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Die Rotschild und Reinach.

 

»Es sind ungefähr zwanzig Männer, die darüber Beschluß fassen, was das französische Volk am nächsten Morgen wissen und nicht wissen soll.«

François Delaise in »La Democratie et les Financiers«.

 

Wie es kam, daß sich der französische Nationalismus, in dem der Gegensatz zum Judentum rücksichtslos den Ton angab, schließlich mit dem so oft verhöhnten »Gelde der Rothschild und der Feder der Reinach« bei Poincarés Wahl ausgesöhnt hat, das ist für die französischen Zustände sicherlich eine der beachtlichsten, zugleich aber auch verächtlichsten Tatsachen. Derselbe Maurice Barrès, der in ganz Frankreich den Einfluß der deutschen Juden aufdecken zu müssen glaubte, hat sich im Laufe des Krieges als begeisterter Anwalt des Judentums entpuppt, und zwar beschränkt er sich in den beiden viel genannten Aufsätzen des »Echo de Paris« vom 12. und 16. Dezember 1916 keineswegs auf französische Juden, sondern hebt ausdrücklich die Bedeutung der Juden deutschen Ursprunges hervor, » israélites nouvellement venus parmi nous«, die zu Frankreich zwar nicht »die animalische Liebe des Kindes zur Mutter« haben, aber dafür sei »ihr Patriotismus ganz geistig, ein Akt des Willens, eine Entscheidung und Wahl des Geistes. Sie wählten Frankreich als Heimat, das Vaterland erscheint ihnen als eine freigewählte Gesellschaft.« Er weist dann hin auf Briefe einiger solcher deutschen Juden, wie Roger Lahen, Robert Hertz und Amadeus Rothstein und fügt hinzu:

»Alle diese so kraftvollen und charakteristischen Figuren bieten etwas Seltenes und Eigenartiges. Man kann in ihnen die verschiedenen Lebensalter, die Abstufungen und die Bildung einer Persönlichkeit verfolgen, nämlich die des jüdischen Intellektuellen, der seit mehreren Jahren in Frankreich eine so große Rolle spielt.«

Er weist alsdann hin »auf eine Reihe von Beispielen, die uns zeigen, wie Israel sich in diesem Kriege bemüht, Frankreich seine Dankbarkeit zu bezeugen«. Er berichtet, daß sie mit einer großen Begeisterung in den Krieg gegen die Boches gegangen sind unter dem Aufschrei zu Gott dem Gerechten; sie alle haben Frankreich gezeigt, daß Israel sich verbunden hat mit der französischen Zivilisation«. Barrès veröffentlicht dann einige Briefe von Hertz, dem Sohne eines deutschen Juden und Führer der französischen Sozialisten, und bemerkt dazu, daß es wohl nicht möglich sei, einen Text zu finden, in dem mit größerer Kraft und Ergriffenheit ausgesprochen wäre » le désir passioné d'Israel de se confondre dans l'âme française«. Das sind dieselben Franzosen, die vordem unwillig geträllert hatten:

» Et tous ces Aarons
se font barons,
tous ces Schmuhls
se font consuls!
«

Das Geheimnis dieses seltsamen Wandels ist einfacher, als es scheinen mag. Im Jahre 1913 nach der Wahl des Herrn Poincaré hat die Geldmacht einen Wechsel in ihrer Politik vollzogen, aus dem einfachen Grunde, weil sie auf die eigene Rettung bedacht sein mußte, da schon damals die Vorboten der im Hochsommer zum Ausbruche kommenden Finanzkrisis sich meldeten. Es gehört zu den Unbegreiflichkeiten der französischen Politik und bleibt doch eine Wahrheit, daß das Land in seiner Finanzpolitik durchaus nicht auf den Krieg vorbereitet gewesen ist. Gleichwohl sind jene Franzosen im Unrechte, die daraus einen Beweis für die Friedensliebe der französischen Politik herleiten wollen. Es beweist nur, daß die 55 Geldfürsten, die das Land beherrschen, » les Rois de la République«, ihre bis dahin friedliebende Politik geändert und sich vom Rosse des wirtschaftlichen Imperialismus auf das des nationalpolitischen geschwungen haben. Schwerlich ist das ganz freiwillig geschehen, aber in der unheilschwangeren Verschärfung der Krisis, die Milliarden französischer Geldanlagen entwertet hat, blieb ihnen um so weniger ein anderer Ausweg, als England und Rußland augenscheinlich mit starker Absicht die Schwierigkeiten verstärkt haben; denn mindestens hat die Zurückziehung des ersten Abschnittes der Dreimilliarden-Anleihe aus den beteiligten Banken durch die russische Regierung einen Preissturz in Russenwerten herbeigeführt, der als ein unwiderstehlicher Zwang wirkte. Aber nicht allein dieser wirtschaftliche Zwang erklärt den Wechsel, sondern zugleich die von der britischen Freimauerei ausgegebene und von sämtlichen unter dem Einflusse des Großorient von Frankreich stehenden Logen befolgte Losung. Hatten diese bisher schon gute Vorarbeit geleistet, so traten sie doch seit der Wahl des Lothringers in einer so zuversichtlichen Feindseligkeit auf, daß an dem Rückhalte Frankreichs nicht der geringste Zweifel bestehen konnte. Die amtliche »France Militaire« nahm auch kein Blatt mehr vor den Mund in dem Wunsche nach dem Rachekriege:

