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Von Trient aus begab sich Cagliostro verschiedene Male nach Venedig, allein das Glück war ihm dort nicht holder, als in Trient selbst. – Es geht zu Ende, Beppo. – Wohin willst Du Dich noch wenden? – Man kennt Dich überall und haßt Dich von Stadt zu Stadt, von Land zu Land? – Wohin sind die Tausende, die Dir einst zujauchzten, wohin alle die, die Dich dereinst im Staube anbeteten? – Statt Segen erntest Du nun den Fluch derer, die Du betrogen und belogen ein ganzes Leben lang! Ein Leben der Lüge schließt nicht mit Segen. – Siehst Du die grinsende Fratze des Hungers? – Nach Trient zurückgekehrt, versetzt er, was ihm noch an Kostbarkeiten übrig geblieben war und versucht es, eine neue Loge zu gründen. Allein der Bischof, zu dessen Haus er Zutritt hatte, warnt ihn, denn auf Freimaurerei steht von Rechtes wegen der Tod, und da er nicht hören will, so hintertreibt er das Gelingen seines Planes. – Schon bringt Deine Gegenwart Unglück über die, bei denen Du weilst. – Ein Brief Kaiser Josephs II. drückt dem Bischof schon deutlich das Mißvergnügen aus, das der Kaiser darüber empfinde, einen solchen Schwindler unter der Protektion eines Kirchenfürsten zu sehen. – Cagliostro muß fort. Aber wohin nun? – Die Welt ist ein abgemähtes Kornfeld, und dennoch braucht er Geld, um zu leben. Wie aber Geld erlangen, ohne sich dazu zu erniedrigen, als gemeiner Landstreicher den Bauern seine Künste vorzumachen? Dazu war er noch zu stolz. Da kam ihm sein Weib zu Hilfe. Schon längst war sie des schnöden und schmachvollen Joches, das sie fast zwanzig Jahre erduldet hatte, überdrüssig. Sie sehnte sich, aus der Gewalt dieses Tyrannen, der ihr die unmenschlichste Behandlung angedeihen ließ, während er sie vor den Augen der Welt mit heuchlerischen Liebkosungen überhäufte, endlich zu entkommen, und beredete daher einige Vornehme aus der Umgebung des Bischofs, ihren Gatten zur Reise nach Rom zu bewegen. Rom schien allerdings noch günstiges Terrain zu sein.
Es gelang ihm, durch eine Lüge sich die Reise nach Rom zu ermöglichen. Er warf sich dem Bischof zu Füßen und erklärte ihm in der Beichte, er empfinde bittere Reue über sein bisheriges Leben und wolle nun gern in den Schoß der Kirche zurückkehren. Aber er fühle, nur der Papst könnte ihm für seine zahllosen Sünden Absolution gewähren. Nach Rom stehe daher allein sein Sinn, aber er besitze nicht die Mittel zu dieser Reise. – Der Bischof, erfreut über die Wandlung in Cagliostros Charakter, giebt ihm ohne weiteres das Geld zur Reise, und Cagliostro geht nach Rom.
Er begann damit, dort seine Pfuschkuren zu inszenieren, nebenher erteilte er, um das Interesse vornehmer Römer zu erregen, solche Audienzen, wie in Roverado, bei welchen er dann seine wunderbaren Schicksale zum besten gab. – Alle seine Versuche jedoch, auf diese Weise zu Geld zu gelangen, blieben ohne Erfolg. Er hatte hier nicht das Glück, die rechten Leute zu finden, und zudem mochte er wohl auch die Wachsamkeit des päpstlichen Tribunals fürchten. Nachdem er noch das letzte, was er an Kostbarkeiten besaß, versetzt hatte, faßte er den kühnen Entschluß, an die französische Nationalversammlung zu schreiben und unter Berufung auf seine Verdienste um die Freiheit Frankreichs um die Erlaubnis zur Rückkehr nach Frankreich zu bitten. Dies lächerlich arrogante Gesuch fand natürlich keine Berücksichtigung.
Nunmehr blieb Balsamo nur noch ein Mittel übrig, nämlich die Maurerei. Wie schon erwähnt, war die Freimaurerei bei Todesstrafe von den Päpsten verboten worden, und es gehörte in der Tat unter diesen Umständen der Mut eines Verzweifelten dazu, hier gleichsam unter den Augen der Kirche für ein maurerisches System Proselyten zu machen. – Es war für Cagliostro die Maurerei nunmehr wirklich der Strohhalm, an den er sich klammerte, aber auch hier hatte er kein besonderes Glück. Man mied ihn, wo er sich zeigte, und wollte mit ihm und seinen Künsten nichts zu schaffen haben. Nur zwei Personen vermochte er an sich zu fesseln, aber als er von ihnen die vom Logenritus vorgeschriebenen Gebühren verlangte, da drehten sie ihm einfach den Rücken. So geriet er denn von Tag zu Tag in immer größere Bedrängnis, ohne daß er Mittel zu finden im Stande war, diesem allmählichen Herabsinken in die äußerste Verkommenheit vorzubeugen.
