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Hoch spritzt an den Nacken das Blut,
Lebende wechseln mit Todten, der Fuß
Strauchelt über den Leichnam.
Schiller.
Den Frauenstreit unterbrach ein Vorgang, welcher schreiend gegen Agnes von Leiningen sprach. Kunigunde benützte jedoch diesen Vortheil zur Bekämpfung der heftig zankenden Gegnerin nicht, wahrscheinlich deshalb, weil dieser Vorgang zu sehr ihr weibliches Gefühl verletzte.
Die Plünderer der kunstvoll ausgeschmückten Augustinerkirche zogen eben heran, oder vielmehr, sie drängten sich mühevoll durch das Gewühl hindurch. Ueber ihren Köpfen hielten sie triumphirend die hölzernen Figuren, größtentheils schon verstümmelt. Dürers prachtvolles Gemälde, die Auferstehung unseres Herrn darstellend, hing zerfetzt, wie ein Mantel, um die Schultern eines Kesselflickers. Die zwölf silbernen Standbilder der Apostel, nicht sowohl durch das edle Metall, als durch die kunstvolle Arbeit eine besondere Zierde der Kirche, waren nirgends zu erblicken. Dieser Umstand entging dem erzürnten Schultheiß nicht.
»Sucht mir doch die silbernen Apostel und den güld'nen Augustin!« sprach er zu Eberhard, welcher in dem Anblicke des Scheiterhaufens schwelgte, der fortwährend durch neue Gegenstände papistischer Gräuel anwuchs. »Sucht mir dazu unsere liebe Frau mit dem Geschmeide auf dem Haupte! Dies Alles ist wohl nicht würdig, mit den übrigen Götzen verbrannt zu werden.«
Eberhard wollte den Schultheiß nicht verstehen und stimmte mit voller Stimme in das Lied ein, welches vom Volke gebrüllt wurde.
O Papst, Papst, wie bist Du so gar verirrt,
Du bist ein Wolf und nit ein Hirt,
Daß Du so ganz erblindet bist,
Du bist, ich glaub' der wahr' Antichrist
Was darf's viel Kramantzen und langer Red,
Der Papst und Kaiser Karolus ihr Beed,
Sind nit unschuldig an dem Blut,
Das jetzt der Türk vergießen thut.
O Papst, Papst fürchtest Du nit Gott?
Deine rothen Hüt' und beschorne Rott'
Han blutig und Raubwölfen Zähn
Ihr hättet gut Würstmachen gen.
Das Blut das Ihr vergossen hend
Läg es jetzt frisch an einem End,
Ihr möchtet All darinn ertrinken
Ja schier garnach ganz Rom versinken.
Unter Absingen dieses Liedes, – wenn anders dem wilden Geschreie der Namen Gesang beigelegt werden darf, – drängten sich die Kirchenplünderer durch das Gewühl.
In der Nähe des Scheiterhaufens blieben sie im Gedränge vollständig stecken, die hölzernen Figuren mußten von Hand zu Hand gehen, bis sie den Scheiterhaufen erreichten. Das stürmische Absingen eines neuen Spottliedes begleitete die Handlung, welches jedoch verstummte, als der Schneider, Prediger und Prophet Knebel in Begleitung zweier handfester Burschen erschien, die einen Mönch in ihrer Mitte führten. Knebel schritt hochmüthig voran, und verlangte mit feierlicher Stimme: »Platz für Gottes Streiter!«
Der Mönch, ein alter Mann mit grauen Haaren und abgehärmtem Gesichte, war auf schaudererregende Weise verstümmelt. Selbst die gefühllose Menge schien bei seinem Anblicke entsetzt, als das Opfer des Fanatismus unter Hieben und Stößen durch das Gedränge geschleppt wurde. Beide Ohren waren ihm abgeschnitten, in breiten Streifen rann das Blut über das dunkle Ordensgewand herab. Die verstümmelte Nase bot einen nicht minder abschreckenden Anblick dar, und dem Munde entquoll fortwährend dunkles Blut. Ein menschliches Gebein, wahrscheinlich die Reliquie eines Heiligen, war ihm gewaltsam in den Mund gepreßt und am Kopfe mit einer Schnur festgebunden.
»O Ihr Hunde, – Ihr Teufel!« schrie Herr Nikolaus, schäumend vor Ingrimm, beim Anblicke des Verstümmelten. »Weg, – laßt mich den Schurken die Schädel einschlagen. O Ihr Heiden und Teufelsmenschen!«
»Um Gotteswillen! was beginnt Ihr?« wehrte Langenstein, der mit Mühe den Freiherrn festhielt. »Bleibt, – das Volk würde Euch in Stücke reißen.«
»Immerhin, – laßt mich! Jener Bluthund muß seinen Theil haben,« und er deutete auf Knebel, der, am Scheiterhaufen angelangt, ein Beil ergriff, sein grausames Werk zu vollenden.