»Die (Marokko-) Krisis ist für Frankreich eine versäumte Gelegenheit ...«

»Elsaß, Lothringen, diese beiden Worte enthalten und sprechen das aus, was Frankreichs Politik sein muß.«

»Der Krieg muß alle unsere Gedanken beherrschen ...«

Aus dem Tone dieser Äußerungen klingt deutlich die Stimme jener Schicht heraus, die das Schicksal des Landes in Händen hielt und zu seinem Unglücke heute noch hält. Aber keineswegs blieb es bei leeren Drohungen, sondern die Heeresrüstungen entsprachen dem unverkennbar festen Willen. Mit der Einführung der dreijährigen Dienstpflicht und der rücksichtslosen Verstärkung der Friedensstandstärke war damals Frankreich uns in seiner Wehrkraft sehr weit voraus. Mit Genugtuung verzeichnete man in Paris auch den Fortschritt der Festungsbauten an der russischen Westgrenze, für den am 15. April 1910 sechsunddreißig Millionen Rubel bewilligt waren. Und mit Besorgnis hatte am 10. August jenes Jahres der deutsche Militärattaché in Petersburg nach Berlin berichtet, daß das Anwachsen der auf einen Angriffskrieg mit Deutschland hinzielenden Maßnahmen im russischen Heere unverkennbar sei und jeder mit russischen Verhältnissen Vertraute konnte ebensogut wissen, wie z. B. der Schreiber dieser Zeilen, daß bereits im Oktober 1909 die Beamten in den Westgouvernements ersucht waren, anzugeben, wohin bei Ausbruch des Krieges ihre Familien gebracht werden sollten.

Im Juli 1912 hatte Lord Roberts in einer Rede erklärt, daß »uns ein großer Kampf unausbleiblich und wahrscheinlich sehr nahe bevorstehe« und ferner, »daß England am Vorabende einer gewaltigen Krisis stehe, wie sie in den letzten hundert Jahren nie dagewesen sei«.

Nur in der Berliner Wilhelmstraße wies man jeden Gedanken an die bloße Möglichkeit eines Krieges entrüstet von sich in dankbarer Erinnerung an die wohlwollende Versicherung, die Lord Curzon am 30. November 1912 in Plymouth abgegeben hatte: »Es ist lange keine bessere Nachricht gekommen als die, daß England und Deutschland zusammenarbeiten, um am Balkan die Sache zu fördern.«

Der »Daily Telegraph« schrieb am gleichen Tage: »Wir haben das erfreuliche Schauspiel, daß die Wilhelmstraße die Politik von Downingstreet herzlich und hochherzig unterstützt.«

Das entsprach durchaus Lord Haldanes Berichten, der nach den Mitteilungen von Harold Begbie in dessen » Vindication of Great Britain« »zu der Überzeugung kam, daß, solange Dr. von Bethmann Hollweg Kanzler und wirklich in Macht wäre, Krieg unwahrscheinlich sei« ( War might be regarded as an improbable contingency, S. 141). Deutschland »wünschte eine Verständigung mit England«. Mit diesem Erfolge kehrte Haldane nach England zurück »und ging an die Arbeit, wie nie früher ein britischer Minister an eine Arbeit ging, trotz des Widerspruches vieler Männer in seiner eigenen Partei, von denen manche jetzt Nationalhelden sind, für dies Land eine Kampfmaschine und eine nationale Verteidigung zu schaffen, wie es sie niemals früher besaß (S. 116)«.

