Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Ein Park mit hohen alten Bäumen. Rechts im Vordergrund ein Gartenhaus mit einer Bank
Der König. Fabrikant Bang, ein übermäßig dicker Mann
Bang Es ging mir wirklich in jeder Beziehung so gut. Ich versichere Eure Majestät, es war mir ein Vergnügen zu leben.
König (zeichnet mit einem kleinen Spazierstock Figuren im Sand). Das glaube ich gerne.
Bang Da begann dieser Druck in der Herzgegend und die Atembeschwerden. Ich muß hier mit nüchternem Magen im Park herum rennen, bis ich gänzlich erschöpft bin.
König Aber können Sie denn nicht fahren?
Bang Fahren? Wenn ich mir Bewegung machen soll, Majestät?
König Das ist wahr. Ich dachte gerade an etwas anderes.
Bang Ich könnte wetten, ich weiß, woran Euer Majestät dachten – ohne unbescheiden sein zu wollen.
König Woran also?
Bang Eure Majestät dachten an die Sozialisten.
König An – – – –
Bang Die Sozialisten.
König (munter) Warum denn gerade an diese?
Bang Nicht wahr, ich habe es getroffen. Hahaha (Hustet) Verzeihen Euere Majestät, aber ich muß immer husten, wenn ich lache. – Die Morgenzeitungen sind ja voll von ihren tollen Streichen.
König Ich habe die Zeitungen nicht gelesen.
Bang Ich versichere Eurer Majestät, es ist schrecklich. Jetzt befanden wir uns gerade in jeder Hinsicht so wohl. Was in aller Welt wollen sie nur?
König Vermutlich sich auch in jeder Hinsicht wohl befinden.
Bang Haben Sie es denn nicht gut, diese Bestien? – Ich bitte um Entschuldigung, ich werde heftig in Eurer Majestät Gegenwart.
König Bitte.
Bang Danke verbindlichst! –Diese Querulanten! Wollen Sie denn, daß wir alle arm werden sollen? Denn wir können doch nicht alle reich sein! – Aber mein Trost ist unser starkes Königtum. Eure Majestät sind der Schlüssel zu meiner Kasse.
König Was – was bin ich?
Bang Der Schlüssel zu meiner Kasse. Ich erlaube mir Eure Majestät so zu nennen.
König (beständig mit dem Stocke zeichnend) Sehr verbunden!
Bang Der Herr bewahre uns davor, daß die Liberalen ans Ruder kommen. Die schwächen das Königtum.
Ein Bettlerjunge Ach, liebe, gute, gnädige Herren, schenken Sie mir etwas. Ich habe heute noch keinen Bissen gegessen.
Bang Verlautet etwas derartiges? Aber es wird doch nicht wahr sein?
Junge Ach liebe, gute, gnädige Herren usw.
Bang Du hast kein Recht, hier zu betteln.
König Du hast das Recht, zu verhungern! Hier! (Er gibt ihm ein Geldstück.)
Junge (geht nach rückwärts ab, vor sich hin starrend, das Goldstück fest in der geschossenen Faust)
Bang Er dankt nicht einmal! Wahrscheinlich der Sohn eines Sozialisten. – Ich hätte niemals den Park allen geöffnet, wie Eure Majestät.
König Die Arbeiter ersparen den vierten Teil ihres Weges zur Arbeit in die Stadt.
General (außen) Von einem Herrn auf der Bank, sagst du? Marsch, zeige ihn mir!
Bang (erhebt sich). Guten Morgen, Eure Majestät.
König Guten Morgen! (Sieht auf seine Uhr)
König, General (den Betteljungen mit einem Stock vor sich herschiebend)
General Hier, sagst du?
König (sieht auf) Was gibt es?
General Eure Majestät? Willkommen in der Heimat!
König Danke.
General Eure Majestät verzeihen, aber ich sah hier diesen Burschen mit einem Geldstück in der Hand und hielt ihn an. Er sagt, er habe es von Euer Majestät erhalten – –?
König Das ist wahr.
General Nun – das ändert die Sache. (Zum Jungen.) Das ist der König, hast du ihm gedankt? (Der Junge steht unbeweglich.)
König Machen Sie auch Morgenspaziergänge in nüchternem Zustand?
General Der Magen, Majestät, der Magen! Er will nicht mehr.
Der Bettlerjunge Hahaha! Hohoho! (Er springt davon)
General Ich bin erstaunt darüber, daß Eure Majestät diesen Park für jedermann geöffnet haben.
König Das erspart den Arbeitern den vierten Teil ihres Weges zur Arbeit. – Nun, General, Sie sind ja sehr gläubig geworden in letzter Zeit.
General Eure Majestät haben meinen Tagesbefehl gelesen?
König Ja.
General (vertraulich) Nun, wissen Eure Majestät, es konnte wirklich nicht länger so fortgehen. (Flüsternd) Diese Liederlichkeit im Lager! Von den Offizieren will ich gar nicht reden, aber wenn selbst die Soldaten ganz offenkundig – –
König Oho.
