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Zweites Kapitel

Situations- und Wortkomik

Wir haben das Komische in Formen, Haltungen, Bewegungen im allgemeinen studiert; jetzt müssen wir es in Handlungen und Situationen aufsuchen. Gewiß trifft man diese Art Komik ziemlich leicht im täglichen Leben. Aber vielleicht ist es gerade da der Analyse nicht am ehesten zugänglich. Wenn es wahr ist, daß das Theater das Leben vergrößert und vereinfacht wiedergibt, so wird uns die Komödie in diesem besonderen Punkte bessere Auskunft liefern als das wirkliche Leben. Vielleicht sollten wir die Vereinfachung noch weiter treiben, auf unsere frühesten Erinnerungen zurückgehen und in den Spielen, über die das Kind lachte, die erste rohe Form der Kombinationen, die der Mann komisch findet, zu erkennen suchen. Wir sprechen zu oft von Gefühlen der Freude und des Schmerzes, als ob sie alt und fertig entstünden, als ob nicht jedes von ihnen seine Geschichte hätte.

Zu oft vor allem verkennen wir, wieviel noch Kindliches in den meisten unserer Freudegefühle steckt. Wieviel Vergnügen in der Gegenwart würde sich aber nicht bei genauerer Prüfung auf Erinnerungen an früheres Vergnügen reduzieren! Was bliebe von vielen unserer Gefühle übrig, wenn wir auf das unmittelbar Gefühlte in ihnen zurückgingen, wenn wir von ihnen alles loslösten, was einfach Erinnerung ist? Ja wer weiß, ob wir nicht von einem gewissen Alter ab für frische und neue Freude unzugänglich werden, und ob die süßeste Freude des reifen Mannes etwas anderes sein kann als wieder belebte Kindheitsgefühle? Ein duftender Hauch, der uns immer seltener, aus immer fernerer Vergangenheit zuweht? Wie immer man übrigens diese sehr allgemeine Frage beantworten mag, ein Punkt bleibt außer Zweifel: der Zusammenhang zwischen dem Vergnügen am Spiel beim Kinde und dem gleichen Vergnügen beim Manne kann nirgends unterbrochen sein. Nun ist die Komödie in der Tat ein Spiel, ein Spiel, das das Leben nachahmt. Und wenn in den Spielen des Kindes, das Puppen und Hampelmänner tanzen läßt, alles durch Fäden gemacht wird: sind es nicht die gleichen, bloß mit der Zeit dünner gewordenen Fäden, die die Situationen des Lustspiels verknüpfen? Gehen wir also von den Spielen des Kindes aus. Folgen wir dem unmerklichen Vorgang, in dem das Kind seine Puppen größer werden läßt, sie belebt und sie schließlich in jenen merkwürdigen mittleren Zustand überführt, wo sie zu Menschen geworden sind und doch nicht aufhören, Puppen zu sein. Was wir dann haben, sind Lustspielfiguren. Sie werden uns das Gesetz bewahrheiten, das die vorausgehenden Analysen uns ahnen ließen, jenes Gesetz, mit dem wir ganz allgemein Schwanksituationen definieren: Komisch ist jede Verkettung von Handlungen und Ereignissen, die uns die Illusion des Lebens und das deutliche Gefühl eines mechanischen Arrangements zugleich verschafft.

 

1. Der Springteufel: Wir alle haben früher mit dem Teufel gespielt, der aus seinem Kasten springt. Man drückt ihn platt, er schnellt wieder hoch. Man stößt ihn tiefer hinunter, und er springt höher wieder hinauf. Man quetscht ihn unter seinen Deckel, und oft hüpft er auch dann noch mit dem ganzen Kasten in die Höhe. Ich weiß nicht, ob dieses Spielzeug sehr alt ist, aber die Art von Vergnügen, die es birgt, ist gewiß allen Zeiten eigen. Es ist der Kampf zweier Eigensinne, von denen aber gewöhnlich der eine, rein mechanische schließlich dem andern erliegt, den das Spiel belustigt. Die Katze, die mit der Maus spielt und diese wie aufgezogen laufen läßt, um sie immer wieder mit einem Sprunge zu packen, macht sich ein Vergnügen gleicher Art.

