Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Jacques von Courtaumer war eine leichtsinnige Natur und führte ein ziemlich unregelmäßiges Leben, aber er bedauerte weder die Zeit, die er verloren, noch das Vermögen, das er vergeudet hatte.
Er hing von niemandem ab, und hatte, abgesehen von einem älteren Bruder und einer Erbtante, keine weiteren Verwandten. Seit er nicht mehr in der Marine diente, führte er ein so bewegtes Leben, daß er sein väterliches Erbe schon zum guten Dritteil aufgezehrt hatte, von einer Rente von 20 000 Frs. waren nur noch 12 000 übrig.
Jacques bewohnte in der Rue Castiglione eine hübsche Wohnung, bestehend aus drei Zimmern. Das Haus gehörte der Tante Jacques', der Frau von Vervins, welche keine Miete von ihm verlangte. Sie hätte ihm, wenn er es verlangt hätte, noch etwas dazu gezahlt, denn sie war stolz, ihren Liebling beherbergen zu dürfen. Sie hatte noch einen anderen Neffen, den Bruder Jacques', der sich sehr reich verheiratet hatte und Untersuchungsrichter war; aber Jacques war doch stets ihr Liebling gewesen und war es auch geblieben. Sie liebte seinen Charakter und entschuldigte seine tollen Streiche. Der Beamte dagegen flößte ihr mehr Achtung als Zärtlichkeit ein.
An diesem Tage nun dachte Jacques, daß es wieder einmal Zeit sei, seiner Tante einen Morgenbesuch zu machen, und begab sich zu der guten Dame, welche im selben Hause im ersten Stock wohnte. Die Diener hatten den Befehl, ihn zu jeder Stunde vorzulassen, und er fand seine Tante bei der Morgentoilette beschäftigt; Frau von Vervins war eine noch rüstige Frau, der man ihre siebzig Jahre nicht ansah.
»Nun, da bist du ja, du Nachtschwärmer,« rief sie Jacques zu, als er in der Thür erschien. »Du kommst so früh, das ist ein schlimmes Zeichen. Wie viel hast du verloren.«
»Genug, um mich bis zum Neujahrstage bei dir zu Mittag zu laden, liebe Tante.«
»Ah! Die Summe muß wohl hoch sein, wie mir scheint. Nun, um so besser. Aber zur Strafe hätte ich große Lust, dir einen Monat lang Fastenspeise vorzusetzen. Wie denkst du darüber?«
»Ich habe soviel in meinem Leben durchgemacht, liebe Tante, daß ich davor nicht eine so große Angst habe, um so mehr, da ich das Vergnügen haben werde, dir bei Tische gegenüber zu sitzen.«
»Nun, das Vergnügen wirst du diesen Abend nicht haben, ich speise bei deinem Bruder. Um neun Uhr werde ich wieder nach Hause kommen, um den Thee zu nehmen. Ich erwarte einen meiner Freunde, der den schlechten Geschmack hat, an deiner Gesellschaft Gefallen zu finden. Darum bitte ich dich, den Abend hier zuzubringen. Du wirst dich nicht langweilen, denn mein Freund ist ein liebenswürdiger Mann.«
»Wer ist es?«
»Der Graf von Calprenède; ich glaube, du kennst gewiß seinen Sohn, der ein ziemlich lüderliches Leben führen soll.«
»Ich kenne ihn sehr wenig, fast so wenig wie den Vater.«
»Nun gut, und was hältst du von seiner Tochter?«
»Ich finde, sie ist entzückend, liebe Tante. Das ist auch die Ansicht meines Freundes Doutrelaise.«
»Doutrelaise? – Wer ist das?«
»Wie? Sie erinnern sich seiner nicht, ich habe ihn doch bei meiner Ankunft in Paris bei Ihnen eingeführt und Sie haben ihn zu jedem Ihrer Bälle eingeladen.«
»Ah! ich erinnere mich; aber es handelt sich nicht um ihn. Sage einmal, würdest du die reizende Tochter meines Freundes Calprenède heiraten wollen?«
»Ich?« rief Jacques erstaunt, »ich soll Fräulein von Calprenède heiraten?«
»Du sollst nicht, ich wende mich nur an dein Herz.«
»Mein Herz, liebe Tante, sagt mir, daß ich für die Ehe nicht geschaffen bin.«
»Ach, sprich ernsthaft; ich sage dir, du wärest nicht zu beklagen, wenn Fräulein von Calprenède dich zum Manne nehmen wollte.«
»Aber ich würde sie beklagen, liebe Tante. Sehe ich aus wie jemand, der eine Frau glücklich machen könnte? Und ich habe Sie so lieb, daß ich im stande wäre, mich noch von Ihnen bekehren zu lassen. Darum entferne ich mich auch lieber.«
»Ich halte dich nicht zurück, du Taugenichts, aber wenn du heute abend nicht kommst, enterbe ich dich.«
Diese Drohung erschreckte Jacques nicht besonders, er küßte Frau von Vervins die Hand und entfernte sich.
