend, ein. Durch ihre Fürsorge hatte sich das Mittagessen doch noch heiter gestaltet und die Freunde verließen in lustiger Stimmung das Haus.
* * *
Der kranke Eulenspiegel soll beichten und macht auch sein Testament.
Der alte Schelm wandte sich nun nach Mölln; dort wurde er aber krank und mußte, statt in eine lustige Herberge, in das Spital.
Eulenspiegel ward alle Tage kränker; die Leute meinten, er werde sterben, und fragten ihn, ob er denn nicht nach altem, heiligem Brauche beichten wollte? Eulenspiegel war dazu bereit, denn er fühlte wohl, daß es keine Genesung mehr für ihn gebe.
Da sprach eine alte, fromme Nonne zu ihm: »Freund, gehe in dich und beichte in aller Stille, daß du desto sanfter sterben mögest.«
»Nein,« sprach Eulenspiegel, »es geschieht doch nicht, daß ich sanft sterbe, denn der Tod ist bitter. Und warum hätte ich es nötig, heimlich zu beichten? Ist es nicht viel Landen und Leuten wohlbekannt, was ich getan habe? Möge keiner, dem ich etwas Gutes getan habe, das verschweigen.
Zweierlei hat mich gereut, wovon mir leid ist, daß ich es nicht getan habe.«
»Lieber Gott,« sprach die Nonne, »laßt es Euch leid tun, daß Ihr es nicht getan; war es unrecht, daß Ihr es nicht getan, so bereut es wie alle Eure Sünden.«
»Liebe Frau,« sprach Eulenspiegel, »mir ist leid, daß ich zweierlei noch nicht getan habe, weil ich nicht dazu kommen konnte, es zu tun.«
»Sind die zwei Dinge bös oder gut?« fragte die Nonne.
»Es sind zwei Dinge,« sprach Eulenspiegel. »Zum ersten, in meinen jungen Jahren, wenn ich sah, daß ein Mann auf der Straße ging, dem der Rock lang unterm Mantel hervorhing, dem ging ich nach und meinte, der Rock wolle ihm entfallen, daß ich ihn aufheben möchte. Und wenn ich dann zu ihm kam und sah, daß ihm der Rock so lang war, da ward ich zornig und hätt' ihm gern den Rock so weit abgeschnitten, als er unterm Mantel hervorhing, und daß ich das nicht konnte, das tat mir leid. – Das andere ist, wenn ich jemand sah, der mit dem Messer in den Zähnen stocherte, daß ich dem nicht konnte das Messer in den Hals schlagen, das ist mir auch leid.«
Als die Nonne das hörte, schalt sie ihn, daß er sich vor seinem Hinscheiden noch mit so törichten Gedanken beschäftige, und ging davon.
Wie er immer kränker wurde, machte er sein Testament und schied sein Gut in drei Teile, von welchen er den ersten seinen Freunden vermachte, den anderen dem Rat zu Mölln und den dritten dem Kirchherrn daselbst, aber mit dem Anfügen, wenn er gestorben sei, so solle man seinen Leichnam in geweihter Erde begraben und Seelenmessen für ihn lesen. Nach vier Wochen sollten dann alle, die im Testament bedacht seien, die Kiste öffnen, die er ihnen jetzt zeige, und die silbernen und goldenen Schüsseln, die darin aufbewahrt seien, gütlich und einträchtig untereinander teilen.
Das nahmen die drei Parteien an, und der alte Schalksnarr Eulenspiegel starb.
* * *
Des Eulenspiegel Begräbnis.
Nachdem er nun seinen Geist aufgegeben hatte, kamen die Leute, die er im Testament bedacht, ins Spital und beweinten ihn. Sie hoben ihn auf eine Bahre. Wie sich nun die Priester um diese stellten und eben anfangen wollten, ihre Vigilien zu singen, kam das Schwein des Spitalmeisters, das zufällig den Eingang in den Saal gefunden, mit seinem Ferkel unter die Bahre und rieb sich an dieser, und zwar so stark, daß Eulenspiegel herunterfiel.