»Ischt das klug, Herr Niklas?« rief der Schwabe, welcher seine Bemühungen mit jenen Langensteins vereinte, um den Freiherrn von diesem lebensgefährlichen Vorhaben abzuhalten. »Dem Mönch könnt Ihr die Ohren nit mehr d'ran setzen, und wir alle zusammen sind nit stark genug, das wüthende Volk zu stören. D'rum seid gescheidt und laßt der Sache ihren Lauf.«
Der entrüstete Fleckensteiner schenkte weder dem klugen Schultheiß noch dem Waffenfreunde Gehör und war nahe daran, von beiden sich los zu machen. Da fiel sein Blick auf den nahen Balkon der Zwingburg. Margareth hatte des Vaters Absicht bemerkt und ihre abwehrenden Bewegungen gaben Zeugniß von der Größe ihres Schreckens. Herr Nikolaus starrte einige Sekunden hinauf, er glaubte die Thränen über das erblaßte Angesicht der Tochter herabrinnen zu sehen und ihre Beschwörungen zu hören. Abermals rang sie nach ihm die Hände, der grimme Fleckensteiner wandte sich um, ohne nochmals den mißhandelten Mönch anzusehen, aus Furcht, sein Entschluß möchte durch den erneuten Anblick des Opfers wankend werden.
Der Prediger Knebel fuhr in seinem blutigen Beginnen fort.
»Nehmt das Aas aus seinem verfluchten Schlund!« gebot er, und die Reliquie wurde aus des Mönches Mund genommen, wobei es sich zeigte, daß ihm mehrere Zähne eingeschlagen waren.
»Jetzt aufgemerkt, verruchter Götzendiener!« fuhr Knebel fort. »Du hast noch Zunge, Augen und Hände; schwörst Du nicht zur Stelle dem lautern Evangelium zu und bekennst, daß ich, Bartholomäus Knebel, Gottes wahrhaftiger Evangelist bin, – dann soll Dir die Zunge ausgerissen, die Hände sollen Dir abgehauen und die Augen ausgestochen werden. Also steht's klärlich im Gesetzbuche des Reiches Sion geschrieben, und muß, nach Meister Huttens Rath, allen störrischen Papistenhunden geschehen.« Stud. u. Sk. z. Gesch. d. Ref. S. 142.
Der Angeredete stand gebeugten Hauptes schweigend da, und hatte Mühe, die wankende Gestalt aufrecht zu erhalten. Das Volk, jederzeit bereit, Schauspiele der Grausamkeit mit gefühlloser Lust anzuschauen, begann zu murren, da auf Knebels wiederholte Vorstellung der Mönch stumm blieb. Laute Stimmen forderten des Urtheils Vollziehung und Knebel zögerte nicht.
»Wahrhaftig, Gottes Geist schwebte nicht über mir,« rief er, das Beil erhebend, – »wäre es nicht meine Lust, Moabiter und Amalekiter auszurotten, wie die Schrift sagt. Her da mit seinen Teufelskrallen!« befahl er und des Mönches Hände wurden auf ein Standbild gelegt; es stellte den Märtyrer Hermenegild vor.
Unter den Zuschauern befand sich auch Doktor Faust; das Hohnlachen seines Menschenhasses im Gesichte, weidete er sich an den Qualen des Gemarterten. In Knebel erkannte Faust sogleich einen jener Schwärmer, wie solche die Reformation zahllos erzeugte. Da er berechnete, der Mönch würde das Händeabhauen nur einige Augenblicke überleben, fand er schnell eine Todesart, welche schauriger, langsamer und darum für des Astrologen teuflisches Gemüth genußreicher sein würde. Er trat zu Knebel heran und hielt das schon erhobene Beil zurück. Der Fanatiker sah ihm unwillig in's Gesicht, ohne seine Haltung zu verändern.
»Laßt ihm die Hände!« rieth Faust. »In drei Minuten hätte sich der Meßpfaffe verblutet und würde von der gerechten Strafe wenig fühlen. Wär's nicht besser, den Götzendiener sammt den Götzen zu verbrennen?«
Teuflisches Frohlocken zuckte durch Knebels Gesicht.
»Nicht Fleisch und Blut hat Dir solches eingegeben, Bruder!« rief er sich aufrichtend. »Ganz recht, verbrannt soll er werden! Hinauf mit dem Höllenbraten, – hinauf mit ihm!«
Bevor jedoch Knebels Befehl vollzogen wurde und ehe noch das Beifallsgeschrei der Menge ausgetobt, nahm die Scene plötzlich eine andere Wendung.