Als Antwort auf das deutsche Entgegenkommen wurde die britische Flottenvorlage von 36 auf 55 Millionen Pfund hinaufgeschraubt. Auch das Heer, dessen Kampfbestand nur auf 150 000 Mann angegeben war, hat ausweislich des genannten Buches (S. 204) und der Angaben von Archibald Hurd im » Navy League Annual« von 1915 bei Kriegsausbruch schon 700 000 Mann gezählt.

Die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« selbst hat im Juni 1917, um gewissen verheißenen Mitteilungen der französischen Regierung vorzugreifen, erzählt:

»Am 9. Januar 1913 hat der politische Direktor im belgischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Baron van der Elst, einen Bericht über eine Unterredung mit einem französischen Staatsmann niedergeschrieben, über dessen Äußerungen es heißt: »Es ist sicher, sagte er mir, daß die Überlegenheit des französischen Geschützes derart ist, daß die Deutschen in einem Artilleriekampf bald aufhören würden, zu feuern. Sie würden durch unser Schnellfeuer vernichtet werden ... Jedermann in Frankreich wünscht ein Ende des niederdrückenden Zustandes der Unruhe, der zu lange andauert, und man fühlt sich bereit. Das englische Eingreifen ist, wiewohl kein schriftliches Abkommen besteht, tatsächlich schon in seinen kleinsten Einzelheiten geregelt, als ob ein Vertrag zwischen den beiden Ländern abgeschlossen wäre. Die englischen Truppen werden in Calais, Dünkirchen und Boulogne landen. Die Lage Rußlands ist besser, als man glaubt. Seine Armee ist in gutem Zustande und wird im Kriegsfall wichtige Mitwirkung leisten.« ... Wie fest aber die englische Regierung daran glaubte, für ihre militärische Aufgabe auf dem Festland völlig vorbereitet zu sein, darüber hat der frühere englische Kriegsminister Haldane in dem bekannten Buche Begbies sehr ausführliche Mitteilungen machen lassen. Schon für 1912, das Jahr des Grey-Cambonschen Briefwechsels, erklärt der Vertrauensmann Haldanes: » Großbritannien war vollkommen vorbereitet, alle seine Verpflichtungen zu erfüllen. Es ist daher eine Umkehrung der Vernunft, zu sagen, daß die britische Regierung überrascht worden ist. Es war nichts mehr zu tun, als mit Gewehr bei Fuß zu stehen und auf die Stunde zu warten

Dies alles also hat man in der Wilhelmstraße gewußt, so gut wie die abgeleugneten Treibereien des Herrn Cartwright! Und damit der Ring sich schließt, entsinne man sich, daß Ende November die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« unter der Überschrift »Wie Rußland den Krieg vorbereitete« einige russische Urkunden abdruckte und dazu ausdrücklich bemerkte:

»Es ist ja auch eine bekannte Tatsache, daß Rußland lange vor der offiziellen Mobilmachung im Sommer 1914 insgeheim eifrige Kriegsvorbereitungen traf.«

Hierfür habe man jetzt die aktenmäßigen Beweise – die Tatsache selbst stellt also die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« als bekannt hin.

Trotzdem führte sich Fürst Lichnowski, der am 16. Oktober 1912 seinen neuen Posten in London antrat, mit der Empfehlung ein:

»England und Deutschland arbeiteten Seite an Seite für die Aufrechterhaltung des europäischen Friedens und niemals seien die politischen Beziehungen der beiden Mächte vertraulicher und aufrichtiger gewesen als gegenwärtig«. –

Schlafe, was willst du mehr?!