Die Priester wollten im Verein mit den Wärterinnen die Schweine heraustreiben, doch diese wurden wild, liefen den auf sie zukommenden Leuten durch die Beine und brachten sie zu Fall. Dann sprangen sie über die Priester, die Wärterinnen und die Leiche, und da die letztere die einzig ruhende Person in der Versammlung war, entstand ein solches Geschrei, daß die Schweine, hierdurch nur noch wilder gemacht, wie rasend hin und her tobten.
Die Priester erhoben sich mühsam und eilten zum Saal hinaus; zum Glück die Schweine ihnen nach.
Nun konnten auch die Wärterinnen aufstehen und legten den toten Eulenspiegel wieder auf die Bahre. Er kam aber verkehrt zu liegen, so daß er den Rücken nach oben kehrte.
Sie nahmen ihn und trugen ihn auf den Kirchhof. Da kamen die Priester wieder und beratschlagten, wie sie ihn wohl begraben könnten; denn da er in seinem Leben so viele lose Streiche ausgeführt, dürfe er auch nicht wie ein anderer Christenmensch begraben werden.
Da sahen sie, daß er mit dem Rücken nach oben lag, und mußten lachen.
»Er zeigt selber, wie er liegen will,« meinte einer von ihnen, »so wollen wir ihn auch begraben.«
Der Totengräber wurde geholt und das Grab bereitet.
Bei seinem Begräbnis ging es aber wunderlich zu. Als sie ihn an zwei Seilen in das Grab senken wollten, riß das eine, das an den Füßen befestigt war, und der Tote schoß in das Grab hinab, und zwar so, daß er aufrecht zu stehen kam.
»Laßt ihn stehen,« sagten einige, »er war im Leben wunderlich, er will auch wunderlich begraben werden.«
Sie warfen nun das Grab zu und setzten einen Stein darauf, auf welchem eine Eule, die einen Spiegel in Krallen hielt, eingehauen war.
Wie nun die vier ausbedungenen Wochen verstrichen waren, kamen der Rat, der Kirchherr und die Freunde Eulenspiegels, um die Erbschaft zu teilen.
Aber wie erstaunten sie, als der Inhalt der Kiste nicht, wie sie erwartet, aus goldenen und silbernen Schüsseln, sondern aus lauter Steinen bestand.
Ein jeder sah den andern an und wurde zornig, denn der Pfarrer meinte, da der Rat die Kiste in Verwahrung gehabt, so hätte er auch den Schatz sich zugeeignet; dieser hatte wieder die Freunde Eulenspiegels im Verdacht und glaubte, während der Krankheit hätten sie die Schüsseln entwendet, und diese dachten wieder das nämliche von dem Kirchherrn.
Sie schieden in Unfrieden voneinander.
So überlebte die letzte Schelmerei den Schalksnarren selbst, vor dem die Welt nunmehr Ruhe hatte. Nichts erinnert mehr an ihn als der Grabstein unter einer alten Linde, auf welchem folgende Verse zu lesen sind:
Hier ist begraben Till Eulenspiegel
Auf diesem hohen Erdenhügel.
Wer dran zweifeln will, ihn selbst verlangt zu sehen, Der schau' im Spiegel nach, so wird er vor ihm stehen, Und weil das Seil zerriß, da man ihn wollt einsenken, So liegt und steht er nicht, er lehnend blieb behenken. Wie er im Leben war von großer Wunderkraft, So ist auch sein Geripp' nicht sonder Heilungssaft. Daher wer Zahnweh hat, kann solches bald vermeiden, Wenn er sich vom Staket tut ein Stück Holz abschneiden,
Und denkt dabei ganz frank und frei,
Daß Eulenspiegel tot jetzt sei.
Ist das nicht schad! Ei, er, ei, ei!
Globus-Haus Druckerei
Berlin W 66
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