Und nun kommt das Ende. – Obwohl Balsamo bei seinen maurerischen Versuchen die ungemeinste Vorsicht beobachtete und obwohl auch jene beiden einen fürchterlichen Eid hatten schwören müssen, alles geheimzuhalten, kam dennoch die Polizei hinter seine Schliche. – Es wird erzählt, daß Balsamo von einem gut unterrichteten Freunde gewarnt und auf das ihm drohende Schicksal hingewiesen worden sei, allein sein maßloser Dünkel spielte ihm hier den letzten und schlimmsten Streich. Er schenkte, im Vertrauen darauf, daß man nicht wagen werde ihn zu verhaften, den wohlmeinenden Warnungen kein Gehör, und so brach denn die Katastrophe über ihn herein.
Am 27. Dezember 1789 erschienen plötzlich die Abgesandten der römischen Polizei in der Wohnung Cagliostros, nahmen seine Habseligkeiten in Beschlag, versiegelten alle Behälter und führten ihn selbst unter starker Eskorte nach der Engelsburg. Man fand bei ihm nicht nur seine maurerischen Instrumente und Symbole, sondern auch eine umfängliche Korrespondenz und sein maurerisches Manuskript vor. Trotz der Warnung hatte er es nicht für nötig befunden, seine Papiere zu verbrennen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß ihn die römische Inquisition schon seit längerer Zeit mit verdächtigen Augen bewacht hatte; vielleicht fürchtete der Papst, ein so verwegener, in allen Ränken und Schlichen erfahrener, vor keiner List und Intrigue zurückschreckender Geselle, wie Balsamo, der unter dem Deckmantel der Religion die Leute an sich zu fesseln suchte, könnte ihm gefährlich werden oder mindestens doch schlimme Verwirrungen in den Gemütern anrichten. – Die Pariser Ereignisse mochten auch noch das ihrige beigetragen haben, den Papst mit Besorgnissen zu erfüllen, zumal Balsamo sich ganz öffentlich in seinen Flugschriften von revolutionären Ideen beherrscht gezeigt und sogar noch von Rom aus mit den Männern des Umsturzes anzuknüpfen versucht hatte. Er war aus allen diesen Gründen der Behörde höchst unbequem geworden und man trachtete danach, ihn unschädlich zu machen. Der geeignete Anlaß dazu war nunmehr geboten worden und man benutzte ihn sogleich mit großer Genugtuung.
Auf die Propaganda für das Freimaurertum stand Todesstrafe. Daß Balsamo sich jenes Verbrechens schuldig gemacht, war evident. – Es kam also nur darauf an, jetzt die öffentliche Meinung zu gewinnen und nachzuweisen, daß Balsamo nicht nur die Maurerei geübt habe, sondern auch noch größerer Verbrechen wider das Wohl der Menschheit und die Sitte, die Religion und den Staat schuldig sei. In Rom hatte er schwerlich dergleichen begangen. Den Staat und die Gesellschaft zu untergraben, war ihm überhaupt nie eingefallen. Die Politik war ihm seinem Wesen nach fremd, und wenn er sich in dieselbe hineinmischte, so wirkten dabei ganz niedrige, persönliche Motive mit, er wollte sich für die in Paris erlittene Unbill rächen. Politische Ziele hat er im Ernst nie angestrebt, und was davon seine Anklageschrift enthält, beruht auf vagen Vermutungen und unerwiesenen Behauptungen. Da die römischen Richter ihm also mit politischen Argumenten nicht beikommen konnten, suchten sie religiöse. Balsamo mußte als ein frevler Ketzer, als ein Religionsschänder und Gotteslästerer der öffentlichen Meinung dargestellt werden. Und dazu boten sich ja in der Tat auch die greifbarsten Anhalte in Menge. Sein ganzes maurerisches System basierte ja auf schnöder Verachtung alles dogmatischen Glaubens. Es war ein seltsames Gemenge von sinnlichem Skeptizismus und überspanntem Pietismus, eines groben Kultus der Person und überschwänglicher Hingabe an das Unsichtbare, die Gottheit. – Wir freilich, die wir sein ganzes Lügengewebe klar zu durchschauen im Stande sind, können nicht daran zweifeln, daß ihn dabei allezeit die erbärmlichste Habsucht leitete, und daß er an einen Umsturz der Religion ebenso wenig dachte, wie an den des Staates.
