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II

Wenn Barret zur Erntezeit seine Felder betrachtete, konnte er ein Gefühl von Stolz nicht unterdrücken. Volle Weizenähren, runde, feste Kohlköpfe, prächtige Melonen und halb im Laub verborgene Pfefferschoten und Tomaten zeugten von der Güte des Bodens, aber auch von unablässigen Anstrengungen, das Land sorgfältiger zu bearbeiten als man es in der Huerta gewohnt war.

Fünf oder sechs Generationen der Barrets hatten diese Erde umgewühlt, ihren Eingeweiden mit kräftigem Dung geholfen, damit der Lebenssaft sich nicht verringere, bis kein Fleckchen mehr übrig blieb, das nicht ihr Schweiss getränkt hätte.

Ein unverzagter Mann war Barret, ohne irgendeine hässliche Gewohnheit, und wenn er Sonntags ein Weilchen in die Taverne »Zum vollen Gläschen« ging, den Treffpunkt der ganzen Gegend, so geschah es nur, um den Truckspielern zuzusehen und über die Schwänke von Pimentó, dem Kampfhahn der Huerta, zu lachen. Die Geldtasche in seinem Gurt blieb zugeknöpft, und dem Schanktisch näherte er sich höchstens, wenn einer der glücklichen Gewinner alle Anwesenden zu einer Runde einlud.

Seine Frau hatte der Bauer so gern, dass er ihr sogar den Unsinn verzieh, ihm vier Töchter geboren zu haben, aber keinen Sohn, der ihm hätte helfen können. Und auch den Mädchen war er von Herzen zugetan, lieblichen, fröhlichen Dingern, die den ganzen Tag vor der Haustür sangen und nähten, bisweilen auch den Vater irgendwo auf den Feldern aufsuchten, um ihm nach Möglichkeit an die Hand zu gehen. Doch seine grosse Leidenschaft waren diese Ländereien, auf denen sich monoton und schweigsam die Geschichte seiner Familie abgespielt hatte.

Vor vielen, vielen Jahren gehörten sie einem Edelmann, der auf dem Sterbebette seine Sünden samt seinen Gütern in die Hände der Mönche von San Miguel de los Reyes legte. Die gutmütigen, wohlbeleibten Klosterleute zeigten niemals grosse Eile, die Pachtsumme einzuziehen. Wenn sie nachmittags an der Hütte vorbeikamen und von Barrets Grossmutter mit Schalen duftender Schokolade und auserlesenen Früchten bewirtet wurden, – wobei sie nicht versäumten, der hübschen stattlichen Frau einige kräftige Witze zuzuflüstern – so waren ihre Ehrwürden, die geistlichen Herrn, befriedigt. Doch ach! jetzt gehörte das Land dem alten Don Salvador in Valencia, der Barret sogar bis in seine Träume verfolgte.

Der Bauer hätte keinen schlimmeren Herrn finden können. Jeden Tag erschien der Alte, sogar im Sommer in einen alten abgetragenen Umhang gehüllt, in der Huerta und schlich, von Flüchen und feindseligen Gebärden verfolgt, wie ein böser Geist über die Fusspfade, um bei seinen verschiedenen Pächtern vorzusprechen. Es war das zähe Kleben des Habsüchtigen, der zu allen Stunden mit seinem Eigentum in Kontakt sein muss; die Hartnäckigkeit des Wucherers, der ausstehende Rechnungen einkassieren will.

Die Hunde bellten, wenn sie ihn von weitem sahen, als nahte der Teufel. Die Kinder betrachteten ihn mit scheuen Blicken; die Männer versteckten sich, um peinlichen Entschuldigungen enthoben zu sein, und die Frauen, die mit niedergeschlagenen Augen vor die Tür traten, flehten Don Salvador an, Geduld zu haben, und antworteten mit Tränen auf sein Keifen und seine Drohungen.

Pimentó, der als tapferer Haudegen der Huerta es für seine Pflicht hielt, sich um das Wohl und Wehe seiner Nachbarn zu kümmern, schwor, dass er den Alten windelweich prügeln und in einen der Bewässerungsgräben tauchen würde. Doch die Opfer des Wucherers protestierten voller Angst. War doch Don Salvador ein Mann von grossem Einfluss, der jeden Vormittag auf den Gerichten zubrachte und dort gewichtige Freunde besass. Bei solchen Leuten zieht der Arme stets den Kürzeren.

Von all seinen Pächtern war Barret der beste, denn er schuldete, wenn auch auf Kosten unerhörter Anstrengungen, nicht einen Centavo. Don Salvador liebte es, ihn als Beispiel hinzustellen, was ihn jedoch nicht hinderte, Barret härter als alle anderen zu behandeln. Die Sanftmut des Bauern und das Gefühl, ihn ohne Angst vor Vergeltung ausbeuten zu können, reizte immer von neuem seine Erpresserinstinkte.

Unverdrossen machte der sich daran, allein die Arbeit zu bewältigen. Wenn die ganze Huerta noch schlief, pflügte er schon im verschwommenen Licht des grauenden Morgens, und ruhten abends die anderen längst von ihrem Tagwerk aus, so bearbeitete seine unermüdliche Hacke weiter den Boden.