Obwohl die Straße so dicht voll Menschen war, daß jeder an dem Platze stehen bleiben mußte, wo er eben stand, sah man dennoch einen Mann mit Erfolg durch das Gewühl sich Bahn brechen. Seine hohe Gestalt überragte Alle, sein glühendes Angesicht war dem Scheiterhaufen zugekehrt. Vor der Brust hielt er ein wuchtiges Schwert, das seiner Breite und Länge wegen viele Aehnlichkeit mit den Zweihändern hatte, so genannt, weil sie mit beiden Händen geführt und nicht am Wehrgehäng, sondern auf der Schulter getragen wurden. Mit der Rechten theilte er ohne besondere Anstrengung die Masse. Sein Haupt bedeckte eine Stahlmütze, auf der eine rothe Feder stack, die in einiger Entfernung, wie eine kleine Flamme, über dem dunklen Gewühle flackerte. Während er mit steigender Eile vorwärts drängte, wich vor dem Harnische des Mannes die Menge zurück, wie vor dem Kiele des Schiffes die zürnenden Wogen des entgegenströmenden Meeres. Manche Flüche und Verwünschungen wurden laut im Volke und bezeichneten die Bahn, welche Heinrich von Windstein nahm; denn nur er konnte Schwierigkeiten überwinden, die gewöhnliche Menschen würden erdrückt haben, ohne sie an's Ziel gelangen zu lassen.
Endlich stand Heinrich vor dem Scheiterhaufen. Drei Schritte vor ihm wurden eben dem Mönche die Hände grausam zusammengeschnürt. Windstein war beim Anblicke des Gemarterten wie versteint stehen geblieben. Der Ordensmann schlug gerade das matte Auge auf und ließ es mit stillem, ergebenem Schmerze auf dem Junker ruhen. Da flammte eine dunkle Gluth über Windsteins Angesicht, er stieß eine furchtbare Verwünschung aus, rannte den vor ihm Stehenden zu Boden, stürzte über ihn weg, Knebel entgegen, der mit häßlichem Grinsen die Stricke in das Fleisch des Mönches zog. Noch rechtzeitig griff der Prediger zur Axt und warf sich voll Muth dem hereinbrechenden Krieger entgegen.
»Nimm das, Papistenhund!« rief Knebel, indem er gegen Windsteins Haupt ausholte. Sein Hieb erreichte jedoch das Ziel nicht; denn von Windsteins eisernem Faustschlag getroffen, der wohl einen Stier würde getödtet haben, stürzte Knebel mit zerschmettertem Schädel zu Boden.
Dieser Anfall geschah so plötzlich, daß Heinrich mit seinem Dolche die Stricke an des Mönches Händen bereits zerschnitten hatte, bevor die verblüfften Fanatiker des Predigers Tod rächen konnten. Jetzt aber drängte ein ganzer Haufen voll Wuth gegen den Ritter.
»Nieder mit ihm, – haut ihn in Stücke!« brüllte es von allen Seiten und tausend Hände erhoben sich zu des Jünglings Verderben.
»Was, ihr Bestien? Gegen mich wollt ihr zu Felde ziehen? Ha, nur heran!« rief der grimme Herr von Windstein und sein mächtiges, gefürchtetes Schwert fuhr aus der Scheide. Das flammende Auge des Ritters, das eiserne furchtbare Gesicht, – den schönen Zügen Heinrichs fast nicht mehr ähnlich, dazu die hohe Gestalt, welche Grimm und Wuth aufzutreiben schienen, hätten jetzt Herrn Nikolaus andeuten können, weßhalb dieser Krieger gemeinhin »rother Schlächter« genannt wurde. Durch den hochaufgethürmten Scheiterhaufen im Rücken gedeckt, stand er zum Kampfe bereit und erwartete den drohenden Angriff der tobenden Menge. Hätte der blutdürstige Pöbel geahnt, wer ihm gegenüber stehe, er würde scheu zurückgewichen sein; denn im ganzen Reiche erklang Windsteins Waffenruhm, und das gemeine Volk war eher geneigt, Heinrichs Thaten bis in's Wunderbare und Uebermenschliche zu übertreiben, als dieselben herabzusetzen. Das Geschick aber wollte, daß Niemand den Furchtbaren erkannte, der einem Löwen gleich, zum verderblichen Sprunge bereit lag.
Die bisherigen Führer und Quäler des Mönches, zwei lange, knochige Burschen, stürzten zuerst mit ihren Aexten gegen den jugendlichen Helden. Man konnte nicht unterscheiden, ob Windstein mit einem Streiche Beiden die Köpfe vom Rumpfe hieb, oder ob er zweimal ausholte. Im letzteren Falle mußte der zweite Hieb mit Blitzesschnelle geführt worden sein; denn die Köpfe rollten zu gleicher Zeit auf den Boden und die hinsinkenden Leichname übergossen den Krieger mit zwei hochaufsteigenden Blutstrahlen. Die unmittelbaren Zuschauer dieser blutigen That wichen zwar erschreckt zurück, allein das dumpfe, drohende Murren der Masse brach in stürmisches Geheul aus und schon tief im Gewühle erhoben sich Waffen gegen Heinrichs Brust. Manche Stöße trafen des Kämpen undurchdringlichen Panzer, wiederholt sausten Streiche um sein nothdürftig geschütztes Haupt, und nur seine Geschicklichkeit in Führung des Zweihänders, seine Besonnenheit und die wunderbare Stärke des Armes konnten ihn retten. Bei jedem Stiche und Hiebe, die schnell abwechselten, je nachdem die Stellung des Angreifenden es forderte, sanken die Körper in den Tod. Faust, der mit Vergnügen dem gräßlichen Würgen zusah, versicherte, Windstein habe öfter das Schwert mit beiden Händen gefaßt und zwei Leiber auf einen Streich mitten entzwei gehauen. Schnell bildete sich ein Wall von Leichen, und da die Vordersten oft wider Willen von der im Rücken drängenden Masse unter das gefräßige Schwert des rothen Schlächters getrieben wurden, dauerte das Gemetzel einige Minuten fort, bis ein Zufall dasselbe schnell beendigte.