General Da setzten mein Bruder, der Bischof, und ich, eines Tages einen Tagesbefehl zusammen, der sich über die Notwendigkeit des Glaubens aussprach – des Glaubens als Grundlage für die Disziplin.
König Der Bischof war der erste, dem ich heute hier begegnete. Leidet er auch an Magenschwäche?
General Mehr als wir alle andern! Hahaha! (Der König gibt ihm einen Wink, sich zu setzen,) Übrigens habe ich in der letzten Zeit wirklich daran gedacht, daß jetzt in diesen schweren Zeiten ein engeres Zusammenwirken von Armee und Kirche –
König Zum Zwecke der Verdauung?
General Ach – hahaha. Aber ernsthaft gesprochen, Eure Majestät. Dieses Zusammenarbeiten ist beinahe die einzige Rettung des Thrones.
König So-o?
General (eilfertig) Das heißt, der Thron steht natürlich auch ohne jede Stütze fest. Gott gewahre uns. Aber ich glaube, Armee und Kirche könnten dem Königtum den notwendigen Glanz verleihen, die Autorität – – – –
König Hat es die vielleicht nicht mehr durch seine eigene Kraft?
General (springt auf) Gott bewahre mich davor, das zu sagen. Ich will sterben für ein starkes Königtum!
König Sterben werden Sie, zum Teufel, so wie so müssen. (Er erhebt sich lächelnd)
König Wer kommt dort?
General (nimmt das Augenglas) Das ist – –? Das ist die Prinzessin und die Gräfin L'Estoque.
König Leidet auch die Prinzessin an schlechter Verdauung?
General (vertraulich) Woran die Prinzessin leidet, das wissen Eure Majestät gewiß am besten.
König (wendet sich ab).
General Das habe ich jetzt gut gemacht! Das kommt davon, weil ich alles zu gut machen will – –. Er eilt ihr entgegen? Sollte er doch – – ? Ich muß mit Falbe darüber sprechen. (Im Abgehen.) O weh, er sieht, daß ich ihn beobachte. (Ab)
Der König geht mit der Prinzessin am Arm zur Bank. Man sieht im Hintergrund die Gräfin und einen königlichen Lakaien langsam über die Bühne gehen.
Prinzessin Das war einmal eine Überraschung! Wann kamen Eure Majestät zurück?
König Gestern abend. Sie sehen reizend aus, Prinzessin, Diese frischen roten Wangen schon in aller Morgenfrühe!
Prinzessin Sie glauben natürlich, daß das Schminke ist! Nein, das ist nur die Freude, Eurer Majestät begegnet zu sein.
König Schmeichlerin! – Und ich wurde bei Ihrem Anblick bleich.
Prinzessin Das Gewissen – –
König – sagt leider gar nichts. Aber ich habe so viele Menschen getroffen, die an schlechter Verdauung leiden und da ich auch Eure Königliche Hoheit eilig einherschreiten sah – – – –
Prinzessin Beruhigen Sie sich! Ich unternehme im Gegenteil Morgenspaziergänge, um nicht zu dick zu werden. In den späteren Stunden des Tages reite ich, aus demselben Grund. Ich lebe jetzt nur dafür.
König Ein heiliger Beruf.
Prinzessin Insofern er von einem Mitglied des königlichen Hauses ausgeübt wird!
König Sie beziehen Ihre Heiligkeit von mir? Schlimme Prinzessin!
Prinzessin Sowohl meine Heiligkeit als meine guten Tage. Nur der Verwandtschaft mit Eurer Majestät verdanke ich es, daß das Volk mich so gut versorgt!
König (teilnehmend) Das bedrückt Sie doch nicht?
Prinzessin Weit davon! Das Volk unterhält schlimmere Aussauger als mich. A propos Aussauger! Ist es wahr, daß Eure Majestät alle Kammerherren samt Anhang in den Ruhestand versetzt haben?
König Ja.
Prinzessin Hahaha. Aber warum just mit der Verpflichtung, in der Schweiz zu leben?
König Weil dort kein Hofhalt ist.
Prinzessin Damit sie nicht wieder in Versuchung kommen. Ich habe schon viel gelacht über die Sache. Aber sie hat doch auch ihre ernste Seite. Denn Eure Majestät können ja doch den Hofstaat nicht entbehren.
König Warum nicht?
Prinzessin Nun, wenn Sie dann einmal, wie der Prediger so schön sagt, »ein Weib zur Ehe« nehmen sollten – –
König Dann tue ich es, um ein Heim zu haben.
Prinzessin Ein Heim wie jeder Bürger?
König Ganz so.
Prinzessin Sie werden nicht einmal Diener halten?
König So viele als notwendig sind; aber auch nicht mehr.
Prinzessin Da muß ich eiligst trachten, mich bei Eurer Majestät als Dienstmagd zu verdingen. Denn wenn mein Budget auch mit diesem Maßstab gemessen werden soll, bleibt Mir ja nichts anderes übrig.
König Dazu ist ihr Beruf zu heilig, Prinzessin.