Aber es war zu viel für einen Mann. Hätte er wenigstens einen Sohn gehabt … So wusste er keinen anderen Ausweg, als ein paar Knechte zu mieten, faule Burschen, die ihn obendrein noch bestahlen. Eines Tages fand er sie, anstatt bei der Feldarbeit, schnarchend im Stall. Was blieb ihm übrig, als sie wieder fortzuschicken?

Dennoch wollte er aus Pietät für seine Vorfahren lieber vor Erschöpfung auf seinem Boden zusammenbrechen, als auch nur ein Stückchen davon in andere Hände übergehen lassen. Da die Arbeit seine Kräfte überstieg, musste ein Teil des fruchtbaren Bodens brach liegen bleiben, und er versuchte, mit der Bestellung des Restes seine Familie zu erhalten wie auch den Besitzer zu bezahlen.

Es war ein hartnäckiges und verzweifeltes Ringen, ein im Geheimen geführter Kampf. Denn von Natur aus nicht dazu veranlagt, anderen von seinen Schwierigkeiten zu erzählen, verbarg er auch seiner eigenen Familie die drückenden Sorgen, die ihn quälten. Und so sah man auf seinem gutmütigen Gesicht unter der bis auf die Ohren herabgezogenen Mütze stets eine heitere Miene.

Nur den einen Wunsch hegte er: dass der Frohsinn dieses Hauses, das zu jeder Stunde von dem lustigen Lachen und den Liedern der vier, nur um ein Jahr im Alter verschiedenen Mädchen widerhallte, nicht getrübt würde. Und während sie, die bereits die Aufmerksamkeit der Burschen auf sich lenkten, mit neuen, prächtigen Seidentüchern und rauschenden, steifgeplätteten Röcken die Feste in den kleinen Dörfern besuchten und frühmorgens barfuss im Nachthemd an die Fensterläden eilten, um zu erspähen, wer draussen so schön zur Guitarre sang, nahm der arme Barret von der Handvoll Gold, die sein Vater Ochavo nach Ochavo Kleine aragonische Kupfermünze erspart hatte, eine Unze nach der anderen, um Don Salvador zufrieden zu stellen, der stets von den schlechten Zeiten und hohen Steuern sprach und die Notwendigkeit betonte, die Pacht zu steigern.

Und der Tag kam, an dem er sie erhöhte. Vergebens, dass der Bauer protestierte! Vergebens, dass er an die Verdienste seiner Familie erinnerte, die ihre Lebenskraft daran gesetzt hatte, diese Ländereien zu den besten der ganzen weiten Huerta zu machen! Don Salvador blieb unbeugsam.

Die besten Ländereien? … Dann war es doch nur gerechtfertigt, dass man mehr für sie bezahlte! Und Barret zahlte, hätte mit Blut gezahlt, um dieses Land zu halten, das anfing, an seinem Mark zu zehren.

Jetzt besass er keinen Notgroschen mehr, sondern war ganz auf den Ertrag der Felder angewiesen. Mit verzweifelter Wut stürzte er sich auf die Arbeit, hatte aber immer ein freundliches Lächeln für Frau und Kinder, die ihm zuredeten, sich zu schonen.

Der Schlaf floh seine müden Augen: es schien ihm, dass sein Gemüse langsamer wüchse als das der anderen. Lag es an ihm? … Und dieser Gedanke trieb ihn sogar nachts auf die Felder. Tagaus, tagein beobachtete er mit ängstlichen Blicken das Wetter, und dieser brave, ehrenhafte Mensch vergass sich soweit, manchmal das seinen Nachbarn zustehende Rieselwasser heimlich abzuleiten.

Die Folge dieser rastlosen, aufreibenden Arbeit war, dass sein Pferd, überdrüssig, Tag und Nacht sich abzuschinden, den vollen Gemüsekarren nach dem Markt von Valencia zu ziehen und ohne einen Moment der Atempause sofort wieder in den Pflug gespannt zu werden, es vorzog zu sterben.

Das war der Ruin! Verzweifelt schaute Barret auf die Felder, die er nicht mehr bestellen konnte, auf die endlosen Reihen Gemüse, das die Städter so gleichgültig verzehrten, ohne die Ängste bei dem ständigen Kampf mit Erde und Himmel zu kennen, die sein Anbau mit sich brachte.

Doch die Vorsehung, die den Armen nie im Stich lässt, sprach zu ihm durch den Mund Don Salvadors. Nicht umsonst sagt man, dass manchmal aus Bösem etwas Gutes entsteht.

Als der alte Wucherer von Barrets Unglück erfuhr, bot er ihm mit rührender, väterlicher Güte seinen Beistand an.

