Björnstjerne Björnson
Ein Fallissement
Björnstjerne Björnson

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Vierter Akt

Es sind über zwei Jahre vergangen. – An einem schönen Herbsttage an der Küste. Rechts im Hintergrunde erstreckt sich in das offene, stille Meer eine Landzunge. In der von ihr gebildeten Bucht liegt eine Brigg mit ausgespannten Segeln zur Abfahrt bereit. – Im Hintergrunde links ist ein Teil eines Holzhauses sichtbar. – Ein großes offenes Fenster ist der Bühne zugekehrt. – An diesem Fenster arbeitet Walborg an einem Pult. Vor dem Hause Blumen. Der ganze freie Platz ist ein Birkenhain. Rechts und links im Vordergrunde Stühle und kleine Steintische. – Im Hintergrunde ein einzelner Stuhl)

Erste Szene.

Walborg (hinter dem Fenster) Tjälde. Dora später Signe. (Tjälde fährt seine Frau in einem Rollstuhl heran.)

Dora Wieder so schönes Wetter!

Tjälde Sehr schön! – Heute, ganz in der Frühe war nicht eine Welle zu sehen, – in der Ferne ein paar Dampfschiffe, – ein Segelschiff, das beilegte – und Fischerboote, die langsam heimkamen.

Dora Seltsam, – wenn man denkt, was für ein Sturm vor zwei Tagen war.

Tjälde Unwillkürlich muß man an den Sturm denken, der vor mehr als zwei Jahren über uns hereinbrach. – Gerade heute nacht habe ich wieder so recht an diese Zeit gedacht.

Dora Setz' dich zu mir.

Tjälde Wollen wir denn nicht unsere ganze Tour machen?

Dora Die Sonne sticht heut so.

Tjälde Das finde ich nicht.

Dora Dann merkst du nur nichts, du Herkules. – Offen gestanden, ich möchte dich lieber ein bißchen ansehen.

Tjälde (setzt sich) So. Jetzt sieh' mich also an.

Dora (nimmt ihm den Hut ab und trocknet ihm die Stirn.) Geschwitzt hast du aber doch. – Ich habe dich nie so schön gefunden wie jetzt.

Tjälde Das trifft sich ja gut für dich, wo du jetzt soviel Zeit hast, mich anzusehen.

Dora Ach, weil mir jetzt das Gehen so schwer wird? – Weißt du, das ist nur eine schöne Einrichtung, damit du mich im Rollstuhl fahren kannst.

Tjälde (seufzend). Es ist hübsch von dir. Dora, – daß du deine Krankheit von der heiteren Seite ansiehst. – Aber es ist traurig, daß gerade du so schwer unter den Folgen unseres Unglücks zu leiden hast.

Dora Und deine grauen Haare? – Sind sie nicht auch eine Erinnerung? Freilich, eine sehr schöne. – Für meine Krankheit bin ich Gott eigentlich von Herzen dankbar. – Schmerzen habe ich nicht, – aber jeden Tag von neuem die Freude über eure Liebe.

Tjälde Du meinst also, du hättest jetzt erst so recht die schöneren Tage?

Dora Ja, wirklich! – Ganz nach meinem Sinn! –

Walborg (am Pult). So! – Die Bilanz ist fertig.

Tjälde Schließt sie nicht ab, wie ich sagte?

Walborg Ganz genau! Soll ich sie gleich ins Hauptbuch eintragen?

Tjälde Aha! – Das Resultat freut dich wohl sehr, daß du solche Eile damit hast?!

Walborg Freilich. Solch ein glänzendes Geschäft!

Tjälde Und doch habt ihr so davon abgeraten, Sannäs und du.

Walborg Ja. Zwei so gute Kaufleute waren dagegen, – und doch ist's geglückt.

Dora Ja, Kind. Der Vater ist doch immer euer Meister.

Tjälde Etwas anderes ist's freilich, der Führer einer kleinen siegreichen Armee zu sein als der einer großen geschlagenen.

(Walborg vertieft sich wieder in ihre Bücher.)

Dora Schwer genug ist es uns geworden, uns mit unserem Schicksal abzufinden.

Tjälde Ja – ja – –

Dora Jeder Mensch sträubt sich wohl dagegen, etwas aufzugeben, woran er sich gewöhnt hat.

Tjälde Auch wenn es eine Lüge ist.

Dora Und fühlt sich erniedrigt durch das – –

Tjälde Was seine Seele erst eigentlich erhebt. – An all das habe ich heute nacht gedacht. – Wären meine Bitten damals erfüllt worden, – wie würde es dann jetzt in mir aussehen? – Der Gedanke läßt mich nicht los.

Dora Die Tatsache, daß jetzt unser Fallissement zum Abschluß kommt, legt dir diese Gedanken wohl auch nahe.

Tjälde Ja

Dora Seit nun gestern abend Sannäs abgereist ist, um den Abschluß in Empfang zu nehmen, habe ich auch kaum an etwas anderes denken können. – Es ist doch ein wichtiger Tag für uns. – – Wann meinst du, daß Sannäs wieder zurück sein kann?

Tjälde (sieht auf die Uhr). Er muß jeden Augenblick kommen. – Ich bin auf das Ergebnis sehr gespannt.

Dora Signe bereitet uns ein kleines Festessen. – Sie will uns ihre Kochkunst zeigen. – – Da kommt sie ja!

Tjälde Ich will mir Walborgs Berechnungen einmal ansehen.

(Geht ans Fenster.)

Signe (In der Küchenschürze). Mama, du mußt mal die Suppe kosten. (Sie füllt aus einer mitgebrachten Tasse einen Löffel voll.)

Dora Ausgezeichnet, Kind! – Vielleicht noch etwas – – aber nein, ist gut so. – Du bist aber eine flinke Köchin.

Signe Nicht wahr? – – Kommt Sannäs bald?

Dora Papa meint, er muß jeden Augenblick hier sein.

Tjälde (am Fenster). Nein, warte mal, – – ich will doch lieber hereinkommen. (Geht nach links ab. Man steht ihn neben Walborg am Fenster.)

Dora Signe, – ich möchte dich gern etwas fragen?

Signe Wirklich?