Prinzessin So, so! Eure Majestät sind Dichter und einem Dichter ist es gestattet, für Ideale zu schwärmen. Aber ein Volk ist auch poetisch; es will sich gerne glänzend vertreten sehen, es will gerne dafür zahlen – das ist seine Poesie!
König Sind Sie dessen sicher?
Prinzessin Vollkommen sicher! Das ist seine Ehre!
König Dann setze ich meine Ehre entgegen! Und meine Ehre verbietet es mir – zur Ehre meines Volkes und um dessen Poesie willen meinen Schlössern, meiner Leibgarde, meinem Hofstaat weiter als Dekoration zu dienen, voila tut.
Prinzessin Bester König, eine außerordentliche Stellung schafft außerordentliche Pflichten.
König Da kenne ich höhere Pflichten! Aber, Prinzessin, sollen wir beide denn in vollem Ernst – –
Prinzessin Ja, etwas kommt dabei in Betracht, worauf Sie noch kein Gewicht gelegt haben. Die Tradition, die Überlieferung haben es zu einer heiligen Wahrheit gestempelt, daß der König, die Majestät, in einsamer Größe hinter einem Wall von Männern von Reichtum, von Rang, von Angehörigen des alten Adels die Hoheit des Gesetzes vertreten soll, sie in Glanz und Schönheit vertreten soll. Tritt er aus dem Zauberkreis, so verliert das Gesetz seine Autorität.
König Haben Eure Königliche Hoheit schon gefrühstückt?
Prinzessin Nein. (Sie bricht in Lachen aus.)
König Hätten Eure Königliche Hoheit schon gefrühstückt, so würde ich Ihnen mit Vergnügen einen Vortrag über Geschichte gehalten haben, aber auf nüchternen Magen wäre das grausam.
Prinzessin (erhebt sich). Nun – Sie waren ein so lustiger König und sind im Verlaufe eines Jahres so langweilig geworden.
König (sich gleichzeitig erhebend). Allerschönste Prinzessin! Würde ich wirklich in Ihren Augen steigen oder fallen, je nachdem ich meinen Gardehut an- oder ablege?
Prinzessin In meinen –
König Oder in irgend jemandes Augen? Sie kennen doch die Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern?
Prinzessin Ja.
König Wir betrügen nicht mehr damit.
Prinzessin Aber werden das alle verstehen?
König Sie verstehen es.
Prinzessin Also die Menge und ich, ich und die Menge – sehr schmeichelhaft!
König Gott bewahre mich davor, Eure Königliche Hoheit mit dem großen Haufen zusammenzuwerfen.
Prinzessin Es hat sich schon gezeigt, daß Eure Majestät nicht in aller Augen wie in den meinen denselben Wert behalten, was immer zu tun Ihnen in den Sinn kommt.
König Habe ich einen besonderen Platz im Herzen Eurer Königlichen Hoheit, so seien Sie überzeugt – –
Prinzessin Ich muß Sie unterbrechen, um Ihnen eine Unwahrheit zu ersparen. Denn um einen Platz im Herzen Eurer Majestät zu erlangen, darf man Sie nicht, wie ich, bewundern, nein, man muß im Gegenteil laut rufen: Ich verachte Sie! Au revoir!
König Schlimme, schreckliche, gefährliche –
Prinzessin – allwissende, allgegenwärtige Prinzessin (Sie geht mit einer tiefen Verbeugung ab.)
König Trotz allem: mein Herz folgt Ihnen – – –
Prinzessin Zur Tür! Ja, das weiß ich, Gräfin! (Sie verschwindet.)
König. Halbe (ein alter Herr in Zivilkleidung).
König Wie, zum Teufel, hat sie – –
Halbe (hinter dem König stehend) Majestät!
König (fährt herum) Ah! Sind sie hier?
Halbe Wir sind schon längere Zeit im Park auf und ab gegangen. Aber Majestät waren in Anspruch genommen.
König Nicht in Anspruch genommen! – ich habe nur meine Seele durch Geplauder betäubt. Die Spannung war zu groß. – So sind sie also da? Beide?
Halbe Beide.
König Wirklich! (überwältigt) Nun – – – –warten Sie. – Ich kann nicht gleich! – Was überkommt mich da?
Halbe Ist Eurer Majestät nicht wohl? Sie werden so bleich.
König Meine Nerven sind wohl nicht ganz so wie sie sein sollten. Ist hier vielleicht in der Nähe Wasser?
Halbe (erstaunt, mit der Hand weisend) Der große Springbrunnen.
König Das ist ja wahr, das ist ja wahr! Ich kann mich wirklich nicht recht sammeln. Meine Zunge klebt mir am Gaumen. Wissen Sie – ich gehe dorthin, und Sie – Sie führen unterdessen die Damen hierher – – Sie ist hier! Sie ist hier! (Er geht nach rechts, wendet sich nochmals zurück) Vergessen Sie nicht den inneren Park abzuschließen!
Halbe Nein, gewiß nicht.
(König ab nach links, Falbe nach rechts)
Halbe. Baronin Marc. Klara Ernst. Dann der König.