Nicht Alle haben geschlafen. Unermüdlich hat der nicht ohne Nutzen durch Bismarcks Schule gegangene Teil der deutschen Schriftsteller darauf hingewiesen, daß eine deutsch-englische Verständigung ein Ding der Unmöglichkeit, die Auseinandersetzung mit England aber im Hinblicke auf den immer dichter sich um uns schließenden Ring ganz unvermeidlich sei. Unermüdlich ist deshalb gewarnt vor den Englandfahrten, die nur den einen Erfolg haben konnten, in den Augen der Engländer unsre Urteilsfähigkeit um den letzten Rest von Ansehen zu bringen. Unermüdlich ist im Hinblicke auf die damaligen Vorgänge in den jungen Balkanstaaten dargelegt, was es für unsre Außenpolitik bedeutete, daß dem deutschen Volke in der Führung wie in den Tiefen so sehr jener Volksstolz fehlt, ohne den wir doch nun einmal nicht vorwärtskommen können. Und unermüdlich ist dargelegt, wie die jugendlichen Völker gerade damit ihre Fortschritte erzielten, daß sie alles Brauchbare dem deutschen Leben entlehnt hatten.

Wer wollte heute im Hinblicke auf die dem deutschen Leben zugefügte Verwüstung an der Notwendigkeit der damaligen Gegenwehr zweifelnd? Jedenfalls hat die Gegenseite deren »Gefahr« erkannt, denn auf das Treiben »unsrer« Bismarckfronde, Bierbankpolitiker, Junker und notleidenden Agrarier, teutonischen Urknoten usw. usw. suchte sie abzuwälzen, was das schlechte Gewissen ihr als Ursache der fortgesetzten Schädigung unsres Vaterlandes, die freilich für sie ein Erfolg war, klar vor Augen stellen mußte. Es bleibt unvergessen, wie diese Verhetzung zusammengefaßt wurde in dem Schimpfworte »Antisemitismus«, unter dem natürlich nicht etwa die berechtigte Abwehr jüdischer Überheblichkeit, sondern die üblen Umgangsformen des beweis- und hosenknopflosen Herrn Ahlwardt verstanden sein sollten.

Den Gipfel aber erreichte alles dies mit der verleumderischen Unterstellung, die in den eigens geprägten Sammelbegriff »unsre Alldeutschen« gelegt wurde.

Jeder Blick in die Blätter der gekennzeichneten Richtung, insbesondere auch die vom Straßenverkaufe lebende und dementsprechend der Straße huldigende Pfennigpresse bestätigt das ebenso auf der ersten Seite, wo zwischen hoher Politik die niedrigen politischen Kniffe verschmuggelt werden, wie auf der dritten, wo mit und über Schmutzkunst und Kunstschmutz gehandelt wird. Als das Selbstverständlichste von der Welt gilt diesem Schmarotzertume am deutschen Leben das Recht, alle deutschdenkenden Menschen, insbesondere alle jene, die an den Überlieferungen der Heimat und der Väterzeit festhalten, zu verspotten. Man darf in Deutschland für das Allpolentum schwärmen, auch wenn darüber die Ruhe der deutschen Ostmark und die Sicherheit unsrer Grenze zum Teufel geht; selbstverständlich muß man die Alliance Israélite loben, auch wenn sie sich zur Trägerin der gegen Deutschland gerichteten alleuropäischen Hetze macht; aber das Eintreten für geschichtliche Notwendigkeiten und die würde des eigenen Volkes soll sich allerhand Ekelnamen gefallen lassen müssen. Denn man vergegenwärtige sich nur, was für das deutsche Ehrgefühl der höhnische Gebrauch des Wortes »unsere« im eigenen Vaterlande bedeutet!

Mag man über den Alldeutschen Verband denken, wie man will, so steht doch unter allen Umständen die Tatsache klar, daß sein Programm in keinem Punkte den Abgeschmacktheiten entspricht, die ihm von den Blättern der Herren Singer, Mosse und Sonnemanns sel. Erben unterstellt sind. Man braucht nur an die Verdächtigungen in seiner Stellung zu den Vlamen zu erinnern, um zu verstehen, welcher Schaden hierdurch, leider oft genug mit stillschweigender halbamtlicher Duldung, der deutschen Politik zugefügt ist. Und wie sehr diese unsauberen Hände mitgearbeitet haben an dem vom Fürsten Bülow richtig gekennzeichneten feindlichen Zerrbilde, ist inzwischen ja durch die Reden der Herren Lloyd George, Ribot, Miljukow und Wilson bewiesen; ja selbst die politische Weisheit der Nigger von Haiti und der Verfasser der chinesischen Kriegserklärung klingt in dieser Tonart aus.