Dora Was stand denn in dem Briefe, den du gestern abend bekommen hast?

Signe (lacht). Das hab' ich mir gedacht, daß du das fragen würdest. Gar nichts, Mama.

Dora Also nichts, was dich betrüben konnte?

Signe Ich habe die ganze Nacht wie ein Murmeltier geschlafen. – Danach kannst du urteilen.

Dora Das ist ja schön. – Aber Signe, ich glaube, du zwingst dich etwas zur Lustigkeit.

Signe So? – Weißt du, Mama, – ich werde wohl nie ganz aufhören, mich zu schämen. – Das ist alles.

Dora Gott sei Dank!

Signe Da kommt gewiß Sannäs! – Ich höre einen Wagen! – – Ja, ich hab' recht. – Gott, er kommt zu früh. Vor einer halben Stunde können wir nicht essen.

Dora Früher ist es auch nicht nötig.

Signe Papa! – Sannäs kommt!

Tjälde Das ist ja herrlich! – Ich komme gleich.

(Signe geht schnell ab. Tjälde kommt.)

Zweite Szene.

Tjälde. Dora. Sannäs. Walborg (am Fenster).

Tjälde und

Dora Willkommen zu Hause!

Sannäs Guten Tag. (Legt schnell Mantel und Reisetasche auf den Stuhl im Hintergrunde und kommt nach vorn.)

Tjälde Nun?

Sannäs Ja, wir sind jetzt soweit fertig.

Dora Und das Ergebnis?

Sannäs Ungefähr so, wie wir es erwartet hatten.

Tjälde Also auch, wie Berent geschrieben hatte.

Sannäs Genau so – bis auf Kleinigkeiten. – (Er zieht ein Paket Papiere aus der Tasche und überreicht es Tjälde.) Hier können Sie alles sehen. – Die jetzigen hohen Marktpreise und die vorzügliche Verwaltung haben nach und nach schon die ganze Sachlage geändert.

Tjälde (die Papiere durchblätternd). Das Defizit beträgt noch – 240 000 Kronen. – Gott sei Lob und Dank! (Er faßt Doras Hand und küßt sie.)

Sannäs Ich gab in Ihrem Namen die Erklärung ab, – Sie würden versuchen, auch noch diese Summe abzutragen. In einer Form, die zu bestimmen Sie sich aber vorbehielten. – Und dann –

Tjälde Dann?

Sannäs Machte ich auf Jakobsens Forderung sofort noch eine Abschlagszahlung.

Dora Wirklich?

(Tjälde macht mit einem Bleistift auf dem Rande eines der Papiere Berechnungen.)

Sannäs Man war von unserem Anerbieten sehr überrascht und – natürlich sehr zufrieden. – Alle lassen Sie freundlichst grüßen.

Dora Ja, ja, – jetzt, wo es uns wieder gut geht – –

Tjälde Sannäs, wenn es mit unserem Geschäft geht wie bis jetzt, – wird in zehn bis zwölf Jahren alles bezahlt sein.

Dora Viel länger haben wir beide wohl auch nicht mehr zu leben, Henning.

Tjälde Dann sterben wir zwar ohne Vermögen – aber in Frieden.

Dora Und der gute Name, den wir den Kindern hinterlassen, ist mehr wert als ein großes Vermögen.

Tjälde Und unser gutes, solides Geschäft können sie fortführen, wenn sie wollen.

Dora Hast du gehört, Walborg?

Walborg Jedes Wort! – (Sannäs begrüßt sie.) Ich muß Signe das gleich erzählen. (Verschwindet vom Fenster.)

Dora Was sagte denn der brave Jakobsen?

Sannäs Er war zufrieden wie immer. – Er kommt sicher heute noch heraus.

Tjälde (in den Papieren blätternd). Und Berent?

Sannäs Wollte mir gleich nachfahren. – Ich soll inzwischen grüßen und ihn anmelden.

Tjälde Das, ist ja prächtig! – Wir haben Berent viel zu verdanken.

Dora Ja, er ist uns wirklich ein Freund in der Not gewesen. – – Hören Sie, Sannäs, da wir gerade von wahren Freunden sprechen, – – ich habe Sie etwas zu fragen.

Sannäs Mich?

Dora Ja. – Das Dienstmädchen hat mir erzählt, Sie hätten gestern bei Ihrer Abreise den größten Teil Ihrer Sachen mitgenommen. – Ist das wahr?

Sannäs Ja, es ist wahr.

Tjälde Was soll denn das heißen? – Davon hast du mir nichts gesagt.

Dora Weil ich dachte, das könnte nur ein Mißverständnis sein. – Aber ich muß nun auch fragen, was das zu bedeuten hat, Sannäs. – Wollen Sie etwa eine Reise machen?

Sannäs (faßt eine Stuhllehne, auf der seine Finger unruhig hin und her gleiten). Ja.

Dora Wohin denn? – Davon haben Sie ja nie gesprochen.

Sannäs Allerdings nicht. Aber es war stets meine Absicht, nach Beendigung des Konkurses meine Tätigkeit hier zu schließen.

Dora Sie wollen uns also verlassen?

Sannäs Ja.

Tjälde Aber ich verstehe gar nicht, warum?

Dora Wo wollen Sie denn hin, Sannäs?

Sannäs Zu meinen Verwandten nach Amerika. – Ich kann jetzt nach und nach mein Kapital aus dem Geschäft ziehen, ohne daß es Ihnen fühlbar wird und drüben anlegen.

Tjälde Und hier die Firma auflösen?

Sannäs Es war ja doch stets Ihr sehnlichster Wunsch, der Firma wieder den alten Namen zu geben.

Tjälde Freilich, freilich. – Aber – – – Sannäs, was hat das zu bedeuten? – Was für eine Veranlassung haben Sie zu einem solchen Entschlusse?

Dora Fühlen Sie sich denn nicht wohl hier, wo Ihnen jeder von Herzen zugetan ist?

Tjälde Sie haben doch für die Zukunft hier dieselben, wenn nicht bessere Aussichten als drüben.

Dora Wir haben während der bösen Tage zusammengehalten, – ich meine, in den guten müssen wir es doch nun erst recht tun.