Vor dem Beginne des Kampfes hatten nämlich die Edlen und reisigen Knechte am Treiben des Volkes keinen Antheil genommen. Einen höchst ergreifenden Anblick bot es dar, unter den schattigen Bäumen den munteren Verkehr zu sehen, die Würfel rasseln, Harfen und Lieder erklingen zu hören, indeß keine hundert Schritte entfernt das Blut in Strömen floß. Kaum wurde aber bekannt, ein Edelmann schlage sich mit dem Volke, als die Krieger von ihren Sitzen aufsprangen; – denn es muß bemerkt werden, daß, trotz der gegenwärtigen Einigung, zwischen Adel und Städten eine tiefe Spaltung bestand. Der Adel verachtete die Städter als feige Krämer, kaum werth, von ihm ausgeplündert zu werden, und lieber hätte der Adelsstolz die viel versprechende Verbindung aufgehoben, als den Standesgenossen der Volkswuth preisgegeben.
An der Spitze jener Herren, welche Heinrich zu Hilfe eilten, stand der riesige Melchior von Schauenberg. Mit Ungestüm drang er vor und der steigende Zorn jener Adeligen und Reisigen, die ihm folgten, ließ ein allgemeines Blutbad befürchten. Kaum erkannte jedoch Herr Melchior den Windsteiner, als er stehen blieb und große Lust zeigte, zum Humpen zurückzukehren.
»Vorwärts doch!« drängte der ihm folgende Seckhendorf. »Schmach über uns, wenn diese Hunde trotz unserer Gegenwart den Ritter niederhauen!«
»Pah, – das werden sie nicht!« rief Schauenberg. »Wir können ganz ruhig unsere Humpen leeren und warten, bis der rothe Schlächter sie alle zusammengemetzelt hat.«
»Was – der rothe Schlächter ist's?« rief Seckhendorf sich vordrängend, um jenen gefürchteten Degen kämpfen zu sehen.
»Ha – ha! Zum Lachen ist's doch,« meinte Schauenberg. »Kommt mir gerade vor, als ob Spatzen einem Falken zu Leibe gingen.«
Schnell hatte sich der Ruf: »der rothe Schlächter ist's!« von Mund zu Mund fortgepflanzt, Zagen und Schrecken unter der Menge verbreitend. Viele, kurz vorher sich noch bemühend, den Kampfplatz zu erreichen, wichen entsetzt zurück. Alle senkten die Waffen, das Getöse wich einem dumpfen Gemurmel und der Streit ruhte.
»Ihr habt wacker aufgeräumt, Heinz!« rief ihm Schauenberg zu. »Donnerwetter, – den Landauer Spießbürgern wird der Schwank im Andenken bleiben! Wie die Kerle daliegen; – Keiner rührt sich mehr.«
»Merkt's Euch Leute, was es heißt mit Adeligen anzubinden!« prahlte Wurtlingen.
»Zumal mit Windstein, dem tapfersten Kämpen im Reiche, dem Ihr dazu vielen Dank schuldig seid; denn oft schützte er Eure Krämer gegen die Lanzen des Adels,« sprach Seckhendorf.
»Ja, – dies mag des Schlächters einziger Fehler sein,« brummte Schauenberg; »er steht zu viel auf Seite der Krämer.«
Solche Reden wurden gewechselt, indeß man die Leichname wegtrug, und sie waren nicht geeignet, das gute Einverständniß zwischen Adel und Städten zu fördern.
Windstein verließ sogleich nach Beendigung des Streites mit dem Mönche den Kampfplatz. Einige Schritte vom Scheiterhaufen entfernt, stieß er auf seinen Rottmeister Kurd.
»Heiliger Antonius, wie seht Ihr aus!« rief dieser, mit besorgten Blicken seinen Herrn musternd. »Ihr seid doch nicht verwundet?«
»Nicht im Geringsten,« antwortete Heinrich. »Hilf mir nur, diesen armen Mann in unsere Herberge bringen.«
»Ein Bote des Trierer Churfürsten ist angekommen,« erzählte Kurd, während er voraus ging und Bahn machte. »Der Knecht hat eilige Botschaft und nach seinem sauren Gesichte zu schließen, lautet selbe nicht zum Besten.«
Windstein stand mit jenem Fürsten in naher Beziehung und hatte ihm gegen die Landfriedensbrecher, deren Raubanfällen besonders Richards Gebiet ausgesetzt war, bedeutende Dienste geleistet. Der Junker erkannte sogleich, daß wichtige Gründe den Churfürsten zu dieser außerordentlichen und eiligen Botschaft bestimmen mochten. Unter allerlei Vermuthungen und zu langsam für seine Neugierde, schritt Heinrich seiner Herberge entgegen.
