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Ueber Nacht kommt Rath, wie ein altes Sprichwort besagt, welches sich aber nicht immer bewährt.
Am Morgen nach dem ereignißreichen Abend bei Vitrac erwachte Jacques Cavaroc sehr spät, und als er die Augen aufschlug, erinnerte er sich kaum mehr seiner nächtlichen Abenteuer.
Der Rittmeister war ein Mann, dessen Philosophie selbst die absonderlichsten Begebenheiten nicht lange zu erschüttern vermochten; nicht etwa, als hätte es ihm an Herz und Verständniß gemangelt, sondern weil er das Leben hinnahm wie es sich gab, ohne Chimären nachzujagen, und hierin unterschied er sich bedeutend von seinem Freunde Jonville.
Cavaroc war, was man einen praktischen Menschen nennt, der in seinem Berufe als Soldat förmlich aufging und für alles Andere nur geringes Interesse hatte, obschon er ein großer Freund der Vergnügungen war, welche Paris zu bieten hatte. Er war ein Liebling der Frauen, machte bei denselben Eroberungen, gleichviel welcher Gesellschaftssphäre sie angehören mochten, und hätte trotzdem all diesen Herrlichkeiten ohne Bedauern den Rücken gewendet, wenn er an der Spitze seiner Escadron gegen den Feind hätte marschiren müssen. Er war viel zu jung, als daß er den großen Krieg der Siebzigerjahre hätte mitmachen können, und wenn er trotzdem einen Vergeltungskrieg herbeisehnte, so geschah das nicht bloß aus Patriotismus, sondern weil er sich gar zu gern an einem frischen fröhlichen Kampfe betheiligt hätte.
Er war der Sohn eines Obersten, der an der Spitze eines Dragonerregimentes, welches er bei Gravelotte gegen die Preußen geführt hatte, gefallen war. Er wollte den ruhmreichen Tod seinen Vaters rächen, der ihm außer einem recht bedeutenden Vermögen einen festen Charakter und eine unverwüstliche Gesundheit hinterlassen hatte. Zu seinem aufrichtigen Bedauern hatten ihm diese kostbaren Eigenschaften vorläufig bloß zu galanten Eroberungen verholfen, während er würdigere Erfolge aufzuweisen wünschte, die er durch angestrengten Fleiß und rege Theilnahme an den Vorträgen in der Kriegsschule zu erringen suchte.
Als er beim Erwachen sah, daß Mittag vorüber sei, begann er gegen Jonville zu wettern. Er hätte ihm ohneweiters verziehen, daß er ihn zur Theilnahme an dem gestrigen Balle, der einen so traurigen Ausgang genommen, verleitete; dagegen war er untröstlich, weil er einen Vortrag über Taktik versäumen mußte.
Leider war es bereits zu spät, um diesen Fehler gut zu machen, und so beschloß er denn, sich anzukleiden, um nach dem Frühstücke einen Spazierritt zu unternehmen.
Er empfand das Bedürfniß, seine Lebensgeister durch einen angestrengten Ritt ein wenig aufzufrischen und klingelte seinem Groom, um diesem die erforderlichen Weisungen zu ertheilen; – denn der Rittmeister hatte auch einen Groom, den er von seinem Landgute zu Agenais mit sich gebracht.
Der Gascogner, ebenso schlau und verschlagen wie ein geborener Pariser, besaß sehr schätzenswerthe Vorzüge und verstand sich ebenso gut auf das Kochen wie auf das Besorgen der schwierigsten Aufträge.
Da Cavaroc wußte, daß er zumindest noch ein Jahr in Paris verweilen werde, bevor er zu seinem in einer Provinzstadt garnisonirenden Regimente zurückkehren mußte, so hatte er in einem schönen Hause der Avenue de Lamotte-Piguet eine im ersten Stock gelegene große Wohnung gemiethet und sich daselbst sehr behaglich eingerichtet. Hier empfing er seine Gäste.
»Zwei Eier und eine Cotelette – und schnell!« befahl Cavaroc. »Ich will nachher ausreiten, und zwar lasse mir Cerisette, die braune Stute, satteln.«
»Soll geschehen, Herr Rittmeister. – Herr Jonville war hier, doch sagte ich ihm, daß Sie noch schliefen und wird er sich daher nochmals einfinden.«
»So bereite vier Eier und zwei Cotelettes. Sage ferner meiner Ordonnanz, sie möge Santorin satteln, die Fuchsstute, die ich vergangene Woche gekauft.«
Noch hatte Médard, so hieß der Groom, das Zimmer nicht verlassen, als Jonville eintrat. Dieser brauchte sich bei Cavaroc nicht erst anmelden zu lassen, und auf die Frage seines Freundes, die er ihm sofort beim Eintreten vorlegte, ob er wohl mit ihm frühstücken wolle, gab er zerstreut zur Antwort:
»Danke, ich habe bereits gefrühstückt.«
Der Groom begriff, daß er bloß ein Gedeck aufzulegen habe und entfernte sich. Kaum hatte derselbe die Thür hinter sich geschlossen, als Jonville eifrig fragte:
»Was ist's mit den beiden Herren von gestern? – Du warst nicht mehr zu sehen, als ich auf der Straße anlangte.«
»Ach ja – die beiden Herren –« wiederholte Cavaroc in dem Tone eines Mannes, den man an etwas längst Vergessenes erinnert.
»Man sollte wahrhaftig meinen, Du habest die Vorgänge des gestrigen Abends bereits vergessen.«
»Meiner Treue! Es ist ganz gut, daß Du mich daran erinnerst, denn ich habe heute Nachts acht Stunden in einem Zuge geschlafen und bin noch nicht recht klar im Kopfe. – Du willst also wissen, was ich gethan habe, nachdem ich Dich im Café Américain verließ? Setze Dich und zünde Dir eine Cigarre an; während ich mich ankleide, werde ich Dir Bericht erstatten.«
Bei diesen Worten begab sich der Rittmeister in sein Ankleidezimmer, wo er bei offener Thür seine täglichen Waschungen vorzunehmen begann.
Jonville seinerseits hatte kein Auge geschlossen und befand sich schon seit frühem Morgen auf den Füßen. Bleich, nervös und erregt, war ihm die Sorglosigkeit Cavaroc's unbegreiflich, der ihm aus dem Hintergrunde des Nebenzimmers, wo er im kalten Wasser plätscherte, zurief:
»Mein Bericht wird nicht lang sein. In dem Augenblicke, da ich die Straße betrat, stiegen die in Rede stehenden zwei Herren in einen ganz unscheinbaren Wagen und ich nicht faul, sprang in einen in der Nähe haltenden Fiaker, indem ich dem Kutscher zurief: »Einen Louis, wenn Du diesem Coupé nachfährst, ohne Dich irreführen zu lassen!« Der Mann nickte verständnißvoll mit dem Kopfe und hieb in seine Pferde. Der andere Wagen hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und da er nicht sehr schnell fuhr, so hoffte ich, daß ich ihn nicht aus den Augen verlieren werde. Er rollte in der Richtung der Madeleinekirche dahin und ich sagte mir: ›Unser Patron muß im Saint Honoréviertel wohnen, denn dort wohnen alle reichen Ausländer.‹ Die beiden Halunken hatten offenbar keine Ahnung, daß ich ihnen auf den Fersen sei, denn ihr Kutscher beeilte sich durchaus nicht, und so hoffte ich, daß wir ungefähr zu gleicher Zeit vor dem Hotel anlangen würden, vor welchem sie, meiner Ansicht nach, anhalten mußten. Mehr wollte ich für den Moment gar nicht erfahren, da es sich vorläufig nur darum handelte, in den Besitz ihrer Adresse zu gelangen.«
»Nun und?« fragte Jonville, indem er sich der Thür des Ankleidezimmers näherte.
»Nun, lieber Freund, meine Jagd auf den Mann hatte keinerlei Erfolg.«
»Wie! Sie sind Dir entkommen?«
»Der Teufel muß wohl die Hand mit im Spiele gehabt haben. Auf dem Opernplatze angelangt, geriethen wir in ein Chaos von Fuhrwerken aller Art. – Der Maskenball in der Oper war soeben zu Ende und die verschiedenen Wagen fuhren wie toll durcheinander, so daß mein Kutscher halten mußte, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, während der von mir verfolgte Wagen sich auf gewandte Weise zu befreien verstanden und bereits die Rue de la Paix erreicht hatte. Mein Kutscher suchte ihn einzuholen, doch waren alle Bemühungen vergeblich. Die Herren hatten einen Vorsprung gewonnen und ihr Pferd flog dahin wie der Blitz. Ich bin überzeugt, daß es ein Orloff war – nur diese Race vermag fünf Meilen in der Stunde zurückzulegen, und es ist sehr leicht möglich, daß sein Eigenthümer ein Russe ist.«
»Du hast ihnen also nicht folgen können?«
»Ich gab die Verfolgung auf, denn sie wäre zwecklos gewesen. Jene waren bereits auf dem Vendômeplatze angelangt, als das vor meinen Wagen gespannte Rößlein noch durch die Rue Daunou trottete. Ich beschloß daher, nach Hause zu fahren, und auch dies brachte meine Rosinante nur mehr mit Noth und Mühe zu Stande. – Dies, lieber Freund, die Geschichte meiner Expedition,« schloß der Rittmeister aus seinem Ankleidezimmer herauskommend.