Auf der Straße angekommen, steckte er sich eine Cigarre an und wandte sich nach dem Café des Ambassadeurs, wo er täglich zu frühstücken pflegte. Er dachte an die Worte seiner Tante, und lächelte bei dem Gedanken, daß man beabsichtigt habe, ihn zum Nebenbuhler seines Freundes Albert aufzustellen, doch seine Gedanken nahmen bald eine andere Richtung, denn im Hintergründe des Saales hatte sich gerade ihm gegenüber eine Persönlichkeit niedergelassen, welche seine ganze Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Der Fremde war ein Mann von etwa 45 Jahren, von nicht gerade großer, aber untersetzter, stämmiger Figur. Sein knochiges Gesicht war glatt rasiert und sein von der Sonne stark gebräuntes Gesicht schien ihn als einen Südländer zu bezeichnen. Er trug dicke Ringe an den Fingern und bediente sich beim Essen ausschließlich des Messers.
»Er scheint ein Südamerikaner zu sein,« dachte Courtaumer, »aber sonderbar, ich glaube, ich habe diesen Kopf schon einmal gesehen.«
Der Fremde schien übrigens dasselbe Interesse für Jacques zu empfinden, denn er ließ ihn nicht aus den Augen.
»Ich scheine ihn zu interessieren,« murmelte Jacques. »Ich lasse mir nicht ausreden, daß ich mit dem Menschen schon einmal irgendwo zusammengetroffen bin. Wo? das kann ich nicht sagen, m einem Salon war's sicher nicht.«
Der Mann erhob sich plötzlich und holte sich den Brotkorb, der auf einem Nebentische stand.
»Ah!« jetzt weiß ich Bescheid,« sagte sich Courtaumer, »es ist ein Seemann. Das sehe ich an seiner Gangart. Wahrscheinlich habe ich ihn in einem Hafen oder auf einem Fahrzeug gesehen. Ein Offizier ist er nicht, höchstens ein Steuermann.
Der Mann, der jedenfalls gewöhnt war, sich selbst zu bedienen, hatte sich wieder auf einen Platz gesetzt und aß gemütlich weiter. Courtaumer zündete sich jetzt eine Cigarre an, als seine Aufmerksamkeit wieder plötzlich auf den Fremden gelenkt wurde. Derselbe hatte nämlich, anstatt den üblichen Liqueur zu bestellen, sofort seine Rechnung verlangt, war dann aufgestanden und schritt an ihm vorüber, auf die Glasthür zu, welche auf die Champs-Elysées führt. Jacques konnte ihn also genau betrachten.
»Aha!« sagte er ganz leise, »er hat durchstochene Ohren, es ist sicher ein Matrose. Aber was kümmert er mich eigentlich? Ah! jetzt ist er fort, ich werde es ebenso machen. Es ist gerade die richtige Zeit, um noch ein wenig spazieren zu gehen.« – – –
Er hatte denselben Weg wie der Fremde eingeschlagen und glaubte, den Mann dreißig Schritte vor sich zu bemerken, wie er mit langsamem, schwankendem Gange dem Bois zu ging.
Jacques genoß die frische Morgenluft in vollen Zügen und bekümmerte sich nicht mehr um den Unbekannten, als er nach etwa halbstündigem Spaziergange Lust verspürte, sich ein wenig auszuruhen. Er ließ sich auf einer der Bänke nieder, als er sich plötzlich umdrehte und bemerkte, daß er einen Nachbar hatte, der niemand anders war, als der Unbekannte aus dem Café des Ambassadeurs. Courtaumer warf dem Fremden einen nicht allzu freundlichen Blick zu, aber der angebliche Matrose entfernte sich nicht, sondern bewegte sich auf seinem Platze hin und her, wie jemand, der eine Unterhaltung beginnen will und nicht weiß, womit er anfangen soll.