»Wieviel brauchst du, um ein neues Pferd zukaufen? Fünfzig Duros? … Gut, ich gebe sie dir. Und den anderen wirst du sagen, wie unrecht sie tun, mich zu hassen und schlecht von mir zu sprechen!«

Nur eine unbedeutende Kleinigkeit war noch zu erfüllen, ein Dokument zu unterschreiben, in dem von Zinsen und Zinseszinsen, sowie der Sicherheit geredet wurde, die sämtliche Möbel, Geräte, Werkzeuge, kurz alles umfasste, was der Bauer besass, inbegriffen sein Vieh.

Durch den Besitz eines neuen, kräftigen Pferdes angefeuert, ging er mit frischem Mut an die Arbeit. Aber die Sorgen und die übermenschlichen Anstrengungen hatten ihn ausgemergelt. Krumm wie ein Achtzigjähriger schlich der Unglückliche hohläugig auf seinen Feldern umher, die ihm, in dem Masse wie seine Kräfte abnahmen, grösser zu werden schienen. Die charakteristische blaue Mütze, der er seinen Spitznamen verdankte, konnte sich nicht mehr auf den Ohren halten, sondern rutschte wie ein verhängnisvolles Lichthütchen, das sein Leben auslöschen wollte, über den hageren Schädel bis zum Halse.

Trotz der erdenklichsten Mühe vermochte er seinen Gläubiger nur teilweise zu bezahlen. Alle die Kupfermünzen, die der Verkauf auf dem Markt von Valencia ergab, genügten nie, um den Haufen Geld für Don Salvador zusammenzubringen.

Dieses angstvolle Trachten, seinen Verpflichtungen nachzukommen, ohne dass es ihm je gelang, erweckte in Barrets Seele ein gewisses Gefühl der Empörung. Unklare, verworrene Ideen über Gerechtigkeit stiegen in seinem einfachen Hirn auf. Warum gehörte dieses Land nicht ihm? … Alle seine Vorfahren waren hier geboren und gestorben, hatten ihre ganze Kraft diesem Boden gegeben, der ohne sie wüst wie der Meeresstrand geblieben wäre. Und jetzt wurde ihm der Hals immer fester zugeschnürt von diesem Alten, der nicht einmal mit einer Hacke umzugehen wusste, der noch nie den Rücken bei der Feldarbeit gekrümmt hatte … Cristo! Wie ungerecht ging es in der Welt zu!

Doch die Empörungsgelüste dauerten nicht lange. Die resignierte Unterwürfigkeit des Arbeiters, der traditionelle abergläubische Respekt des Bauern vor dem Besitz gewann wieder die Oberhand. Man musste arbeiten und ehrlich bleiben! …

Weihnachten konnte er Don Salvador von der Halbjahrspacht nur einen kleinen Teil bringen; am nächsten Termin, San Juan, nicht eine Peseta. Seine Frau lag krank, und um die notwendigsten Ausgaben bestreiten zu können, musste er sogar das »Hochzeitsgold«, Ohrringe und Halskette, verkaufen diesen ehrwürdigen Familienschatz, dessen künftiger Besitz schon Diskussionen unter den vier Mädchen hervorgerufen hatte.

Der alte Geizkragen jedoch blieb ungerührt.

»Nein, Barret, so kann es nicht weiter gehen. Gerade weil ich ein guter Mensch bin, – da mögen die Leute glauben, was sie wollen – darf ich nicht zugeben, dass du dich zu Tode abrackerst auf diesen Feldern, deren Grösse über deine Kräfte geht. Und da mir jemand einen neuen Pachtvertrag vorgeschlagen hat, ersuche ich dich, das Gehöft so bald als möglich zu räumen. Es tut mir leid, aber auch ich bin arm … Ach ja! Damit wird auch die Rückzahlung des Darlehens für den Pferdekauf fällig. Mit Zinseszinsen beläuft sich die Summe auf …«

Der Bauer hörte nichts mehr von den Tausenden von Reales, auf die seine Schuld mit den verhängnisvollen Zinseszinsen angeschwollen war. So verwirrt, so verstört machte ihn der Befehl, Haus und Hof zu verlassen.

Ganz plötzlich offenbarte sich jetzt seine Schwäche, sein inneres Zermürbtsein infolge des erdrückenden Kampfes der letzten beiden Jahre.

Er, der niemals geweint hatte, schluchzte wie ein Kind, flehte auf den Knien den Alten um Erbarmen an. Don Salvador blieb unerbittlich, nur dass er seine Grausamkeit in heuchlerische Worte kleidete. Wollte er nicht das Beste für Barrets angegriffene Gesundheit? Musste er selbst nicht auch ein wenig an seine eigenen Kinder denken? …

Mehrere Male suchte der Bauer ihn noch in Valencia auf, um von seinen Vorfahren zu reden, von seinem moralischen Recht auf dieses Land, und um einen Aufschub zu erbitten, bis der Jude ihm schliesslich die Tür nicht mehr öffnete.

Die Verzweiflung machte aus Barret einen neuen Menschen. Er wurde wieder zum echten Sohn der Huerta: stolz, energisch und unzugänglich, wenn er das Recht auf seiner Seite glaubt.