Sannäs Ich verdanke Ihnen beiden so viel – –

Dora Mein Gott, Sannäs, – wir verdanken Ihnen viel mehr!

Tjälde Mehr als wir Ihnen je vergelten können. (Vorwurfsvoll.) Sannäs – –

Dritte Szene

Die Vorigen. Walborg. Signe.

Signe Unseren herzlichen Glückwunsch, Papa. – Mama! (Küßt beide.) Guten Tag, Sannäs. – Aber was ist denn? – Ihr seht ja gar nicht ein bißchen vergnügt aus.

Walborg Was ist denn geschehen?

Dora Kinder, denkt euch nur, Sannäs will uns verlassen.

Signe (nach einer kleinen Pause). Aber Sannäs – –

Tjälde Weshalb haben Sie uns eigentlich nie etwas davon gesagt? – Weshalb erst in dem Augenblick, in dem Sie reisen wollen? – Oder habt ihr jemals etwas von ihm gehört?

(Dora schüttelt den Kopf.)

Signe Nein.

Sannäs Weil – – weil – – Ich wollte in demselben Moment abfahren. Ich – – ich glaube, sonst – – sonst wäre es mir zu schwer geworden.

Tjälde Dann müssen Sie aber sehr schwerwiegende Gründe haben. – Ist Ihnen denn etwas Besonderes passiert, – – etwas, das Sie zwingen könnte, jetzt wegzureisen? (Sannäs schweigt.)

Dora Können Sie Ihren Grund vielleicht keinem von uns sagen?

Sannäs (zögernd). Ich – ich wollte ihn für mich behalten.

Pause

Tjälde So? – – In unserem kleinen Kreise, in dem Sie an allem teilgenommen haben, haben Sie es übers Herz gebracht, sich jahrelang mit einem solchen heimlichen Entschlusse zu tragen?

Sannäs. Bitte, beurteilen Sie meine Handlungsweise nicht zu schroff. Glauben Sie mir, wenn ich es irgend könnte, würde ich bleiben. – Wenn ich meine Beweggründe irgend mitteilen könnte, würde ich sie sagen.

Signe (leise zur Mutter). Vielleicht will er heiraten.

Dora. Vielleicht. – Aber das kann er doch auch, wenn er hier bleibt. Ein Mädchen, das Sannäs liebt, wird uns allen auch lieb sein.

Tjälde (legt die Hand auf Sannäs' Schulter). Zu einem von uns können Sie sich doch aussprechen, – wenn Sie es nicht zu allen können. – Können wir Ihnen denn gar nicht helfen?

Sannäs. Nein.

Tjälde Meinen Sie nicht, daß es gut ist, wenn Sie einen anderen noch einmal um Rat fragen, – ehe Sie Ihren Entschluß ausführen.

Sannäs. Ich weiß, daß kein guter Rat etwas ändern kann.

Tjälde Wirklich, – es muß etwas sehr Schwerwiegendes sein.

Sannäs. Herr Tjälde – –

Tjälde Nicht nur verlassen wollen Sie uns, – sondern es liegt Ihnen ein Kummer auf dem Herzen. – Ich kann Ihnen nicht sagen, wie weh mir das tut.

Dora. Wollen Sie uns auch nicht schreiben, was Sie drückt? – Wir alle, die wir Sie so liebgewonnen haben, machen uns doch Sorge um Sie – –

Tjälde. Und wissen nicht einmal, was Sie weggetrieben hat.

Sännas. Ja, schreiben werde ich Ihnen – später. – Aber wir wollen nicht mehr davon sprechen. – Glauben Sie, keinem fällt die Trennung so schwer wie mir. – Sie alle sind die einzigen Menschen auf der Welt, die mir wirklich lieb und teuer sind. – – Aber ich kann nicht anders.

(Pause.)

Tjälde. Nun ist die ganze Freude am heutigen Tage verdorben. – Sie werden mir fehlen wie kein anderer Mensch.

Dora. Ich kann mir unser Haus ohne Sie gar nicht denken.

Tjälde. Liebe Dora, willst du nicht jetzt hinein?

Dora. Ja, – hier ist es ja nun doch nicht mehr schön.

(Tjälde rollt Dora ins Haus.)

Signe (will die Schwester am Arme fortziehen. Sie sieht Walborg an und schreit leicht auf, als fiele ihr etwas ein. Walborg umfaßt sie, – ihre Blicke begegnen sich.) – Wo habe ich nur meine Gedanken gehabt! (Sie geht ab, indem sie Walborg und Sannäs ansieht.)

Vierte Szene

Walborg. Sannäs.

(Sannäs will in schmerzlicher Bewegung gehen. Als er Walborg sieht, richtet er sich kalt auf.)

Walborg (vorwurfsvoll.) Sannäs –

Sannäs Sie befehlen?

Walborg (wendet sich ab, kehrt sich ihm dann wieder zu, ohne ihn aber anzusehen.) Sie wollen uns also wirklich verlassen?

Sannäs Ja.

(Pause.)

Walborg Wir werden also nicht mehr an unseren Pulten stehen – Rücken an Rücken?

Sannäs Nein.

Walborg Das tut mir leid. – Ich hatte mich sehr daran gewöhnt.

Sannäs Sie werden sich bald an einen anderen Rücken gewöhnen.

Walborg Nun, – immerhin ist es doch ein anderer.

Sannäs Verzeihen Sie, – ich bin wirklich nicht in der Stimmung zu scherzen. (Will gehen.)

Walborg Soll das unser Abschied sein, Sannäs?

(Pause.)

Sannäs Ich werde mich heute nachmittag von der ganzen Familie verabschieden.

Walborg (tritt ihm etwas näher.) Sollten wir uns nicht vorher manches zu sagen haben?

Sannäs Nein.

Walborg Meinen Sie, daß zwischen uns alles so gewesen ist, wie es hätte sein sollen?

Sannäs Wahrhaftig, nein, – das meine ich nicht.

Walborg Aber Sie meinen, der Schuldige sei ich. – Dann kann es mir freilich gleichgültig sein.

Sannäs Ich nehme die Schuld gern auf mich. – Zu ändern ist ja doch nichts mehr.

Walborg Wie wäre es denn, wenn wir uns in die Schuld teilten? – Ganz gleichgültig kann es Ihnen doch nicht sein, wer sie trägt.

