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Die Parlamentssitzung war in vollem Gange. »Ich stelle den Antrag,« sagte eines der Mitglieder, Herr Mirabel, indem er sich erhob und nach englischer Sitte den Hut lüftete, »daß dem Herrn Schatzkanzler, als Vorstand der Münze, die mit meiner Unterschrift versehenen Fragen vorgelegt werden.«
Diese Fragen lauteten wie folgt:
1. Weiß der Herr Schatzkanzler, daß in dem vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland falsche Silbermünzen in großer und immer zunehmender Menge in Umlauf gesetzt werden?
2. Sind schon irgendwelche Maßnahmen getroffen worden, um die Falschmünzer zu entdecken und die gefälschten Geldstücke einzuziehen?
3. Ist es wahr, daß diese Nachahmungen der Reichssilbermünzen aus reinem Silber geprägt sind, und wird sich die Regierung durch diesen Umstand nicht veranlaßt sehen, die Doppelwährung und freie Silberprägung als einzig wirksames Schutzmittel einzuführen?
Es war deutlich zu erkennen, daß die Fragen dem stattlichen jungen Schatzkanzler, Sir Robert Vernon, höchst ungelegen kamen. Ohne die geringste Spur seiner gewöhnlichen guten Laune erhob er sich, um sie zu beantworten. »Die Regierung Ihrer Majestät,« sagte er, »ist bereits auf die in den Fragen meines ehrenwerten Freundes erwähnten Umstände aufmerksam geworden. Man hat auch alle Maßregeln zur Entdeckung des Übeltäters und zur Verhütung fernerer Gesetzesübertretung ergriffen. Doch wäre dem öffentlichen Wohl nicht damit gedient, wollte ich nähere Mitteilungen hierüber machen. Was die letzte Frage meines ehrenwerten Freundes betrifft, so erwidere ich darauf, daß die Regierung nicht gesonnen ist, die Einführung der Doppelwährung als Mittel zur künftigen Verhütung des Verbrechens vorzuschlagen.«
Bei den Mitgliedern der Opposition entstand ein unterdrücktes Gelächter, aber die Herren auf den vorderen Bänken stimmten nicht ein. Es handelte sich doch um eine allzuernste Sache. Daß seit drei oder vier Jahren eine ungeheure Menge Silber außerhalb der königlichen Münze geprägt worden war, galt als offenes Geheimnis. Man munkelte sogar, das Verfahren habe sich auf rätselhafte Weise auch auf dem Festland und bis nach Amerika verbreitet. Aber von der riesenhaften Ausdehnung des Betruges machte sich doch niemand einen auch nur annähernden Begriff.
Vor ungefähr fünf Jahren war der Wert des Silbers fort und fort gesunken, bis sich der Preis nur noch auf dritthalb Schilling für die Unze belief. Der wirkliche Metallwert der Silbermünzen Großbritanniens betrug daher etwas weniger als die Hälfte der ihnen aufgeprägten Zahl; ein Schilling enthielt zum Beispiel nicht ganz für einen halben Schilling Silber, und so war es im Verhältnis auch mit dem übrigen Geld.
Das Fallen des Preises hatte natürlich auch die Wirkung, daß die Silberbesitzer nur um so eifriger nach der Doppelwährung verlangten. Aber es hatte auch noch ein andres, weit verhängnisvolleres Ergebnis. Es brachte einen kühnen Unternehmer auf den glänzenden Gedanken, falsche Münzen aus reinem Silber zu prägen. Das Metall der Geldstücke kostete weniger als die Hälfte ihres Wertes, und da die Prägung und das Material genau so gut waren, wie bei dem Geld, das aus der königlichen Münze kam, so war es ein Ding der Unmöglichkeit, die Nachahmung zu entdecken. Die Sache wurde immer großartiger betrieben und bildete sich förmlich zu einem internationalen System aus. Die falschen Silbermünzen kamen in allgemeinen Umlauf, ohne daß jemand gewußt hätte wie. Keiner beanstandete sie, weil sie sich gar nicht erkennen ließen. Hätte man sie für minderwertig erklärt, so wäre das eine ganz falsche Bezeichnung gewesen, denn sie unterschieden sich von den echten Geldstücken nur durch ihren Ursprung. Sie kamen in solchen Massen in den Verkehr, daß die gesteigerte Ausgabe von Silbergeld und die damit verbundene Nachfrage nach dem Metall den Preis des ungemünzten Silbers zu beeinflussen begann. Er stieg allmählich von einer halben Krone bis auf vier Schillinge per Unze; doch wurde diese Preiserhöhung allgemein andern Ursachen zugeschrieben. Selbst die ersten Finanzgrößen hatten keine Ahnung davon, daß ihr eigentlicher Grund nichts als die freie Silberprägung war, die tatsächlich bestand.