»Ah, Don Salvador will mich nicht einmal anhören? Will keine, gar keine Geduld mit mir haben? Gut! Wenn er etwas von mir wünscht, soll er mich aufsuchen. Ich möchte doch sehen, wer genug Courage hat, mich aus meiner Barraca zu jagen.«

Ruhig ging er seiner Arbeit nach, blickte aber, so oft ein Unbekannter in der Nähe vorbeikam, argwöhnisch auf, wie jemand, der von einem Moment zum andern von einer Schar Banditen überfallen zu werden befürchtet.

Eine gerichtliche Vorladung kam, der er nicht Folge leistete. Wusste er doch, was das bedeutete – Machenschaften, weiter nichts, um ehrliche Menschen ins Unglück zu stürzen. Wollte man ihn berauben, so sollte man ihn hier auf diesen Feldern suchen, die wie ein Stück von seinem eigenen Fleisch und Blut waren und die er auch ebenso zu verteidigen gedachte.

Dann erhielt er eines Morgens den Bescheid, dass die Gerichtsbeamten sich am Nachmittag bei ihm einfinden würden, um die Ländereien zu übernehmen und gleichzeitig sein Hab und Gut in der Barraca zu pfänden.

Diese Nachricht klang dem Ärmsten so unerhört, dass er ungläubig lächelte. Das mochte für Betrüger gelten, die überhaupt nicht zahlten. Aber für ihn? Für ihn, der hier geboren und allen Verpflichtungen stets nachgekommen war, der nur eine einzige Jahrespacht schuldete? … Unsinn! Das gab es nicht einmal bei den Wilden, die weder Mitleid noch Religion kennen!

Doch als nachmittags in der Ferne einige schwarzgekleidete Herren mit Papierrollen unter dem Arm auftauchten, zweifelte er nicht mehr. Diese unheilvollen Vögel waren der Feind, der auf Raub ausging.

Und mit der blinden Bravur des Mauren, der alles erträgt, aber ausser sich gerät, wenn man sein Eigentum anrührt, stürmte Barret in seine Hütte, ergriff seine Flinte und stellte sich unter dem Laubengang in Anschlag, um den ersten dieser gesetzlichen Banditen, der den Fuss auf seinen Grund und Boden zu setzen wagte, mit einer Ladung Blei zu begrüssen.

Er hatte nicht mit Frau und Kindern gerechnet, die sich alle fünf an ihn hängten und ihm die Flinte zu entreissen suchten. Ihr Geschrei drang bis zu den benachbarten Gehöften, und die Leute, von dem Gefühl der Zusammengehörigkeit getrieben, das einsam wohnende Menschen verbindet, liessen ihre Arbeit im Stich, um besorgt herbeizueilen.

Pimentó gelang es, sich der Flinte zu bemächtigen, mit der er vorsichtigerweise sofort den Weg nach seiner Barraca einschlug.

Barret rannte ihm nach.

»Pimentó! … Meine Flinte!« keuchte er voller Wut gegen diesen falschen Freund, der ihn an der Verteidigung seines Eigentums hinderte.

Doch die kräftigen Fäuste einiger Nachbarn hielten den Rasenden fest, bis Pimentó Zeit gehabt hatte, die Waffe zu verstecken.

»Pimentó! … Du Dieb … Gib mir meine Flinte zurück! …«

Ganz plötzlich machte sein Toben einer völligen Apathie Platz, und geduldig liess er sich nach Pimentós Barraca führen.

Inzwischen bekritzelten die schwarzen Vögel Bogen um Bogen Stempelpapier, durchwühlten mitleidslos Kisten, Kasten und Kleider und nahmen ein Inventar auf von allem, was sich in Hütte und Stall befand, während Mutter und Töchter verzweifelt schluchzten und die sich an der Tür drängende Menge schreckerfüllt allen Einzelheiten dieser Amtshandlung folgte, unter dumpfen Verwünschungen gegen den vermaledeiten Juden in Valencia und diese Señores, die sich dazu hergaben, solch einem Hund behilflich zu sein. Als die Nacht hereinbrach, war alles zu Ende. Die Herren hatten die Tür verschlossen, den Schlüssel abgezogen und den von Haus und Hof Vertriebenen nichts gelassen als ein armseliges Kleiderbündel nebst einem Sack mit kleinen Geräten. Gutmütige Nachbarinnen nahmen die vom Fieber geschüttelte Frau und die schluchzenden Töchter mit sich – wenn man auch nicht reich war, so viel besass man doch, um diesen Unglücklichen ein Stück Brot und Unterkunft geben zu können.

Bis tief in die Nacht sassen sich Barret und Pimentó, eine Zigarre nach der anderen rauchend, beim Schein der kleinen Küchenlampe gegenüber. Der Alte schien nicht bei Verstand zu sein. Allen gutgemeinten Worten und Ratschlägen setzte er nur ein kurzes »Hm!« entgegen und wiederholte mechanisch von Zeit zu Zeit immer den gleichen Satz:

»Pimentó, gib mir die Flinte zurück!«

Und Pimentó bewunderte heimlich die Wildheit des Alten, den die Huerta bisher für einen Angsthasen gehalten hatte. Ihm die Flinte zurückgeben? … Ha, die tiefe Furche zwischen seinen Augenbrauen sprach nur zu deutlich von seinem Vorsatz, dem verruchten Juden das Licht auszublasen.