Sannäs Offen gestanden, nein. – – Aber ich wünsche keine Auseinandersetzung.

Walborg Wenn ich Ihnen nun sage, daß ich sie wünsche?

Sannäs Sie werden ja allein Zeit genug zum Nachdenken haben.

Walborg Ich glaube, wir werden zusammen besser damit fertig.

Sannäs Das glaube ich nicht.

Walborg Aber ich. – Wenn ich mich nun für schwer beleidigt halte?

Sannäs Ich bin, wie gesagt, gern bereit, die Schuld auf mich allein zu nehmen.

Walborg Nein, Sannäs, das will ich gar nicht, – ich möchte Verständnis. – – Es ist mir nicht einerlei. Wie Sie von mir denken.

Sannäs So?

Walborg Das glauben Sie wohl nicht?

Sannäs (nach kurzer Pause.) Nein.

Walborg Und mit dieser falschen Meinung wollen Sie mich verlassen? (Sie wendet sich ab und führt ihr Taschentuch an die Augen.)

Sannäs Habe ich Sie verletzt?

Walborg O nein, – durchaus nicht.

(Pause.)

Sannäs Wir trennen uns dann wohl jetzt am besten. – – Oder haben Sie noch Befehle?

Walborg Nur eine Frage –

Sannäs Wie Sie wünschen.

Walborg Warum haben wir uns eigentlich länger als ein Jahr hier draußen so gut vertragen? – Haben Sie wohl darüber einmal nachgedacht?

Sannäs Ich glaube deshalb, – weil wir von nichts anderem als von Geschäften gesprochen haben.

Walborg Sie waren mein Lehrer.

Sannäs Und als Sie mich nicht mehr nötig hatten –

Walborg Wurde es still im Kontor.

Sannäs – Ja. –

Walborg War Ihnen dies Schweigen nicht peinlich?

Sannäs Ja, – es war unnatürlich.

Walborg Warum haben wir denn geschwiegen, Sannäs? – – Sehen Sie. Sie wollen darauf nicht antworten. – Weil wir beide von etwas zu sprechen hatten, – wovon keiner von uns sprechen wollte.

Sannäs Es war da doch ein Unterschied. – Sie wußten, wie peinlich meine Stellung zu Ihnen war, – und haben nichts getan, sie mir erträglich zu machen. – – Ich wurde erbittert über Ihr Benehmen, – es war grausam.

Walborg Hm. – Es gibt für mein Betragen auch noch eine andere Auslegung. – Aber lassen wir das. – – Jedenfalls habe ich das Schweigen zuerst gebrochen.

Sannäs Aber wie!

Walborg Wie hätte ich es denn sonst machen sollen?

Sannäs Mir war das Schweigen noch lieber als diese Ausgelassenheit – die mir unverständlich blieb.

Walborg Auch diese Ausgelassenheit kann man anders deuten. – – Habe ich nicht gesucht. Ihnen – Ihren Verhältnissen näher zu kommen?

Sannäs Jetzt sind wir bei der Sache. – Freilich, – ich hätte diese Auseinandersetzung gern vermieden. – Aber wenn Sie durchaus wollen. – Sehen Sie, – wir waren Wochen-, monatelang in ein und dasselbe Zimmer gebannt, – da konnten Sie es auf die Dauer nicht vermeiden, meine unbedeutende Person zu beachten. – Ich weiß aber, daß Sie mich unter anderen Umständen nicht eines Blickes gewürdigt hätten.

Walborg Ja, jetzt sind wir bei der Sache. – Ich hätte mir darüber klar sein müssen, daß jede Freundlichkeit von Ihnen verkannt werden würde.

Sannäs Verkannt? – Nein, – ich kannte Sie doch.

Walborg Also wollten Sie mich für mein früheres Betragen bestrafen.

Sannäs Ich möchte Ihnen gerade deshalb nicht unrecht tun, – beileibe nicht! – Denn es war Mitleid mit mir, was Sie bewegte. – Aber Mitleid verschmähe ich.

Walborg Wenn es nun Dankbarkeit gewesen wäre?

Sannäs Die fürchte ich nach allen Erfahrungen fast noch mehr.

Walborg Sie werden mir zugeben müssen, daß es für mich nicht ganz leicht sein konnte, mit einem – so erfahrenen Herrn umzugehen.

Sannäs Aber Sie werden verstehen, daß ich Ihr Interesse als zufällig ansehen mußte. – Unter anderen Umständen wäre ich Ihnen sehr langweilig und gleichgültig gewesen. – Darüber war ich mir immer klar. – Und ein Spielzeug in Ermangelung etwas Besserem wollte ich nicht sein.

Walborg Sie befinden sich sehr im Irrtum, – Sie gerade denken an die besonderen Umstände nicht. – Sonst würden Sie wohl einsehen, daß eine Dame, die viel auf Reisen geht, die nur in den besten Kreisen der Hauptstadt verkehrt, anders wird, wenn sie zu Hause arbeiten muß – und ihre Pflicht tun im Leben. – Sie beurteilt dann die Menschen auch anders als vorher. – Mancher, den sie früher für tadellos hielt, wird ihr vielleicht kleinlich und erbärmlich erscheinen, wenn sie an ein Leben denkt, das Arbeit, Kampf und Entsagung fordert. – Ein Mensch, der ihr einst leicht lächerlich vorkam, wird für sie wohl nun zum Muster dessen, was Gott sich unter einem »Mann« gedacht hat. – Ist das so wunderbar?

(Pause.)

Sannäs Haben Sie Dank für das, was Sie eben gesagt haben. – Es macht vieles wieder gut, – aber Sie hätten mir's früher sagen sollen.

Walborg Das war mir nicht möglich, so lange Sie in jedes meiner Worte, in jede meiner Handlungen Mißtrauen setzten. Nein, die Spannung in unserem falschen Verhältnis zueinander mußte so mächtig werden, daß sie nicht mehr zu ertragen war. – Weiß Gott, ich habe darunter gelitten, als ich die Sache absichtlich so auf die Spitze trieb, – aber es mußte sein. – Verstehen Sie mich jetzt? – Wenn ich Sie früher nicht verstanden habe, – wahrhaftig, jetzt haben Sie mir das vergolten! (Wendet sich ab.)