Halbe (zu den Damen). Seine Majestät wird im Augenblick hier sein. (Er geht nach rechts ab.)
Klara Aber du gehst nicht weiter, als meine Stimme dich erreichen kann.
Baronin Nein, nein. Fasse dich nur! Es kann nichts geschehen.
Klara Mir ist doch so bange.
Baronin Da ist der König.
König (sie begrüßend). Entschuldigen Sie, meine Damen, daß ich Sie warten ließ. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihr Kommen.
Baronin Es ist nur auf Eurer Majestät feierliches Versprechen geschehen – –
König Das ich unverbrüchlich halten werde.
Baronin Ich verstand Ihre Worte so, daß Sie mit dem Fräulein allein zu sprechen wünschten – –
König Wollen Euer Gnaden vielleicht diesen Hügel besteigen? Die Aussicht von oben ist rühmenswert.
Baronin Die Unterredung wird wohl nicht zu lange währen?
König Ich bitte Euer Gnaden, uns in diesem Fall zu unterbrechen.
Der König. Klara Ernst.
König Ich will Ihnen, mein Fräulein, insbesondere nochmals meinen Dank dafür aussprechen, daß Sie so gütig waren, mir diese Zusammenkunft einzuräumen.
Klara Es wird die einzige bleiben.
König Das weiß ich. Sie wollten mir auf keinen meiner Briefe antworten –
Klara Ich habe sie nicht gelesen.
König So blieb mir nichts anderes übrig, als mich an die Baronin zu wenden, denn Sie müssen mich hören, Fräulein. (Schweigen.)
Klara (zitternd). Was haben Eure Majestät mir zu sagen?
König Ja, Fräulein, so mit einem Male kann ich das nicht aussprechen. Wollen Sie nicht gefälligst Platz nehmen?
Klara (bleibt stehen).
König Fürchten Sie nichts. Ich will Ihnen nichts Böses zufügen, ich kann Ihnen nichts Böses zufügen.
Klara (mit Tränen in den Augen) Wie nennen Sie dann die Verfolgung, die jetzt länger als ein Jahr gewährt hat?
König Wenn Sie einen einzigen meiner langen, zahlreichen Briefe gelesen hätten, so wüßten Sie es. Ich nenne es ein Gefühl, das stärker ist als ich.
Klara (wendet sich zum Gehen)
König (erschreckt) Fräulein, bei allem, was Ihnen teuer ist, verlassen Sie mich nicht.
Klara Dann dürfen Sie mich nicht beleidigen.
König Wenn das eine Beleidigung ist, dann sind Ihre Bedingungen schwer zu ertragen.
Klara Schwer zu ertragen! Nein, was Sie mir getan haben, ist schwer zu ertragen. (Sie weint.)
König Weinen Sie nicht, Fräulein, Sie wissen nicht, wie unrecht Sie mir tun.
Klara (zornig) Wissen Sie, was es zu bedeuten hat, wenn man den Ruf eines jungen Mädchens zu zerstören versucht?
König Ich wiederhole Ihnen, daß Sie mir jetzt unrecht tun.
Klara Unrecht?! Großer Gott! Wissen Sie, wer ich bin?
König (nimmt ehrerbietig den Hut ab) Sie sind das Weib, das ich liebe.
Klara (mit ruhiger Würde) Sie haben feierlich versprochen, mich nicht zu beleidigen.
König So wahr die Sonne Sie und mich durch dieses herbstliche Laub bescheint, ich will, ich kann Sie nicht beleidigen. Aber ich will mich nach Ihrem Wunsche richten.
Klara Wenn ein König zu einer armen, unbedeutenden Lehrerin Worte spricht, wie Sie soeben, dann ist das nicht nur eine Beleidigung, – es ist so feig, so niedrig, daß Sie dazu den Mut haben konnten, nach dem, was Sie an meinem Vater getan haben!
König An Ihrem Vater? Ich?
Klara Wissen Sie wirklich nicht, wer ich bin?
König Ich verstehe nicht – – ?
Klara Ich meine, wessen Tochter ich bin?
König Ich weiß nur, daß Ihr Name Ernst ist. (Plötzlich) Sollten Sie eine Tochter sein von – –
Klara Professor Ernst.
König Dem Republikaner?
Klara (langsam) Ja. (Schweigen) Muß ich Euer Majestät daran erinnern, daß er wegen Majestätsverbrechens verurteilt wurde? Warum? Er warnte die studentische Jugend vor dem schlechten Exempel des Königs. (Schweigen) Er wurde zu mehrjährigem Kerker verurteilt. Auf der Flucht aus dem Gefängnis brach er beide Beine. Als Krüppel, des Landes verwiesen – lebt er jetzt von meiner Arbeit. (Schweigen.) Sein Leben haben Sie zerstört, jetzt versuchen Sie auch das meine zu zerstören.
König Fräulein!
Klara Es ist töricht, daß ich jetzt weine. Aber ich weine nicht aus Mitleid mit mir oder meinem Vater, sondern weil mich dieses himmelschreiende Unrecht empört.