Der Astrologe Faust hatte sich von dem Gedränge unter einen Bogen zurückgezogen und hier Kurds Rede bezüglich der Trierer Botschaft vernommen. In Folge seiner genauen Kenntniß von Sickingens Planen und Handlungen, errieth er sogleich die Ursache dieser ungewöhnlichen Sendung des Churfürsten. Die vernommene Kunde erfüllte den Gelehrten mit einer Mischung von Aerger und Neugierde, und bald murmelte er, in Gedanken versunken, in den Bart:
»Was wird der Junge thun? Kann er Landau verlassen, – dieses Landau, welches das Kleinod seines Herzens birgt? – Unmöglich! Die gegenwärtig ihn beherrschende Leidenschaft überwiegt alle Rücksichten gegen Richard, Kirche und Reich. – Hm – Menschen, diese Verächtlichsten unter allen Zwei- und Vierfüßlern, werden doch nur von Eigennutz für Besitz oder Genuß geleitet; – wirklich, gäbe es eine Tugend, würde einmal Jemand gegen seinen Vortheil aus sogenannten höhern Gründen handeln. – Nein – niemals bringen Menschen Opfer, es sei denn aus Eigennutz. – Er kann unmöglich fort, zu starke Bande halten ihn hier fest. – Aber,« fuhr der Doktor nach einigem Nachsinnen weiter; »wer weiß, wie hoch Richards Verheißungen sind, und nichts ist dem Menschen heiliger, als die höchste Erfüllung seiner Wünsche; – vielleicht – vielleicht könnte der Junge das schöne Ding, die Margareth, über noch schöneren Dingen vergessen! Abreisen darf er aber nicht, – wie könnte ich sonst den Hutten quälen? – Ich muß etwas thun, – muß dazwischentreten, – will gegen Richards Versprechen noch größere setzen, – will aber die vielgerühmte Pflicht dem schlauesten Pfaffen zum Trotz ihm vorhalten, – auf der einen Seite Befriedigung des Eigennutzes, auf der anderen die Pflicht – nichts als die kahle, dürre Pflicht, – will doch sehen, was diesen edlen Ritter zieht. Ha, – wenn er der Pflicht gehorchte! – Faust, dies wäre ein Stoß, ein Stoß, welcher Dein ganzes System erschütterte.«
Mit einiger Aufregung verließ der Gelehrte seinen bisherigen Standpunkt und trat sogleich den Weg zu Windsteins Wohnung an, welche er in demselben Augenblicke erreichte, als einige Bilder aus Heinrichs Zimmer getragen wurden. Die Wirthin, ein wohlgenährtes, junges Weib, deren unanständige Kleidung noch Fortschritte in der ohnedieß so üppigen Tracht jener Zeit gemacht zu haben schien, stand mit verdrießlichem Gesichte im Gange. Fortwährend geiferte sie Windsteins Knechte an, welche mit den Bildern an ihr vorübergingen, und Faust kam ihr gerade recht, um ihrem Zorne Luft zu machen, dem die Knechte klüglich ohne alle Erwiederung auswichen.
»Euer Herr zeigt keinen Geschmack, – nicht den geringsten Geschmack!« schalt sie. »Die ganze Welt soll urtheilen, ob dies nicht die schönsten, – die angenehmsten, – die natürlichsten Gemälde sind! Ja, die ganze Welt soll urtheilen; da seht, – Herr, seht dieses Bild,« fuhr sie fort, Kurd ein Gemälde aus der Hand nehmend und es Faust zeigend. »Kann's was Angenehmeres geben, – ist die Darstellung nicht ganz der Natur entnommen?«
»Vortrefflich, – ein sehr schönes und feines Gemälde!« lobte Faust mit lächelndem Munde, nachdem er stillschweigend das höchst anstößige Bild betrachtet hatte, auf welchem einige Frauen dargestellt waren, die nach Ablegung des letzten Kleidungsstückes im Begriffe standen, in das Bad zu gehen, indeß hinter dem Gebüsche versteckt, mehrere Jünglinge die Badenden belauschten.
»Ein sehr reizendes Bild,« sprach Faust; »schöne Frauen unter solchen Verhältnissen zu sehen, ist gewiß anziehend.«
»Und dennoch hat der schöne Junker vom Windstein befohlen,« klagte das Weib, »die Bilder, mit denen ich ihn angenehm überraschen wollte, sogleich aus dem Zimmer zu schaffen.«
»Hat er das? – Nun, – der Junker hat eben noch einen ganz veralteten Geschmack,« sprach Faust. »Gewiß wird er durch Eure Bemühung in dieser Beziehung gebessert werden.«
»Denkt Euch nur,« grollte die Wirthin, »die alten wüsten Gemälde mit den Götzen und Todtenköpfen, mit den glühenden Rösten, Zangen und abscheulichen Marterwerkzeugen, mußten wieder aufgehängt werden. Dazu fand er in irgend einer Ecke ein Crucifix, dem er die größte Ehrerbietung erweist. Ist das nicht zu arg? Ist das nicht papistisch?« In der Reformationszeit wurde es Sitte, die Heiligenbilder durch Bildnisse der Reformatoren und Gemälde der schändlichsten Art zu ersetzen. Siehe Wizel. Catechismus ecclesiae 1535. C. c. 3 b.