Sannäs Sie haben vielleicht recht. – In diesem Augenblick bin ich nicht imstande, mir das alles klarzumachen. – Ich glaube aber wohl, – es wird mir manches von jetzt ab in einem anderen Lichte erscheinen.

Walborg Gott sei Dank! – Soweit wären wir also – nach mehr als halbjährigem Kampf!

Sannäs Ende gut, alles gut. – Haben Sie Dank für diese Unterredung.

Walborg Und damit wollen Sie sie schließen?

Sannäs. Ja. – Wenn ich wirklich in einem Irrtum gelebt habe, – werde ich später eine herzliche Freude bei diesem Gedanken empfinden. – Jetzt kann ich darüber nicht nachdenken. – Ich will nur fort von hier. – Mein Entschluß wird dadurch nicht erschüttert.

Walborg Nicht? – Alles das, was ich Ihnen gesagt habe, – hat das nichts zu tun mit Ihrer Absicht, uns zu verlassen?

Walborg (erregt). Sannäs! – Sind Sie jetzt ganz ehrlich? – – (Sannäs wendet sich wieder um und bleibt stehen) – Wir sind noch nicht fertig miteinander, – mit dieser Unterredung nicht – – und mit Dingen, die viel länger her sind, auch noch nicht.

Sannäs Sie werden verstehen, daß ich diese Unterredung sehr ungern fortsetze.

Walborg Aber Sie werden nicht gehen, ohne mir wenigstens eine Bitte zu erfüllen.

Sannäs Was für eine Bitte?

Walborg O, eine sehr, sehr alte.

Sannäs Wenn es in meiner Macht liegt, – gewiß gern.

Walborg Sie haben mir seit jenem unglücklichen Tage nie wieder die Hand gegeben.

Sannäs Haben Sie das wirklich gemerkt?

(Pause.)

Walborg (wendet sich lächelnd ab.) Wollen Sie es jetzt tun?

Sannäs (tritt näher.) Ist es mehr als eine Laune?

Walborg (mit unterdrückter Erregung.) Können Sie mich nach allem, was ich Ihnen gesagt habe, im Ernst noch so fragen?

Sannäs Sie haben mich während der ganzen langen Zeit nicht ein einziges Mal darum gebeten.

Walborg Ich habe darauf gewartet, daß Sie mir's gelegentlich einmal anbieten würden.

(Pause.)

Sannäs Ich mochte es nicht tun, ohne bestimmt zu wissen, daß –

Walborg Sie hören ja, ich bitte Sie darum.

Sannäs (erfreut.) Sie legen wirklich Wert darauf?

Walborg Ja, sehr hohen Wert.

Sannäs (ganz nahe.) Das freut mich – hier – –

Walborg (ergreift seine Hand und wendet sich warm zu ihm.) Diese Hand nehme ich von Herzen gern an.

Sannäs (erstaunt.) Was sagen Sie?

Walborg Ich sage, daß ich stolz sein würde, die Frau des Mannes zu werden, der mich, – mich allein von Jugend an geliebt hat, der uns alle aus Not und Elend gerettet hat.

Sannäs Ist – das – wahr? – –

Walborg Sie wollten lieber abreisen als mir das sagen, – wollten es nicht tun, weil Sie glaubten, wir wären in unseren Entschlüssen nicht frei, weil wir Ihre Hilfe angenommen haben. – Das war mir denn doch zu viel. – Und da Sie nicht sprechen wollten, habe ich's getan.

Sannäs (sinkt ihr zu Füßen.) Ich kann es nicht glauben – –

Walborg Ich liebe Sie, wie Sie es verdienen. – Nie habe ich einen Menschen gesehen – mit treuerem Charakter, – mit zarterem Gemüt – und mit wärmerem Herzen.

Sannäs Das ist tausendmal zu viel.

Walborg Ich werde mich stolz fühlen als Ihre Frau. – Dies war mein Ziel, – daß ich es erreichen konnte, zeigt mir, daß ich besser geworden bin als früher. – Nächst Gott habe ich Ihnen dafür zu danken.

Sannäs Ich kann nicht antworten. – Ich höre kaum, was Sie sagen. Von Kind auf habe ich Sie angebetet, – aber niemals gewagt, daran zu denken, daß – – Nein, ich kann es auch heute noch nicht. Sie haben nur Mitleid mit mir, weil ich fortreisen muß. – Sie glauben, mir Dank schuldig zu sein. – Nur, weil Sie so lange mit anderen Menschen nicht zusammengewesen sind, können Sie an so etwas denken. – Sie bieten mir, wozu Ihr gutes Herz Sie treibt. – aber der Mann, der Ihrem Herzen wirklich entspricht, bin ich nicht, – den haben Sie noch nicht gefunden. – (Er faßt auch ihre andere Hand.) Nein, – Sie dürfen mich nicht unterbrechen. Ich fühle es tiefer, – ich habe länger darüber nachgedacht als Sie. – Sie stehen himmelhoch über mir, – an Kenntnissen, – an Talenten – – und Weltkenntnis! – Aber die Frau darf nicht über dem Manne stehen. – Meine Frau nicht! – Ich könnte ein solches Verhältnis nicht ertragen. – Was Sie jetzt für mich haben tun wollen, werde ich nie vergessen, – es wird die goldenste Erinnerung meines Lebens sein. – Sie haben mir die größten Schmerzen – aber auch die größten Freuden bereitet. – Ich weiß, mein Schicksal ist »Entsagung«, – – aber doch bin ich glücklich, weil ich ein solches Andenken mit auf den Weg nehmen kann. (Er steht auf.) – Scheiden müssen wir jetzt erst recht. – Wie es bisher war, kann ich es nicht länger ertragen, – Und – – das andere – – würde bald für uns beide zum Unglück werden. – Nein, – sagen Sie nichts dagegen. – Es ist so, wie ich sage. – Ich kann das besser beurteilen, – weil ich Sie schon so lange und innig liebe.