Immer erregter wurde Barret über Pimentós Weigerung, bis er schliesslich aufsprang.

»Ich sehe, dass ich keine Freunde habe …«

Hastig öffnete er den Sack mit den Werkzeugen und nahm eine Sichel heraus, die er in den Gürtel steckte.

»Ich bleibe nicht unter deinem Dach. Hier ersticke ich!«

Damit verliess er die Barraca, ohne dass Pimentó den Versuch machte, ihn zurückzuhalten.

»Was kann der Alte in dieser späten Nachtstunde noch Schlimmes anrichten? Und wenn er durchaus im Freien schlafen will, meinetwegen!« Vor Müdigkeit gähnend, schloss er seine Haustür ab und legte sich zu Bett.

Barret ging geradenwegs nach seinem Land. Wie ein verjagter Hund strich er um die vereinsamte Barraca.

Verschlossen! Für alle Zeit verschlossen! Dieses Haus, dessen Mauern von seinem Grossvater errichtet waren! … Durch die Dunkelheit schimmerte das leuchtende Weiss, mit dem seine kleinen Mädchen es erst vor drei Monaten frisch getüncht hatten.

Hühnerhof und Stall stammten von seinem Vater, aber das hohe, schlanke Strohdach war von ihm selbst aufgesetzt worden, als das alte überall den Regen durchliess.

Das Geländer um den Brunnen, die Pfeiler des Laubenganges vor der Tür, die Blumenspaliere alles ein Werk seiner Hände. Und das sollte in den Besitz eines anderen übergehen, nur, weil herzlose Menschen es so bestimmten? …

Von neuer Wut erfasst, suchte er in seinem Gürtel nach den Zündhölzern, um Feuer an das Dach zu legen. Mochte der Teufel alles holen! Schliesslich gehörte es ihm – Gott wusste das – und besser schon, den ganzen Besitz zu zerstören, als ihn in diebischen Händen zu sehen!

Als aber das Hölzchen aufflackerte, schauderte es ihn. Die Gestalten aller seiner Vorfahren schienen sich vor ihm zu erheben, und stöhnend warf er die Zündholzbüchse zu Boden.

Doch der Wahnwitz des Vernichtungstriebes bohrte weiter in seinem Kopfe. Die Sichel in der Hand, stürzte der Unselige jetzt auf die Felder, die zu seinen Henkern geworden waren.

Er wollte es ihr heimzahlen, dieser undankbaren Erde!

Stundenlang dauerte die Zerstörung. Fusstritte zertrümmerten die langen Bogengänge aus Rohr, an denen Bohnen und Zuckererbsen emporkletterten. Schonungslos zerriss die Sichel die schotenbeladenen Ranken. Kohl und Salatreihen lagen mit zerfetzten Blättern zertreten auf dem Boden … Niemand sollte einen Vorteil von seiner Arbeit haben. Fluchend, irre Gotteslästerungen geifernd, vernichtete Barret alles, was er mit unsäglicher Mühe gepflanzt hatte, bis eine grenzenlose Ermattung seiner Raserei Einhalt tat. Aufheulend wie ein geschlagenes Tier, warf er sich in eine Furche und dachte in tiefer Qual, dass die Erde von nun ab sein Bett, dass Betteln sein Gewerbe sein würde.

Von den ersten Sonnenstrahlen geweckt, erhob sich der Unglückliche schwerfällig mit steifen Gliedern und schlug fröstelnd den Weg nach Valencia ein.

Als er bei der Taverne »Zum vollen Gläschen« vorbeikam, stieg der Wunsch in ihm auf, einzutreten. Einige Fuhrleute aus der Nachbarschaft, bei denen sein Aussehen Mitleid erregte, luden ihn ein, mitzutrinken, und dankbar nahm er die Aufforderung an. Die Kälte drang ihm bis in die Knochen. Und dieser so enthaltsame Mann stürzte drei Gläser Schnaps hinunter, die wie Feuer in seinen leeren Magen fielen.

Sein Gesicht wurde rot, dann leichenblass; die Augen stierten glasig. Der ungewohnte Alkohol löste seine Zunge. Er nannte die Fuhrleute »meine Kinder« und schwatzte, dass er sich wenig aus der ganzen Sache machte, weil das Beste ihm geblieben sei, die Sichel seines Grossvaters, die er nicht für fünfzig Morgen Acker weggeben würde.

Und zufrieden lächelnd zog er die krumme, blitzende Klinge hervor, mit der man, wie er seinen Zuhörern versicherte, ein Zigarettenpapierchen in der Luft zerschneiden konnte.

Die Fuhrleute zahlten, und langsam setzten sich ihre knarrenden Wagen in Bewegung. Barret blieb allein, brütete vor sich hin oder führte Selbstgespräche, bis er den forschenden, argwöhnischen Blick der Wirtsleute gewahrte und, von vagem Schamgefühl ergriffen, mit unsicherem Schritt die Kneipe grusslos verliess.