»Sehr arg,« bestätigte der Doktor. »Euer schöner Gast steckt noch tief im Papstthum, welches schönen Frauen, und wäre es auch nur in Gemälden, nicht jene Aufmerksamkeit zu schenken erlaubt, wie das freie Evangelium.«
Während Faust so sprach, trat ein anständig gekleideter junger Mann heran, dessen trübe Mienen tiefes Leiden verriethen. Bei seinem Anblicke brach das Weib in zorniges Geifern und Schmähen aus. Ihre leidenschaftlichen Bewegungen machten es sogar dem jungen Manne rathsam, in sicherer Ferne zu bleiben.
»Schon wieder da, – fort aus meinem Hause, Du Schuft!« schrie die Wüthende. »Fort, – packe Dich, was hab' ich mit Dir zu schaffen? Den schmutzigsten Gassenjungen ziehe ich Dir vor, – fort mit Dir!«
»Agnes!« – begann der Geschimpfte mit sanfter, aber fester Stimme, als die Wirthin einige Augenblicke ausschnaufte. »Heute sollst Du mich zum letztenmale sehen, im Falle Du auf deinem sündhaften Vorsatze beharrst.«
»Zum letztenmale? Gottlob, – hätte ich Dich nur in meinem Leben nicht gesehen! Und weßhalb bringst Du mir auch dieses letztemal Deine abgeschmackte Gestalt unter die Augen?«
»An Deinen Eid soll meine Gegenwart Dich erinnern;« entgegnete er. »Mein ehelich angetrautes Weib bist Du!«
»Ich Dein Weib, – ich Dein Weib?« unterbrach sie ihn. »Allerdings war ich es, nun aber bin ich Deiner los und ledig durch das freie Evangelium.«
»Dann gib mir wenigstens das Versprechen, in Ehre und Züchten zu leben und ich will Dich weiter nicht belästigen.«
»Nein, solch ein thörichtes Versprechen zwingst Du mir nicht ab, – thue was Du willst, und ich thue, was ich will. Wähle ich einen Mann nach meinem Geschmack, geht's Dich nichts an, – verstehst Du?«
»Und bist Du diesen satt, nimmst Du den dritten, – nicht?«
»Versteht sich,« erwiederte sie, »wenn ich abermals das Unglück hätte, einem so widerwärtigen Menschen zu verfallen, wie Du bist. Jetzt fort, – sage ich zum letzten Male, oder ich werde Dich aus meinem Hause werfen lassen.«
»Nicht nothwendig, ehrloses, eidvergessenes Weib, – ich gehe! Aber dort Oben sollst Du mich wiedersehen, Nichtswürdige, – dort Oben, vor dem ewigen Rächer des Meineides und des Ehebruchs.«
Nach diesen Worten, die in ruhigem, beinahe feierlichem Tone gesprochen worden, wandte er ihr den Rücken.
»Gottlob, – nun werde ich ihn gewiß los sein,« sagte sie. »Tausend Dank dem erleuchteten Martinus Luther, – im Papstthume wäre ich den Lästigen niemals los geworden.«
»Ich wünsche Euch Glück zu einer Wahl, die Euren Geschmack länger fesselt,« sagte Faust und schritt der Thüre zu, welche zu Windsteins Zimmer führte. Er betrat ein prächtig eingerichtetes Gemach, worin sich nur Veit befand, der auf Fausts Befragen gegen eine zweite Thüre hindeutete. Beim Eintritte bot sich dem Astrologen eine solche Ueberraschung dar, daß er festgebannt am Eingange stehen blieb.
Auf einem Tische stand nämlich ein ungewöhnlich großes und mit vieler Kunst gearbeitetes Crucifix. Der rechte Arm war dem Gekreuzigten zwar abgeschlagen, aber die lebendige Theilnahme, welche die kunstvolle Arbeit dem Beschauer abzwang, ließ anfänglich diesen Mangel übersehen, um ihn nachher desto schmerzlicher fühlen zu lassen. Ergreifend und ausdrucksvoll war das Angesicht des Gekreuzigten. Der Künstler hatte den erschütternden Augenblick gewählt, als der Heiland mit emporgerichtetem Haupte die Worte ausrief: »Mein Gott, – mein Gott, warum hast Du mich verlassen!« Dieses Verlassensein, verbunden mit den Qualen an Leib und Seele, einer Alles und für Alle sich hinopfernden Liebe, prägte der Künstler mit solcher Meisterschaft dem Holze ein, daß man ohne Bewunderung und Rührung den Crucifixus nicht betrachten konnte. Vor dem Tische kniete Heinrich von Windstein. Seine Hände lagen gefaltet auf dem Tische, sein schönes Angesicht war dem Gekreuzigten zugekehrt, und sein großes Auge, dessen furchtbarer Ausdruck in der Schlacht Männer zittern machte, ruhte gläubig und mild auf dem Antlitze des sterbenden Erlösers.