Walborg Sannäs! – –

Sannäs (noch immer ihre Hände haltend.) Ich bitte Sie, antworten Sie nichts. – Sie haben zu große Macht über mich, – gebrauchen Sie sie nicht zu etwas Unrechtem! – Und, es wäre ein Unrecht, – ein großes Unrecht, – zwei Menschen zueinander in ein unwahres Verhältnis zu bringen, – so daß sie sich schließlich doch das Leben zur Qual machen würden.

Walborg Aber so hören Sie doch – –

Sannäs (läßt ihre Hände los und tritt einen Schritt zurück.) – Nein, Sie dürfen mich nicht von dem abbringen, was ich in innerster Seele als recht erkannt habe. – Ein Zusammenleben mit Ihnen würde mir tausend Sorgen bringen, denen ich mich nicht gewachsen fühle. – Aber ich scheide jetzt ruhig von Ihnen. – Ich nehme keine Bitterkeit mit, – und an alles, was wir gemeinsam durchlebt haben, auch an das Schmerzlichste werde ich mit Freuden denken. – – Gott segne Sie! – Werden Sie glücklich! – Sie haben ja noch ein reiches Leben vor sich. – (Faßt ihre Hand.) Dank – noch einmal! – Seien Sie bitte nicht dabei, wenn ich von Ihrer Familie Abschied nehme. – Die anderen könnten etwas ahnen, – und ich wäre vielleicht nicht stark genug, mich zu beherrschen. – Leben Sie wohl. (Er geht schnell nach dem Hintergrunde.)

Walborg (ihm nacheilend.) Sannäs – – aber Sannäs!

(Sannäs will Mantel und Reisetasche ergreifen, beides entfällt ihm in der Erregung, er nimmt sie schnell auf und stößt, als er sich wieder aufrichtet, mit dem Kopf gegen die Brust des Advokaten Berent, der eben mit Jakobsen eintrifft.)

Sannäs Entschuldigen Sie. – (Geht nach rechts ab.)

Fünfte Szene.

Walborg. Berent. Jakobsen. Später Tjälde.

Berent Hier wird wohl Blindekuh gespielt?

Walborg Das scheint beinahe so!

Berent Jedenfalls hat mir das Spiel einen »tiefen Eindruck« gemacht. (Hält sich lachend die Brust.)

Walborg Verzeihung! – Der Vater ist dort! – (zeigt nach links und geht nach rechts ab.)

Berent Na, höflich ist der Empfang gerade nicht. – Wie, Jakobsen?

Jakobsen Nein. – Wir scheinen hier ziemlich überflüssig zu sein, Herr Advokat.

Berent (lachend.) Das scheint so. – Was ist denn hier eigentlich los?

Jakobsen Ja – – es sah so aus, als ob sie sich ein bißchen gezankt hätten. – Sie hatten so verhetzte Gesichter.

Berent Erhitzte, meinen Sie wohl?

Jakobsen Ja, irgend so was. – Da kommt Tjälde – – Mein Gott, wie alt er geworden ist! (Zieht sich zurück, während Berent Tjälde entgegengeht)

Tjälde (zu Berent) Willkommen! – – Willkommen in unserem kleinen Heim – in diesem Jahre noch herzlicher als im vorigen.

Berent Weil es in diesem noch besser geht. – Ich wünsche Ihnen Glück zum Abschluß, – Glück vor allem zu Ihrem Entschluß, alles voll bezahlen zu wollen.

Tälde Ja, mit Gottes Hilfe wird – –

Berent Es geht ja prachtvoll!

Tjälde Bis heute ist es gut gegangen, ja.

Berent Das Schwerste ist vorüber, wenn die Grundlage einmal geschaffen ist – und die ist diesmal solide.

Tjälde Das habe ich Ihnen vor allen Dingen zu danken.

Berent Wer den Willen hat, sich selbst zu helfen, dem ist leicht geholfen.

Tjälde Aber es hat mir Mut gemacht, daß Sie mir vertrauten und mir auch das Vertrauen anderer verschafft haben.

Berent Wenn Sie nicht zuerst das meiste getan hätten, hätte ich nichts tun können. – Sprechen wir nicht mehr davon. – – Nun – hier ist es ja noch gemütlicher geworden als im vorigen Jahre.

Tjälde Wir versuchen, es uns immer gemütlicher zu machen.

Berent Sind Sie noch alle beisammen?

Tjälde Ja – noch alle.

Berent Ehe ich's vergesse! – Ich kann Ihnen auch einen Gruß bestellen von dem – Deserteur. (Tjälde ist erstaunt) – Nun, ich meine den Kavallerieleutnant.

Tjälde Ach, der?! – Haben Sie ihn – –

Berent Ja – auf dem Dampfschiff getroffen. – Es war mit ihm ein sehr reiches Mädchen an Bord.

Tjälde Na, na!

Berent Übrigens glaube ich nicht, daß es ihm gelungen ist. – Es wird ihm gehen wie jedem Jäger. – Wenn der erste günstige Schuß mißglückt, hat man während der ganzen Jagd Pech.

Jakobsen (ist indes nähergekommen und steht mit dem Hut in der Hand vor Tjälde) – Ich bin ein schlechter Kerl! – Ich weiß, ich bin ein schlechter Kerl.

Tjälde (reicht ihm die Hand) Nun, nun, Jakobsen

Jakobsen Ich weiß, ein sehr schlechter Kerl.

Tjälde Wir wollen wieder gute Freunde sein. – Ich freue mich von Herzen, daß ich jetzt unsere Angelegenheiten ordnen kann.

Jakobsen (fortwährend Tjäldes Hand schüttelnd.) Ich weiß gar nicht was ich sagen soll! – – Ich habe so viel auf dem Herzen. – Sie sind ein viel besserer Mensch als ich. – Das habe ich auch meiner Frau gesagt. – Dieser Tjälde, habe ich gesagt – –

Tjälde (Ihm freundlich die Hand entziehend). Wir wollen nun alles vergessen, Jakobsen – nur nicht das Gute, was wir zusammen erlebt haben. Wie geht es denn jetzt mit der Brauerei?

Jakobsen Na, so, so. – – Aber wenn die Leute weiter so viel Bier trinken, dann – –

Berent Jakobsen war so freundlich mich herzufahren. – Es war eine sehr amüsante Fahrt. – Jakobsen ist ein Original.