Ein Bild verfolgte ihn jetzt hartnäckig. Vor seinem Auge stand ein grosser Orangengarten zwischen Benimaclet und dem Meere, eine gute Stunde von hier entfernt. Wie oft war er mit seinen Sorgen dort gewesen … Hin! Und vielleicht hatte der Teufel ein Einsehen und schickte ihm heute den Juden in die Quer, der fast täglich jeden einzelnen der Bäume mit gierigem Blick musterte, als wollte er die Früchte zählen.

Zwei Stunden brauchte Barret für den Weg, denn oftmals musste er unterwegs halt machen; die unsicheren Beine versagten den Dienst. Der Alkohol beherrschte ihn jetzt ganz und gar. Er wusste nicht mehr, was ihn hierher getrieben hatte. Müde torkelte er in ein Hanffeld, und kurz darauf erklang zwischen den schlanken Stengeln das röchelnde Schnarchen, wie es Betrunkenen eigen ist.

Als der Bauer mit schwerem Kopf erwachte, stand die Sonne schon tief am Himmel. In seinen Ohren fühlte er ein dumpfes Dröhnen, in seinem klebrigen Munde einen widerlichen Geschmack. Wo war er? Was tat er hier in diesem Hanffeld? … Und plötzlich kam die Erinnerung zurück – mit ihr eine tiefe Scham. Sein angeborenes Gefühl für Anstand und Ehrbarkeit empörte sich gegen einen Zustand solcher Erniedrigung. Fort, fort von hier! … Er richtete sich empor, und als sein Kopf über den grünen Stengeln auftauchte, sah er ganz nahe der Wegkrümmung ein in eine Capa gehülltes Männchen sich langsam nähern.

Lange hatte der alte Wucherer an diesem Tage geschwankt, ob er sein Haus verlassen sollte. Die Sache mit diesem Pächter beunruhigte ihn. Das Ereignis war noch so frisch, und wer konnte dieser heimtückischen Huerta trauen! Aber die Angst, dass Diebe sich seine Abwesenheit von der kleinen Orangenplantage zunutze machen könnten, überwog alle Bedenken. Schliesslich lag sie ja auch weit ab von der Barraca.

Beim Anblick seines Peinigers schoss Barret jäh alles Blut zu Kopf. Wieder ergriff ihn der tolle Rausch.

»Ha, ha! Und da sagt man, der Teufel meint es schlecht mit einem! Dort kommt er ja, den ich seit gestern so gern sehen möchte!«

Rot schwamm es vor seinen Augen. Die Sichel in der erhobenen Faust, sprang er aus dem Hanffeld hervor.

Don Salvador verfärbte sich; das Gesicht wurde grünlich. Sein Umhang glitt zu Boden und zeigte einen fadenscheinigen Gehrock, darüber ein schmutziges Halstuch. Zähneklappernd wich er zurück, bis der Rieselgraben am Rande des Wegs ihm Einhalt gebot.

»Barret, mein Sohn,« stotterte er, »das ist ja alles nur ein Scherz gewesen. Ich wollte dir ein wenig Angst einjagen … weiter nichts. Behalte das Land … besuche mich morgen, dann besprechen wir alles. Und zahlen kannst du, wann du willst.«

Er wand sich, krümmte sich, bückte sich, um Barret zu entgehen und dieser grausigen Sichel, in deren Klinge sich die Sonne spiegelte. Aber mit dem Graben im Rücken gab es kein Entrinnen. Den Körper hintenüber gebeugt, hob er die gekrallten Hände zur Abwehr vor sein Gesicht.

Der Bauer lachte und zeigte wie eine Hyäne das starke, weisse Gebiss.

»Schuft! Erbärmlicher Lügner!« knirschte er heiser und schwenkte die Sichel hin und her, um zuschlagen zu können. Doch ständig fuhren die knochigen, verzweifelten Hände dazwischen.

»Aber Barret! Lieber, lieber Barret! Nimm die Sichel herunter! … Du bist ein anständiger Mensch … denk' an deine Kinder! Es war ein Scherz, wirklich glaube mir! … Hole dir morgen den Schlüssel! … Aiiii …«

Ein schauerliches Heulen! Die Sichel hatte das Gelenk durchschlagen. Nur noch einige Hautfetzen hielten die Hand, und wie ein warmer roter Regen spritzte der aus dem Stumpf herausquellende Blutstrahl in Barrets Gesicht.

Don Salvador schwankte; doch bevor er zu Boden fiel, hieb die Sichel wagrecht gegen seinen Hals, durchschnitt das dicke Halstuch und öffnete eine klaffende Wunde.

Schwer stürzte der Körper rückwärts in den Graben. Die Beine blieben auf der niedrigen Böschung liegen, wo sie sich noch kurze Zeit in wilden Zuckungen bewegten. Aus dem entsetzlichen Schnitt strömte das Blut und rötete das friedlich fliessende Wasser, das mit sanftem Murmeln die feierliche Ruhe des Sonnenuntergangs belebte.