»Wir werden die Identität dieses Mannes also nicht in Erfahrung bringen,« bemerkte Jonville kleinlaut; »und der glückliche Zufall, der ihn uns in den Weg führte, hat uns nichts genützt.«
»Wer weiß? – Vielleicht begegnen wir ihm noch einmal. – Wer solche Pferde hat wie er, läßt sie gern bewundern, und er wird sich nicht scheuen, mit seinen Thieren im Bois zu erscheinen, so wenig wie er sich zurückhielt, im Café Américain zu speisen. Ich gedenke nach dem Frühstücke einen Ritt durch das Bois zu machen. Santorin hat seit drei Tagen den Stall nicht verlassen und Du reitest gut genug, um sie zu meistern, obschon sie nicht sehr fromm ist. – Doch sage einmal, Du bist wohl schon seit früh Morgens aus den Federn, und was hast Du denn während des ganzen Vormittags gethan? – Warst Du bei Vitrac?«
»Nein; ich habe ihn noch nicht gesprochen. Wozu denn auch? Ich bin fester denn je entschlossen, mich von der Sache fernzuhalten, es sei denn, er verlangt das Gegentheil von mir.«
»Weshalb also wolltest Du um jeden Preis die Wohnung dieses Mannes in Erfahrung bringen? Und weshalb Deine verstörte Miene vorhin, als ich Dir sagte, daß ich seine Spur verlor?«
»Ich weiß es selbst nicht. Ich denke aber fortwährend an diese unglückliche junge Frau, deren Schönheit mich so oft entzückte. Ich gab nur meiner ersten Regung nach, die Folgen jedoch hat Vitrac allein zu tragen. Wenn er das bedauernswerthe Opfer rächen will, so ist es seine Sache, nach dem Mörder zu forschen.«
»Ganz richtig; das Feuer, das Dich nicht brennt, das lösche nicht – und dann ist ein Irrthum Deinerseits auch nicht völlig ausgeschlossen. Möglicherweise wird man noch zu der Einsicht gelangen, daß der ganze Vorfall keines solchen Aufhebens werth sei und es sich bloß um einen dummen Streich handle. Der Eremit und der Lastträger haben an demselben theilgenommen; doch haben sie eben bloß die Größe mit den beiden Riesen aus dem Café Américain gemein. Und selbst wenn einer dieser Riesen der Gemahl der Freundin Vitrac's ist, so beweist das noch nicht, daß er sie auch getödtet hat. Sprechen wir also nicht weiter über die Sache, sondern begeben wir uns in das Speisezimmer. Du hast bereits gefrühstückt, doch wird Dich das nicht hindern, mir Gesellschaft zu leisten.«
Flink wie in allem, hatte Cavaroc während dieses Gespräches seine Toilette beendet, das heißt eine Reithose und Sporenstiefel angelegt. Er brauchte nur noch in seinen Rock zu schlüpfen, um zum Ausreiten fertig zu sein.
Viel erregter, als er es sich merken lassen wollte, beneidete Jonville den jungen Officier um dessen Sorglosigkeit. Bald konnte er auch dessen Appetit bewundern. In wenigen Minuten hatte Cavaroc die Cotelette und beide Eier vertilgt, aus welchen das traditionelle Junggesellenfrühstück besteht, und dieselben mit einer Flasche Chablis bespült, die er langsam austrank, während sein Freund an seiner erloschenen Cigarre kaute, die er anzuzünden vergaß.
Der Rittmeister lächelte über dieses Symptom tiefen Nachsinnens, fühlte sich aber dadurch nicht veranlaßt, das unterbrochene Gespräch von neuem aufzunehmen. Er war bereits beim Kaffee angelangt, als sein Groom eintrat, um ihm den Besuch einer Dame zu melden.
»Was für eine Dame?« fragte Cavaroc.
»Sie wollte mir ihren Namen nicht nennen, sagte mir aber, daß der Herr Rittmeister sie kennen und sie zweifellos empfangen würden,« gab Médard gewandt zur Antwort.
»So lasse sie eintreten.«
»Ich gehe,« sagte Jonville sich erhebend.
»Welcher Teufel reitet Dich? Fürchtest Du Dich jetzt vielleicht vor den Frauen?«
»Das nicht; doch bin ich nicht in der Stimmung, um den Liebenswürdigen zu spielen.«
»Du mußt aber bleiben. Ich habe Dir noch eine Menge Dinge zu erzählen, die Dich interessiren werden, und da Du meinem Gaste ausweichen willst, so erweise mir den Gefallen, hier zu warten, bis ich nachgesehen, was man von mir will. Ich werde schnell fertig sein.«
»Die Dame wartet im Rauchzimmer,« bemerkte der wohlgeschulte Groom.
»Gut, gut, ich komme schon. – Zünde Dir Deine Cigarre also von neuem an, Alter, und entschuldige mich für fünf Minuten.«
Und ohne die Erwiderung seines Freundes, der diese Aufforderung nicht gut ablehnen konnte, abzuwarten, begab sich Cavaroc in das anstoßende Gemach, wo er zu seiner nicht geringen Ueberraschung Fräulein Wanda antraf.
Diese schien sich hier sehr behaglich zu fühlen, denn sie hatte von der Wand einen schweren Ordonnanzsäbel genommen, den sie vergebens aus der Scheide zu ziehen versuchte.
»Wie! Sie sind es?« rief Cavaroc erstaunt aus.
»Ich selbst, in höchst eigener Person!« erwiderte sie heiter. »Und Sie können sehen, daß ich mich wie zu Hause fühle. Verzeihen Sie mir, lieber Rittmeister, ich habe aber eine besondere Vorliebe für blanke Waffen. – Müssen Sie aber stark sein, um solch ein schweres Ding an die Seite zu hängen!«
Cavaroc hätte gern gelacht, doch drängte sich ihm unwillkürlich die Frage auf, was sie denn mit diesem Säbel anfangen wollte. Er hielt es für angemessen, ihr die Waffe aus den Händen zu nehmen, wobei er sagte:
»Dieses Werkzeug ist nicht geschaffen, um von Ihren niedlichen Händen gehoben zu werden.«
»Sie können es daher auch wieder an den Nagel hängen. – Sie sind wohl erstaunt, mich bei Ihnen zu sehen? Ich sagte Ihnen aber schon gestern Abends, daß ich weiß, wo Sie wohnen.«
»Allerdings; indessen –«
»Sie errathen nicht, weshalb ich so früh hierherkam? Ich glaubte Sie in Uniform anzutreffen, da Sie um diese Zeit von den Manövern zurückzukehren pflegen.«
»Hätte ich dies ahnen können, so hätte ich meine Uniform angelegt.«
»Sie denken vielleicht, ich treibe bloß Scherz? Hoffentlich bin ich ein anderesmal glücklicher und kann Sie in voller Uniform sehen. – Sie müssen nämlich wissen, daß ich mir dies in den Kopf gesetzt habe.«
»Ich würde mich beeilen, Ihren Wunsch zu erfüllen,« bemerkte Cavaroc ein wenig ironisch; »doch glaube ich, daß Sie heute bloß gekommen sind, um über die Ereignisse der jüngsten Nacht zu sprechen.«
»Wie! Sie denken überhaupt noch an diese Dinge? – Doch sprechen wir immerhin über dieselben, wenn Sie wollen; vorerst möchte ich aber ein Gläschen Chartreuse trinken.«
»Ich habe weiße, grüne und gelbe Chartreuse, meine Gnädige, Sie können daher ganz nach Belieben wählen,« sagte Cavaroc und öffnete die Thür, welche das Rauchzimmer vom Salon trennte, den man durchschreiten mußte, um in den Speisesaal zu gelangen.
Cavaroc sah nunmehr deutlich, mit wem er es zu thun habe. Wanda gehörte zu jenen, im Uebrigen recht zahlreichen Frauen, welche die glänzende Uniform besticht; und dies wollte sie ihm ohne viele Umschweife zum Bewußtsein bringen. Wären die Verhältnisse anders gelegen, so hätte sich Cavaroc die günstige Gelegenheit nicht entgehen lassen, denn noch nie war ihm Wanda begehrenswerther erschienen als heute; doch abgesehen davon, daß er Vitrac aufrichtig ergeben war, wollte er sich diesen Zufall zunutze machen, um Jonville, den er allein gelassen und der bereits ungeduldig sein mochte, nähere Nachrichten zukommen zu lassen.
Wenn sich Wanda mit einemmale dem jungen Diplomaten gegenübersieht, wird sie zweifellos zornig werden; doch war es unbedingt erforderlich, daß sie ihnen mittheilte, was sich nach der Entfernung der beiden Freunde in dem Atelier Vitrac zugetragen, und so gering auch das Interesse war, welches Cavaroc der Sache entgegenbrachte, war er immerhin neugierig zu erfahren, welche Folgen das absonderliche Ereigniß nach sich gezogen.
Wanda schien es indessen nicht sehr eilig zu haben, ihm diesbezügliche Aufklärungen zu ertheilen, denn sie ergriff jeden Anlaß, um von anderen Dingen zu sprechen. Sie besichtigte die verschiedenen Zierate auf den Schränken und Tischen, schien ganz begeistert über die Pracht der Einrichtung und vertiefte sich endlich in die Bewunderung eines großen Porträts, welches Cavaroc hoch zu Roß und in großer Uniform darstellte – so wie sie ihn in Wirklichkeit zu sehen gewünscht.