König Gott ist mein Zeuge, könnte ich das Unrecht gut machen – – aber was kann ich – –?
Klara Mich in Frieden lassen, sodaß ich arbeiten kann – das können Sie tun. Und mehr verlangen wir nicht – von Ihnen.
König Ich möchte mehr tun!
Klara (einfallend). Nein! – Können Sie denn nicht begreifen, daß das Mädchen, das Sie verfolgen, nicht Lehrerin bleiben kann? Das einzige, was Sie erreichen können, ist, daß Sie mir das Brot nehmen, mit dem ich meinen Vater ernähre. O mein Gott!
König Aber, Fräulein, ich glaube nicht, – –
Klara Daß Sie eines Mannes Herz in der Brust tragen und noch imstande sind, sich zu schämen.
König Ja, sagen Sie mir nur alles!
Klara (stolz). Ich habe nichts mehr zu sagen. Das war alles! (Sie will gehen.)
König Nein, gehen Sie nicht. Sie haben mich ja noch nicht angehört. Sie wissen ja nicht, was ich von Ihnen will.
Klara O Schmach!
König (ihr nacheilend). Sie sind vollkommen in einem Irrtum befangen. Hätten Sie nur einen einzigen meiner Briefe gelesen, so wüßten Sie, daß Sie vor einem Manne stehen, den Sie gedemütigt haben. Ja, sehen Sie mich nicht so mißtrauisch an. Es ist wahr, so gewiß Sie mich dazu gebracht haben, wahr sein zu wollen. Sie glauben mir nicht? (verzweifelt.) Wie, wie kann ich – –? Ein Mann, der Ihrer Verachtung länger als ein Jahr getrotzt hat, der an Ihnen festhält ohne ein Wort der Antwort, ohne irgend ein Zeichen der Gewährung zu erhalten, kann das doch nicht nur in leichtsinnigen Absichten tun? Glauben Sie auch das nicht?
Klara Nein.
König Aber es gibt doch einfache, allgemeine Wahrheiten, die Sie, Ernsts Tochter, glauben müssen. So frage ich Sie denn, ob Sie nicht begreifen können, wie ein Mann werden kann, wie ich an dem Tage war, da ich Sie beleidigte? Sie kennen doch aus den Büchern Ihres Vaters die unnatürliche Natürlichkeit, in der ein König aufwächst. Die seelenverderbende Selbstbeobachtung, zu der die Verhältnisse und alle Menschen das Königskind zwingen, sodaß es selbst in seinen Träumen noch ein Doppelleben führt. Die Doppeldeutigkeit, die es täglich kennen lernt, wenn es sieht, daß alles Gute, das in seiner Umgebung getan wird, nur zur Schaustellung dient und allem Schlechten das verhüllende Mäntelchen des Geistes, der Schönheit, der Heiterkeit umgehängt wird. Glauben Sie nicht, daß ein junger König, der sich blind in den Strudel des Lebens stürzt, wie ich es tat, eine Entschuldigung hat, die kein anderes Menschenkind für sich anführen könnte?
Klara Ja, das glaube ich.
König Dann glauben Sie doch auch, daß die Stellung, in die er als konstitutioneller König tritt, auf Lügen gefestigt ist? Und daß das so offenkundig ist, daß er es selbst bisweilen fühlen muß? Um nur die erste und größte zu nennen: der heilige Beruf. Kann ein heiliger Beruf erblich sein? Kann der Welt erster und höchster Beruf erblich sein?
Klara Nein.
König Nein und tausendmal nein! Nehmen Sie nun an, daß er das fühlt! Nehmen Sie an, daß der junge König teils klar, teils dunkel die Lügen fühlt, die ihn umgeben, daß sie ihn anekeln, und er vor ihnen in ein lustiges Leben hinein flieht. Glauben Sie nicht, daß mancher gut angelegte Prinz das getan hat? Kann man nicht sagen, daß gerade jene, die gute Keime in sich tragen, es tun werden – kann man das nicht? Und wenn er eines Morgens, wenn die Sonne nach den Wirren einer durchschwärmten Nacht ins Zimmer scheint, einem Wort gegenübersteht, das ihm in eben dieser Nacht gesagt ward, ein wahres Wort – – (Er hält inne)
Klara (sieht verwundert auf)
König Ich verachte Sie!
Klara (macht eine Bewegung)
König Solch ein Wort kann viele Lügen ausbrennen. Und man kann sich wohl sehnen, den Mund, der es gesprochen, wieder sprechen zu hören. Niemals noch hat ein Mensch die Ursache seiner Wiedererstehung gehaßt. Hätten Sie nur einen der Briefe gelesen, die es mich zu schreiben drängte, selbst wenn sie nicht angenommen wurden – Sie hätten nicht von einer »Verfolgung« gesprochen.
Klara (schweigt).
König Und die Verfolgungen Ihres Vaters? Ich will mich nicht damit entschuldigen, aber doch daran erinnern, daß der König das Gesetz und den Richterspruch nicht in der Gewalt hat. Ich bringe Ihrem Vater die höchste Achtung entgegen.