Gehen wir von da zum Theater. Mit dem Kasperle müssen wir anfangen. Sowie sich der Gendarm auf die Bühne wagt, erhält er, als müßte das so sein, einen Hieb mit dem Knüttel, der ihn zu Boden schlägt. Er richtet sich auf, ein zweiter Hieb haut ihn hin. Neuer Rückfall, neue Prügel. In dem gleichförmigen Rhythmus einer Feder, die sich spannt und entspannt, erhebt sich der Gendarm und fällt um, während das Lachen der Zuschauer immer lauter wird.

Denken wir uns jetzt eine mehr geistige Feder, einen Gedanken, der ausgedrückt wird, und den man unterdrückt, der sich wieder ausdrücken will, in einer Flut von Worten hervorbricht, den man aufhält, und der immer wieder losgeht. Da haben wir wieder das Bild einer Kraft, die hartnäckig auf etwas versessen ist, und einer anderen, von der sie ebenso hartnäckig unterdrückt wird. Aber dieses Bild hat nun einiges von seiner Materialität verloren. Wir stehen damit nicht mehr beim Kasperle, wir sehen einem wirklichen Lustspiel zu.

Viele komischen Szenen gehen in der Tat auf diesen einfachen Typ zurück. So stammt in Molières Heirat wider Willen in der Szene zwischen Sganarelle und Pankratius alle Komik aus dem Kampfe zwischen Sganarelles Gedanken, der den Philosophen zwingen will, ihn anzuhören, und der Hartnäckigkeit des Philosophen, der eine wahre automatisch funktionierende Sprechmaschine ist. Im Fortgang der Handlung tritt das Bild des Springteufelchens immer deutlicher hervor, so deutlich, daß zuletzt die Personen selbst jene Bewegung aufnehmen, Sganarelle den Pankratius immer in die Kulisse drängt, Pankratius jedesmal auf die Bühne zurückkommt, um weiter zu reden. Und als es Sganarelle endlich gelingt, Pankratius hineinzudrängen und ihn ins Haus (fast hätte ich gesagt: in den Kasten) zu sperren, taucht sein Kopf gleich wieder durchs Fenster auf, als ob er den Deckel sprengte.

Ein gleicher Auftritt spielt sich im Eingebildeten Kranken ab. Durch den Mund des Doktor Purgon überschüttet die beleidigte Heilkunst Argan mit den Schrecken aller Krankheiten, die ihn befallen sollen. Und jedesmal, wenn Argan sich in seinem Sessel erhebt, wie um Purgon den Mund zu schließen, sehen wir diesen für einen Augenblick verschwinden, als wenn man ihn in die Kulisse schöbe, und dann wie von einer Feder getrieben mit einer neuen Verwünschung auf der Bühne erscheinen. Der gleiche, unaufhörlich wiederholte Ausruf Argans: »Herr Doktor!« gibt der kleinen Szene ihren Rhythmus.

Wenn wir das Bild der Feder, die sich spannt, entspannt und wieder spannt, auf sein Letztes, Wesentliches reduzieren, erhalten wir ein geläufiges Verfahren der klassischen Komödie, die Wiederholung.