Kein Wunder, daß es den Schatzkanzler verdroß, als Herr Mirabel auf so rücksichtslose Weise die Aufmerksamkeit des Hauses der Gemeinen und, was noch schlimmer war, des großen Publikums auf diese höchst unbequeme und schwierige Frage lenkte. Trotzdem tat es ihm gleich darauf leid, daß er den Antragsteller so kurz abgefertigt hatte. Der Bankier Mirabel war eines der reichsten, wohltätigsten, gastfreisten und volkstümlichsten Mitglieder des Unterhauses. Er sprach selten, aber immer zur Sache und ohne sich den Anschein höherer Weisheit zu geben, der den Unwissenden so sehr zum Widerspruch reizt. Seine Stimme und seine Börse standen der liberalen Partei, der er mit Leib und Seele angehörte, allezeit zur Verfügung, überdies war er noch ein genauer, persönlicher Freund des Schatzkanzlers, was der ganzen Sache die Krone aufsetzte. Mirabel schien jedoch durch die derbe Abweisung, die er erhalten hatte, keineswegs außer Fassung gebracht. Als etwa eine Stunde später zur namentlichen Abstimmung geschritten wurde, lag ein belustigtes Lächeln auf seinen angenehmen Zügen, während er langsam durch den Abteilungssaal der mit »Nein« Stimmenden schlenderte. Der Schatzkanzler, der hinter ihm kam, faßte ihn vertraulich unter den Arm und zog ihn in eine Nische.
»Sie müssen mir meine Grobheit von vorhin zugut halten, Mirabel,« sagte er. »Offen gestanden bringt uns jene verdammte Geschichte in schreckliche Verlegenheit. Meistens lassen sich falsche Münzen, mag die Prägung auch noch so gut sein, leicht am schlechteren Metall erkennen. Aber hier können selbst die Sachverständigen keinen Unterschied wahrnehmen.«
Dabei zog er eine Handvoll Silbergeld aus der Tasche und klapperte damit in komischer Verzweiflung. »Nichts ist wahrscheinlicher,« sagte er, »als daß die Hälfte dieser Stücke nie die königliche Münze gesehen hat. Leicht möglich, daß ich selbst falsches Geld unter die Leute bringe und die Staatskasse betrüge, wenn ich nach der Sitzung mein Essen im Restaurant bezahle.«
Mirabel lachte. »Dieser Gefahr werden Sie so lange ausgesetzt sein, Sir Robert, als Sie zu ihren Finanzgeschäften Rechenpfennige an Stelle von Münzen verwenden. Wenn Sie dafür sorgen, daß der Metallwert des Geldes mit seinem Nennwert übereinstimmt, so verderben Sie dem schlauen Unternehmer mit einem Schlage sein Spiel. Kein Mensch würde zum Beispiel daran denken, eine solche Privatspekulation mit Gold anzufangen.«
»Das Heilmittel würde schlimmer sein als die Krankheit,« versetzte Sir Robert in etwas ärgerlichem Ton. »Der Staat kann so wenig einen festen Preis für das Silber als für das Brot festsetzen. Ich habe mich immer gewundert, daß ein so scharfsinniger Mensch wie Sie, Mirabel, dies Steckenpferd des Bimetallismus reiten mag. Ihre ganze Lehre scheint mir auf den abgeschmackten Satz herauszukommen: ›Wenn wir Silber im Wert von einer halben Krone vierthalb Schilling nennen, dann ist alles in Ordnung.‹ Nein, bester Freund, das Silber muß wie jede andre Ware den Zufälligkeiten des öffentlichen Marktes unterworfen bleiben. Es wird mir manchmal wirklich schwer zu glauben, daß es Ihnen mit dieser Schrulle Ernst ist.«
»Bitterer Ernst, sage ich Ihnen. Wissen Sie, Sir Robert, daß ich mit meinem Gesamtvermögen für meine Überzeugung eintrete, und das ist ein ziemlich hoher Einsatz. Ich bin nämlich eben dabei, alles Silber aufzukaufen; denn ich glaube an die Zukunft des weißen Metalls und kaufe es im Hinblick auf die kommende Steigerung des Preises. Es geht schon ziemlich rasch in die Höhe, wie Sie wissen werden.«
»So hat Ihnen also die Falschmünzerei keinen Schaden getan?«
»In gewisser Beziehung nein. Jedenfalls vermehrt sie doch den Wert des Silbers. Da ich nun meinen Vorrat größtenteils gekauft habe, als es am niedrigsten stand und fast verschleudert wurde, könnte ich schon jetzt mit großem Gewinn verkaufen. Aber ich mag nicht. Ich bin noch immer Käufer, und da paßt mir die Preissteigerung nicht. Auch mache ich meine Einkäufe nicht nur hier im Lande; ich habe auch meinen Zweiganstalten in Frankreich, Deutschland und Amerika den Auftrag gegeben, alles Silber, dessen sie habhaft werden können, zum Marktpreis für uns einzuhandeln. Ich glaube, in der ganzen Welt besitzt augenblicklich niemand so viel Silber wie ich,«
»Aber Sie verteuern ja selbst die Ware, wenn Sie so im großen einkaufen.«
»Sehr wahr, aber das läßt sich nicht ändern. Ich gedenke mit bedeutendem Vorteil zu verkaufen, wenn wir erst die Doppelwährung haben.«
»Das wird nie geschehen.«
»Ich lasse es darauf ankommen. Inzwischen steigt der Preis, und ich habe meine ersten fünf Millionen so billig erworben, daß ich für meinen späteren Bedarf schon eine kleine Extrasumme zahlen kann.«
»Fünf Millionen! Es ist doch nicht denkbar, daß Sie Silber im Wert von fünf Millionen besitzen, Mirabel!«
»Jetzt etwa für sieben Millionen, Sir Robert,« versetzte er kaltblütig.