Klara Ist das wahr?
König Und das ist auch eine von diesen Lügen, daß er verurteilt werden mußte, weil er das von mir gesagt, was ich mir tausendmal selbst gesagt habe.
Klara (sieht ihn prüfend an).
König Hätten Sie nur einen einzigen meiner Briefe gelesen oder die kleine Gedichtsammlung, die ich Ihnen zusandte! Da Sie Briefe nicht annahmen, dachte ich, daß ein gedrucktes Buch – –
Klara Ich nehme anonyme Sendungen nicht an.
König Die Gedichte hatten nämlich auf Sie Bezug – womit ich nicht gesagt haben will, daß sie von mir seien. Darf ich ihnen eins vorlesen.
Klara Ich verstehe nicht – –
König Bei einem würde ich besonderen Wert darauf legen, daß – Sie es kennen lernen. Es erklärt, was Sie nicht glauben wollen.
Klara Trotzdem es nicht von Ihnen ist?
König Die besondere Beachtung, die ich ihm zuwendete, beweist, daß sein Gedankengang dem meinen entspricht.
Klara (sieht auf).
König Das darf Sie nicht allzu sehr wunder nehmen, Fräulein. (Er zieht ein ganz kleines Heftchen hervor) Es kommt ja mitunter vor, daß unsere Gedanken von einem anderen so glücklich zum Ausdruck gebracht werden, daß wir uns diese Ausdrucksform fürs Leben aneignen, (Er blättert.) Es wird sehr kurze Zeit in Anspruch nehmen. Darf ich?
Klara Wenn ich nur begreifen könnte – –
König Warum ich das will? Ganz einfach, weil Sie mir das Schreiben verboten haben und das Sprechen verboten haben, aber noch nicht das Vorlesen.
Klara (lächelt).
König Wissen Sie, daß jetzt ein kleines Ereignis in meinem Leben eingetreten ist, das doch nicht gar so klein ist – jetzt, gerade jetzt?
Klara Was wäre das?
König Ich habe Sie zum erstenmal lächeln gesehen.
Klara Majestät!
König Aber. Fräulein, ist es denn auch eine Beleidigung, Sie lächeln zu sehen?
Klara Wenn ich also durchaus das Gedicht hören soll, kann nicht auch die Baronin – –
König Es hören? Mit Vergnügen. Aber nicht gleichzeitig. Ich bitte darum! Denn ich bin ein sehr schlechter Vorleser. Sie können es der Baronin dann mitbringen, wenn Sie wünschen.
Klara (lächelt)
König Darf ich?
Klara Es enthält doch nichts – –
König Sie können mich unterbrechen, wenn es Ihnen wünschenswert erscheint. Es heißt der »junge Fürst« und es schildert – ja, ich will nichts weiter sagen, als daß ich Sie bitte, Platz zu nehmen, damit ich mich selbst auch sehen kann. Denn wenn ich stehe, dann beginne ich mit Kopfstimme zu deklamieren und das klingt ganz erschrecklich. Sie können ja wieder aufstehen!
Klara (lächelt und setzt sich)
König (sich gleichfalls setzend) Also: der junge Fürst. (Für sich) Ich kann kaum atmen. Zu früh bewundert, drum so bald schon matt – (Er bricht ab) Ich bitte, warten Sie ein wenig, Fräulein. Ich leide bisweilen an – –
Klara (erhebt sich) Eure Majestät befinden sich nicht wohl?
König (erhebt sich gleichfalls) Vollkommen! Es ist nur – – Also – –
(Sie setzen sich. Er beginnt. Im Anfang stockt er bei jeder Zeile)
Zu früh bewundert, darum so bald schon matt.
Zu früh umschmeichelt, darum so bald schon satt,
In Volkeslied' sah er nur Volkeslaunen,
Der Menge Huld'gung dünkt' ihm bloß dummes Staunen.
Er floh die Lüge, wählte froh das Leben,
Das allumfassende! Gesellt' sich voll Vertrauen
Den frohen Männern und den schönen Frauen; –
Was er begehrte, stets ward es gegeben.
Stets ward's gegeben, – bis einst ein junges Weib,
Dem trunknen Blicks er zugeraunt:
»Ach, sterben könnt" ich um deinen Leib!« –
Sich wandte stumm, schmerzlich erstaunt.
Sie zu gewinnen setzt er alles dran!
Doch da sie zu verachten ihn gewagt,
(hält einen Moment inne)
Da war's, wie wenn sein Urteil ihm gesagt. –
Mit jenem Wort sein Leben ihm zerrann.
Den Hof entläßt er, und ein Schlummer fällt
Aufs Königschloß. (Hält inne.) Er wacht allein
In Qual und Reu', – ein düstrer Schein
Von Furcht und Graun verdunkelt ihm die Welt.
Da schaut er sie! Und in dem milden,
Süß-milden Glanz: »wenn du nur willst,« er fleht.