Der Rittmeister drängte sie aber unmerklich nach der Thür des Speisezimmers und indem er dort mit ihr eintrat, sagte er:
»Lieber Freund, Fräulein Wanda hatte die Liebenswürdigkeit, mich mit einem Besuche zu beehren.«
Jonville, der in der Mitte des Zimmers stand, wich in höchstem Grade erstaunt zurück, während das Gesicht der jungen Dame einen ganz veränderten Ausdruck annahm. Ihre Augen, die soeben noch freundlich und aufmunternd geblickt, blitzten zornig und sie sprach trockenen Tones:
»Sie hätten mir sagen müssen, daß Sie nicht allein seien, denn ich war der Meinung, daß ich es mit einem ritterlichen Manne zu thun habe, als ich zu Ihnen kam; ich sehe aber, daß ich mich getäuscht habe und darum gehe ich.«
»Das werden Sie doch nicht thun!« erwiderte der Rittmeister begütigenden Tones, indem er die Arme ausbreitete, um Wanda den Weg zu versperren. »Gestatten Sie mir wenigstens, daß ich Jonville mit dem Zwecke Ihres Besuches bekannt mache; er soll doch wissen, daß Sie im Auftrage unseres Freundes Vitrac kommen.«
Wanda begriff sofort, daß ihr Cavaroc ein Auskunftsmittel biete und sie beeilte sich, von demselben Gebrauch zu machen.
»Ja, so ist es,« sprach sie. »Unser gemeinschaftlicher Freund Paul hat mich beauftragt, ihn bei Ihnen zu entschuldigen und Ihnen die unangenehme Scene zu erklären, welcher Sie gestern Abends in seinem Atelier beiwohnen mußten.«
Cavaroc hatte seinen Zweck erreicht, denn in die Enge getrieben, war Wanda genöthigt, den beiden Freunden die gewünschten Aufklärungen zu ertheilen, wenn sie sich in den Augen Jonville's keine Blöße geben wollte. Der Letztere mochte sich immerhin seine eigenen Gedanken über die Erklärung machen, die der Rittmeister ersonnen hatte, um das Selbstgefühl der jungen Dame zu schonen, zumal es viel natürlicher gewesen wäre, wenn Paul sie zu Jonville geschickt hätte, denn mit diesem war er tatsächlich befreundet, auch wohnte derselbe viel näher zur Place Pigalle wie Cavaroc. Indessen focht ihn all dies wenig an, wenn er nur erfuhr, was er so gern zu erfahren wünschte, trotz der Gleichgiltigkeit, die er zur Schau trug. Wanda ließ ihn nicht lange warten, denn sie hub alsbald an:
»Um es kurz zu machen, meine Herren, Sparbüchse hatte richtig gerathen. – Das Ganze war ein schlechter Scherz und der Kopf aus der anatomischen Lehranstalt entwendet worden.«
»Nun, hab' ich es Dir nicht gesagt!« rief Cavaroc aus, indem er seinen Freund anblickte, worauf er zu Wanda gewendet fortfuhr: »Der Diener der anatomischen Lehranstalt hat den Kopf also einem der jungen Maler ausgeliefert?«
»Dies ist noch nicht erwiesen; doch hat sich Sparbüchse dem Polizeicommissär gegenüber anheischig gemacht, ihm diesen Beweis zu erbringen.«
»Und der Commissär hat ihm aufs Wort geglaubt?« fragte Jonville.
»Mit nichten. Der Herr Commissär war sehr übler Laune, denn man hatte ihn bei nachtschlafender Zeit aus dem Bette gerissen und da ließ er es an allerlei kleinen Bosheiten nicht fehlen. Er unterzog sämmtliche Gäste, die er noch antraf, einem eingehenden Verhöre; man mußte ihm wohl oder übel Red' und Antwort stehen, und er notirte die Namen und Wohnungen aller Personen.«
»Wir thaten wohl daran, das Weite zu suchen,« bemerkte der Rittmeister.
»Gewiß, denn die Verhöre währten die ganze Nacht, Sie entgingen denselben, und wir werden wahrlich nicht verrathen, daß Sie auch zugegen gewesen. Um sieben Uhr Morgens entließ der Commissär die Leute endlich, denen er noch die Mittheilung machte, daß die Behörde eine Untersuchung einleiten werde und daß sämmtliche Anwesende dem Rufe des mit der Untersuchung betrauten Richters unverzüglich Folge zu leisten gehalten seien.«
»Die Angelegenheit wird also noch Folgen haben?« fragte Jonville.
»Natürlich, doch mache ich mir darob keine Sorge, denn ich bin überzeugt, daß die Untersuchung keinerlei Resultat ergeben wird. Wem könnte man weis machen, daß ein Mörder sich der Gefahr des Ergriffenwerdens aussetzen wird, nur um sich harmlos vergnügenden Leuten einen Streich zu spielen?«
»Dies ist allerdings unwahrscheinlich,« stimmte Cavaroc zu; »und der Commissär dürfte sehr bald zu der Erkenntniß gelangen, daß da keine Spur von einem Verbrechen sei. Was geschah aber mit dem Kopfe?«
»Der Commissär befahl seinen Leuten, den Kopf in den Sack zurückzustecken und fortzuschaffen. Ich denke, man wird den Kopf in der Morgue zur allgemeinen Besichtigung ausstellen.«
»An Besuchern wird es dabei allerdings nicht fehlen.«
»Um so besser. Hoffentlich wird sich jemand finden, der die Todte erkennen wird – vielleicht gar der Student, der den Kopf entwendete.«
»Der wird sich wohlweislich hüten, sich seines Streiches zu rühmen, da er ohne Zweifel relegirt werden würde, wenn die Sache ruchbar würde.«
»So werden andere Personen den Kopf erkennen. – Die Bedauernswerthe war sehr hübsch und eine hübsche Frau hat stets Freunde. Man wird schon erfahren, in welchem Krankenhause sie starb und wer sie war; hat man dies aber einmal in Erfahrung gebracht, so wird man uns nicht mehr behelligen. Und weiter verlange ich nichts, so weit es Paul und mich betrifft.«
»Da Sie gerade von unserem Freunde Vitrac sprechen, meine Gnädige,« sagte Jonville plötzlich, »so gestatten Sie mir wohl die Frage, wie er den traurigen Zwischenfall aufgenommen hat.«
»O! er nahm denselben sehr tragisch, und ist darob so erregt und nervös, als wäre er ein Frauenzimmer. Er war so ungeheuer verwirrt, daß er nicht einmal mehr wußte, welche Antworten er dem Commissär gab. Sein Zustand ist ein geradezu beklagenswerther. Man sieht, daß er niemals Soldat gewesen,« fügte Wanda mit einem zündenden Blicke auf den Rittmeister hinzu.
»Ich habe die Absicht, ihn zu besuchen.«
»Sie werden ihn zwar zu Hause antreffen; doch verbürge ich mich nicht dafür, daß er Sie auch empfangen wird. Er hat sich in sein Zimmer eingeschlossen und will niemanden sehen, nicht einmal mich. – Doch wird das vorübergehen und in einigen Tagen wird ihm der Besuch eines Freundes gewiß willkommen sein.«
»Ich werde nicht ermangeln, bei ihm vorzusprechen!« erklärte Cavaroc.
»Das wird ihn jedenfalls sehr freuen, und bis er so weit sein wird, um Sie empfangen zu können, werde ich Ihnen über ihn berichten, wenn Sie bei mir vorsprechen wollen; ich wohne Rue Condorcat neunundvierzig. Auch werden Sie mich bei Paul antreffen können, denn ich gedenke einen Theil meiner Zeit seiner Pflege zu widmen, deren er dringend bedarf. Und nun Gott befohlen, meine Herren; ich kehre zu meinem betrübten Freunde zurück.«
Wanda schickte sich an, das Zimmer zu verlassen und Cavaroc, der sich mit ihr verhalten wollte, stand auf, um sie höflich hinauszubegleiten, als der junge Gesandtschaftsattaché sagte:
»Es war also ein Schüler aus dem Atelier Cantillon, der sich als Lastträger verkleidete?«
»Ganz richtig,« erwiderte Wanda ohne zu zögern. »Sparbüchse glaubt ihn erkannt zu haben.«
»Und der Einsiedler? Der Mann im härenen Gewande und mit der Kapuze, der kurz vor der Ankunft des vermeintlichen Lastträgers in der Thür erschien und zu gleicher Zeit mit diesem Halunken verschwand?«
»Den habe ich gar nicht bemerkt, doch gehörte er offenbar derselben Bande an, und Sparbüchse wird ihn schon ausfindig zu machen wissen. Auf Wiedersehen, meine Herren,« schloß Wanda.
Cavaroc begleitete sie bis zur Eingangsthür, wo sie Zeit fand, lächelnd zu sagen:
»Sie hätten es mir sagen sollen, lieber Freund, daß Herr von Jonville zugegen sei; allerdings haben Sie mir gewandt aus der Verlegenheit geholfen und darum zürne ich Ihnen nicht. Auf Wiedersehen, Herr Rittmeister!«
Und mit einem vielverheißenden Blicke auf den stattlichen Officier schritt Wanda die Treppe hinab; Cavaroc aber beeilte sich, zu seinem Freunde Jonville zurückzukehren, den er mit großen Schritten in dem Gemache auf und nieder wandelnd antraf.
»Nun, was sagst Du zu dieser Geschichte?« rief ihm Cavaroc schon an der Thür entgegen.