»Eintreten! Eintreten!« riefen die ungeduldigen Stimmenzähler. Der Schatzkanzler und Mirabel mußten laufen; sie traten als letzte Nachzügler ihrer Abteilung in den Gang hinter den Stuhl des Sprechers hinaus.
»Es klingt unglaublich,« nahm der Schatzkanzler das Gespräch wieder auf. Er war noch ganz atemlos, teils vom Lauf, teils vor Erstaunen.
»Kommen Sie einmal und sehen Sie sich's selber an. Die Bank ist schon eine Merkwürdigkeit an und für sich. Ein vormals herrschaftliches Haus, wissen Sie, mit den schönsten Kellern von ganz London. Alle meine Angestellten haben dort Kost und Wohnung; ich suche es ihnen so behaglich zu machen als ich kann und nehme auch selbst meistens dort mein Absteigequartier. Ein Junggeselle wie ich wählt sich eben sein Heim wo er will. Etwas vom Mittelpunkt der Stadt entfernt ist es freilich gelegen, aber ich mag nicht eine Guinee Bodenrente für den Quadratfuß bezahlen. Meine Kunden beklagen sich übrigens deswegen nicht; Leute, die Geld brauchen, nehmen eine kleine Mühe gern in den Kauf. Kommen Sie einmal zum Frühstück zu mir – an welchem Tage es Ihnen paßt, dann will ich Sie durch meine große Silberniederlage führen.«
»Ich werde suchen, es einzurichten.«
»Wenn Sie ja sagen, will ich Ihnen auch bei der Münzgeschichte hilfreich an die Hand gehen so gut ich kann.«
»Das könnte mich wohl verlocken. Bitte, warten Sie einen Augenblick.« Sir Robert trat durch den Eingang hinter dem Stuhl des Sprechers wieder in das Haus zurück und stellte sich in einen dunklen Winkel. »Es geschieht dort nichts Besondres,« sagte er, bald darauf wieder herauskommend. »Begleiten Sie mich nach meinem Zimmer, Mirabel, wir wollen dort weiter verhandeln. Sie machen sich keinen Begriff davon, wie wichtig die Sache für uns ist.«
»Mag sein,« erwiderte Mirabel, während sie zusammen durch den langen Korridor schritten, »doch weiß ich, daß mir sehr viel darauf ankommt.«
»Nun sagen Sie mir offenherzig,« begann der Schatzkanzler, als sie bei verschlossenen Türen allein bei einander im Zimmer saßen, »war es Ihr Ernst, als Sie sagten, Sie könnten mir zur Entdeckung des Falschmünzers verhelfen?«
»Ich selbst natürlich nicht; doch könnte ich Ihnen einen Mann empfehlen – einen Detektiv namens Beck. Sämtliche Polizisten von Scotland Yard sind nur Säuglinge im Vergleich zu ihm, wenn man den Berichten glauben darf.«
»Beck! Beck! Ist mir's doch, als hätte ich den Namen schon gehört! Freilich, das ist ja der Mann, von dem der Herzog von Southern immer mit der höchsten Begeisterung spricht.«
»Und für den die Herzogin schwärmt. Jawohl, das ist er.«
»Ich habe nicht übel Lust, es mit ihm zu versuchen. Wissen Sie, wo er zu finden ist?«
»Er war eben noch im Parlamentsgebäude auf der Zuschauergalerie. Als ich aufstand, um meine Fragen zu stellen, sah ich dort oben sein unbewegliches Gesicht, und dabei fiel mir sein Name wieder ein. Soll ich den Detektiv zu Ihnen schicken?«
»Sie täten mir einen großen Gefallen damit.«
»Schön, also ich rechne mit Bestimmtheit auf Ihren Besuch.«
Mirabel stürzte fort, um Beck nicht zu verfehlen. Fünf Minuten später saß dieser in geheimer Beratung bei dem Schatzkanzler, der ihm mit wenigen Worten den Sachverhalt erklärte. »Daß es eine sehr schwierige Aufgabe ist, Herr Beck, will ich weder vor mir noch vor Ihnen verbergen,« sagte Sir Robert. »Unsrer Polizei ist es nicht gelungen, auch nur die leiseste Spur zu entdecken, was wir natürlich vor der Öffentlichkeit nicht merken lassen dürfen. Für das ganze Reich ist die Sache von äußerster Wichtigkeit und der Kostenpunkt, im Fall des Gelingens, von ganz untergeordneter Bedeutung.«
»Ich stelle nie Forderungen wegen der Bezahlung,« sagte Beck, »und ich bin noch immer gut dabei gefahren. Was in meinen Kräften steht, tue ich um der Aufgabe willen, das übrige ist Glückssache. Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich, wie mir scheint, um zweierlei: erstens, der Falschmünzerei ein Ende zu machen, und zweitens, den Falschmünzer zu entdecken. Die erste Hälfte der Arbeit wird nicht sehr schwierig sein, sobald ich bei den Angestellten der Münze Unterstützung finde.«
»Wenn ich Ihnen einen Brief an Direktor Moulton mitgebe, wird er alles tun, um Ihre Zwecke zu fördern. Lassen Sie mich von Tag zu Tag wissen, wie die Sachen stehen. Vielleicht sollten Sie sich auch mit dem Parlamentsmitglied Herrn Cecil Mirabel in Verbindung setzen. Er interessiert sich sehr für die ganze Angelegenheit und kann Ihnen möglicherweise von Nutzen sein. Nicht wahr, Sie kennen Herrn Mirabel?«
»Den Silberkönig! Den reichsten Bankier Englands! Den Mann, der im Begriffe steht, Rothschild in den Hintergrund zu drängen? Wie sollte ich Herrn Mirabel nicht kennen!«
Moulton bereitete Beck am nächsten Tage in der Münze einen etwas frostigen Empfang; als er jedoch die warme Empfehlung des Schatzkanzlers gelesen hatte, taute er sichtlich auf.