Das sonderbare Benehmen des Fremden veranlaßte Jacques der eigentümlichen Lage ein Ende zu machen, und er rief dem Manne zu:
»Was wollen Sie eigentlich von mir? Eben starrten Sie mich im Café fortwährend an, dann folgen Sie mir und setzen sich sogar neben mich.«
»Verzeihung, mein Herr,« sagte der Mann mit größter Ruhe, »ich habe nicht die Absicht, Ihnen lästig zu fallen, aber …«
»Was aber? Ich bitte Sie, mich in Ruhe zu lassen.«
»Ich schwöre Ihnen, mein Herr, ich würde mir nicht erlauben, Sie anzureden, wenn …«
»Na, was wollen Sie denn von mir?«
»Vorerst möchte ich Sie bitten, mir zu sagen ob ich mich nicht täusche … Waren Sie nicht früher Seemann?«
»Und wenn ich das gewesen wäre,« sagte Courtaumer ziemlich erstaunt, »was weiter?«
»In den chinesischen Gewässern, auf einer Fregatte, ›Juno‹, nicht wahr?«
»Ja wohl, aber woher kennen Sie mich, gehörten Sie denn zur Bemannung der Juno?«
»Oh nein, mein Kommandant.«
»Warum nennen Sie mich mein Kommandant, wenn Sie nicht unter mir gedient haben?«
»Aber Sie haben doch trotzdem sechs Monate hindurch eine Schaluppe kommandiert?«
»Ja wohl. Dieselbe stationierte in der Bucht von Saigon.«
»Die Sie doch manchmal verließen.«
»Ja, wenn man uns chinesische Piraten signalisierte; ich habe mehr als einen hängen lassen.«
»Das wäre auch mir passiert, wären nicht Sie dazu gekommen, und doch war ich unschuldig wie ein neugeborenes Kind.«
»Der Teufel soll mich holen, wenn ich mich erinnere, daß ich Ihnen diese Unannehmlichkeit erspart habe.«
»Wirklich, Sie erinnern sich also nicht, daß Sie im Sommer des Jahres 1875 eine chinesische Pacht kenterten?«
»Die seit einem Monat zwei Handelsschiffe erbeutet und die Bemannung niedergemacht hatte? Ja, wahrhaftig, jetzt erinnere ich mich. Es waren Banditen, diese Chinesen, sie hatten mir fünf bis sechs von meinen Leuten getötet, und ich konnte nur etwa ein Dutzend nach Sâigon mitnehmen, die anderen fielen im Kampfe.«
»Nun erinnern Sie sich wohl auch, daß sie einen Piloten bei sich hatten, der nicht zur mongolischen Rasse gehörte?«
»Ja, ein Seemann von der Insel Mauritius, den sie auf einem ihrer Streifzüge gefangen genommen … Sie zwangen ihn, ihnen als Lotsen zu dienen, ein kräftiger Bursche, ich sehe ihn noch vor mir …«
»In der That,« sagte der Seemann lachend, »Herr Kommandant, sehen Sie ihn vor sich, denn ich bin es.«
»Wie, Sie!« rief Courtaumer, »ich hätte Sie nicht wiedererkannt.«
»Ah! weil ich mich höllisch verändert habe. Erstens hatten sie mich als Chinesen gekleidet und dann hatte ich auch einen falschen Zopf, jetzt aber habe ich mein natürliches Gesicht wieder angenommen.«
»Ja, jetzt kommen Sie mir allerdings bekannt vor. Und ich erinnere mich auch, daß ich große Lust hatte, Sie hängen zu lassen.«
»Ich zürne Ihnen deshalb nicht, das war ganz natürlich; ich diente den Chinesen als Lotse und im ersten Augenblick hielten Sie mich für einen desertierten Matrosen.«
»Doch ich erzählte Ihnen meine Geschichte, und es kostete mich keine Mühe, mich zu rechtfertigen. Ich werde nie vergessen, daß Sie in Saigon die Großmut besaßen, mich vor der Seekommission zu verteidigen.«
»Sie haben ein besseres Gedächtnis als ich; ich erinnere mich dunkel, daß man Sie mangels an Beweisen freisprach.«
»Doch Sie scheinen sich Vermögen erworben zu haben?« fragte Courtaumer, ihn von Kopf bis zu Fuß musternd.
»Mein Gott, ja, ich habe viel Geld verdient, und ich bin nur hierher gekommen, um mich zu amüsieren.«
Der ehemalige Lotse schwieg einen Augenblick, steckte sich eine ungeheure Cigarre an und fuhr dann mit unerschütterlicher Ruhe fort:
»Entschuldigen Sie, mein Herr, ich habe mich wohl schlecht ausgedrückt; es ist ja wahr, in Paris muß man sich den Leuten vorstellen lassen, wenn man nicht für einen Abenteurer gehalten werden will. Aber es liegt mir daran. Ihnen zu beweisen, daß ich nicht der erste beste bin; so teile ich Ihnen denn mit, daß ich hier Freunde habe. Ich will Ihnen nur einen nennen, Herr Matapan, den Sie wohl dem Namen nach kennen.«
Courtaumer wollte eben etwas erwidern, da legte sich eine Hand auf seine Schulter, und er erblickte Albert Doutrelaise.
»Ah! du bist es,« rief er, »du kommst gerade zur rechten Zeit; komm, wir wollen ein bißchen spazieren gehen.«
Und ohne den Fremden eines Blickes zu würdigen, nahm er den Arm seines Freundes und zog ihn mit sich fort.
»Wer war denn der Mensch, der von meinem Hauswirt sprach?« fragte Albert neugierig.
»Ein ehemaliger Matrose, mit dem ich vor fünf Jahren in Cochinchina zusammengetroffen bin. Ich nahm ihn auf einer chinesischen Jacht gefangen, die mit Piraten bemannt war und die ich in den Grund bohren ließ.«
»Bei dieser Gelegenheit hast du mit ihm Freundschaft geschlossen?« fragte Albert lachend.