»Ich sage, daß diese Person unverschämt gelogen hat. Sie ist nicht gekommen, weil Vitrac sie geschickt hat, sondern weil sie Dich sehen wollte. Ich sagte Dir ja, daß es so kommen werde.«
»Und Deine Voraussage ging schneller als vermuthet in Erfüllung; doch hast Du gesehen, daß ich nicht viele Umstände mit ihr gemacht habe, was mir umsomehr als Verdienst anzurechnen ist, als die Person wirklich begehrenswerth erscheint. Doch wenn sie auch hinsichtlich der Veranlassung ihres Besuches gelogen hat, so beruhen ihre weiteren Mittheilungen jedenfalls auf Wahrheit, und bin ich überzeugt, daß wir einem sehr abgeschmackten Scherze beigewohnt haben.«
»Du vergißt, daß ich die Todte erkannt habe.«
»Du glaubst sie nur erkannt zu haben und bist jedenfalls durch eine Aehnlichkeit getäuscht worden. Es giebt sehr viele blonde Frauen in Paris – und überdies bin ich derselben Ansicht wie Wanda, daß uns die ganze Geschichte nämlich nichts angeht. Willst Du aber Klarheit in derselben haben, so brauchst Du Dich bloß in die Morgue zu verfügen, um Dich zu überzeugen, daß die geköpfte Dame mit der schönen Blondine, die Du in einer eleganten Equipage in den Champs Elysées gesehen hast, nicht identisch ist.«
»In die Morgue zu gehen, werde ich mich wohlweislich hüten; ich bin kein Freund von derartigen Schaustellungen und habe an der verflossenen Nacht vollkommen genug. Ich werde mich darauf beschränken, mit Vitrac darüber zu sprechen, denn auch er erkannte die Todte und nannte bei ihrem Anblicke ihren Namen –«
»Du meinst Irene? – Du hast wahrscheinlich falsch gehört.«
»Du hast es ebenso gut gehört wie ich.«
»Dessen bin ich nicht so ganz sicher, und ich wette, daß Vitrac nicht Deiner Ansicht sein wird. Beherzige meine Worte, Freund, und kümmere Dich nicht mehr um die Sache; komme mit mir lieber ins Bois de Boulogne. Ein kleiner Ritt wird Dir sehr gut thun.«
Jonville schien nicht geneigt, diesem Vorschlage Gehör zu schenken; der Rittmeister aber öffnete das Fenster, blickte hinaus und sagte:
»Meine Pferde sind schon gesattelt und warten auf uns; hoffentlich wirst Du meinem Burschen keine vergebliche Mühe machen wollen. Zudem kann man nicht wissen, ob uns dieser Spazierritt nicht behilflich sein wird, einige Klarheit in die Angelegenheit zu bringen.«
»Du sprichst doch nicht im Ernste?«
»Ah, ganz im Ernste!« erwiderte der Rittmeister. »Wenn Du daheim am Kamin sitzest oder im Ministerium Berichte verfassest, wirst Du schwerlich große Entdeckungen machen.«
»Aber auch nicht, wenn ich Spazierritte unternehme.«
»Weshalb denn nicht? Wir werden gewiß Bekannten und unter diesen jemandem begegnen, der von den Vorgängen der jüngsten Nacht bereits Kenntniß besitzt. Vitrac ist eine sehr bekannte Persönlichkeit und in den letzten Tagen wurde im Club sehr viel von dem Feste gesprochen, welches er in seinem Atelier veranstalten wollte; ich kenne auch viele Personen, die gar zu gern eine Einladung erhalten hätten, und war vielleicht auch eine derselben bei dem schauerlichen Auftritte zugegen.«
»Das sind lauter aussichtslose Muthmaßungen.«
»Mag sein; aber möglich ist alles, wie wir soeben wieder gesehen haben. – Sollten wir aber gar nichts neues in Erfahrung bringen, so wirst Du höchstens einen Spazierritt unternommen haben, der für die Gesundheit sehr heilsam ist – abgesehen davon, daß bei dem schönen Wetter alle schönen Frauen von Paris im Bois sein werden.«
»Nicht um eine Revue über dieselben abzuhalten, nehme ich Deinen Vorschlag an, sondern nur um Dich nicht eines Vergnügens zu berauben, da Du nicht ohne mich ausreiten willst. Nimm es mir aber nicht übel, wenn ich keine sehr kurzweilige Gesellschaft abgeben werde.«
»Es bleibt Dir unbenommen, nach Gutdünken Deinen Gedanken nachzuhängen; gestatte bloß, daß ich einen Ueberzieher anlege.«
Jonville erhob keine weiteren Einwendungen. Er war selbst der Ansicht, daß ihm die frische Luft und die Bewegung im Sattel gut thun werden; auch war es schließlich ein Unsinn, daß er sich den Kopf über ein Problem zerbrach, welches ihn so viel wie gar nicht berührte. Zudem hatte er sich selbst noch kein festes Urtheil gebildet. Wiederholt hatte er bereits seine Ansicht über das tragische Ereigniß der jüngsten Nacht geändert, und auch jetzt legte er sich noch die Frage vor, ob Cavaroc nicht recht hatte, wenn er die Erklärung Wanda's gelten ließ, wonach die schreckliche Schaustellung des blutenden Kopfes bloß ein ebenso trauriger, als abgeschmackter Scherz sei, den sich die Schüler eines Concurrenzateliers erlaubten.
Jonville glaubte den reizenden blonden Kopf erkannt zu haben; doch hatte er denselben nur einen einzigen flüchtigen Moment gesehen, so daß ein Irrthum nicht ganz ausgeschlossen schien.
Vitrac war bei dem Anblicke des Kopfes einer Ohnmacht nahe gewesen; doch konnte auch er sich getäuscht haben. Jonville hatte die Absicht, Vitrac aufzusuchen und ihn nach seiner Ansicht über das abenteuerliche Ereigniß zu fragen, wollte aber damit warten, bis sich die Aufregung seines Freundes einigermaßen gelegt haben würde. Für den Moment konnte er also nichts besseres thun, als in Gesellschaft seines Freundes Cavaroc einen Spazierritt zu unternehmen. Fünf Minuten später saßen die beiden Freunde im Sattel.
Im Schritte ritten sie durch die Avenue de Bourdonnage, die sich längs des Marsfeldes dahinzieht. Es ist dies der kürzeste Weg, um über die Jena-Brücke, den Trocadero und durch die Porte de la Muette nach dem Bois de Boulogne zu gelangen.
Der junge Attaché hatte zuerst einige Schwierigkeiten mit Santorin, der kürzlich im Tattersall angekauften Stute; da er aber ein sehr guter Reiter war, so hatte er das feurige Thier bald bemeistert. Cavaroc sagte ihm einige schmeichelhafte Worte über diesen Erfolg und benützte die Gelegenheit, um eine kleine Abhandlung über die Kunst des Reitens zu halten, welcher Jonville aber kein Gehör schenkte, da er noch immer von seinen Gedanken in Anspruch genommen war.
Die frische Luft und die Bewegung beruhigten ihn aber allmählich und er gelangte alsbald wieder zu der Erkenntniß, daß das Leben sehr schön sei, wenn man jung und unabhängig ist und eine schöne Stellung einnimmt. Julien de Jonville durfte mit Recht einer aussichtsvollen Zukunft entgegenblicken, und wenn er auch bei Frauen von dem Schlage derer, die sich für das martialische Aeußere des Rittmeisters begeisterten, kein sonderliches Glück hatte, so gefiel er dagegen anderen, die Wanda bei weitem überlegen waren.
Er hatte den Fehler, sich sehr zurückhaltend zu benehmen, auch etwas wie Geringschätzung für seine Nebenmenschen zu bekunden; doch waren diese Fehler nicht solcher Art, daß sie ihm in seinem Berufe hinderlich sein konnten.
Von vornherein war er dazu ausersehen, eine glänzende Heirat einzugehen. Als Sohn einer Witwe, die ihn anbetete – allerdings aus der Ferne, denn sie wohnte während des ganzen Jahres auf ihren sechzig Meilen von Paris entfernten Gütern in der Normandie – war er entschlossen, den sehnlichsten Wunsch seiner ebenso zärtlichen als fürsorglichen Mutter zu erfüllen. Nur hatte sich ihm noch keine Gelegenheit geboten, um dem Junggesellenstande Valet zu sagen, andererseits bemühte er sich nicht sonderlich, eine vornehme und reiche Erbin zu suchen.
Nicht etwa, als wären ihm die Vergnügungen, die Paris einem reichen, hübschen, jungen Manne in schier unerschöpflicher Fülle zu bieten hat, sonderlich ans Herz gewachsen gewesen; er nahm sich von denselben seinen Antheil heraus ohne besonderen Enthusiasmus, und bekundete stets eine Neigung, die Dinge von der melancholischen Seite zu nehmen. Er war sehr sentimental veranlagt und hatte noch nicht geliebt wie er lieben wollte, denn noch hatte er keine Frau gefunden, die seinen Idealvorstellungen entsprochen hätte.
Es unterlag keinem Zweifel, daß Julien de Jonville für eine einzige große Leidenschaft geboren war, ganz im Gegensatze zu Jacques Cavaroc, der die Liebe im Galopp genoß und ein großer Freund der Abwechslung war.
Zuweilen ersprießt die Freundschaft aus solchen Gegensätzen.
An diesem Tage schien alles dazu geeignet, die düsteren, widrigen Gedanken zu zerstreuen. Der Himmel war blau, die Luft mild; die Bäume begannen zu grünen und die Frauen helle Kleider zu tragen.
Es war dies einer jener in Paris so seltenen milden Frühlingstage, welche die Pariserinnen zum Ausgehen benützen.
Man wäre versucht gewesen zu sagen, daß die Stadt noch ihr Festgewand trage, obschon man den Aschermittwoch bereits hinter sich hatte; und in der That war das Bild des Tages ein bei weitem heitereres, als der Anblick der ihren Umzug bewerkstelligenden Wäscherinnen, aber auch eleganteres, denn die durch die Alleen des Bois rollenden prächtigen Equipagen boten einen sehr angenehmen Ersatz für die rumpelnden Karren der Waschfrauen.