»Jawohl, jawohl, Herr Beck,« sagte er mit aller Herzlichkeit, die ihm zu Gebote stand; aber die lange magere Hand hatte keinen festen Druck, das Lächeln um seinen Mund war gezwungen und der Blick der scharfen Augen kalt. »Verlassen Sie sich darauf, wir werden Ihnen Beistand leisten, wo wir irgend können.«
Er hätte Beck gern ein wenig ausgefragt, aber dieser nahm das Kreuzverhör selbst in die Hand. Wenn es not tat, verstand er es, in aller Ruhe sehr entschieden, ja herrisch aufzutreten. »Nicht wahr, dies Konkurrenzunternehmen hat Ihnen Nachteil gebracht?« erkundigte er sich.
»Das wohl; aber weniger, als man denkt, sollte ich glauben. Es hat die neue Ausgabe von Silbergeld verzögert – weiter nichts.«
»Wird jetzt bald eine neue Ausgabe erfolgen?«
»Unverzüglich; mit dem Stempel des laufenden Jahres, wie sich von selbst versteht. Es würde Argwohn erregen – vielleicht eine Panik – wollten wir noch länger damit zögern.«
»Kann ich den Maschinenraum sehen?« fragte Beck kurz.
»Gewiß; bitte hierher.«
Beck untersuchte die Reihe der riesigen Prägpressen mit großer Sorgfalt. Die ganze ungeheure Kraft der großen Maschinen wurde offenbar auf den Punkt gelenkt, wo der Stempel das Metall berührt und ihm das Gepräge verleiht, das Jahrhunderte überdauern soll.
Dann nahm Moulton einen der Stempel – es war eine halbe Krone – von der Stahlkette und händigte ihn Beck ein. »Der Falschmünzer besitzt eine genaue Nachbildung hiervon,« sagte er. »Wir können unsre Arbeit nicht von der seinigen unterscheiden.«
»Ich habe mir einen Plan gemacht,« versetzte Beck gedankenvoll, »wie man der Sache künftig abhelfen kann. Er klingt so einfach und kindisch, daß ich mich fast schäme, ihn auszusprechen. Aber der Falschmünzerei wäre damit ein Ende gemacht und vielleicht könnte man auch den Betrüger fangen. Ließe sich nicht ein mikroskopisch kleines Merkzeichen auf dem Stempel anbringen, zum Beispiel ein winziges M – das Münze bedeutet – hier auf dem glatten Halse der Königin? Natürlich dürfte es nur durch ein starkes Vergrößerungsglas bemerkbar sein. Der Betrüger würde nichts davon ahnen und alles neuerdings nachgemachte Geld ließe sich leicht erkennen. Werden dann die alten Münzen allmählich eingezogen, so ist dem Schlaukopf das Geschäft verdorben.«
Der Vorschlag fand Moultons ungeteilten Beifall. »Ich werde sogleich Maßregeln treffen,« sagte er.
»Tun Sie nichts übereilt,« warnte Beck, »und sorgen Sie vor allem, daß unser Geheimnis gewahrt bleibt. Wenn Sie mir bis morgen eine halbe Krone – ja nicht mehr als eine – zur Probe mit dem neuen Merkzeichen abstempeln lassen könnten, würde ich in einigen Tagen wieder vorsprechen, um weitere Verabredungen mit Ihnen zu treffen,«
Tags darauf erhielt Beck die gewünschte Probe und erklärte sich höchst befriedigt, daß sein Gedanke so meisterhaft ausgeführt worden sei. Das winzige M war für das unbewaffnete Auge vollkommen unsichtbar; unter einer starken Lupe dagegen deutlich zu erkennen. Der Detektiv begab sich stehenden Fußes zu dem Schatzkanzler, um es ihm zu zeigen, konnte aber Sir Robert leider nicht sprechen. Ein glücklicher Zufall wollte jedoch, daß Beck Herrn Mirabel im Reformklub traf. Er nahm den Silberkönig beiseite, erklärte ihm seinen Plan und zeigte ihm die Probe.
Mirabel schien wahrhaft entzückt darüber. Er lachte vor Vergnügen über den schlau erdachten Plan und beglückwünschte Beck zu seiner Erfindung. »Also das ist die erste Münze von der neuen Ausgabe?« sagte er, sie aufmerksam durch das Vergrößerungsglas betrachtend, das Beck mitgebracht hatte. »Das Geldstück ist schon an sich eine Merkwürdigkeit; es wird förmlich historisches Interesse haben, wenn die große Verschwörung erst aufgedeckt ist.«
»Sie können es behalten, wenn Sie wollen,« sagte Beck gutmütig. »Ich brauche es nicht mehr.«
»Besten Dank,« erwiderte Mirabel und steckte die halbe Krone in die Tasche.