»Durchaus nicht; zuerst hatte ich die Idee, ihn hängen zu lassen, natürlicherweise war er damit nicht einverstanden und behauptete, er befinde sich nur gezwungen bei den Briganten. Ich war so freundlich, ihn anzuhören und ihn gefesselt nach Saigon zu bringen, wo ich ihn den Seebehörden übergab, die ihn mangels an Beweisen freisprechen mußten.«
»Aber wie kam er denn auf Herrn Matapan zu sprechen?«
»Er behauptete, der Hauswirt sei sein guter Freund.«
»Das ist aber seltsam.«
»Wieso denn? Man erzählt sich doch von Matapan, daß er sich seine Millionen nicht aus ganz redliche Weise erworben haben soll.«
»Weißt du den Namen des Menschen?«
»Nein, ich habe ihn vergessen, doch du kannst ihn bald erfahren, frage Matapan.«
»Ich werde mich wohl hüten,« sagte Doutrelaise lebhaft. »Aber warum speisest du denn in den Champs-Elysées, während du mich doch erwarten wolltest?«
»Du hast also meinen zweiten Brief nicht empfangen?«
»Nein, ich bin um elf Uhr ausgegangen; und dein erster Brief war so klar und deutlich abgefaßt, daß ich keine Zeit zu verlieren hatte. Also wie viel brauchst du denn? Sage mir nur die Zahl ohne Zögern, ich weiß, sie ist groß.«
»Ich danke dir, lieber Freund, aber ich brauche das Geld nicht mehr, denn ich habe nicht auf Ehrenwort gespielt. Behalte dein Geld auf eine bessere Gelegenheit, mein Lieber.«
»Die Gelegenheit wird schon bald kommen,« sagte Doutrelaise lachend und fuhr nach kurzer Pause fort:
»Sage einmal, bist du nicht zufällig Julien von Calprenède begegnet?«
»Julien von Calprenède?« wiederholte Courtaumer, »nein, den habe ich nicht gesehen. Man trifft ihn übrigens immer des Morgens in seinem Bett, er legt sich gewöhnlich erst mit Sonnenaufgang.«
»War er heute nacht im Klub?« fragte Doutrelaise.
»Ja, ich glaube, er war da. Ich dachte nur an mein Spiel und kümmerte mich nicht um ihn; aber ich glaube, bemerkt zu haben, daß er um den Baccarattisch herumging wie ein hungriger Wolf, er muß in einer verteufelten Klemme sein.«
»Ich fürchte auch; aber war er im Klub, als du hinkamst?«
»Nein, er kam viel später als ich. Als ich um V2I Uhr in den roten Salon trat, fand ich ihn dort nicht vor, und in dem anderen war niemand. Aber weshalb frägst du denn das alles?«
»Weil der arme Junge mir heute morgen geschrieben hat, er wollte mich um einen Dienst bitten.«
»Er braucht Geld, nicht wahr?«
»Mein Gott, ja, er hat auch verloren, und unglücklicherweise« ist sein Gläubiger Herr Bourleroy.«
»Dann thut er mir leid. Anatole wird die Geschichte wohl überall ausgeschrieen haben, doch er wird schweigen müssen, da er sein Geld bekommt, denn wie ich dich kenne, hast du Julien die 6000 Francs geliehen.«
»Ich wollte sie ihm leihen; aber er verschwand plötzlich aus dem Café de la Paix, wo ich mit ihm frühstückte.«
»Ohne das Geld zu nehmen? Er ist wohl toll?«
»Nein, er wollte wahrscheinlich das Geld nicht in Gegenwart des Herrn Matapan nehmen, der plötzlich hereinkam und sich an unserem Tische häuslich niederließ.«
»Nun, ich kann mir denken, weshalb sich Julien aus dem Staube gemacht hat. Er wird wahrscheinlich von Herrn Matapan eine Summe geliehen haben, und die Gegenwart des Hauswirtes war ihm peinlich.«
»Ich hatte denselben Gedanken wie du und lief Julien nach, aber ich konnte ihn nicht mehr auffinden.«
»Nun, nun, er wird schon wieder zum Vorschein kommen. Uebrigens scheinst du dich ja sehr für ihn zu interessieren, ich wußte gar nicht, daß du so befreundet mit ihm bist.«
»Freundschaft ist eigentlich nicht das richtige Wort.«
»Na, gestehe nur, du interessierst dich für seine Schwester?«
»Fräulein von Calprenède hat damit gar nichts zu thun, und doch kommst du unaufhörlich auf denselben Gegenstand zurück.«
»Nun, heute habe ich einen ernsten Grund dazu.«
»Was für einen Grund?« fragte Doutrelaise erstaunt.