Unbeweglich stand der Mörder über den Graben gebeugt. Wieviel Blut dieser elende Schurke hatte! … Doch plötzlich ergriff ihn das Entsetzen. Schwoll die rote Flut nicht an? … Er rannte davon, als fürchtete er, sie könnte übertreten und ihn ertränken …

Noch vor Einbruch der Nacht verbreitete sich wie ein Lauffeuer die Kunde von dem Morde. Die Huerta vernahm sie mit der heimlichen Freude, die ein Volk an der Nachricht von dem Tode eines Tyrannen hat. Jeder erriet die Hand Barrets, doch niemand sprach. Jede Hütte hätte ihm gern ihre geheimsten Schlupfwinkel geöffnet, jede Frau hätte ihn unter ihren Röcken versteckt.

Aber der Mörder schweifte wie ein Irrsinniger durch die Felder, floh die Menschen, lag im Röhricht, kroch unter die kleinen Brücken und lief, von jedem Hundegebell aufgeschreckt, in verzweifelter Flucht querfeldein, bis die Polizisten ihn am nächsten Tage schlafend in einer Strohmiete überraschten.

Während der sechs Monate, die er im Gefängnis von Valencia sass, beschäftigte sich die ganze Huerta mit nichts anderem als dem alten Barret, und Sonntags pilgerten Männer und Frauen in die Stadt, um den armen »Befreier« zu sehen, der jedesmal hohläugiger, verstörter und zusammengefallener hinter dem Eisengitter hockte.

Zeichnung: A. J. Welti

Wieviel Blut dieser elende Schurke hatte!

Die Verhandlung fand statt: das Urteil lautete auf Tod.

Diese Nachricht rief eine ungeheure Erregung in der Huerta hervor. Einer aus der Gegend auf dem Schafott! … Pfarrer und Alkalden setzten sich in Bewegung, und weil Barret immer zu den Fügsamen gehört hatte, mit blindem Gehorsam gegen die Obrigkeit, nach deren Geheiss er auch stets seine Wahlzettel ausfüllte, so waren die Reisen nach Madrid von Erfolg gekrönt. Die Begnadigung kam.

Als vertrocknete Mumie wurde der Bauer aus dem Gefängnis geholt und nach Ceuta deportiert, wo ihn nach wenigen Jahren der Tod erlöste.

Seine Familie zerstreute sich wie Spreu im Winde. Die Töchter gingen nach Valencia, um als Dienstmädchen ihr Brot zu verdienen, und die Mutter, müde, anderen Leuten mit ihren Krankheiten lästig zu fallen, suchte Aufnahme im Spital und starb dort nach drei Monaten.

Und da die Welt gar schnell fremdes Leid vergisst, sprach man von der schaurigen Tragödie des alten Barret immer seltener, kaum dass dann und wann jemand meinte, was wohl aus den Töchtern geworden sein mochte.

Aber was niemand vergass, das waren die Felder und die Barraca.

Durch ein schweigendes Übereinkommen blieb alles in demselben Zustande wie an dem Tage, als die Justiz den unglücklichen Bauern vertrieb. Eine instinktive Verschwörung, ohne Worte, doch sogar Bäume und Wege schienen an ihr teilzunehmen …

Kurz nach der Katastrophe hatte Pimentó geäussert: »Wir wollen doch mal sehen, ob sich jemand erdreisten wird, diesen Boden wieder zu bebauen!«

Und in dem Blick der Männer und Frauen, ja der Kinder, lag die drohende, zustimmende Antwort: »So ist es! Wollen doch mal sehen! …«

Die Söhne Don Salvadors, mit seinem Reichtum auch Erben seiner Habgier, glaubten sich ruiniert, weil dieses Stück Land nichts einbrachte.

Sie setzten den Pachtpreis hinunter und fanden schliesslich einen Mann aus einem anderen Distrikt der Huerta, der sich weder vor Gott noch dem Teufel fürchtete, und, durch die niedrige Pacht verlockt, die Arbeit in Angriff nahm.

Mit der Flinte auf dem Rücken begann er zu pflügen und lachte darüber, dass seine Nachbarn ihn mit feindseligen Blicken verfolgten und sich von ihm völlig abschlössen.

Aber Wachsamkeit wie Vorsichtsmassregeln nützten nichts. Als er eines Abends vom Felde heimkehrte, pfiffen zwei Kugeln so nahe an seinem Ohr vorbei, dass er nur wie durch ein Wunder mit heiler Haut davon kam. Weit und breit war niemand zu sehen der Schütze musste irgendwo im Röhricht der Gräben verborgen liegen. Unmöglich, mit solch einem Feinde den Kampf aufzunehmen! … Noch in derselben Nacht brachte der neue Pächter die Schlüssel des Anwesens den Eigentümern zurück.

Wie sie zeterten, die Söhne Don Salvadors! Gab es denn keine Obrigkeit mehr? Keine Sicherheit für den Besitz?

Und da nach ihrer Meinung zweifellos Pimentó als Täter in Frage kam, nahm die Polizei den Kampfhahn der Huerta fest.