Einige Tage später kam das neue Silbergeld aus der Münze. Es wurde nur in sehr geringen Beträgen von den Banken verlangt, so groß war allenthalben der Überfluß an Silbermünzen. Selbst Mirabels Haus, das sogenannte »Silberhaus« hatte nur eine unbedeutende Lieferung bestellt.
Am nämlichen Abend sah man Beck rasch auf die Bank eilen. Dort fragte er nach Herrn Mirabel, der jedoch erst in einer halben Stunde erwartet wurde. Unterdessen trat Beck an eine der Kassenabteilungen des großen kreisförmigen Zahltisches von geschnitztem Mahagoniholz, um eine Fünfpfundnote der Bank von England wechseln zu lassen. »Vier Sovereigns in Gold, den Rest in Silber,« sagte er, »womöglich halbe Kronen.«
Mit dem erhaltenen Geld zog er sich in einen stillen Winkel zurück und untersuchte seine acht halben Kronen sorgfältig unter dem Vergrößerungsglas. Ja, da war das winzige M an der bestimmten Stelle klar und deutlich zu sehen. Beck konnte ein Lachen der Befriedigung nicht unterdrücken, als er es gewahr wurde. Mirabel war leise hinter ihn getreten und überraschte ihn bei der Arbeit. »Holla!« rief er und schlug ihm auf die Schulter. »Sie sehen wohl, ob Ihre Falle auch ordentlich aufgestellt ist?« fragte er in leiserem Ton. »Wissen Sie nichts Neues über unser Münzgeheimnis?«
»O ja,« erwiderte Beck, »ich glaube jetzt auf der richtigen Fährte zu sein.«
»Bravo!« rief Mirabel mit aufrichtiger Bewunderung. »Wie wird sich der Schatzkanzler freuen! Haben Sie es ihm schon gesagt?«
»Noch nicht. Ich war schon zweimal bei ihm, traf ihn aber nicht zu Hause. Schreiben möchte ich ihm über eine so kitzliche Sache nicht, und doch sollte er die Nachricht zuerst haben.«
»Das trifft sich ja glücklich. Sir Robert kommt um halb Drei her, um mit mir zu frühstücken und Umschau zu halten. Wollen Sie nicht zum Frühstück dableiben? Wir könnten nachher über die Angelegenheit sprechen.«
»Sie sind sehr gütig,« sagte Beck.
Der Schatzkanzler stellte sich pünktlich um halb drei Uhr ein und wurde von Mirabel schon an der Tür herzlich begrüßt. »Ich habe eine Überraschung für Sie in Bereitschaft, Sir Robert,« sagte der Bankier. »Unser unvergleichlicher Detektiv ist hier. Er versichert, daß er die Spur des kecken Falschmünzers gefunden habe.«
Mirabel lachte gutmütig, er schien sehr aufgeräumt.
»Sie scheinen nicht daran zu glauben?« sagte der Schatzkanzler, gleichfalls lachend.
»Die Herren Detektivs laufen immer irgend einer Fährte nach, das weiß man schon. Warten wir erst ab, wohin ihn diese führen wird.«
»Etwas Näheres hat er also noch nicht davon verraten?«
»Nein; er will seine Weisheit zuerst vor Ihnen auskramen. Ich habe ihn gebeten, mit uns zu frühstücken. Hoffentlich haben Sie nichts dagegen.«
»Bewahre, es freut mich sehr. Natürlich interessiere ich mich ungemein für die geheimnisvolle Münzgeschichte. Aber ganz abgesehen davon, muß dieser Beck ein höchst interessanter Mensch sein, nach allem, was man von ihm hört.«
Das Frühstück war ganz vorzüglich und Mirabel machte den liebenswürdigsten Wirt. Es schüchterte Beck nicht im geringsten ein, mit dem Finanzminister und einem mehrfachen Millionär bei Tisch zu sitzen. Auch bewährte er seinen Ruf als interessanter Mann aufs glänzendste, indem er sowohl Mirabel wie Sir Robert durch seine Geschichten von Gefahren, Kunstgriffen und Siegen in lebhafter Spannung erhielt. Von seinem Anteil daran sprach er mit großer Bescheidenheit, fast als müsse er sich deswegen entschuldigen. »Ist Ihnen denn nie etwas mißlungen?« fragte Mirabel.
»Ja, aber davon rede ich nicht,« erwiderte Beck unbefangen.
»Sie scheinen mir bei aller Geschicklichkeit doch auch sehr vom Glück begünstigt worden zu sein.«
»Viel Glück und ein wenig Geschick,« sagte Beck mit Nachdruck. »Ich habe immer den Satz aufgestellt, daß ein Detektiv nicht zu klug sein darf, besonders wenn er es mit sehr geriebenen Verbrechern zu tun hat. Als Knabe las ich einmal von einem Mann, der durch bloße Unkenntnis, gerade weil er von der Fechtkunst gar nichts verstand, einen berühmten Fechter zu Fall brachte. Gerade so geht es mir. Es gelingt mir meist durch irgend einen ganz einfachen Kunstgriff, die klügsten Leute zu überrumpeln.« Aber über den vorliegenden Fall ließ sich Beck kein Sterbenswörtchen entlocken. – »Jedes Ding zu seiner Zeit,« sagte er. »Verderben wir uns dies gute Frühstück nicht! Auf unsern Fall werden wir schon noch zu sprechen kommen.«
Als das Mahl zu Ende ging, goß Mirabel noch drei große geschliffene Gläser voll Madeira; sie funkelten wie Goldtopas, als das köstliche Naß sie berührte. »Es gibt in der ganzen Welt kaum fünfzig Flaschen von diesem Wein oder einem, der ihm an Feuer gleichkommt. Auf gut Glück und Gelingen, Herr Beck!« Und er erhob sein Glas.