»Meine Tante hat es sich in den Kopf gesetzt, mich mit diesem jungen Mädchen zu verheiraten. Ah! ich hatte also recht geraten, du liebst sie.«
»Du sollst sie heiraten? – Du kennst sie ja kaum.«
»Darum handelt es sich auch nicht; aber sei ruhig, ich werde dein Ideal nicht einmal ansehen, bis sie Madame Doutrelaise geworden, denn du mußt und wirst sie heiraten. Ich werde dir dabei helfen, soviel ich kann.«
»Aber du kannst nichts dazu thun.«
»Was weißt du? Der Vater ist der Freund der Frau von Vervins, meiner Tante, die ich schon für dich stimmen werde.«
»Nein, Jacques, ich bitte dich, thue das nicht. Du würdest mir nur schaden.«
»Wie du willst, mein Lieber; und jetzt wollen wir ein bißchen ins Bois gehen – bist du einverstanden?«
»Nein, ich habe zu thun, ich muß dich jetzt verlassen.«
»Du willst wohl deinem zukünftigen Schwager nachlaufen?«
»Jacques, du langweilst mich.«
»Na geh', jage diesem Julien nach; doch still, da kommt sein Vater.«
»Sein Vater?«
»Ja, der Graf von Calprenède, er kommt gerade auf uns zu.«
Courtaumer hatte recht gesehen, der Graf kam mit eiligen Schritten auf sie zu.
Die beiden Herren grüßten ihn freundlich, aber dieser that, als sähe er Doutrelaise nicht, sondern reichte nur Courtaumer die Hand und sagte:
»Ich freue mich sehr, mein Herr, Sie zu treffen, und möchte einen Augenblick mit Ihnen allein sprechen.«
Mit diesen Worten zog er Jacques beiseite und fragte in aufgeregtem Tone:
»Nicht wahr, mein Sohn ist Mitglied Ihres Klubs? Wenn Sie ihn heute abend sehen sollten, so sagen Sie ihm doch, er solle mich so schnell wie möglich aufsuchen. Von 9-11 Uhr werde ich bei Frau von Vervins sein, dann kehre ich nach Hause zurück.«
»Verlassen Sie sich ganz auf mich, mein Herr,« erwiderte Courtaumer, »aber ich habe meiner Tante versprochen …«
Er vollendete seinen Satz nicht, denn Herr von Calprenède war bereits fort. Erstaunt drehte sich Jacques um, um zu Doutrelaise zu gehen, aber auch dieser war schon verschwunden.
Es schlug neun Uhr auf der alten Pendule, als die Marquise den Speisesaal betrat, in dem ein alter Diener den Theetisch herrichtete.
»Mein Neffe ist noch nicht gekommen?« fragte die alte Dame.
»Nein, noch nicht, Frau Marquise,« gab der Diener zur Antwort.
»Schön, du wirst nur ihn und den Grafen von Calprenède eintreten lassen.«
»Sehr wohl, gnädige Frau,« erwiderte François, sich verbeugend.
Der Diener verschwand, öffnete aber sofort wieder die Thür und meldete:
»Der Herr Graf von Calprenède!«
»Sie kommen zur rechten Zeit, lieber Freund,« sagte die Marquise. »Ich wäre beinahe eingeschlafen. Ja, ja, man wird alt!«
»Doch hören Sie! Ich habe heute morgen den Sturm eröffnet! Jacques hat sich nicht gleich ergeben, aber wenn wir gut manövrieren, so wird er sicher schließlich kapitulieren. Die jungen Leute werden sich eines Tages zufällig treffen. Wo? weiß ich noch nicht. Wie wäre es mit einer musikalischen Soirée? Sie antworten nicht? Aber Robert, was ist Ihnen denn? Ich hoffe, mir können Sie alles sagen?«
»Ja, das kann ich,« versetzte Herr von Calprenède, »und ich wollte Sie eben um Ihren Rat bitten.«
»Ich stehe Ihnen ganz zu Diensten, was ist denn geschehen?«
»Marquise,« fuhr der Graf nach kurzer Pause fort, »was thäten Sie, wenn Ihr Sohn ein Dieb wäre?«
»Ich verstehe Sie nicht, mein Freund,« versetzte die Marquise.
»Nun denn, mein Sohn hat eine ehrlose Handlung begangen,« erklärte der Graf, »er hat gestohlen.«
»Ah! Das unglückliche Kind, ich bin wirklich entsetzt. Aber wie ist denn das geschehen? Sprechen Sie, Robert, ich bitte Sie!«
Herr von Calprenède schwieg, er weinte.
»War's vielleicht das Spiel?« fragte die Marquise bewegt.
»Nein, Sie täuschen sich, Marquise,« sagte der Graf, seine Thränen zurückdrängend. »Julien hat nicht im Spiel betrogen. Er ist mit einem falschen Schlüssel in eine Wohnung eingebrochen und hat ein Halsband von großem Werte gestohlen.«
»Ein Halsband? – Was wollte er denn damit?«
»Er wollte es versetzen oder verkaufen, denn er hatte Schulden und wollte sie bezahlen.«
»Spielschulden? Ich sagte es Ihnen ja. Der arme Junge muß den Kopf verloren haben. Doch Sie mögen sagen was Sie wollen, mein lieber Robert, ich kann nicht glauben, daß Ihr Sohn eine so ehrlose Handlung begangen hat; ich halte ihn für einen ehrenhaften Charakter.«
»Das glaubte ich bisher auch,« murmelte der unglückliche Vater.