Doch am Verhandlungstage defilierte die ganze Gegend vor dem Richter vorbei und bezeugte einstimmig, dass man zur Zeit, als die Schüsse fielen, Pimentó mit Freunden in der Schenke von Alboraya gesehen hatte. Alle wiederholten wie eine auswendig gelernte Lektion genau dasselbe …

Was konnte man tun gegen Leute, die ein solch einfältiges Gesicht zur Schau trugen, sich bedächtig den Kopf kratzten, um dann mit derartiger Sicherheit zu lügen? Pimentó wurde in Freiheit gesetzt, und ein Gefühl der Genugtuung beherrschte die Bewohner der weiten Huerta.

Der Beweis war erbracht: die Bestellung jener Felder bezahlte man mit seiner Haut!

Doch die Besitzer gaben nicht nach.

»Nun gut, dann werden wir das Land eben selbst bearbeiten!«

Und ungesäumt suchten sie sich einige Knechte unter dem elenden Volk, das, vom Hunger getrieben, von den Grenzbergen Aragoniens herunterkam.

Die Huerta empfand Mitleid mit diesen armen Teufeln.

»Unglückliche Menschen! Die trifft keine Schuld. Sie wissen ja von nichts, wollen sich nur einen Hungerlohn verdienen …«

Und wenn die Knechte abends, die Hacke auf der Schulter, an der Taverne vorbeikamen, fehlte nie eine gute Seele, die sie aufforderte, hereinzukommen. Man lud sie ein zu einem Trunk, und väterliche, wohlwollende Stimmen tuschelten ihnen ins Ohr wie einem Kinde, dem man zuredet, sich vor einer Gefahr in acht zu nehmen. Das Resultat war, dass sie die Söhne Don Salvadors aufsuchten und ihren Lohn forderten.

Alle Vorstellungen der erbosten Besitzer blieben erfolglos.

»Wir sind arm,« lautete ihre einzige Antwort, »aber nicht arm genug, um unser Leben wegen einiger Pesetas aufs Spiel zu setzen.«

Nicht allein, dass sie die Arbeit aufgaben – nein, sie rieten auch allen ihren Landsleuten, sich vor den Feldern Barrets wie vor der Pest zu hüten.

Auf die Klage der Eigentümer hin, die sogar die Zeitungen in Anspruch nahmen, schickte man Polizeistreifen in die Huerta. An den ungewöhnlichsten Stellen legten sie sich in Hinterhalt, um vielleicht verdächtige Worte aufzufangen oder Unterhaltungen zu belauschen.

Doch jeden Tag bot sich ihnen dasselbe Bild: unter den Lauben nähende Frauen und Mädchen; auf den Feldern gebückte Männer, die ihren Armen keine Ruhe gönnten; Pimentó, der müssig neben seinen Leimruten lag oder faul und widerwillig seiner Pepeta half; in der Taverne ein paar Truck spielende Alte. Die Landschaft atmete Frieden und Ehrbarkeit – ein maurisches Arkadien. Dennoch wollte niemand nicht einmal umsonst – die Ländereien übernehmen. Und das wuchernde Unkraut begann seinen Siegeszug; langsam verfiel die Barraca.

Die Huerta bebte vor Befriedigung. Endlich war es den Armen einmal gelungen, sich gegen die Reichen durchzusetzen. Das harte Brot schmeckte kräftiger, der Wein stärker; auch die Arbeit erschien leichter bei dem Gedanken, dass Don Salvadors Erben mit all ihrem Geld nichts gegen den Willen der Bauern hatten ausrichten können.

Und den übrigen Besitzern diente dieser öde, verwilderte Fleck als Mahnung. Sie zeigten sich nachgiebiger, lernten auch ein Auge zuzudrücken, wenn die halbjährigen Pachtzahlungen nicht pünktlich eingingen.

So wurden die brach liegenden Felder zu einem Talisman, der die Bewohner der ganzen Huerta eng zusammenschloss: ein Denkmal ihrer Macht über den Besitz; das Wunder der solidarischen Misere gegen das Gesetz und gegen den Reichtum derer, die Herren des Bodens sind, ohne auf ihm ihren Schweiss zu vergiessen.

Aus all diesen mehr oder minder verworrenen Gedankengängen erstand allmählich der Glaube, dass mit dem Tage, an dem Barrets Ländereien wieder bestellt würden, das Unglück über die ganze Huerta hereinbrechen musste. Und konnte man nach zehn Jahren Triumph noch erwarten, dass jemand die Einöde betreten würde ausser dem greisen Tomba, der aus Mangel an einem anderen Auditorium den Schafen von seinen Guerillaabenteuern erzählte? …

Daher die entrüsteten Rufe, die wütenden Gesten, als Pimentó von Feld zu Feld, von Barraca zu Barraca mit der Kunde eilte, dass sich für Barrets Land ein neuer Pächter gefunden hatte, ein unbekannter Fremdling, der im Begriff stand, sich mit seiner ganzen Familie dort einzurichten.

»Gerade so, als ob es ihm gehörte!« sagte Pimentó mit einem Fluch.


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