»Das nenn' ich mir einen großmütigen Toast,« versetzte Beck wohlgefällig nickend, während er den köstlichen Madeira schlürfte.
Hierauf schritten die beiden Freunde, denen Beck auf dem Fuße folgte, durch das Kassenzimmer mit dem großen Mahagonitisch und stiegen eine eiserne Treppe hinunter, die nach den ungeheuren Gewölben führte, auf die Mirabel so stolz war. Zuerst ging es durch eine Reihe kleiner Zimmer, wo die Bücher der Bank in Schränken lagen, die an den feuerfesten Wänden standen. Dann kamen sie zu größeren Eisenschränken, in denen die kostbarsten Wertgegenstände aufbewahrt wurden; denn Mirabel betrieb eine Art Pfandleihegeschäft im großen Stil unter dem englischen Adel.
»Dieser Kasten birgt allerlei schlimme Familiengeheimnisse,« sagte er und schlug mit dem Spazierstock an die Tür eines ungeheuren eisernen Schrankes. »Ich möchte Sie nicht darüber kommen lassen, Herr Beck. Wer diese Dinge zu enträtseln vermag, könnte da merkwürdige Entdeckungen über sehr hochgestellte Persönlichkeiten machen. Alle Geschäfte dieser Art besorge ich immer selbst; sie sind höchst interessant. Aber hier kommen wir zu dem, was ich Ihnen eigentlich zeigen wollte, Sir Robert. Das übrige ist mehr oder weniger alltäglich, aber was meine Silberkammer betrifft, so schmeichle ich mir, daß man etwas Ähnliches nicht zum zweiten Male in der ganzen Welt findet.«
Sie standen vor einem riesigen Eisengitter mit armdicken Stäben, die in ein Gewölbe von starkem Mauerwerk eingefügt waren. Zwischen den Eisenstäben hindurch blickte man in rabenschwarze Nacht. Mirabel steckte einen kleinen Schlüssel, den er an der Uhrkette trug, in das Schloß, und das furchtbar schwere ungeheure Tor drehte sich glatt in den Angeln und ließ die drei Männer ein. Als sie am Eingang dieser dunklen Höhle standen, vernahmen sie aus der Ferne das Brausen und Schwingen von Maschinen.
»Was für ein Ton ist das?« fragte Sir Robert.
»Er kommt von dem Petroleummotor,« versetzte Mirabel, »der vermittels eines Dynamos die Lampen entzündet, die Silberkarren und Fahrstühle in Bewegung setzt und sich auch sonst auf allerlei Art nützlich macht. Ich zeige sie Ihnen gleich nachher. Hier sehen Sie einen Teil ihrer Arbeit.«
Er drehte an einem Elfenbeinknopf, worauf gut hundert Glühlampen auf einmal an Decken und Wänden erstrahlten und das hohe Gewölbe mit blendend weißem Licht durchfluteten. Der ganze Raum war mit Silber angefüllt. Große Barren des edlen Metalls lagen in Haufen umher und rings standen aufgebauschte Säcke, die so locker zusammengebunden waren, daß man die glänzenden Münzen aus der Öffnung herausblitzen sah. Viele Silberbarren und Säcke waren auf Rollwagen geladen, die auf Schienen mitten durch das Gewölbe liefen, um die Schätze in die Oberwelt hinaufzubefördern.
An einem großen Teil der Wand entlang reihten sich Quadern von schwarzem Metall wie geschichteter Torf in einem irischen Moorbruch.
»Was ist denn das?« fragte Sir Robert.
»Gleichfalls Silber,« erwiderte Mirabel, »reines Silber, wie es aus den Minen kommt.« Er schlug mit der Stockspitze auf eines der schwarzen Stücke und ein reiner köstlicher Klang, den man mit Recht »silberhell« nennt, ließ sich vernehmen.
»Wahrhaftig, Sie verdienen den Beinamen ›Silberkönig‹!« rief der Schatzkanzler bewundernd aus.
Immer zwischen Silber dahingehend, kamen sie fünfzig Fuß weiter zu der großen Maschine, die dicht an der Schlußmauer des Gewölbes stand. Die ganze Luft erzitterte von der Bewegung, wenn die Kolbenstangen durch die Zylinder glitten und das ungeheure Schwungrad kreisend schwirrte. Mirabel war offenbar sehr stolz auf seine Riesenmaschine. »Sie hat die größte Leistungsfähigkeit, ist sinnreich und dabei nach so einfachem Grundsatz konstruiert wie ein Schiebkarren,« sagte er. »Sie wird mit Petroleum gespeist, und man brauchte sie nur mit einer Erdölquelle in Verbindung zu setzen, so würde sie gehen, solange es noch einen Tropfen Öl darin gibt. Diese hier ist jetzt schon ein paar Monate in ununterbrochener Bewegung.«
Beck interessierte sich so sehr für die Maschine und trat so dicht heran, daß Mirabel ihm erschreckt zurief: »Nicht so nahe, Freund. Geben Sie acht, sonst geschieht ein Unglück. Erst neulich ist einem Arbeiter der Arm von dem großen Rad vollständig zermalmt worden. Wie ein schlaffes Seil hing er ihm am Leibe herab.« Beck war auf der Stelle zurückgetreten.