Die Glücklichen hienieden, die Fürsten des Geldes, fanden sich von neuem auf dem Terrain ein, wo sie sich von drei bis sechs Uhr Nachmittags sehen lassen.
Der Rittmeister hatte spät gefrühstückt, und der Besuch Wanda's seinen Ausgang noch mehr verzögert; so kam es denn, daß, als die Herren, die ihre Pferde in Schritt gehen ließen, beim großen See anlangten, der Wagencorso seinen Höhepunkt erreicht hatte. Eine unabsehbare Menge der Wagen und Reiter erfüllte die beliebtesten Wege und Alleen, um nach kurzem Aufenthalte im Freien in die Stadt zurückzukehren.
Dieses Gewirr von Wagen und Spaziergängern war nicht der richtige Ort, um die Pferde die hohe Schule machen zu lassen, und Cavaroc, der seine Lieblingsstute gern »arbeiten« ließ, machte seinem Freunde den Vorschlag, so schnell als möglich einen weniger belebten Weg aufzusuchen, wo man in rascherem Tempo reiten könnte, ohne die geraden Glieder seiner Mitmenschen zu bedrohen, etwa die Allee von Longchamp oder die Allee de la Reine Marguérite.
Jonville war es ganz recht, aus diesem Gedränge herauszukommen und Santorin, die ungeduldig zu werden begann, nicht länger zurückhalten zu müssen. Die schönen Damen, an deren Equipagen man vorüberkam, hatten für den jungen Diplomaten keinerlei Interesse, und ein kleiner frischer Galopp wäre ihm sehr willkommen gewesen, um sich seiner düsteren Gedanken gänzlich zu entledigen.
Die beiden Herren wollten an einer geeigneten Stelle, wo die Wagen weniger dicht fuhren, über den Weg setzen, als ein majestätischer Landauer, von zwei prächtigen Braunen gezogen, in raschem Trabe an ihnen vorüberfuhr und sie streifte. Der Rittmeister wäre auf ein Haar von den Rädern erfaßt worden, und seine Stute machte einen Seitensprung, der einen weniger sattelfesten Reiter unfehlbar zu Boden geschleudert hätte. Cavaroc aber verblieb fest in den Steigbügeln, ließ jedoch einen so kräftigen Fluch vernehmen, daß ein in dem Wagen sitzender Herr sich umdrehte, um ihn anzublicken.
Cavaroc, der sich nicht so leicht einschüchtern ließ, rief ihm sogar zu:
»Ja, Ihr Kutscher ist ein ungeschickter Patron, das sage ich Ihnen, und wenn Sie daran etwas auszusetzen haben –«
Das Weitere wurde von dem Lärme ringsum übertönt, und der derart bedachte Herr hütete sich, eine Antwort auf diese herausfordernden Worte zu geben. Er war bereits ziemlich weit und nur noch sein Rücken zu sehen; doch so flüchtig auch die ganze Begegnung gewesen, hatte Jonville den Betreffenden erkannt, und er sagte zu seinem Freunde:
»Das ist er!«
»Wer?« fragte der Rittmeister. »Dieser Tölpel von einem Kutscher?«
»Ich spreche nicht vom Kutscher, sondern von dessen Gebieter. Es ist derselbe, der verflossene Nacht im Café Américain speiste.«
»Schön! Dann hätten wir also seine Spur gefunden und werden auch bald wissen, wo er wohnt. Wir brauchen ihm zu diesem Zwecke bloß zu folgen, bis er nach Hause fährt. Dann müssen wir nur noch festzustellen suchen, ob er mit dem Herrn, den Du in Gesellschaft der blonden Dame gesehen hast, identisch ist.«
»Was das betrifft, so bin ich meiner Sache sicher.«
»Nun dann kann ich Dir sagen, Freund, daß, wenn dieser Blondine der Kopf abgeschnitten wurde, der Patron sich über seinen Verlust sehr schnell tröstete, denn er saß nicht allein in seinem Wagen; neben ihm saß eine Dame.«
»Eine Dame?« wiederholte Jonville. »Er fährt mit einer Frau aus, wenige Stunden nach dem Tode der anderen? – Unmöglich!«
»Ich habe sie gesehen, sage ich Dir!« beharrte der Rittmeister; »allerdings nicht sehr deutlich, denn als der Wagen an uns vorüberfuhr, entzog sie der neben ihr sitzende Herr beinahe ganz meinen Blicken, und seitdem der Landauer weiter gefahren ist, sehe ich nur noch die Federn, mit welchen der Hut der Dame geschmückt ist – doch hängt es ja nur von Dir ab, Dich von der Wahrheit meiner Worte zu überzeugen. Lasse Santorin den Willen und Du wirst sie bald eingeholt haben.«
Jonville ließ Santorin nicht nur den Willen, sondern drückte ihr sogar die Fersen in die Weichen, so daß die Stute, die seit einer Viertelstunde schäumend an ihrem Gebiß zerrte, einen mächtigen Satz that.
»Das hast Du zu ungestüm gemacht!« rief Cavaroc seinem Freunde nach. »Wenn das so fortgeht, so wirst Du sehr bald im Sande liegen!«
Doch Jonville hörte nicht auf ihn; er dachte nur an den Landauer, den er einholen wollte, und der mit einemmale aus der langen Wagenreihe schied, um die Route de Madrid einzuschlagen. Jonville folgte ihm in Galopp, und Cavaroc, der denselben Weg nahm, murmelte:
»Weshalb eilt er denn so? – Der Landauer wird ihm nicht entwischen, und um zu wissen, wohin er fährt, brauchen wir ihn bloß im Auge zu behalten. Der wackere Julien hat es aber sicherlich sehr eilig, die Schöne in Augenschein zu nehmen, die die Nachfolgerin unserer Blondine von gestern zu sein scheint – er will es sich nicht ausreden lassen, daß dieser Herr ein neuer Blaubart ist, der erst bei seiner zweiten Frau angelangt ist; ich aber wollte, daß sich die erste auch noch des besten Wohlseins erfreute.«
Während Cavaroc diesen und ähnlichen Gedanken nachhing, hatte Jonville den Landauer eingeholt, und nun bemühte er sich, eine gleichmäßige Entfernung zwischen demselben und sich selbst aufrecht zu erhalten, um die Frau, von welcher der Rittmeister gesprochen, genau in Augenschein nehmen zu können. Dies sollte ihm aber nicht vergönnt sein, denn er mußte einen Kampf mit Santorin bestehen, die nicht gesonnen war, fein sittsam einherzuschreiten, sondern eine Reihe für ihren Reiter sehr gefährlicher Evolutionen auszuführen begann, indem sie allerlei Seitensprünge machte, sich bäumte und wild mit den Hufen ausschlug.
»Der Junge wird sich noch das Genick brechen!« murmelte der Rittmeister besorgt.
Santorin, die wie vom Teufel besessen schien, trieb es so arg, daß sie mit einemmale den beiden Braunen in den Weg gerieth, die sich erschrocken bäumten. Es trat ein Moment unbeschreiblicher Verwirrung ein: Der Wagen war hart an den Rand des Weges gedrängt, der Kutscher schwankte auf seinem Sitze und der Besitzer des Wagens hatte sich erhoben und gesticulirte lebhaft mit den Händen.
Cavaroc gab seinem Pferde die Sporen und langte rechtzeitig an, um zu sehen, wie sein Freund aus dem Sattel und gerade unter die Füße der vor den Landauer gespannten Pferde flog, während Santorin vollkommen toll gemacht, in wildem Galopp dahinsprengte.
Cavaroc verlor keinen Augenblick den Kopf. Er glitt aus dem Sattel, und ohne sich um seine Stute, die ein vernünftiges Thier war, zu kümmern, sprang er vor die Braunen, fiel ihnen mit kräftiger Faust in die Zügel und drängte sie ungestüm zurück, um seinen Freund vor ihren Hufen zu schützen. Sie konnten nunmehr unbehelligt ihren Weg fortsetzen, und ohne sich um den Wagen und dessen Insassen zu kümmern, eilte Cavaroc zu seinem Freunde.
»Hast Du Dich beschädigt?« fragte er ihn besorgt.
»Nein – es ist nichts,« erwiderte Jonville und suchte sich zu erheben.
Von Cavaroc unterstützt, vermochte er sich emporzurichten; doch als er sich hierbei auf den linken Fuß stützen wollte, schwankte er und konnte einen Laut des Schmerzes nicht unterdrücken.
»Ich glaube, ich habe mir den Fuß verrenkt,« murmelte er, auf den Arm des Rittmeisters gestützt, der ärgerlich brummte:
»Verdammt! Dieser Mensch bringt uns Unglück. Wir stecken jetzt hübsch in der Patsche! Santorin ist über alle Berge – wie werde ich Dich in die Stadt zurückbringen?«
Die beiden Freunde kümmerten sich gar nicht um den Landauer, den sie bereits weit fort wähnten; sie sahen daher auch nicht, daß der Herr ausgestiegen war und langsam auf sie zukam. Cavaroc vernahm endlich seine Schritte, wandte sich um und erkannte den Herrn. Es war in der That der Riese mit dem Schnurrbart, der im Café Américain zu Nacht gegessen und den Jonville mit der Todten in den Champs-Elysées gesehen zu haben behauptete.