Jakobsen (zu Tjälde.) Was meint er denn damit?

Tjälde Er meint, Sie sind anders als die meisten Leute.

Jakobsen Ich weiß aber doch nicht ganz genau, ob er das gemeint hat. – – Ob er sich den ganzen Weg über mich lustig gemacht hat?

Tjälde Aber Jakobsen, wie können Sie so etwas denken? Wollen Sie bitte bei uns eintreten, meine Herren. – Verzeihen Sie, wenn ich vorangehe, – aber meine Frau kann ohne Hilfe nicht Fremde empfangen. (Geht ab.)

Berent Mir kommt es so vor, als ob Tjälde nicht so guter Laune ist, als ich eigentlich erwartet hatte.

Jakobsen So? – Ich habe nichts gemerkt.

Berent Vielleicht irre ich mich. – Der Sinn seiner Worte war wohl, wir möchten ihm folgen.

Jakobsen Ich habe es wenigstens so aufgefaßt.

Berent (etwas ironisch.) Da Sie mich hergebracht haben, müssen Sie mich auch zur Frau vom Hause führen.

Jakobsen Stehe gern zu Ihren Diensten, Herr Advokat. – Vor der Frau habe ich die größte Hochachtung – (schnell) das heißt, vor ihm auch – auch die größte Hochachtung.

Berent Also: Gehen wir!

Jakobsen Ja, gehen wir! – (Sie gehen, er versucht mit Berent gleichen Schritt zu halten.)

Berent Ich empfehle Ihnen, den Versuch aufzugeben. – Gleichen Tritt mit mir halten kann nicht jeder.

Jakobsen O – – es wird schon gehen.

(Beide nach links ab.)

Sechste Szene

Sannäs. Walborg.

(Sannäs kommt eilig von rechts, geht nach links, sieht sich um, geht vor und stellt sich rechts vorn hinter einen Baum. Walborg, die ihm folgt, sieht ihn und lächelt.)

Sannäs (vortretend.) Sehen Sie – Sie lachen wieder über mich.

Walborg. Ich könnte auch weinen.

Sannäs. Geben Sie es auf! – Sie irren sich, – sehen das nicht so klar wie ich.

Walborg. Wer hat sich heute geirrt – und deshalb um Entschuldigung gebeten?

Sannäs. Ich – ja, ja. – Aber das –

Walborg. Ein Jahr lang haben Sie alles mißverstanden, – gerade so wie heute. – Und ich soll auf einmal glauben, das beurteilten Sie besser als ich?

Sannäs. Ja, ja, es mag so scheinen, aber – –

Walborg. Jetzt müssen Sie mich sprechen lassen, Sannäs. – Vorhin haben Sie es mir verboten – und sind mir dann weggelaufen. – – Sie sagen, ich stände so hoch über Ihnen –

Sannäs. Sie gehören in eine andere Welt, – Sie haben eine andere, eine größere Zukunft zu erwarten – –

Walborg. Sie vergessen wieder ganz, daß ich jetzt das Wort habe.

Sannäs. Verzeihung.

Walborg. Sie werden sich erinnern, wie vor zwei Jahren unser großes Schiff an den Klippen zerschellte und wie uns ein kleines Boot alle, alle rettete. – Sie wissen auch, daß damals ein Mensch an Bord war, der nicht gerettet werden wollte. – Aber Sie nahmen ihn ohne weiteres auf und wiesen ihn auf seine Pflicht. – Und dann, – wer hat mich Arbeit, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe, Gehorsam und Entsagung gelehrt? – Wer war auf diesem ganzen langen Wege der Überlegene? – Und heute? – Haben Sie mir nicht eben gezeigt, wie ein edler Mensch sein Lebensglück opfert, um festzuhalten an dem, was er für seine eiserne Pflicht hält? Nein, Sannäs, wenn ich mich einem solchen Manne nicht untergeordnet fühlte, – dann wäre ich Ihrer gar nicht würdig. – Und das werden Sie doch nicht meinen?

Sannäs. Sie können mich mit Ihren Worten erheben – und erdrücken, – ich weiß das ja – – und sollte – –

Walborg Von dem, was Sie für recht halten, bringt Sie niemand ab. Aber was Sie jetzt vorhaben, halten Sie im Innersten gar nicht für recht.

Sannäs Ich weiß nicht, – Ihre Worte machen mich wirr – –

Walborg So sagen Sie mir doch, was Sie mir zu antworten haben.

Sannäs Ein inniges Zusammenleben darf nicht nur auf Achtung beruhen.

Walborg (lächelnd). Auf Liebe?

Sannäs Verstehen Sie mich richtig. – – Könnten Sie zum Beispiel mit mir in eine Gesellschaft gehen, ohne daß es Ihnen unangenehm wäre – (Walborg lächelt.) Ja, da lachen Sie, – schon bei dem Gedanken daran!

Walborg (lächelnd). Ich lache, weil Sie gerade mit dem allerunbedeutendsten anfangen.

Sannäs Ich bin so befangen, – so linkisch, – so – ja, ich habe geradezu Angst in einer Gesellschaft, die –. (Walborg lächelt) Sehen Sie, da lachen Sie schon wieder!

Walborg Vielleicht lache ich in Gesellschaft auch über Sie.

Sannäs (erregt). Aber damit würden Sie mich in den Augen anderer herabsetzen!

Walborg Sannäs, ich denke groß genug von Ihnen, um über Ihre kleinen gesellschaftlichen Unvollkommenheiten ruhig etwas lächeln zu können. – Das tue ich oft im stillen – Wenn ich nun einmal sehe, daß Sie in einer vornehmen Gesellschaft von der Last der neuen Formen erdrückt werden, – ja, das ist doch höchstens zum Lächeln! Für mich. – Lachen aber auch andere, dann nehme ich Ihren Arm und führe Sie durch den Saal. Glauben Sie das nicht von mir? – Ich weiß, wer Sie sind – und die Gesellschaft weiß es auch. Es werden ja nicht nur die schlechten Taten in der Welt bekannt, sondern auch die guten.