»Sind Sie sicher, daß er schuldig ist? Wer klagt ihn denn an?«
»Ein Mensch, den ich hasse und verachte, mein Hauswirt Matapan.«
»Diesem Menschen gehört das Halsband?«
»Ja. Er behauptet, dasselbe sei ein Familienschmuck.«
»Nun gut, worauf gründet er seinen Verdacht?«
»Auf eine Thatsache, die heute nacht im Hause vor sich gegangen ist und die ein Herr Doutrelaise, der dasselbe ebenfalls bewohnt, ihm mitgeteilt hat.«
»Doutrelaise? Den kenne ich; nun, was hat denn dieser Herr gesehen?«
»Er hat nichts gesehen; doch er hat einen Herrn aus der Wohnung des Herrn Matapan herauskommen hören, der dann in meine Wohnung gegangen ist.«
»Und auf solch einen Beweis hin baut dieser Matapan eine Anklage? – Ach, ich bitte Sie, das ist ja lächerlich.«
»Das sagte ich auch, als er damit zu mir kam, und wies ihm die Thür.«
»Daran haben Sie sehr recht gethan.«
»Ja, denn er besaß noch die Frechheit, mir sein Stillschweigen abkaufen zu wollen und hat um die Hand meiner Tochter angehalten; aber nichtsdestoweniger hat mein Sohn gestohlen,« sagte Herr von Calprenède mit tiefem Seufzer.
»Schon wieder! Aber lieber Freund, beweisen Sie mir doch, daß Herr Matapan sich nicht täuscht. Sie bringen mich um mit Ihren ewigen Behauptungen, beweisen Sie sie doch.«
»Heute morgen,« erwiderte der Graf mit dumpfer Stimme, »fand ich … das Halsband.«
»Wo denn?«
In einem Kabinett, das an das Zimmer Juliens anstoßt.«
»Das ist unerklärlich … Ja, hatten Sie das Halsband denn schon gesehen, da Sie es wiedererkannt haben?«
»Herr Matapan hat es mir beschrieben, und ich wußte, daß es aus großen Opalen bestand.«
»Opalen? Das ist seltsam. Aber was sagte denn Ihr Sohn, als Sie diese traurige Entdeckung machten?«
»Er war nicht da, aber unglücklicherweise war Arlette anwesend.«
»Wie hat sie diesen schrecklichen Schlag ertragen?«
»Sie ist in meinen Armen ohnmächtig geworden, und ich verließ sie in einem bejammernswürdigen Zustande.«
Es trat eine Pause ein, dann fuhr die Marquise mit leiser Stimme fort:
»Mein Freund, ich begreife Ihren Schmerz und Ihren Zorn; aber was gedenken Sie nun zu thun?«
»Was raten Sie mir? ich wollte nicht handeln, ohne Sie zu fragen.«
»Sie setzen mich in große Verlegenheit, aber ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen. Zuerst sagen Sie mir, was ist aus dem Halsband geworden?«
»Ich habe es hier,« erwiderte Herr von Calprenède nach kurzem Zögern und legte das Schmuckstück auf den Tisch. Die Marquise sah es, sah es aufmerksam an und murmelte dann:
»Sonderbar! sonderbar, ich glaube, ich habe diesen Schmuck schon einmal gesehen.«
»Wo denn?« fragte Herr von Calprenède lebhaft.
»Ja, das weiß ich wirklich nicht, aber ich glaube, ich habe diese Opale nicht zum erstenmal in Händen. Doch kehren wir zur Hauptsache zurück. Sie sagten mir eben, Ihr Sohn wäre nicht dagewesen, als Sie diese unglückseligen Steine entdeckten. Aber Sie haben ihn doch seit heute morgen gesehen?«
»Nein,« erwiderte Calprenède, den Kopf schüttelnd, »ich habe ihn den ganzen Tag gesucht, konnte ihn aber nicht finden.«
»Auch nicht in diesem abscheulichen Klub?«
»Er war nicht dort.«
»Aber er war doch heute nacht da?«
»Ich vermutete es wenigstens; er ist wohl dorthin zurückgekehrt, nachdem er das Halsband versteckt hat.«
»Recht schlecht versteckt, denn er hat nicht einmal den Schlüssel des Schrankes mitgenommen.«
»Ja,« sagte der Graf bitter, »er ist ein noch sehr ungeschickter Dieb.«
»Ein Dieb! Ich kann dieses Wort nicht hören,« murmelte die Marquise; »außerdem dürfen Sie ihn nicht verurteilen, ohne ihn zu hören, und er muß doch einmal nach Hause zurückkehren.«
»Um das Halsband zu holen, oh! daran zweifle ich nicht. Doch ich werde wachen und ihn erwarten. Kommt er vor mir nach Hause, so werde ich auf der Stelle benachrichtigt.«
Nun, da Sie mich um meine Meinung fragen, so will ich sie Ihnen geben, ohne eine Minute zu verlieren. Mein Rat geht dahin, wir müssen ihn überreden, freiwillig auszuwandern und sich verpflichten, nicht eher wieder nach Paris zurückzukehren, bevor er sein Unrecht wieder gut gemacht hat.«
»Das ist zu spät, Matapan hat bereits seine Klage gegen ihn eingereicht.«
»So kann Ihr Sohn also jeden Augenblick verhaftet werden?«
»So ist es.«
»Der Fall liegt ernst, sehr ernst,« murmelte die Marquise, den Kopf schüttelnd. »Und doch kann man ihn unmöglich wie einen gewöhnlichen Missethäter behandeln, denn es fehlt an Beweisen.«
»Beweise? Hier ist ein Beweis,« sagte der Graf und blickte auf das Collier, dessen Steine im Scheine der Kerzen flimmerten.