Es kann daher nicht überraschen, daß selbst in Deutschland das Wesen der alldeutschen Bewegung vielfach falsch aufgefaßt wird. Seinem Ursprunge nach hat der Alldeutsche Verband nichts zu tun mit den Parteien; er hat sich die Aufgabe gestellt, die Gesamtheit des deutschen Volkes ohne Rücksicht auf irgendwelche Grenzen in ihrer Kulturgemeinschaft zu fördern. Er hat dem deutschen Volke das Gewissen schärfen wollen zur Wahrung seiner Eigenart und hat ihm seine Sendung vor Augen stellen wollen ohne Rücksicht darauf, wann der Zeitpunkt der Erfüllung kommen möge. Diesem Wesen nach war er das genaue Gegenteil alles Diplomatischen; aber eine geschickte und gut geleitete Diplomatie hätte ihn nach englischem, französischem und russischem Vorbilde allezeit mit gutem Erfolge benutzen können. Ja, hätte sie nur den fünften Teil der Verschmitztheit, die sie an die Bekämpfung des Alldeutschen Verbandes gesetzt hat, zur Abwehr der gegen das Deutschtum im ganzen Auslande betriebenen Ränke verwandt, so würde es an allen Ecken und Enden der Welt heute besser um unsern Ruf bestellt sein.

Nur mit tiefstem Bedauern hat man seit Bismarcks Entlassung von Jahr zu Jahr beobachten müssen, wie einzelne der Regierung nahestehende Kreise dies politische Verfahren mindestens geduldet haben. Insbesondere ist es nicht von der Hand zu weisen, daß die Stelle, an der die Schmutzpresse halbamtlich gefüttert wurde, im Jahrzehnt vor dem Kriege besondere Sorgfalt auf die Herabsetzung der alldeutschen Bestrebungen verwandt hat. Hoffentlich hat sich das nunmehr geändert, denn mit Genugtuung nimmt man davon Kenntnis, daß Graf Oberndorff, unser Gesandter in Sofia, als Ehrenvorsitzender der neubegründeten Bulgarischen Gesellschaft seiner Freude Ausdruck gegeben hat

»über das große vereinte Bulgarien, das die seit Jahrhunderten getrennten Brüder in sein Haus zurückgeführt hat und Hand in Hand mit unseren treuen türkischen Verbündeten von der Donau zur Ägäis machtvoll die Straße nach Asien schirmt. Und unter den befreiten bulgarischen Stämmen werden wir den Mazedoniern unseren besonderen Gruß entbieten, ihnen, die von der ersten Stunde an sich uns als Waffenbrüder zur Seite gestellt haben, und für deren Freiheit auch so viel edles deutsches Blut geflossen ist. Als kürzlich gewisse halt- und wertlose Phantastereien an Mazedonien zu rühren wagten, da hallte ein Ruf der Entrüstung durch das deutsche Land. »Hände weg!« so tönte es. »Eine mazedonische Frage kennen wir nicht. Mazedonien ist uraltes, nun glücklich befreites Bulgarenland!«

Das berechtigte doch zu der Hoffnung, daß wir in Zukunft auch keine belgische Frage mehr kennen sollten und, sofern dem Deutschen billig erscheinen sollte, was dem Bulgaren recht ist, sollte man auch wohl hoffen dürfen, daß nun endlich dem schwer um sein Dasein ringenden deutschen Volke das Recht zugestanden wird, die Lösung der alldeutschen, d. h. der deutschen Gesamtaufgaben als seine oberste Pflicht zu betrachten.

Von der Demokratie und den hinter ihr stehenden Drahtziehern wird das selbstverständlich kein Urteilsfähiger erwarten.

Der Einfluß des Alldeutschen Verbandes auf die besten Kreise des deutschen Volkes ist trotz der gekennzeichneten Hemmungen unverkennbar geblieben. Er selbst hat immer tiefer sich, namentlich auf wirtschaftspolitischem Gebiete, mit wahrhaft konservativem Geiste durchtränkt. Andererseits hat aber auch die konservative Politik sich, vielleicht mehr als ihr selbst noch bewußt ist, mit den weltpolitischen Grundgedanken erfüllt, denen einst die Begründer des Alldeutschen Verbandes vorangeholfen haben. Denn das darf doch nachgerade wohl ausgesprochen werden, daß die ganze Bewegung, die sich beute unter der Marke »Mitteleuropa« in so grundfalschen Bahnen bewegt, nichts anderes ist als eine Verballhornung der klaren Forderungen, die wir alten Vorkämpfer gleichzeitig, wenn auch ohne Verbindung mit Alexander von Peez und gleich ihm aus der Gedankenwelt von Friedrich List heraus vor 20 Jahren aufgestellt haben. Siehe in meiner Schrift: »Die Weltstellung des Deutschtums« (München bei J. F. Lehmann 1897) den Abschnitt über das mitteleuropäische Wirtschaftsgebiet. S. 17 ff.