Faust stand unbeweglich und der Eindruck, welchen der Anblick des betenden Jünglings auf ihn vorübergehend ausübte, schien nicht ohne Anflug von Erschrockenheit zu sein. Sogleich aber fuhr ein hämisches Lachen über sein Gesicht und schnell, als wolle er eine Handlung unterbrechen, die ihn belästigte, trat er auf Windstein zu und legte seine Hand auf dessen Schulter. Mit hohem Erröthen erhob sich der junge Mann.
»Ihr seid in heiligen Betrachtungen ebenso erfahren, wie im Kampfe!« begann der Astrologe, ein widerlich süßes Lächeln im Gesichte.
»Verletzende Eingriffe gegen Ehre und Glauben weise ich jederzeit zurück,« entgegnete Heinrich ernst.
»Sehr löblich!« sprach Faust, jene Würde annehmend, die er seinem Aeußern zu geben verstand. »Obwohl Eure strenge Gewissenhaftigkeit, Herr Ritter, die Erfolglosigkeit meines Besuches beinahe mit Gewißheit voraussetzen läßt, möchte ich doch keine Gründe sparen, die Euch bewegen könnten, Richards Ansuchen keine Folge zu geben.«
»Wovon sprecht Ihr?« fragte der Junker nicht ohne Staunen.
»Von des Trierer Churfürsten Ansinnen an Euch, gegen Sickingen ihm Beistand zu leisten! – Oder hättet Ihr die Botschaft noch nicht erhalten?«
»Allerdings habe ich sie erhalten,« antwortete Windstein, mit Blicken der Verwunderung den Astrologen messend. »Aber – wie ist es möglich, daß Ihr davon wißt?«
»Solche Dinge zu erfahren, ist für den Astrologen eine Kleinigkeit, – ich weiß davon!« sprach Faust. »Nun möchte ich vorerst aus Eurem Munde vernehmen, ob Ihr geneigt seid, dem Bischofe zu willfahren.«
»Allerdings, – mein Entschluß steht fest,« entgegnete Heinrich. »Morgen werde ich nach Hause zurückkehren und nach einiger Frist, welche die Zurüstung erheischt, an der Spitze meiner Knechte nach Trier aufbrechen.«
»Und die Gründe zu diesem schnellgefaßten Entschlusse?«
»Liegen auf flacher Hand,« sagte Windstein. »Eid und Treue binden an Kirche und Reich, – gegen Beide beginnt Sickingen den Kampf durch Ueberziehung des Churfürsten von Trier.«
»Ganz richtig!« sprach Faust nach kurzem Schweigen. »Ihr habt Sickingens Plane getroffen. Diese sind nach Euren Grundsätzen reichsverrätherischer Art. Doch hört,« – und der Doktor trat einen Schritt näher, indem er seinen Ton in jenen des Wohlwollens verwandelte, »obwohl Eid und Treue Euch zwingen, dem Fürsten Beistand zu leisten, müßt Ihr dennoch in Sickingens Heer gegen Richard kämpfen, – diesmal müßt Ihr andere Rücksichten der Pflicht zum Trotze gelten lassen.«
»Andere Rücksichten? Nimmermehr, – selbst das Leben muß der Pflicht zum Opfer fallen,« erwiederte Heinrich mit Entschiedenheit.
»Freilich, junger Freund! Allein es gibt Rücksichten, die theurer sind, als das Leben. Im Falle Ihr Stillschweigen gegen Jedermann gelobt, will ich von solcher Rücksicht mit Euch sprechen.«
Der Jüngling gab das verlangte Wort und horchte mit vieler Spannung auf des Doktor's Rede.
»Auf geheimnißvollen Wegen, die gewöhnlichen Menschen unzugänglich sind,« begann der Doktor, »erhielt ich Aufschluß über einen Punkt, der Euch nahe gehen muß und worüber ich zu wiederholten Malen mit Euch sprechen wollte. Nun ist es höchste Zeit. Hört! – Margareth von Fleckenstein und Ihr seid nach dem Willen der Planeten bestimmt, dieses Leben in der engsten Verbindung zu durchlaufen. Ob die Neigung Eures Herzens der Bestimmung der Planeten entspricht, konnte ich bisher nicht erfahren, wohl aber wurde mir enthüllt, daß jenes reizende Geschöpf von der zärtlichsten, fast leidenschaftlichen Liebe zu Euch entbrannt ist. Der sündhafte Ehrgeiz des alten Freiherrn griff aber störend in diese Vorherbestimmung, indem er seine Tochter wohl einem vielgerühmten Manne geben will, – aber einem Manne, den Margareth nicht liebt und nicht lieben kann. Hier zu Landau soll Margareth die Beute dieses nichtswürdigen, heuchlerischen Ulrich von Hutten werden, und Ihr allein seid im Stande, die Kette langer Leiden von der schönen Fleckensteinerin abzuwenden.«
Hier schwieg der Doktor und sah in das entfärbte Angesicht des Jünglings, dessen Verwirrung ihm nicht sogleich eine Erwiederung gestattete. Faust saß lauernd, wie eine Katze.