»Dieses Beweisstück hat noch kein Richter gesehen,« entgegnete Frau von Vervins, »und bei mir werden sie es nicht holen. Es ist ein großes Glück, daß Sie das Halsband gefunden haben, denn andere hätten es entdecken können und dann –«
»Wäre Julien verloren, das weiß ich. Ich war sogar darauf gefaßt, schon heute den Polizeikommissar bei mir erscheinen zu sehen; er ist nicht gekommen, aber er kann vielleicht noch heute kommen und eine Haussuchung halten.«
»Die zu nichts führen wird, denn das Halsband ist ja nicht mehr da.«
»Man wird sagen, mein Sohn habe es anderswo versteckt und nicht an seine Unschuld glauben.«
»Man kann ihn anklagen, aber ihn nicht verurteilen, bis man nicht den angeblichen Familienschmuck des Herrn Matapan gefunden hat.«
»Vielleicht … Ehrlos bleibt er deshalb doch. Und das darf und soll nicht sein,« sagte der Graf mit düsterer Miene. »Aber wollen Sie, Marquise – diesen Schmuck etwa bewahren?«
»Ihn bewahren, ich,« rief Frau von Vervins, »dazu habe ich durchaus keine Lust!«
»Aber, es giebt ein anderes Mittel. Was Matapan gehört, muß ihm wieder zurückerstattet werden, und zwar anonym.«
»Und Sie glauben, das sei leicht? Wie soll ich einem Manne einen Gegenstand zurückschicken, ohne daß er erfährt, wer der Absender ist? Nein das ist unmöglich.«
Frau von Vervins schien ratlos und sagte erst nach ziemlich langer Pause:
»Mein Gott, ich sehe eigentlich nicht ein, warum ich die Opalen nicht bei mir behalten sollte, bis wir wissen, welche Wendung diese entsetzliche Affaire nehmen wird.«
»Das wollten Sie thun?« rief Herr von Calprenède.
»Gewiß,« versetzte die Marquise. »Herr Matapan kann seinen Familienschmuck noch für eine Zeitlang entbehren. Ich werde ihn also bewahren, bis diese dumme Geschichte vollständig vergessen ist; auch werde ich ein Mittel ersinnen, ihn Matapan zurückzusenden, ohne daß er ahnt, daß seine Steine durch meine Hände gegangen sind. Und jetzt, mein Freund, kehren wir zu Julien zurück. Er muß …«
Sie sprach den Satz nicht aus, sondern machte schnell dem Grafen ein Zeichen, zu schweigen, denn sie hatte eben hinter der Thür ein Geräusch von Stimmen vernommen.
»Es ist jedenfalls Jacques,« sagte sie leise, »er hatte mir versprochen, zu kommen, vielleicht bringt er uns Nachricht über Ihren Sohn.«
Eine Thür öffnete sich, und es erschien ein Herr, der Jacques von Courtaumer sehr ähnlich sah, obwohl er wohl zehn Jahre mehr als dieser zählte.
»Adrian,« rief Frau von Vervins, »wie, du bist's, mein Junge?«
Der Fremde war schwarz gekleidet, seine Haare spielten stark ins Graue, und sein Beruf stand ihm auf seinem Gesicht geschrieben.
»Was führt dich denn her?« fuhr die Marquise lebhaft fort. »Ich habe vor kaum zwei Stunden bei dir diniert, erwartete nicht, dich heute abend noch hier zu sehen.
»Liebe Tante, auch ich glaubte nicht, daß ich noch heut hier erscheinen würde, als wir uns trennten, aber …«
»Setze dich und erzähle, was du mir zu sagen hast. Den Grafen von Calprenède brauche ist dir nicht vorzustellen, die Herren kennen sich ja.«
Die beiden Herren begrüßten sich.
»Und jetzt, lieber Neffe, sprechen wir von dem, was dich herführt,« sagte Frau von Vervins.
Dann warf sie dem Grafen, der Miene machte, sich zurückzuziehen, einen bezeichnenden Blick zu und rief:
»Bleiben Sie, Robert, bitte, bleiben Sie. Adrian hat mir wohl nichts zu sagen, was Sie nicht auch hören könnten.«
»Nein, liebe Tante,« erwiderte der Angeredete nach kurzem Zögern, »ich wollte Sie um einen Rat bitten.«
»Ich habe einen Fall, der mich ein wenig in Verlegenheit setzt, und es wäre mir angenehm, auch die Ansicht des Herrn von Calprenède zu vernehmen.«
»Eine Viertelstunde nach Ihrem Fortgang,« fuhr Herr von Courtaumer fort, »empfing ich den Besuch eines Kollegen, eines Staatsanwalts. Im Laufe der Unterhaltung erzählte er mir, ich würde morgen in einer Sache zum Untersuchungsrichter ernannt werden, in der es sich um einen Diebstahl handelt. Der Diebstahl ist aus dem Boulevard Haußmann begangen worden, indem Hause, in welchem Herr von Calprenède wohnt, und der Bestohlene ist der Hauswirt, Herr Matapan, der im ersten Stock wohnt.«
»Ah! und worin besteht sein Verlusts« fragte Frau von Vervins scheinbar gleichgültig.