In der Nähe sah er weit weniger erschreckend aus, und höflichen Tones hub er in tadellosem Französisch an:
»Ich bedauere aufrichtig, meine Herren, daß Ihnen dieser Unfall widerfuhr.«
»Schön,« bemerkte der Rittmeister, »wir verlangen ja keine Entschuldigungen von Ihnen.«
»Die ich Ihnen auch nicht schuldig bin,« fuhr der Unbekannte lächelnd fort; »trotzdem biete ich Ihnen meine Dienste an. Dieser Herr ist unfähig, zu gehen, da er sich den Fuß verrenkt hat, sein Pferd ist über alle Berge, und es dürfte Ihnen nicht leicht fallen, in dieser Gegend einen Fiaker aufzutreiben. Ich bitte Sie also,« wendete er sich zu Jonville, »einen Sitz in meinem Wagen anzunehmen und mir zu gestatten, Sie nach Ihrer Wohnung zu bringen.« Zum Rittmeister gewendet, fügte er hinzu: »Sie, mein Herr, der Sie Ihr Pferd bei der Hand haben, können uns begleiten, wenn Sie wollen.«
Gleicherweise erstaunt, wechselten die beiden Freunde einen Blick.
Cavaroc zog aus diesem zuvorkommenden Vorschlag den Schluß, daß der Mann, der ihnen denselben machte, keinerlei Verbrechen auf dem Gewissen haben könne; Jonville, der weniger vertrauensselig war, sagte sich, daß er sich die unverhoffte Gelegenheit zunutze machen müsse, um möglichst in Erfahrung zu bringen, was er von diesem Manne zu halten habe, vor allem aber, um die Frau betrachten zu können, die er nur einen Moment gesehen, als er vom Pferde fiel.
Trotzdem zögerten die beiden Freunde und der Herr fuhr höflichen Tones fort:
»Ich hätte Ihnen sofort meinen Namen nennen sollen. Ich bin der Graf Nikolaus Borodino und wohne Quai de Passy in einem Hotel, welches ich soeben angekauft habe, da ich die Absicht habe, mich ständig in Frankreich niederzulassen. Da Sie nunmehr wissen, wer ich bin, so werden Sie einen Dienst, den Sie von einem Unbekannten vielleicht nicht annehmen würden, von einem russischen Edelmanne ohne Bedenken annehmen können.«
Der Anstand hätte gefordert, daß die beiden Freunde jetzt ebenfalls ihren Namen nannten; doch ohne diesbezüglich eine Vereinbarung getroffen zu haben, unterließen es Beide, sich dem Russen vorzustellen.
»Ich danke Ihnen im Namen meines Freundes,« sagte Cavaroc; »doch will er Ihnen nicht lästig fallen. Sie sind auf einer Spazierfahrt begriffen und befinden sich nicht allein.«
»Das ist alles wahr,« entgegnete der vornehme Fremde, »ich befinde mich in Begleitung meiner Nichte; doch ist in meinem Wagen Raum für vier Personen, und Helene wird sich ebenso wie ich freuen, wenn wir bei diesem schönen Wetter unsere Spazierfahrt verlängern können.«
»Seine Nichte!« sagte sich der Rittmeister im Stillen; »Jonville hat sich also geirrt – ich wußte es ja. Nun wird er es aber selbst gestehen müssen.«
Jonville dagegen dachte sich:
»Seine Nichte – die muß ich sehen, koste es, was es wolle –«
Und er bemühte sich, der Dame ansichtig zu werden. Zum Unglücke stand der Landauer aber zehn Schritte von der Stelle entfernt, wo diese Unterredung stattfand, und die Nichte, die den Herren den Rücken zuwandte, blieb unsichtbar. Wäre nun Jonville dabei geblieben, den Vorschlag des Grafen abzulehnen, so hätte er sich der einzigen Möglichkeit beraubt, die Dame zu sehen.
»Kommen Sie, mein Herr, ich bitte Sie darum,« sprach Graf Borodino; »oder nein, strengen Sie sich nicht unnütz an. Ich werde meinen Kutscher herbeirufen, daß Sie bloß einzusteigen brauchen, wobei wir Ihnen behilflich sein werden.«
Der Graf zog, so sprechend, ein silbernes Pfeifchen hervor und entlockte demselben einen gellenden Pfiff, worauf der Kutscher, der ohne Zweifel an dieses Zeichen gewöhnt war, seine Pferde eine wohlberechnete Schwenkung beschreiben ließ, so daß der Wagen dicht vor den Herren, die inmitten des Weges standen, stehen blieb.
Diesen Augenblick hatte Jonville erwartet, um sich zu entscheiden. Doch die Dame, die ihn in solchem Maße interessirte, hatte sich auf der ihm entgegengesetzten Seite hinausgeneigt, als wollte sie mit den Augen der ohne Reiter dahinsprengenden Stute folgen, und Jonville dachte bereits, sie thue dies absichtlich, um ihr Gesicht zu verbergen.
»Ich nehme Ihr freundliches Anerbieten an, Herr Graf,« sprach er lebhaft; »kann aber nicht zugeben, daß Sie sich der Mühe unterziehen, mich nach meiner Wohnung zu bringen – zumal ich sehr weit wohne – Place du Palais Bourbon. – Ich werde demnach beim nächsten Wagenstandplatz aussteigen, wenn Sie mich so weit befördern wollen.«
»Wie es Ihnen angenehm ist,« erwiderte der Ausländer verbindlich. »Doch reichen Sie mir, bitte, den Arm und steigen Sie ein.«
Jonville kam der liebenswürdigen Aufforderung nach und auf der einen Seite von seinem Freunde, auf der anderen vom Grafen Borodino gestützt, erreichte er hinkend den Landauer, dessen Thür ein Diener bereits geöffnet hatte, und mühsam kletterte er empor.
Die im Wagen sitzende Dame wendete sich endlich um und Jonville wich unwillkürlich zurück, als hätte er ein Gespenst erblickt.
Die Dame war das leibhaftige Ebenbild der Blondine, deren Haupt gestern von so vielen Zeugen gesehen worden.
Jonville glaubte, hier liege eine ganz unglaubliche Aehnlichkeit vor; Cavaroc meinte, die enthauptete Dame selbst zu sehen und Andere wären auch seiner Ansicht gewesen, denn die Aehnlichkeit war eine geradezu überwältigende, sowohl in Bezug auf die Gesichtszüge und die Farbe der Haare, als auch hinsichtlich der blassen Gesichtsfarbe. Man hätte meinen sollen, der abgeschnittene Kopf, den ruchlose Hände in das Atelier Vitrac gebracht, sei wieder auf einen lebendigen Leib gesetzt worden.
Der Rittmeister erachtete ein solches Wunder für ganz ausgeschlossen; um so eher neigte er aber der Ansicht zu, daß sich Jonville geirrt habe, als er auf dem Balle die schöne Blondine, die er in den Champs Elysées so oft gesehen, zu erkennen geglaubt. Die reizende Blondine erfreute sich des besten Wohlseins, nachdem sie sich in Begleitung des Mannes, der sie auch sonst begleitete, im Bois de Boulogne erging, und die Todte hatte mit derselben nichts als eine vermeintliche Aehnlichkeit gemein.
Der Rittmeister mußte im Stillen über den Irrthum seines Freundes lächeln, dem seine allzu lebhafte Phantasie einen solchen Streich gespielt hatte.
Dank der Liebenswürdigkeit des Russen, der seinen Wagen dem Verletzten so bereitwillig zur Verfügung gestellt hatte, würde das Geheimniß bald völlig geklärt werden. Jonville konnte zwar nicht gehen, aber sprechen konnte er, und er wird es sicherlich nicht unterlassen, den Gegenstand während der Fahrt auf geschickte Weise zur Sprache zu bringen.
Cavaroc konnte unter solchen Umständen seinen Freund nicht im Stiche lassen, auch brauchte er Santorin's wegen nicht in Sorge zu sein. Ein herrenloses Pferd wird in Paris leichter zu Stande gebracht als eine verlorene Banknote; dasselbe wird auf das hierzu bestimmte Polizeiamt gebracht, wo es sein rechtmäßiger Eigentümer bloß zu reclamiren hat. Cavaroc beschloß also, zu Pferde den Landauer zu begleiten, in welchem Jonville, die schöne Blondine und der Mann saßen, der ihr Onkel zu sein vorgab, obschon zwischen den Beiden keinerlei Familienähnlichkeit zu entdecken war.
Nachdem der Russe Jonville genöthigt hatte, den Rücksitz an der Seite seiner Nichte einzunehmen, und dem Diener in einer Sprache, die die beiden Freunde nicht verstanden, einen Befehl ertheilt hatte, ließ er sich auf dem Vordersitze, dem jungen Diplomaten gerade gegenüber, nieder. Der Rittmeister schwang sich wieder in den Sattel, der Diener auf den Bock neben den Kutscher und dieser setzte seine Pferde in Trab, wobei er den nach der Porte Dauphine führenden Weg einschlug.
Cavaroc ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, um einer schönen Frau zu zeigen, daß er ein ausgezeichneter Reiter sei. Statt dem Wagen zu folgen, blieb er an der Seite desselben, gerade dort, wo die hübsche Blondine saß, und hier beobachtete er eine Tadellosigkeit in Sitz und Haltung, als hätte er den Präsidenten der Republik selbst begleitet.
Er hoffte auf diese Weise die Unterhaltung mitanhören zu können, die sich nothwendig im Inneren des Wagens entspinnen mußte, hoffte auch, an derselben theilnehmen zu können, wenn sich ihm eine günstige Gelegenheit dazu bieten sollte, denn wenn ihm der Onkel auch nicht gefiel, fand er um so größeren Gefallen an der Nichte.