»Ich bin zu Allem bereit,« sprach endlich der betroffene Herr von Windstein. »Keine Beschwerde und kein Opfer sollen mich abhalten, das Fräulein zu retten.«
»Gut!« fuhr der Doktor fort. »Ich bin im Besitze eines Geheimnisses, welches den Freiherrn von Fleckenstein ebenso Ulrich verabscheuen lehren wird, wie er ihn bisher hochschätzte. – Aber,« fügte Faust mit gewichtigem Tone hinzu, »nur unter der Bedingung kann ich für Euch thätig sein, daß Ihr gegen Richard in Verbindung mit Sickingen kämpft.«
Windstein erblaßte.
»Unmöglich,« – sprach er mit hohler Stimme; »verlangt all mein Gut, – mein Leben, nur verlangt solche Pflichtverletzung nicht.«
»Als ob es nicht Eure Pflicht wäre, einen Menschen zu retten, – dazu einen Menschen, der Euch so unaussprechlich liebt,« sagte Faust, mit geheimer Freude an des Jünglings Qualen sich weidend. »Die gestellte Bedingung ist unabänderlich, – wählt!«
»Um Gottes Willen – Faust, hier gibt es keine Wahl! Zu Reichsverrath meine Hand bieten, – Klöster verheeren und Altäre umstürzen? Hieße dies nicht, unter des Teufels Fahne kämpfen?«
»Ah – die Furcht schreckt Euch vor Meister Beelzebub?« lachte Faust. »Dächte ich doch, in Margareths Armen wäre man im Himmelreich und selbst gegen die Hölle sicher. – Vergeßt dazu Sickingens Dankbarkeit nicht, der mit Ehren und Gütern seinen tapfersten Waffengenossen überhäufen wird.«
»Schweigt von Belohnungen!« rief Heinrich. »Würde mir die Krone des deutschen Reiches, – ja die Herrschaft der ganzen Welt angeboten, keinen Augenblick zögerte ich, solches Ansinnen mit Verachtung zurückzuweisen.«
»Ohne Zweifel!« sagte Faust. »Mir dünkt aber, die schönste Maid im Reiche sei mehr werth, als die ganze Welt. Ah – wüßte ich von solchem Wesen mich geliebt, – Pflicht, Leben, Seele und Alles würde ich um ihretwillen d'ran setzen. Doch Ihr habt nur Sinn zum Schlachten und Würgen, den Himmel der Liebe kennt Ihr nicht. – Lassen wir die Sache fallen, sie möge unter uns nicht berührt worden sein. – Folgt immerhin Eurer Pflicht und würde auch darüber das reizendste, liebvollste Geschöpf zum unglücklichsten unter der Sonne,« schloß der Astrologe und stellte sich, als wolle er gehen.
»Bleibt, – geht nicht!« rief Windstein, den Doktor am Arme fassend.
»So ändert Euren Entschluß, – aber schnell; denn meine Zeit ist abgemessen,« drängte Faust.
»Um Gotteswillen, laßt Euch erweichen, ändert Eure Forderung!« bat der Jüngling.
»Ueberflüssiges Gerede!« that der Doktor ärgerlich. »Meine Forderung kann nicht geändert werden; entweder überlaßt das Fräulein ihrem elenden Schicksale, oder erfüllt die gestellte Bedingung.«
Windstein schwieg und stand gesenkten Hauptes und blassen Angesichtes vor dem Astrologen, der nicht ohne stille Befriedigung seines menschenfeindlichen Herzens, den furchtbaren Kampf der Pflicht gegen die Macht der Liebe in des Jünglings Zügen las. Wie verloren starrte Heinrich mit Blicken voll Schmerzen vor sich hin, einem Menschen gleichend, dessen Inneres von den qualvollsten Empfindungen zerrissen wird.
»Seid Ihr bald zu Ende mit Eurem unbegreiflichen Abwägen?« drängte Faust.
»Ich bin zu Ende – ja!« antwortete Heinrich, sein Haupt erhebend. »Möge Gott ihr Helfer sein, – ich kann es nicht!«
»Ist dies Euer letztes Wort?«
Der Doktor machte eine stumme Verbeugung und nahte langsamen Schrittes der Thüre, als wolle er noch eine Gnadenfrist zum Widerrufe gestatten. Heinrich rief ihn aber nicht zurück, sondern ließ die Gestalt des Astrologen unter dem Eingange verschwinden. Von seinem Angesichte war zwar die ungewöhnliche Blässe noch nicht gewichen, als er nach Fausts Weggehen bewegungslos auf demselben Flecke stehen blieb, aber ein unbeschreiblich hehrer Ausdruck sprach aus seinem ganzen Wesen. Er glich einem Sieger, der nach furchtbarem Kampfe seinen mächtigsten Feind niedergeworfen.