»Besten Dank für die Warnung,« sagte er. »Ich weiß jetzt schon alles, was ich wissen wollte.«
»Wenn Sie uns doch auch alles sagen könnten, was wir über das Münzgeheimnis wissen wollen,« äußerte der Schatzkanzler.
»Mit dem größten Vergnügen von der Welt, Sir Robert, wenn Sie und Herr Mirabel mir einen Augenblick Ihre Aufmerksamkeit schenken wollen.«
Damit nahm er ein paar von den halben Kronen aus der Tasche, die er soeben auf der Bank erhalten hatte, und händigte sie dem Schatzkanzler ein. »Seien Sie so freundlich, den Hals Ihrer Majestät der Königin zu untersuchen,« sagte er.
»Dabei ist kein Betrug,« rief der Schatzkanzler lachend; »ich sehe das winzige M, von dem Sie mir erzählt haben, ganz deutlich. Gewiß gehören diese Stücke zu dem neuen Silbergeld, das eben aus der Münze kommt.«
»Nein, Sir Robert,« entgegnete Beck gelassen, »dies Geld hat die königliche Münze nie gesehen; es ist Privatarbeit – das Fabrikat des vormals unbekannten Falschmünzers.«
»Vielleicht könnten Sie uns seinen Namen nennen?« sagte Mirabel lächelnd.
»Sein Name ist Cecil Mirabel,« erwiderte Beck, die Hand schwer auf des Silberkönigs Schulter legend.
Der Schatzkanzler stand sprachlos vor Erstaunen da. »Seien Sie doch kein Esel!« rief Mirabel – es lag mehr Überraschung als Zorn in seiner Stimme.
»Der Esel hat diesmal den Fuchs gefangen,« entgegnete Beck mit großer Gelassenheit, »und zwar obendrein in einer höchst simplen Falle. Das M auf diesen Geldstücken bedeutet nicht Münze, sondern Mirabel. Wir haben nur ein einziges zur Probe machen lassen, nämlich die halbe Krone, welche ich Ihnen gegeben habe, weil ich dachte, Sie würden sie als Modell brauchen. Alle andern sind hier an Ort und Stelle angefertigt.«
Mirabel stand einen Augenblick in tiefen Gedanken da wie ein Schachspieler, der mattgesetzt ist und vergebens nach einem Ausweg sucht. »Sie haben den Trick und das Spiel gewonnen, Herr Beck,« sagte er ruhig und ohne den geringsten Groll zu verraten. »Sehr fein haben Sie's angefangen, das muß ich gestehen; obgleich ich mich natürlich nicht hätte verraten sollen wie ein Narr.«
Jetzt endlich hatte sich der Schatzkanzler wieder einigermaßen gefaßt. »Aber ums Himmels willen, Mirabel,« rief er, »Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß Sie der Falschmünzer sind?«
»Es würde jetzt wohl wenig nützen, Sir Robert, wenn ich es leugnen wollte.«
»Aber wie und wo in aller Welt haben Sie denn einen solchen Haufen Geld geprägt?«
»Fragen Sie doch Herrn Beck.«
»Zeigen Sie es uns lieber selbst, Herr Mirabel,« erwiderte der Detektiv höflich; »wir würden damit Zeit und unnötigen Lärm ersparen.«
»Sie wissen es natürlich?«
»Jawohl. Ich habe den Teil der Riemenleitung gesehen, die hinter der Maschine durch die Mauer führt. Dort ist noch ein Gewölbe für Privatgeschäfte. Da es nun etwas umständlich wäre, wenn wir erst durch die Mauer brechen oder die geheime Tür suchen müßten, so könnten Sie uns dieser Mühe überheben.«
»Da haben Sie wieder recht, Herr Beck – ich glaube, Sie irren sich nie.«
Mirabel steckte denselben kleinen Schlüssel, dessen er sich vorhin bedient hatte, in ein Loch, das wie eine Mauerspalte aussah, und öffnete eine geschickt angebrachte mit Steinen und Mörtel verkleidete eiserne Tür. Er schritt voraus, und im nächsten Augenblick vernahm man das Ticken eines Telegraphen. Gleich darauf erstrahlte das elektrische Licht.
»Es war nur eine Depesche an meine Arbeiter, um ihnen anzuzeigen, daß die Geschichte zu Ende ist,« sagte Mirabel, so ruhig, als ob sich das ganz von selbst verstünde.
Das zweite Gewölbe, in dem sie sich jetzt befanden, war größer als das erste und ganz wie eine Münze eingerichtet; Schmelztiegel, Walzwerke und Prägpressen, kurz, alle Erfordernisse einer solchen waren vorhanden.