Woher kommt auf dem Theater das Komische der Wiederholung einer Redensart? Ich suche vergeblich nach einer Theorie des Komischen, die diese an sich so einfache Frage befriedigend beantwortet. Und die Frage bleibt in der Tat unlösbar, solange man einen komisch wirkenden Zug lediglich aus sich selbst, ohne Rücksicht auf all das, was ihm für uns anhaftet, erklären will. Nirgends verrät sich das Ungenügende der üblichen Methode deutlicher. In Wahrheit ist, wenn man einige ganz spezielle Fälle, auf die wir noch zurückkommen, beiseite läßt, die Wiederholung einer Redensart an sich niemals lächerlich. Sie erscheint uns nur komisch, weil sie der symbolische Ausdruck eines eigentümlichen Spiels geistiger Elemente ist, das seinerseits Symbol eines ganz materiellen Spiels ist. Es ist das Spiel der Katze, die mit der Maus spielt, das Spiel des Kindes, das sein Teufelchen immer wieder in die Schachtel stößt, – verfeinert, vergeistigt, in die Sphäre der Gefühle und Gedanken übertragen. Wir formulieren das Gesetz, das nach unserer Meinung die hauptsächlichen komischen Effekte der Wiederholung von Redensarten auf dem Theater erfaßt: In einer komischen Wiederholung von Redensarten sind im allgemeinen zwei Glieder im Spiele, ein zurückgedrängtes Gefühl, das wie eine Feder losschnellt, und eine überlegene Idee, die das Gefühl von neuem zurückdrängt.

Wenn Dorine dem Orgon von der Krankheit seiner Frau erzählt und dieser sie unaufhörlich unterbricht, um sich nach Tartuffes Gesundheit zu erkundigen, dann erregt die immer wiederkehrende Frage: »Und Tartuffe?« in uns ganz deutlich die Empfindung einer Feder, die losschnellt. Lustig pufft Dorine diese Feder zurück und fährt ruhig in dem Berichte von Elmirens Krankheit fort. Und wenn Scapin dem alten Géronte verkündet, daß sein Sohn gefangen auf der berühmten Galeere sitzt und daß man ihn schleunigst loskaufen müsse, dann spielt er mit Gérontes Geiz genau wie Dorine mit Orgons Verblendung. Kaum unterdrückt, schnellt der Geiz sofort automatisch, wieder los. Molière hat diesen Automatismus angedeutet durch die mechanische Wiederholung einer Phrase, in der sich der Kummer über das Geld, das er wird hergeben müssen, ausspricht: »Was zum Teufel hat er auf der Galeere zu suchen?« Dasselbe bemerken wir in dem Auftritte, wo Valère dem Harpagon vorstellt, wie unrecht er habe, seine Tochter einem Manne zu verheiraten, den sie nicht liebe. »Ohne Mitgift!« fährt Harpagons Geiz immer dazwischen. Und wir ahnen hinter diesem Worte, das automatisch wiederkehrt, einen ganzen Repetiermechanismus, den eine fixe Idee montiert hat.