Indessen verliefen die Dinge nicht ganz so wie er gehofft hatte.
Natürlich wendete sich Jonville vor allem an die Dame, um sie um Entschuldigung dafür zu bitten, daß er eingestiegen war, ohne ihr vorgestellt zu werden, und obschon ihn sein verletzter Fuß sehr schmerzte, brachte er seine Entschuldigungen in sehr wohlgesetzten Worten vor. Doch seine Mühe war vergeblich.
Die blonde Dame hörte ihm zu, blickte ihn lächelnd an, erwiderte aber kein Wort, und da der junge Mann hierüber ein wenig erstaunt war, beeilte sich der Onkel, die Sache zu erklären.
»Helene hat das Unglück stumm zu sein.« sprach er mit schmerzlicher Betonung.
Die unerwartete Erklärung machte Jonville sprachlos, und der Rittmeister war so erstaunt, daß er heftig an den Zügeln riß, zur nicht geringen Verwunderung seines guten Pferdes, das an eine derartige Behandlung nicht gewöhnt war.
»Das Traurigste an der Sache ist aber,« fuhr Graf Borodino fort, »daß sie nicht von Geburt aus stumm ist und den Mangel der Sprache mit voller Wucht empfindet.«
»Sie ist nicht von Geburt aus stumm?« fragte Jonville, der bereits daran dachte, daß man der Unglücklichen vielleicht die Zunge abgeschnitten habe.
»Nein,« erwiderte der Graf. »Vor drei Jahren war sie nahe daran, bei einem Brande, der den Tod ihrer Mutter, meiner Schwägerin, nach sich zog, ums Leben zu kommen; sie wurde aber noch rechtzeitig gerettet, ohne eine sonstige Verletzung davonzutragen. Dagegen hatte der Schrecken eine theilweise Lähmung verursacht, die sie des Gebrauches der Sprache beraubte. Die Frage ist nun die, ob sie dieselbe jemals wiedererhalten wird. Ich habe in Paris die hervorragendsten Capacitäten zu Rathe gezogen und die Antworten lauten nicht ungünstig; nur wird die Heilung eine geraume Zeit in Anspruch nehmen, sorgfältigste Pflege und eine besondere Cur erheischen, die vor allem die Vermeidung jedweder Aufregung bezweckt. Eine derartige Aufregung bemächtigte sich ihrer, als sie Sie vordem vom Pferde fallen sah; doch erholte sie sich alsbald wieder, als sie sah, daß Ihnen kein Unglück zugestoßen war. Bevor ich meinen Wagen verließ, sagte ich ihr, daß ich Ihnen den Vorschlag machen wolle, Sie nach Ihrer Wohnung zu bringen, und der Ausdruck ihres Gesichtes besagt Ihnen deutlich genug, wie sehr sie sich freut, daß Sie mein Anerbieten angenommen.«
»Konnte sie denn hören, was Sie ihr sagten?«
»Gewiß! Das arme Kind ist ja nur stumm, aber nicht taub.«
»So kann ich ihr also für das freundliche Interesse danken, welches sie meinem Unfalle entgegenbrachte?«
»Dies wäre ganz unnütz, denn sie versteht nur russisch – und griechisch, ihre Muttersprache. Mein Bruder, der als Oberst in russischen Diensten stand, fiel bei Plevna. Er hatte eine Griechin aus Smyrna geheiratet, und seit jenem unglückseligen Brande, der meine Nichte zur elternlosen Waise machte, hat dieselbe keinen anderen Verwandten als mich. Dies mag Ihnen zugleich erklären, daß mir Helene über alles theuer ist. Ich biete alles auf, um sie zu zerstreuen; in Folge ihres Gebrechens bildet aber eine Spazierfahrt so ziemlich die einzige Zerstreuung, welche sie genießen kann. Wir fahren darum auch täglich aus, und obschon ich mit ihr niemals in Gesellschaft gehe, da sie sich dort sehr unbehaglich fühlen würde, dürften wir den Parisern so ziemlich bekannt sein.«
»Es scheint mir in der That, Herr Graf, als hätte ich Sie schon oft in den Champs Elysées mit Ihrer Frau Nichte –«
»Nicht Frau, bloß Fräulein, Helene ist noch unvermählt und Sie werden den Grund davon unschwer errathen; auch wird sie nicht früher heiraten, als bis ihr Gebrechen geheilt ist – doch verzeihen Sie mir, mein Herr, daß ich da fortwährend von meinen Familienangelegenheiten spreche, statt von dem Unfalle, der Ihnen zugestoßen ist.«
»Ich danke Ihnen, Herr Graf; ich glaube aber, daß das Ganze nicht von Bedeutung und ein wenig Ruhe vollkommen genügen wird, um mich wieder herzustellen,« gab Jonville zur Antwort; er war förmlich außer Fassung gebracht durch das liebenswürdige Benehmen eines Mannes, den er im Verdachte gehabt, daß er ein Mörder sei.
»Was thut aber Ihr Freund?« fragte Graf Borodino mit einemmale. »Er spricht mit meinen Leuten, die kein Wort Französisch verstehen.«
»Ich sagte nur dem Kutscher, daß er einen unrichtigen Weg genommen hat,« erwiderte Cavaroc, der diese Worte vernahm. »Wir wenden ja soeben dem Triumphbogen den Rücken.«
»Sie haben vollkommen recht, und ich hoffe, Sie werden es mir nicht weiter verübeln, daß ich ohne dem von Ihnen geäußerten Wunsche Rechnung zu tragen, meinem Kutscher Befehl gab, direct nach der Place du Palais Bourbon zu fahren. Wir werden daselbst viel rascher anlangen, als wenn Sie, mein Herr, beim nächsten Standplatze einen Fiaker nehmen wollten, auch wird mir dadurch das Vergnügen zutheil, länger mit Ihnen beisammen zu bleiben. Außerdem würde mir Helene zürnen, wenn ich Sie unterwegs aussteigen ließe, wie Sie sich sofort überzeugen werden.«
Der Onkel richtete einige – russische oder griechische – Worte an seine Nichte, die mit einem zustimmenden Nicken des Kopfes antwortete, wobei sie Jonville anblickte. Dieser vermochte sich nicht zu verbeugen, um damit auszudrücken, daß er sich dem Wunsche einer Dame unterwerfe und Cavaroc, dem keine Silbe der Unterhaltung entging, rief aus:
»Sie haben meiner Treue recht, Herr Graf! So ist's viel besser. Und wenn Ihre Pferde in diesem Tempo bleiben, so werden wir in einer Viertelstunde bei der Wohnung meines Freundes angelangt sein, wo er endlich seine Stiefel ablegen wird.«
Trotzdem der Kutscher ein Russe sein sollte, schien er Paris sehr genau zu kennen, denn er nahm den kürzesten Weg, um durch die Porte de Passy und die Rue de Boulainvilliers den Quai zu erreichen, und war bereits bei der Grenelle-Brücke angelangt. Hier brauchte man bloß am Seine-Ufer entlang zu fahren, wobei man einen Weg benützte, der niemals sonderlich belebt ist, und die beiden Braunen trabten so rasch dahin, daß ein weniger sattelfester und erfahrener Reiter wie Cavaroc zweifellos zurückgeblieben wäre.
»In diesem Hause wohne ich,« bemerkte Graf Borodino mit einemmale und deutete mit dem Finger auf eine Villa, die zur Hälfte auf dem Abhange des Hügels lag, der die Basis von Passy bildet, und vor welcher sich ein von einer Mauer umgebener Garten ausdehnte, dessen Rückseite dem Quai zugekehrt war. »Der Eingang befindet sich in der Rue Breton – und werde ich hoffentlich einmal das Vergnügen haben, Sie daselbst zu empfangen.«
Das Mindeste, womit Jonville auf diese liebenswürdige Einladung antworten konnte, war, daß er seinen Namen nannte, und dies that er denn auch. Er glaubte sogar den Namen und Charakter des Rittmeisters hinzufügen zu müssen, dem das Unterbleiben dieser Vorstellung erwünschter gewesen wäre.
Graf Borodino wußte nunmehr, mit wem er es zu thun habe; er verneigte sich zum Zeichen seines Dankes, schwieg aber, und so stockte die ganze Unterhaltung. Cavaroc, der überhaupt nicht gesprächig veranlagt war, that nichts, um dieselbe zu beleben, und sein Freund wendete seine ganze Aufmerksamkeit dem reizenden Gesichte zu, welches ihn Helene im Profil sehen ließ.
Die Aehnlichkeit mit der Todten war eine erstaunliche; doch schien es Jonville, als wäre die Lebende jünger als die andere. Wie dem aber auch sein mochte – sie war einmal entzückend schön, und zwar hatte ihre Schönheit nichts Slavisches an sich. Ihre Gesichtszüge waren fein und regelmäßig wie bei der griechischen Race, welcher ihre Mutter angehört hatte; dagegen war sie blond wie Gretchen, und ihr Onkel war brünett. Vielleicht hatte ihr Vater, den die Türken getödtet hatten, dieselbe Haarfarbe gehabt wie sie; bei den Russen weisen Bart- und Kopfhaar alle möglichen Schattirungen auf.
Cavaroc, der sich viel weniger mit der stummen Schönen befaßte, erachtete die ihm von dem Moskowiten ertheilten Auskünfte für durchaus ungenügend; er wollte nähere Daten von demselben kennen, bevor die Bekanntschaft eine vertraulichere wurde, und er säumte auch nicht lange, ihm eine Frage vorzulegen, deren Beantwortung den russischen Edelmann zweifellos etwas verlegen machen mußte.