Mirabel führte sie überall mit der größten Kaltblütigkeit umher. Niemand hätte auf den Gedanken kommen können, daß er ein Mann war, den man eben auf einem riesenhaften Betrug ertappt hatte. Ruhig zog er sein Zigarrenetui aus der Tasche und bot es erst dem Schatzkanzler und dann Herrn Beck an. Mechanisch wählte sich Sir Robert eine Zigarre und entzündete sie an dem Wachskerzchen, das Mirabel ihm gefällig hinhielt. Der Schatzkanzler war bei weitem am aufgeregtesten, da er den Gedanken nicht fassen konnte, daß sein vertrauter Freund sich als kolossaler Schwindler entpuppt hatte.
»Bitte, nehmen Sie Platz,« sagte der Eigentümer der Privatmünze mit vollendeter Höflichkeit. »Wenn es nicht zu neugierig erscheint, Sir Robert, so möchte ich wohl gerne wissen, was Sie in dieser Angelegenheit zu tun gedenken?«
»Meine Pflicht,« erwiderte der Schatzkanzler.
»Freilich, freilich, das versteht sich ja von selbst. Aber was ist Ihre Pflicht?«
»Sie sogleich der Polizei zu übergeben.«
»Das glaub' ich nicht; ganz gewiß nicht. Ich würde ungefähr zehn Jahre Zuchthaus bekommen, nach meiner Berechnung; das wäre für mich persönlich ja keine Annehmlichkeit, aber ich will die Sache gar nicht vom persönlichen Standpunkt aus betrachten. Was glauben Sie wohl, daß aus meiner Verurteilung entstehen würde? Denken Sie sich einmal, welche Folgen es haben müßte, wenn man entdeckt, daß die Hälfte alles Silbergeldes von Großbritannien, der andern Länder gar nicht zu erwähnen, falsch ist. Eine riesige Panik würde ausbrechen, und Bankrott auf Bankrott müßte folgen, bis eine allgemeine Handelskrisis entstünde, worin viele Tausende von Existenzen zu Grunde gingen, und das alles nur, damit ich Armer zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt würde. Mir scheint, damit wäre dies Vergnügen zu teuer bezahlt. Sind Sie nicht auch der Ansicht?«
Der Schatzkanzler war offenbar in einer großen Klemme. »Gerechtigkeit werde geübt, und sollte die Welt darüber zu Grunde gehen,« sagte er, sich eines geflügelten Wortes bedienend, weil er selbst nicht aus und ein wußte.
»Die Welt wohl, aber doch die Regierung nicht. Der Zweck der Strafe ist die Verhütung künftiger Übeltat, und deren bedarf es hier nicht. Es ist keine Gefahr vorhanden, daß irgend jemand mein Wagnis wiederholen wird, was auch mit mir geschehen mag. Meine Münzen haben den gleichen Wert wie die Ihrigen, solange sie unentdeckt bleiben; nur sind ihrer zu viele, das ist der Übelstand. Man muß sie allmählich außer Kurs setzen. Das wird natürlich nicht ohne Kosten abgehen, aber ich würde mich gern mit mehr als einer Million in die Bresche schlagen. Ihnen machen zehn Jahre meines Lebens freilich wenig aus, für mich haben sie dagegen großen Wert und ich bin bereit, dafür zu zahlen.«
»Das hieße gegen Entschädigung von der Verfolgung des Verbrechers abstehen,« murmelte der Schatzkanzler unschlüssig.
»Keineswegs. Die Staatsgewalt hat das Recht der Gnade. Es wäre nichts als die Annahme von Gewissensgeld, wie sie zum Beispiel beim Steueramt üblich ist. Der hohe Betrag macht keinen Unterschied, sobald der Grundsatz einmal feststeht.«
»Ich muß mich darüber mit meinen Kollegen beraten.«
»Tun Sie das. Ich setze das beste Zutrauen in Ihren gesunden Menschenverstand und betrachte die Angelegenheit als abgemacht. Herrn Becks winziges M wird den Münzsammlern des vierzigsten Jahrhunderts noch Kopfzerbrechen machen.«
»Die Falschmünzerei muß unbedingt aufhören.«
»Versteht sich. Es wäre Wahnsinn, wollte ich es noch einmal versuchen. Aber ich will mein Wort darauf geben, falls Ihnen das größere Sicherheit zu gewähren scheint.«
»Nach dem, was geschehen ist, sollte ich Ihrem Wort nicht mehr trauen; aber ich tue es doch. Wir sind gute Freunde gewesen, Mirabel, und die heutige Entdeckung betrübt mich aufrichtig, besonders deshalb, weil Sie über Ihr Verbrechen bis zuletzt weder Scham noch Reue zeigen,« fügte er zögernd hinzu; denn nichts ist für einen Mann von Welt peinlicher, als den Sittenprediger spielen zu müssen.
»Tun Sie mir den Gefallen, Sir Robert, und reden Sie keinen Unsinn,« versetzte Mirabel lebhaft. »Ich bin tatsächlich nur ein Bimetallist gewesen, weiter nichts. Ich habe den Mut gehabt, meiner Überzeugung zu folgen und das, was ich predigte, in die Tat umzusetzen. Die freie Silberprägung hat mir Gewinn gebracht, solange sie dauerte, das leugne ich gar nicht. Doch habe ich mit meinem Geld sehr viel Gutes getan. Das werde ich auch in Zukunft so halten und nebenher mein Leben genießen. Bei der ganzen Sache ist nur ein Umstand, den ich bereue.«
»Und der wäre?«
»Daß ich Ihnen Herrn Beck empfohlen habe.«