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Im Literaten-Café

»Abend, Herr Inspektor!« »Abend, Herr Krause!« »Heil dem Sherlock Holmes von Berlin und Umgebung!«

Ein halbes Dutzend Hände streckten sich Krause entgegen und er ließ sich lächelnd an dem Tisch der Journalisten im Romanischen Cafe nieder. Es ging schon auf Mitternacht und aus verschiedenen Zeitungsbureaus kamen die Zeitungsmenschen angeschwirrt, um jetzt endlich, wenn die Bürger an das Bett dachten, ein wenig zu leben und die aufgekratzten Nerven zu beruhigen. Krause war an dem Tisch ein seltener, dafür um so lieber gesehener Gast, er verstand fesselnd aus seinem Berufsleben zu erzählen, auch die Nichteingeweihten witterten in ihm einen Menschen von Klasse und Erziehung und außerdem machte er mitunter dem einen oder anderen Redakteur dieser oder jener Zeitung Mitteilungen, die man als Tagessensation gut verwerten konnte.

Der dicke, kleine Rot von der »Lokalpresse« bemächtigte sich sofort des Polizeibeamten, den man gewöhnlich per Herr Inspektor titulierte.

»Sagen Sie einmal, Herr Inspektor, wann wird unsere sehr verehrliche Polizei nun eigentlich den Frauenmörder erwischen? Oder will man warten, bis er sämtliche alten Jungfern von Berlin umgebracht hat?«

Kunzendorf von der »Mittagspost« warf tadelnd ein:

»Sie sind zynisch, Herr Kollege, man scherzt über solch gräßliche Dinge nicht! Außerdem belieben Sie aber auch taktlos zu sein, da Sie doch ebensogut wie wir alle wissen, daß Herr Krause selbst die Nachforschungen in diesem Falle fuhrt.«

Krause wehrte lächelnd ab.

»Bitte sich keinen Zwang aufzuerlegen! Ich fürchte selbst, daß wir uns blamieren werden, denn noch niemals in meinem Leben habe ich so wenig Anhaltspunkte gehabt, wie diesmal. Ja, wenn wir Näheres über die verschwundenen Mädchen wüßten, wäre es nicht so schwer, Fäden aufzudecken, die zu dem Mörder führen. Aber es ist nicht ein Sterbenswörtchen über diese Möllers, Müllers und Cohens zu erfahren und wir laufen einem »Irgendjemand« nach, der blonde Haare hat und einen Kneifer trägt. Könnten Sie auch sein, Herr Doktor König!«

Tatsächlich war Herr Dr. König vom Abendkurier« schlank, blond und trug einen Kneifer. Alles lachte, am meisten Dr. König selbst.

Nun kam der in ganz Berlin bekannte Fritz Waldstock vom Berliner »Herold«, ein kleiner, älterer Herr mit grauen Locken, recht schäbig gekleidet und doch der geschickteste Interviewer und Reporter, berühmt wegen seines fabelhaften Gedächtnisses und der unübertrefflichen Personenkenntnisse. Er war fähig, auf einem Ball, bei einer Sensationspremiere oder in Hoppegarten eine fehlerlose Liste von tausend anwesenden Persönlichkeiten zusammenzustellen, wobei er bei keiner Person den Vornamen und die genaue Titulatur vermissen ließ.

Das Gespräch wurde allgemein und lebhaft, jeder erzählte von berühmten Verbrechen, Justizirrtümern und aufregenden Prozessen, bis Krause das Gespräch geschickt auf neuerschienene Bücher lenkte. Plötzlich griff er sich an die Stirne und rief:

»Neulich habe ich irgendetwas von einem gewissen Thomas Hartwig gelesen! Ich weiß nicht mehr, war es ein Roman, eine Novelle oder ein Feuilleton, jedenfalls hat es mir sehr gefallen! Himmel, wenn ich mich nur entsinnen könnte, was es gewesen ist!«

Waldstock fuhr mit der ungepflegten Hand durch seine grauen Haare, daß die Schuppen über den Tisch flogen.

»Lieber Krause, wenn Sie etwas nicht wissen, so müssen Sie sich immer an mich wenden! Thomas Hartwig ist ein netter, junger Mann, der wirklich ganz hübsche Sächelchen, so Essais und andere Überflüssigkeiten schreibt. Halt, vor einiger Zeit hat er auch einen dickleibigen Roman, den Titel kenne ich allerdings nicht, bei irgend einem obskuren Verlag in der Provinz erscheinen lassen. Übrigens schreibt er auch hier und da für den Berliner »Herold«, und wenn Sie wollen, so werde ich unsere Redaktionssekretärin, die Lotte Fröhlich, fragen. Wenn ich nicht irre, so hat sie ein kleines Techtelmechtel mit ihm, wenigstens habe ich die beiden einigemal zusammen in einem Kaffeehaus gesehen.«

»Bemühen Sie sich nicht, Herr Waldstock, ich habe ohnedies morgen oder übermorgen beim »Herold« zu tun und da kann ich ja selbst fragen. Übrigens ist es so wichtig nicht!«

Krause ging bald, er hatte heute mehr erfahren, als er noch gestern zu hoffen gewagt hätte und er war müde, todmüde und sehnte sich nach seinem stillen, ruhigen Zimmer in Wilmersdorf und der guten frischen Luft, die durch die offene Balkontür seinen Schlaf stärken und friedlich gestalten würde.


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