»In Diamanten, glaube ich, ich weiß es noch nicht genau. Die Klage ist heute erst um 4 Uhr beim Gericht eingereicht worden und ich bin mit der Untersuchung betraut worden. Was den Dieb anbelangt, so hat man Gründe, anzunehmen, daß der Streich von einem Bewohner des Hauses ausgeführt worden ist. Wahrscheinlich werden sämtliche Mieter des Hauses verhört werden, und zwar von mir, weil ich die Leitung der Angelegenheit übernehme, auch Ihr Zeugnis, Herr Graf, werde ich wohl anrufen müssen, doch ich kann den Fall zurückweisen und wollte Sie eben fragen, was ich thun soll.«
»Mein lieber Neffe,« sagte die Marquise nach kurzer Pause, »ich glaube, daß du uns ein zu großes Verständnis dieser Angelegenheit beilegst. Was kümmert es den Grafen, wenn du einen Dieb in seinem Hause suchst. Niemand, glaube ich wohl, wird ihn anklagen, und er könnte ruhig sein Zeugnis ablegen, ohne sich beunruhigt zu fühlen.«
»Wenn die Sache so steht,« versetzte der Untersuchungsrichter, »so will ich den Fall übernehmen.«
»Nun, sage mir,« fragte Frau von Vervins, »hat Herr Matapan jemand als den mutmaßlichen Thäter bezeichnet?«
»Nein, liebe Tante. Ich werde erst morgen einen Verhaftsbefehl ausstellen, natürlich nur, wenn es nötig ist. Zuerst muß ich die Thatsachen prüfen und die Zeugen vernehmen.«
Während der letzten Worte hatte der Beamte sich erhoben, um Abschied zu nehmen, als seine Blicke auf das Halsband fielen, welches die Marquise beim Eintritt ihres Neffen fortzunehmen vergessen hatte.
»Das sind ja prächtige Opale,« sagte er einfach; »Sie haben sie wohl erst kürzlich gekauft, liebe Tante?«
»Nein,« versetzte Frau von Vervins, »man hat mir dieses Halsband … gezeigt.«
»Es ist prächtig, und doch würde es meine Frau nicht tragen. Es herrscht einmal ein Vorurteil gegen Opale.«
»Nun,« sagte die Marquise, »Vorurteile haben immer eine gewisse Berechtigung und ich verarge es deiner Frau nicht, daß sie keine Opale tragen will. Aber jetzt, mein Lieber, halte ich dich nicht länger zurück; deine Frau würde es mir nie verzeihen.«
»Mein lieber Robert,« sagte die Marquise, als ihr Neffe den Salon verlassen hatte, »ich muß Sie wegen meiner unverzeihlichen Unachtsamkeit um Entschuldigung bitten. Ich hätte dieses entsetzliche Halsband einschließen sollen.«
»Und ich hätte Sie daran erinnern müssen, daß es noch auf dem Tische lag. Jetzt ist alles verloren. Herr von Courtaumer hat den Schmuck gesehen und wird schon morgen erfahren, daß der gestohlene Gegenstand ein Opalhalsband ist.«
»Nun, er wird wohl nicht vermuten, daß ich es Herrn Matapan gestohlen habe. Das Schlimmste, was kommen kann, ist, daß er mich danach frägt. Antworten werde ich ihm schon.«
»Und was wollen Sie ihm sagen?« rief Herr von Calprenède.«
»Das weiß ich nicht, aber ich verspreche Ihnen, Ihren Sohn zu retten, nur müssen Sie in Erfahrung zu bringen suchen, wo er ist, und ihn mir herbringen.«
»Wie? Sie wollten …«
»Ja. Bis die Angelegenheit erledigt ist, werde ich ihn versteckt halten. Ich habe einen Plan, geben Sie mir carte blanche?«
»Gewiß. Aber das Halsband?«
»Das ist hier für den Augenblick gut aufgehoben. Und jetzt, mein Freund, bitte ich Sie, mich zu verlassen, ich gehe aus.«
»Wie? Zu dieser Stunde?«
»Ich muß wohl, denn dieser Schlingel von Jacques kommt nicht. Er ist jedenfalls in seinem Klub und ich fahre dorthin.«
Der Graf wollte noch Einwendungen machen, aber die Marquise hatte bereits geklingelt und Francois trat ein.
»Meinen Wagen!« befahl sie in energischen! Tone, während der Graf sich anschickte, den Salon zu verlassen.