Bei dieser Sachlage ist es nicht ganz richtig, wenn von katholischer Seite der Fall so dargestellt wird, als sei der deutsche Gedanke vor dem alldeutschen gewesen und deshalb reiner und heiliger. Der alldeutsche Gedanke, wie er aus der Bewegung von 1887 geboren ist, stellt sich lediglich als die Erweiterung des deutschen Gedankens auf das Deutschtum der ganzen Welt dar, und wenn Görres heute lebte, würde er den Alldeutschen sicherlich schon um ihres Kämpfens für die Vlamen willen längst die Bruderhand gereicht haben, wie sie sich ihm gegenüber schlechthin als Deutsche fühlen. Über alle Jammerseligkeiten hinweg, die in dieser an Opfern so großen Zeit uns immer wieder entgegenbrodeln, geht ein heiliges Tauschen von Geschlechte zu Geschlechte. Und wie sollten nicht wir alle durch dies uns immer wieder mit neuem Mut erfüllen lassen?

Um so fester und klarer haben wir den Blick auf Frankreich und seine Könige der Republik und auf den Morgantrust als Nutznießer des vergossenen Blutes zu richten. Mit Fug und Recht schrieb »Nya Dagligt Allehanda« Ende Juli 1917, daß allein der vereint wirkende englische und amerikanische Kapitalismus trotz aller deutschen Siege die Kriegshetze in Gang hielte.

»Jahrelang hat Wilson sich als Bannerführer der Volksfreiheit, Friedensliebe usw. hingestellt. Aber in vollem Gegensatze zur Monroe-Doktrin schafft sich trotzdem Amerika Flottenstützpunkte in Europa, duldet die Vergewaltigung Griechenlands und huldigt der Tendenz, die Neutralen auszuhungern oder zur Teilnahme am Kriege auf Verbandsseite zu zwingen. Daneben strecken die Vereinigten Staaten ihre Hand aus nach russischen Gruben, Petroleumquellen und den Schätzen des Urals. Das ist keine völkische Politik idealer Strebungen, sondern selbstsüchtige Kapitalistenpolitik in Reinzucht, die Europa materiell aufs möglichste auszunutzen sucht.

Wenn England dem scheinbar ruhig zusieht, so geschieht das, weil ihm einmal für den Sieg jeder Preis recht ist und zum andern, weil die englische und amerikanische Hochfinanz im wesentlichen Zusammenarbeiten; der Gewinn landet im gemeinsamen Beutel. Sollte das Blut der europäischen Kulturvölker denn nicht ein allzu teurer Saft sein, um es für solche Ziele zu vergeuden? Es wird höchste Zeit, daß der demokratische Phrasennebel zerstreut wird, der alles Geschehene bisher erfolgreich umhüllte.«

Bereits am 24. März 1917 hat der Großadmiral von Tirpitz in seiner bekannten Zuschrift an die »Magdeburgische Zeitung« die gleiche Mahnung ausgesprochen:

»Wir stehen im unerbittlichen Entscheidungskampfe um die Selbstbehauptung und um das Durchsetzen der deutschen Arbeit und Kultur gegenüber dem angelsächsisch geleiteten Kapitalismus der Welt.«

Gleichwohl liegt ganz Europa noch im Banne des Wahnes, daß dieser Kapitalismus für die Freiheit der kleinen Nationen kämpfe und sein Blut für das Selbstbestimmungsrecht der Schwachen vergieße. Kaum zu fassen ist die Selbstlosigkeit dieser soldlosen Kämpfer für die höchsten Rechte der Menschheit, die vom Kapitol des Kapitalismus aus den Frieden auf Erden herniederführen wollen. Auch die französische Demokratie ist dementsprechend ganz von Friedensseligkeit durchtränkt und sehnt sich nach dem Rhein, der Saar und nach Syrien, nur um des Glückes der unglücklichen Deutschen willen, die sie vom preußischen Militarismus befreien will!


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