Und wenn es jetzt noch nicht zu spät –
(Eine heftige Bewegung zwingt ihn innezuhalten, er steht auf und geht nach rückwärts. Klara hat sich gleichfalls erhoben.)
König (kommt zurück). Verzeihen Sie, es war nicht meine Absicht, Szenen aufzuführen. Aber ich mußte daran denken – – – – (Er muß sich von neuem unterbrechen und entfernt sich wieder. Er verweilt ein wenig im Hintergrund, ehe er wieder zurückkommt.) Das ist, wie Sie hören, Fräulein, nicht eigentlich ein Gedicht, d. h. es ist nicht von einem Poeten geschrieben. Ein Dichter hätte schwungvoll gesprochen. Dieses Gedicht ist kalt und trocken. Und meine Nerven sind nicht ruhig genug – – – – Ja, entschuldigen Sie.
Klara Haben Eure Majestät mir noch mehr zu sagen?
(Schweigen.)
König Ob ich Ihnen noch mehr zu sagen habe?
Klara Verzeihen Sie!
König Nein, ich muß Sie um Verzeihung bitten. Aber Sie wollen doch wohl nicht mehr, daß ich vor Ihnen lügen soll?
Klara (abgewandt). Nein!
König Sie haben kein Vertrauen zu mir. (Dämpft gewaltsam seine Bewegung.) Können Sie es nicht verstehen, daß das Einzige in der Welt, dessen ich jetzt bedarf, das Vertrauen eines Menschen ist?
Klara Wer so gesprochen hat, wie heute Eure Majestät, der bedarf sicherlich mehr.
König Er bedarf mehr, aber vor allem das Vertrauen eines einzigen Menschen.
Klara (ausweichend). Das verstehe ich nicht.
König (einfallend, bewegt). Sie haben nie so innerlich gelebt wie ich.
Klara Sie haben ja ein Werk zu vollbringen, das ein Leben ausfüllen kann.
König Ich habe einmal von einer elektrischen Leitung in einem unterminierten Felsen gelesen, die mit Pulver gefüllt ist. Nur ein leichter Druck auf einen kleinen Knopf und der große Felsen zerspringt in Millionen Stücke. Sehen Sie, alles ist fertig. Aber der kleine Druck – auf den warte ich.
Klara Das Bild ist etwas willkürlich gewählt.
König Und ist mir doch so unwillkürlich gekommen, ja so unwillkürlich wie Sie jetzt diesen Zweig abbrechen. Entweder so –oder es geschieht nichts –es wird nicht gesprengt! Dann leben Sie wohl! Dann lasse ich mich selbst sinken.
Klara Sinken?
König Nein – nicht wie in den Romanen, nicht einmal wie ein Stein, der zu Boden sinkt. Wie ein Träumer, der in den Bann der Waldgeister gerät – dem nur ein Name im Gedächtnis verbleibt. Die Welt soll sich dann allein weiter helfen.
Klara Aber das ist ja leichtsinnig!
König Ja, gewiß, das ist es. Aber ich bin leichtsinnig! Alles auf eine Karte!
Klara Dann muß sie wohl gewinnen!
König Ich bin verwegen genug, es zu hoffen und bisweilen scheint es mir, als wäre ich dessen sicher.
Klara Heute ist ein reizender Morgen
König – für einen Herbsttag. Sie haben recht. Und nirgends so reizend wie in diesem Park.
Klara Aber ich verstehe doch die Sehnsucht nicht recht. (Sie stockt)
König – Die diese Bedingungen stellt. Ja, jeder faßt die Sache auf seine Weise an. Mein Leben muß in seinem innersten Innern etwas enthalten, was mich in seinen Zauber bannt. Das ist phantastisch. Aber Leute aus alten, verweichlichten Geschlechtern werden Phantasten. Jetzt träume ich von einem bürgerlichen, Wohl abgeschlossenen Hause, das mein eigen ist, von dem ich mich an meine Arbeit begebe und in das ich wieder zurückkehre wie in einen Zauberkreis. Das ist der Knopf der elektrischen Leitung! Wenn ich das erreicht habe, dann ist auch der Druck schon da – dann geht der Felsen in die Luft.
Klara Haben Sie das Buch meines Vaters gelesen? Das Volks-Königtum?
König Dieses Buch hat mich erweckt.
Klara Es ist in meiner Kindheit geschrieben worden. Ich kann darum auch sagen, daß ich in Gedanken aufgewachsen bin, wie ich sie heute hier aussprechen gehört habe. Alle Gäste unseres Hauses sprachen davon.
König Da hörten Sie sicherlich auch oft den Namen des Kronprinzen nennen?
Klara Es wurde gewiß kein anderer Name so oft genannt in unserem Haus. Ich glaube, das Buch ist geradezu für ihn geschrieben worden.
König Das fühle ich, wenn ich es lese. Ja, hätte man es mir damals gegeben – – –. Erinnern Sie sich, daß auch Ihr Vater die Möglichkeit aller Reformen davon abhängig macht, daß der Ring der Fürsten durchbrochen wird? Daß der König, wie er sagt, mit seinem Volke eine Ehe eingeht, nicht zur linken Hand, sondern in voller Legitimität? Niemand kann mit seinem Volke denken, der abgeschlossen in einem großen Schloß bei einer fremden Prinzessin wohnt. Das Nationalgefühl kann sich nicht erhalten inmitten eines geschmeidigen Hofstaates mit ausländischem Zeremoniell.