Die Inquisition hielt sich vorwiegend an sein religiöses Gebahren. Sie stellte mit ihm eine lange Reihe von peinlichen Verhören an, examinierte ihn die Kreuz und die Quer über seine Ansichten über die Dogmen, prüfte seine religiöse Ethik, seine Anschauungen über die Sakramente und seine Ausübung der Religion so streng, daß es ihr ein Leichtes ward, ihn der Ketzerei und Religionsschändung scheinbar zu überführen; ja, sie ging noch weiter und wies außerdem noch nach, daß sein Bestreben darauf abzielte, »entweder aus Katholiken Ketzer zu machen, oder aber die Ketzer in ihrem Irrglauben noch mehr zu bestärken oder sie endlich von einem Irrglauben in den andern zu stürzen.«
Nach einer langen kriminalistischen Prozedur, während welcher Balsamo verschiedene Male bittere Reue und Zerknirschung zeigte, ja, sogar mit Tränen in den Augen seinen Richtern und dem Papste dankte, daß er jetzt Gelegenheit habe, durch ein offenes Geständnis seiner Irrtümer und durch Abbüßung derselben seine Seele zu retten, dann wieder aber auch oft das direkte Gegenteil äußerte, nämlich, daß er unschuldig sei und stets nur die Stärkung und Beförderung der katholischen Religion und die Veredlung der Menschen angestrebt habe, wurde am 21. März 1791, also nach fünfzehnmonatiger Untersuchungshaft, über ihn das Urteil gesprochen, es lautete auf den Tod. Der Papst Pius VI. war indessen nicht geneigt, gegen Balsamo die volle Strenge des Gesetzes walten zu lassen, und änderte das Verdikt des Inquisitionstribunals in eine lebenslängliche Festungshaft um. Das Urteil lautet in wörtlicher Übersetzung:
»Joseph Balsamo, mehrerer Verbrechen Beklagter, Bekenner und gegenseitig Überwiesener, ist in alle jene Zensuren und Strafen verfallen, welche wider förmliche Ketzer, Irrlehrer, Erzketzer, Meister und Anhänger der superstitiösen Magie verhängt sind, sowie auch in die Zensuren und Strafen, welche sowohl in den apostolischen Konstitutionen Clemens XII. und Benedikt XIV. wider alle Diejenigen, die auf irgend eine Weise die Gesellschaften und Zusammenkünfte der Freimaurer begünstigen und befördern, als auch in dem Edikt des Staatssekretariats wider Diejenigen bestimmt sind, welche sich über diesen Punkt in Rom oder an einem anderen Orte der päpstlichen Herrschaft vergehen. Aus besonderer Gnade aber wird ihm die Strafe der Übergabe an den weltlichen Arm (d. h. die Todesstrafe) in eine ewige Gefangenschaft in irgend einer Festung verändert, wo er ohne eine Hoffnung auf eine Begnadigung in strenge Verwahrung genommen werden soll. Wenn er als förmlicher Ketzer in dem Orte seiner gegenwärtigen Haft abgeschworen haben wird, so sollen ihm die Zensuren erlassen und die gebührende, heilsame Buße aufgelegt werden.
Das geschriebene Buch, welches betitelt ist: »Ägyptische Maurerei«, soll feierlich verdammt sein als ein Buch, welches Gebräuche, Behauptungen, Lehren und Systeme enthält, die der Verführung einen weiten Weg bahnen, die christliche Religion zerstören, und welches abergläubisch, gotteslästerlich, ruchlos und ketzerisch ist; und soll eben dieses Buch samt allen Werkzeugen, die dieser Sekte angehören, öffentlich von dem Henker verbrannt werden.
Mittels einer neuen Konstitution werden sowohl die neuen Konstitutionen der vorherigen Päpste, als auch das Edikt des Staatssekretariats wider die Gesellschaften und Zusammenkünfte der Freimaurer bestätigt und erneuert und namentlich der ägyptischen Sekte und einer andern, die sich Illuminaten nennt, erwähnt und wider alle und jeden, welche sich meine solche Sekte aufnehmen lassen oder sie begünstigen, die schärfsten Strafen und hauptsächlich jene der Ketzer verhängt.«
Der schaurige, kalte Kerker nahm Giuseppe auf und beendete damit den Roman dieses unruhigen Lebens. Vier Jahre noch brachte Giuseppe im Kerker zu. – An einem Sommermorgen des Jahres 1795 fand man ihn entseelt in seiner Zelle im Fort St. Leo. – Lorenza, sein Weib, wurde in ein Kloster gesteckt und starb noch vor ihm.
Hier hat die Mär ein Ende. – Langsam und träge fällt der Vorhang. – Missa est.