Sannäs Sie betäuben mich – –

Walborg Glauben Sie nicht, ich sagte Ihnen hier eine leere Schmeichelei! – Wollen wir eine Probe machen? – Berent ist vorhin hergekommen. – Er gehört nicht nur zur besten Gesellschaft des Landes, er ist ihr in jeder Beziehung überlegen. – Wollen Sie seine Meinung hören. Ich kann Sie Ihnen verschaffen, ohne etwas zu verraten.

Sannäs (befreit). Ich brauche kein anderes Urteil zu hören als das Ihre.

Walborg (ebenso). Nicht wahr, Sannäs? – Wenn Sie erst meine Liebe zu Ihnen glauben – –

Sannäs. Dann wird alles andere vor meinen Augen klein erscheinen. – Und was mir noch fehlt, das werden Sie mich lehren.

Walborg. Sehen Sie mir in die Augen!

Sannäs (faßt ihre Hände). Ja –

Walborg. Glauben Sie noch, daß ich mich jemals Ihrer schämen konnte?

Sannäs. Nein, das glaube ich nicht.

Walborg. Glauben Sie auch, daß ich Sie lieb habe?

Sannäs (sinkt auf die Knie.) Ja –

Walborg. – Lieb genug, um mit Ihnen zusammen leben zu können?

Sannäs. Ja, ja – ich glaube es.

Walborg. Dann bleiben Sie bei mir. – Und wir wollen gemeinsam über unsere Eltern wachen – und sie ablösen wenn Gott sie einmal zu sich nimmt.

(Sannäs läßt Ihre Hände fallen und weint.)

(Tjälde erscheint mit Berent im Kontor, wo er Ihm das Hauptbuch zeigt. Er sieht hinaus – auf Sannäs und Walborg. Leise zu Walborg.)

Tjälde. Was gibt's denn hier?

Walborg (gelassen). Sannäs und ich haben uns verlobt.

Tjälde (leise). Nicht möglich! (zu Berent, der ins Hauptbuch vertieft ist.) Verzeihen Sie einen Moment. (Er verschwindet vom Fenster.)

Sannäs (steht auf). Verzeihen Sie mir. – Der Kampf war zu schwer – – (Wendet sich erregt ab.)

Walborg. Wir wollen zur Mutter gehen.

Sannäs (im Hintergrunde). Ich kann nicht. – – Sie müssen warten, bis –

Walborg. Da sind sie schon.

Siebte Szene

Die Vorigen. Tjälde. Dora. Später Signe.

(Tjälde rollt Dora heraus. Walborg eilt ihnen entgegen und umarmt Dora)

Dora (leise). Gott sei Lob und Dank!

Tjälde (umarmt Sannäs). Sannäs! – Mein Sohn!

Dora. Deshalb also wollte Sannäs reisen. – Sannäs!

(Tjälde führt Sannäs zu Dora. Sannäs kniet vor ihr nieder, küßt ihr die Hand, steht sofort wieder auf und geht in den Hintergrund.)

Signe (vom Hause her hinzutretend.) Mama – jetzt ist alles fertig.

Dora. Hier auch.

Signe (nachdem sie sich umgesehen hat.) Ist das denn möglich? – Ist es wirklich wahr?

Walborg. Sei mir nicht böse, Signe, daß ich dir nichts davon gesagt habe. – Ich wußte, was für ein Kampf hier noch bevorstand. – Beinahe hätte ich die Schlacht verloren. – Weißt du, wenn man einer Sache nicht ganz sicher ist, spricht man auch nicht gern von ihr.

Signe. Das Verheimlichen hast du aber verstanden, Walborg!

Walborg. Ich habe euch einen langen inneren Kampf verschwiegen – weiter nichts.

Signe (küßt sie und geht dann zu Sannäs). – Sannäs! – Wir sollen also Schwager und Schwägerin werden?

Sannäs (verlegen.) Fräulein Tjälde – Sie – –

Signe Aber dann heißt es auch nicht mehr »Fräulein« und »Sie«!

Walborg (hinzutretend.) Darüber darfst du dich nicht wundern. – Mich redet er auch nicht anders an.

Signe. Aber wenn ihr verheiratet seid, tut er es hoffentlich nicht mehr.

Dora (zu Tjälde.) Wo bleiben denn unsere Gäste?

Tjälde. Berent ist im Kontor. – Da steht er.

Berent (am Fenster.) Freund Jakobsen und ich werden sofort erscheinen und gratulieren. (Verläßt das Fenster.)

Tjälde (zu Walborg.) Mein Kind!

Walborg. Ohne jenen unglücklichen Tag hätten wir diesen glücklichen nicht erleben können.

(Tjälde drückt ihr stumm die Hand.)

Achte Szene

Die Vorigen. Jakobsen. Berent.

Tjälde. Darf ich Ihnen den Bräutigam meiner Tochter Walborg, Herrn Sannäs, vorstellen.

Berent. Nehmen Sie meinen Glückwunsch zu einer solchen Wahl, Fräulein Walborg. – Und dem ganzen Hause gratuliere ich zu diesem Schwiegersohn.

Walborg (triumphierend.) Sannäs!

Jakobsen. Ich bin zwar nur ein einfacher Mann, – aber erlauben Sie mir zu bemerken, – daß er schon als Junge von seiner Konfirmation an in Sie verliebt gewesen ist, – früher war es wohl nicht gut möglich. – Aber wahrhaftig, Fräulein, soviel Verstand hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, daß Sie den Sannäs nehmen würden. – (Gelächter.)

Dora. Hier sagt jemand, – das Essen wird kalt.

Signe. Herr Berent, – an Stelle meiner Mutter müssen Sie mich zu Tisch führen.

Berent (ihr den Arm bietend). Eine Ehre für mich. – Aber das Brautpaar hat den Vortritt.

Walborg. Sannäs!

Sannäs (nimmt ihren Arm, im Gehen.) Es ist also wirklich wahr, – ich halte Ihren Arm.

(Berent und Signe folgen, dann Jakobsen.)

Tjälde (rollt Dora dem Hause zu, bleibt stehen und beugt sich über Sie). Dora, – jetzt haben wir auf festem Grund, auf Wahrheit gebaut, – jetzt ruht auch Segen auf unserem Hause.

Dora. Ja, Henning!

Ende.


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