Klara (abgewendet). Sie hätten Vater hören sollen! Wie er darüber sprach!
König Und doch hat er diese Überzeugung verlassen.
Klara Er wurde Republikaner.
König Ja, ich weiß es.
Klara Mein Vater ist so sehr getäuscht worden.
König Es wundert mich bisweilen, daß nicht alle Republikaner geworden sind. Die Könige müßten das begreiflich finden.
Klara Das zu verstehen wird ihnen durch ihre Umgebung so schwer gemacht.
König Sehen Sie, auch aus diesem Grunde muß der Anfang einer Reform im Heim liegen. Glauben Sie, daß ein König, der jeden Tag von einem Heim zu seiner Arbeit ginge, das ganz so wäre wie jedes Heim des Volkes, glauben Sie, daß er auf die Dauer fehlgehen könnte?
Klara Nicht alle Heimstätten sind einander gleich.
König Ich meine ein Heim, in dem Liebe an Stelle der Staatsrücksichten steht, Traulichkeit an Stelle des Zeremoniells, Wahrheit an Stelle der Schmeichelei. Ich meine – aber ich will einem Weib nicht lehren, was ein Heim ist.
Klara Es ist wohl so wie wir selbst sind.
König Gewiß – aber insbesondere so, wie das Weib ist. (Schweigen.)
Klara Jetzt scheint die Sonne schon ganz kräftig.
König Aber sie hat doch noch Mühe, das Laub zu durchdringen.
Klara Wenn die Sonne scheint wie jetzt und die Blätter erzittern – das ist so schön.
König Das ist wahr. – Ja, das Heim ist das Kostbarste, was ein Volk geschaffen hat. Seine nationalen Eigentümlichkeiten schließen die Erinnerungen und die Entwicklungsmöglichkeiten des Volkes in sich.
Klara Ich verstehe jetzt besser, was Sie früher meinten.
König Daß ich mit dem Anfang anfangen will?
Klara Ja. (Schweigen)
König Ich kann nicht anders. Man gerät auch sonst auf Irrwege, man wird Fanatiker oder Phantast.
Klara Ich glaube. Sie haben recht. Hätte meine Mutter gelebt – – (Sie stockt.)
König So wäre auch bei Ihrem Vater manches anders gekommen als in letzter Zeit. Wollten Sie das sagen?
Klara Ich habe es mir mitunter gedacht. (Schweigen) Wie still es hier ist.
Klara Wir sind ganz allein. Wir und der Springbrunnen.
Klara Es ist Zeit, die Baronin aufzusuchen.
König Sie ist hier oben auf dem Hügel. Soll ich Sie holen? Oder lieben Sie die weiten Aussichten?
Klara Ja.
König Dann gehen wir zusammen hinauf. (Sie gehen)
Musik. Ein Wolkenwagen, so voll lustiger Wesen, daß der unendliche Raum ganz erfüllt scheint. Die Musik jubelt und geht in folgenden Hymnus über.
Du, der alles schuf, was ist,
Ewig Werdender, – du bist
Unbeschirmt vorm letzen Schlage!
Gabst wohl allem eignen Willen
Wissend, daß dies Bundes Lilie
Nur nach deinem Willen wächst.
Laß sie schwanken, laß sie beben,
Blüte wächst in Sturm und Regen,
Bieg' sie nur nach deinem Sinn,
Daß sie wachs' in stolzem Gleißen
Zu uns Geistern auf, die preisen
Dich du Vater, Geisterfürst.
Stumm sie wandern
Miteinander,
Von dem Frühling neugeboren
Stehn sie stumm vor seinen Toren,
Trauen ihren Augen kaum,
Alles Leben ist wie Traum.
Altes schwindet, Neu's erscheint.
Eng es ihre Seelen eint,
Herrlich ist die Frühlingszeit!
Stumm sie wandern. Nicht einmal
Das Auge spricht. Mächt'gen Schall
Ihre Seele hat erlauschet
Aus der Welten-Harmonie,
Die den Weltenraum durchrauschet
Seit des Daseins Urbeginn.
Göttlich groß
Um die Erde
Wie ein Sonnensang sie floß.
Stumm sie wandern. Klänge rauschen –
Wie im Bann die beiden lauschen,
Sprechen nicht.
Doch auf einmal
Alles spricht! Tönt und springt,
Blüht und duftet, leuchtet, klingt,
Ton und Farbe fließt zusammen
Singet jauchzend Jubellieder
Prangt in Schönheit, glüht in Flammen, –
Himmel sinkt auf Erden nieder
Und in diesem mächt'gen Wogen
Wächst das Leben, strahlt die Ferne,
Ziele werden erst die Sterne
Ihrem kraftvoll kühnen Wallen.