Theodor Birt
Römische Charakterköpfe
Theodor Birt

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Vorwort

Das vorliegende Buch befleißigt sich der Kürze. Es will Personen schildern, Menschen uns nahe bringen, und aus der Fülle der überlieferten historischen Einzelheiten galt es deshalb immer nur das Wesentliche hervorzuheben, damit vom Beiwerk die Zeichnung selbst nicht zugedeckt werde. Dabei wendet sich die Darstellung der römischen Staatsmänner, Feldherren und Kaiser, die ich gebe, an den weiten Kreis der Gebildeten; sie möchte aber auch die flüchtige Beachtung des Gelehrten und Fachmannes auf sich lenken. Denn es handelt sich um eine wichtige Sache, um die richtige Beurteilung eben jener vielgenannten führenden Männer Roms, des Hadrian und Mark Aurel, aber auch des Pompejus, Augustus, Mark Anton und anderer Größen, und ich trage seit langem die Überzeugung in mir, daß in den bisherigen Darstellungen, auch den besten, oft noch die Deutlichkeit, ja, auch die überzeugende innere Wahrheit fehlt, wenn nicht gar schrullenhafte Verzeichnungen vorliegen. Denn in den Büchern, die ich meine, werden die Menschen, um die es sich handelt, mit dem Gang der großen Staatsgeschichte, an der allein dort das Interesse haftet, allzu eng verflochten, und sie selber leben sich in ihrer vollen Natur nicht vor uns aus. Man darf einen Cäsar und Pompejus nicht nach ihren Erfolgen und dem Vorteil, den der Fortschritt der Dinge von ihnen gehabt hat, man darf sie nur nach dem beurteilen, was sie gewollt haben. Nur wer sie isoliert, wer ihre persönliche Bekanntschaft sucht und sie bis auf ihre Lebenswurzeln hin scharf belichtet, kann sie verstehen und würdigen. Ein gewisses dichterisches Erfassen muß dabei helfen; ohne miterlebende Phantasie läßt sich keine Personengeschichte schreiben.

Täusche ich mich nicht und können die Porträts, die ich gezeichnet, auf wirkliche Ähnlichkeit Anspruch machen, so ist aber noch mehr gewonnen, und das gesamte Geschichtsbild selbst wird damit zugleich hier und da berichtigt und innerlich wahrhaftiger. Denn diese Männer sind es eben, aus deren Tun und Lassen alle großen Hergänge fließen. Ich habe darum als meine zweite Aufgabe betrachtet, mit den Charakterzeichnungen ein ununterbrochenes Bild der Entwicklung Roms und des römischen Reiches zu verweben; und dabei ergab sich noch eins. Man meint gewöhnlich, die guten und schlechten Herrscher wechselten in Rom zufällig wie das Wetter. Das bedeutet den Verzicht auf ein wirkliches Verstehen. Mein Geschichtsbild zeigt, daß in der Aufeinanderfolge der Personen vielmehr eine innere Notwendigkeit gewaltet hat; denn sie sind nur die Produkte der Gesellschaft, aus der sie hervorgehen. Es ist geboten, auf das Ethische zu achten. Mark Anton und Nero verkörpern nur den zerrütteten Zeitgeist, der sie bedingt hat. Mit der allmählichen und allgemeinen Hebung des Menschentums in Rom hebt sich auch das Regiment, veredelt sich die Natur der herrschenden Personen, von Seneca bis Mark Aurel. Kein blinder Zufall spielt hier; wer eine Bilderfolge gibt, hat auch die inneren Gründe ihres Wechsels aufzudecken.

Marburg a. L., 31. Juli 1913.

Der Verfasser.

 

Der Zweck meiner Darstellung ist, wie schon das obige Vorwort andeutet, nicht Unterhaltung, sondern Feststellung des Tatsächlichen. Wenn man sie gleichwohl unterhaltend gefunden hat, so liegt dies an dem so außerordentlich bedeutsamen Gegenstande, den sie behandelt. Ich wollte, der Satz hätte allgemeine Geltung, daß die Wahrheit immer fesselnd ist; ich wollte insbesondere, daß er auch von dieser meiner bescheidenen Arbeit gelten könnte! Die Gesichtspunkte, nach denen ich die Charakterbilder niedergeschrieben, habe ich inzwischen ausführlicher in den Preußischen Jahrbüchern 1914, S. 563 ff. dargelegt, und der Freund dieses Buches sei darauf verwiesen.Vgl. auch Jahrbuch des freien Deutschen Hochstifts zu Frankfurt a. M. 1913, S. 4. Durch Berichtigungen und mehrere Zusätze habe ich endlich die nunmehr erscheinende Neuausgabe zu verbessern gesucht.

Marburg a. L., 31. Juli 1916.

D. V.

 

So wie die voraufgehenden hat auch die jetzige Neuausgabe meiner »Charakterköpfe« mehrere Berichtigungen und Zusätze erfahren. Wärmsten Dank habe ich meinem Kollegen, Herrn von Premerstein, zu sagen, der mir für die dritte Auflage auf das liebenswürdigste zu einer Reihe von Änderungen die Anregung gegeben hat. Mit einiger Genugtuung aber stelle ich fest, daß manches, worauf ich Wert lege, insbesondere die Auffassung des Pompejus und Julius Cäsar, die ich vertrete, und die Art, wie ich Augustus zu Pompejus und Cicero in Beziehung setze, seit dem Erscheinen der ersten Auflage meines Buches in der neueren Geschichtschreibung mehr und mehr Boden gewonnen hat, ohne freilich daß meine Arbeit dabei von den Fachgenossen einer Erwähnung gewürdigt wird. Um des Augustus Verhältnis zu Cicero und Pompejus zu verstehen, ist die richtige Auffassung der Schrift Ciceros vom besten Staat (De re publica) von wesentlicher Bedeutung. Neuerdings ist von R. Heinze der vergebliche Versuch gemacht worden, die Auffassung vom Zweck dieser Schrift, die ich vertrete, umzuwerfen. Es war daher nötig, obschon dies Buch sonst Polemik vermeidet, eine etwas eingehendere Widerlegung zu geben, wofür auf den Anhang S. 337 verwiesen sei.

Marburg, 2. Februar 1932.

D. V.

 


 


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