»Herr Graf,« rief er ihm zu; »Sie sagten uns soeben, daß Ihr Fräulein Nichte nicht Französisch verstehe?«
»Kein Wort!« erwiderte der Onkel.
»Dann kann ich Sie ja, ohne die Dame zu verletzen, fragen, ob Sie nicht heute Nachts in einem Gasthofe speisten, wo sich eine sehr gemischte Gesellschaft einzufinden pflegt?«
»Ja, ich war im Café Américain. Waren Sie vielleicht auch dort?«
»Noch dazu in Gesellschaft meines Freundes hier; wir saßen am entgegengesetzten Ende des Saales, gerade Ihnen gegenüber.«
»Ich habe Sie nicht gesehen; allerdings hatte ich noch nicht die Ehre, Sie zu kennen.«
»Sie behielten ja nicht einmal Zeit, auf uns aufmerksam zu werden, denn kaum hatten wir uns gesetzt, als Sie sich eiligst entfernten.«
»Ich entfernte mich, weil ich mein Mahl beendet hatte. Ein Landsmann von mir, der sich vorübergehend in Paris aufhält, schleppte mich gestern mit sich auf den Opernball, dem er noch nie beigewohnt hatte, und von dort in den vorerwähnten Gasthof. Da er heute Morgens mit dem Schnellzuge nach Nizza zu reisen gedachte, so konnte er nicht länger daselbst verweilen. Der Aufenthalt im Café Américain war mir nicht sehr amüsant und so war ich denn sofort einverstanden, den Ort zu verlassen; von dort begleitete ich ihn nach Hause.«
»Er ist jetzt also in Nizza?«
»Morgen dürfte er bereits in Monte Carlo sein, wo er nach einem selbsterfundenen Systeme Trente et Quarante spielen will; er wird selbstverständlich sein Geld verlieren, sich aber leicht darüber trösten können, da er Millionen besitzt. Er ist der reichste Kaufmann in Odessa.«
»In der That? Und ich hielt ihn für einen Tambourmajor in Civil.«
»Er hat allerdings ein wenig die Gestalt und das Aussehen eines solchen,« gab der Graf lächelnd zu; »ist aber ein durchaus liebenswürdiger Mann. In der Heimat verkehren wir nicht in den gleichen Kreisen; doch wenn wir uns in der Fremde sehen, so weiche ich einem Zusammentreffen mit ihm nicht aus.«
All dies wurde in so natürlichem Tone vorgebracht, daß der Rittmeister jetzt vollkommen davon überzeugt war, daß sich Jonville geirrt habe, als er in den beiden auffallenden Gestalten des Café Américain den Einsiedler und den Lastträger aus dem Atelier Vitrac erkannt hatte. Die Letzteren hatten mit den zwei Russen nur die Gestalt gemein, und was berechtigte schließlich zu der Annahme, daß zwei Verbrecher nach vollbrachter Unthat sich an einem öffentlichen Orte zeigen würden? Trotzdem wollte Cavaroc seinen Mann noch einer Probe unterziehen.
»Werden Sie glauben,« sprach er ohne jede Einleitung, »daß, als wir Sie mit Ihrem Freunde aus Odessa im Café Américain sahen, wir uns einbildeten, wir hätten Sie schon eine halbe Stunde früher auf einem Privatballe, und zwar in einer recht merkwürdigen Verkleidung gesehen?«
»In meinem Alter verkleidet man sich nicht mehr,« bemerkte Borodino heiter.
»Wir, Jonville und ich, wohnten diesem Balle bei, den einer unserer Freunde veranstaltete, und da ereigneten sich ganz merkwürdige Dinge.«
»Ich kann mir schon denken welcher Art – die jungen Leute trieben allerlei Thorheiten. – Wo sind die Zeiten, da ich auch welche trieb?«
»Wenn es bloß Thorheiten gewesen wären, so brauchte man kein Wort weiter darüber zu verlieren.«
»Was ereignete sich also auf diesem Balle?«
»Das werden Sie jedenfalls morgen aus den Zeitungen erfahren, denn die Geschichte wird zweifellos ungeheueres Aufsehen erregen – um so größeres Aufsehen, als sich die Sache bei einem berühmten Manne – bei Paul Vitrac zugetragen hat –«
»Vitrac? – Ist das der bekannte Maler?«
»Ja. – Kennen Sie ihn?«
»Leider nur dem Namen nach, denn ich hege die größte Bewunderung für sein Talent, und würde mich freuen, wenn ich mit ihm bekannt werden könnte. Ich kann Ihnen sogar anvertrauen, daß ich die Absicht habe, zu ihm zu gehen und ihn zu bitten, Helene zu malen. Das Honorar könnte er selbst bestimmen.«
Die Sache unterlag nunmehr gar keinem Zweifel. Dieser Mann, der seine Nichte zu Vitrac zu führen beabsichtigte, konnte unmöglich der Mörder der unglücklichen Frau sein, deren Kopf durch einen niedrigen Verbrecher oder thörichten Spaßmacher in das Atelier gebracht worden war.
Auch Jonville, der kein Auge von dem Russen verwendet hatte, während Cavaroc denselben einem förmlichen Verhöre unterzog, war jetzt von der Unschuld dieses Mannes überzeugt, der keinerlei Verwirrung gezeigt, keinerlei Unruhe verrathen hatte, als ihm der Rittmeister ganz unvermittelt eine Menge verfänglicher Fragen vorlegte. Gelangte der Graf aber thatsächlich in nähere Berührung mit Vitrac, wie er dies zu planen erklärte, so war dies wohl der klarste Beweis für seine völlige Schuldlosigkeit.
Was wird aber Vitrac sagen und was wird er vor allem thun, wenn er sich mit einemmale dieser Helene gegenübersieht, die das leibhaftige Ebenbild seiner Irene zu sein scheint? Dies war sehr schwer vorauszusagen; doch dem mochte sein wie immer, das Geheimniß mußte durch diese Begegnung geklärt werden, und Jonville, der über die Bedeutung dieses Abenteuers nunmehr gänzlich im Reinen zu sein meinte, überließ sich rückhaltslos dem Gefühle, welches ihm die neben ihm sitzende junge Dame einflößte. Wohl war dieses Gefühl bloß das der Sympathie; doch hätte es ihn bereits betrübt, wenn er Helene nicht mehr hätte sehen können.
Er konnte sie lieben, ohne das Vertrauen eines Freundes zu täuschen, denn je länger er sie betrachtete, je fester ward die Ueberzeugung in ihm, daß nicht sie es sei, die er eines Abends mit Vitrac in einem einsamen Theile des Bois de Boulogne, dem bevorzugten Plätzchen verliebter Paare, gesehen.
Die Freundin Vitrac's war die Andere, die Todte; Vitrac konnte sich diesbezüglich in keinem Irrthume befinden, und mußte über kurz oder lang eine hierauf bezughabende Auseinandersetzung zwischen ihm und Jonville stattfinden.
Der Landauer fuhr mit unverminderter Schnelligkeit weiter; er rollte jetzt über die Concordebrücke, um von da in die Rue de Bourgogne einzubiegen und die Place du Palais Bourbon zu erreichen.
Cavaroc, der vorausgeritten war, stieg vor dem Hause Nummer neun vom Pferde und trat jetzt vor, um seinem Freunde beim Aussteigen behilflich zu sein.
Graf Borodino trieb die Höflichkeit so weit, selbst auszusteigen und dem Verletzten den Arm zur Stütze zu reichen. Jonville beeilte sich indessen nicht sonderlich, seinen Platz zu verlassen, denn er wollte sich erst von dem jungen Mädchen verabschieden; da er aber weder des Griechischen noch des Russischen mächtig war, so mußte er sich bequemen, mit einem ausdrucksvollen Blicke von ihr Abschied zu nehmen.
Sie erwiderte seinen Gruß mit freundlicher Miene, und wenngleich ihr Mund stumm blieb, so waren ihre Blicke um so beredter.
»Meine Herren,« sprach der Onkel; »ich preise den Zufall, der mir gestattete, Ihnen bei einem bedauerlichen Unfalle meine geringe Hilfe zu leihen, und ich will hoffen, daß unsere Bekanntschaft sich nicht bloß hierauf beschränken wird. Herr von Jonville wird mir gestatten, mich nach seinem Befinden zu erkundigen und –«
»Ich werde Ihnen selbst darüber berichten,« fiel ihm Cavaroc ins Wort, denn er hatte nicht übel Lust, diesen Edelmann, mit dem sie auf so eigenartige Weise bekannt geworden, in dessen eigenem Heim zu sehen und zu beobachten.
»Sie werden mir stets sehr willkommen sein, Herr Rittmeister,« beeilte sich Graf Borodino zu versichern, und nachdem er den beiden Freunden herzhaft die Hände geschüttelt, stieg er wieder in seine Equipage, die in der Richtung der Esplanade des Invalides davonrollte.
Jonville, der in Gegenwart der schonen Helene eine möglichst stramme Haltung beobachtet hatte, wurde von seinem verletzten Fuße arg gequält, und nun begannen seine Kräfte zu schwinden; doch nur seine Kräfte, nicht aber sein Muth, denn er ließ keinen Laut der Klage vernehmen, und mit Hilfe des Rittmeisters langte er endlich in seinem Zimmer an.
Die beiden Freunde hatten ihre Zeit nicht verloren, denn sie begannen endlich etwas klarer in der geheimnißvollen Angelegenheit zu sehen; doch waren sie damit noch nicht am Ende ihrer Drangsale angelangt.