Bisweilen freilich ist dieser Mechanismus schwerer zu bemerken. Wir berühren hier eine neue Schwierigkeit der Theorie des Komischen. Es gibt Fälle, wo das ganze Interesse einer Szene in einer einzigen Person ruht, die sich gewissermaßen verdoppelt, indem ihr Partner ihr einfach das Prisma abgibt, in dem sie sich spaltet. Wir laufen alsdann Gefahr irre zu gehen, wenn wir das Geheimnis der komischen Wirkung in dem suchen, was wir sehen und hören, in dem äußeren Auftritt, der zwischen den Personen spielt, und nicht in der rein innerlichen Komödie, die der Auftritt nur gebrochen zeigt. Wenn zum Beispiel Alceste auf Orontes Frage, er finde wohl seine Verse schlecht, beharrlich: »Das nicht!« antwortet, dann ist die Wiederholung komisch, und doch ist klar, daß hier nicht Oronte mit Alceste in der Weise spielt, wie wir es oben beschrieben haben. Aber man sehe nur genau hin: in Wahrheit stecken hier zwei Menschen in Alceste, auf der einen Seite der ›Misanthrop‹, der sich geschworen hat, den Leuten immer die ungeschminkte Wahrheit zu sagen, und auf der andern Seite der Aristokrat, der nicht mit einem Schlage die Höflichkeitsformen vergessen kann, oder vielleicht auch einfach der wackere Mann, der im entscheidenden Augenblicke zurückweicht, wenn es gälte, von der Theorie zur Handlung zu schreiten, die Eigenliebe eines andern zu verletzen, Schmerz zu bereiten. Der wahre Auftritt erfolgt also nicht zwischen Alceste und Oronte, sondern zwischen Alceste und Alceste selber. Von diesen beiden Alcesten möchte der eine losplatzen, und der andere schließt ihm in dem Augenblicke den Mund, wo er alles zu sagen im Begriff ist. Jedes dieser »Das nicht!« ist eine wachsende Anstrengung, etwas zurückzudrängen, das durchaus heraus will. Der Ton, in dem dieses »Das nicht!« herauskommt, wird also immer heftiger, Alceste immer wütender – nicht auf Oronte, wie er glaubt, sondern auf sich selbst. Und so spannt sich die Feder immer von neuem und immer stärker, bis sie schließlich losplatzt. Der Mechanismus der Wiederholung ist also auch hier der gleiche. Wenn ein Mensch sich entschließt, immer nur das zu sagen, was er denkt, und müßte er »der ganzen Menschheit ins Gesicht schlagen«, so ist das nicht notwendig komisch; es ist Leben, und zwar von der besten Art. Wenn ein anderer aus angeborener Sanftmut, aus Egoismus oder aus Geringschätzung den Leuten lieber nur Angenehmes sagt, so ist auch das nur erst Leben, und es ist noch nichts Komisches dabei. Ja, man verschmelze diese beiden Menschen zu einem und lasse diesen zwischen verletzendem Freimut und trügerischer Höflichkeit schwanken, so wird der Kampf der beiden entgegengesetzten Gefüllte noch nicht komisch sein, er wird gerade recht ernst erscheinen, wenn die beiden Gefühle aus ihrer Gegensätzlichkeit heraus zu einem neuen Ganzen gelangen, wenn es ihnen gelingt, sich vereint zu entwickeln und einen komplexen Seelenzustand zu schaffen, kurzum einen Modus vivendi zu finden, der uns schlechthin den Eindruck des vielgestaltigen Lebens macht. Aber man lasse jetzt in einem lebendigen Menschen diese beiden Gefühle getrennt und starr nebeneinander liegen, man lasse den Menschen zwischen ihnen hin und her schwanken, man richte vor allem dieses Schwanken so ein, daß es einfach mechanisch wird und die bekannte Form einer einfachen, gebräuchlichen, kindlichen Vorrichtung annimmt, und man erhält diesmal das Bild, das wir bisher in allen lächerlichen Gegenständen gefunden haben, Mechanisches im Lebendigen, und dann hat man Komik.

Wir haben auf dieses erste Bild, das Springteufelchen, ziemliches Gewicht gelegt, um verständlich zu machen, wie der Geist des Komischen nach und nach einen materiellen Mechanismus in einen geistigen überführt. Wir werden jetzt ein paar andere Spiele betrachten, uns dabei aber auf allgemeine Andeutungen beschränken.

 

2. Die Marionette. – Es gibt unzählige Lustspielszenen, wo eine Person glaubt, sie spreche und handle frei, wo diese Person infolgedessen alles Wesentliche des Lebens behält, während sie doch, von einer bestimmten Seite aus gesehen, einfach wie ein Spielzeug in der Hand eines andern erscheint, der mit ihr spielt. Von der Puppe, die das Kind an einem Drahte spielen läßt, bis zu Géronte und Argante, die Spielzeug in Scapins Händen sind, ist kein weiter Weg. Man hört am besten Scapin selbst: »Die Maschinerie ist bald gefunden«, und weiter: »Der Himmel selbst führt sie in meine Netze« usw. Aus einem natürlichen Instinkte, und weil man, wenigstens in der Phantasie, lieber Betrüger als Betrogener ist, stellt sich der Zuschauer auf Seite der Schelme. Er macht mit ihnen gleiche Sache und läßt hinfort selbst, wie ein Kind, das von Kameraden eine Puppe geliehen bekommen hat, die Marionette, deren Fäden er in der Hand hält, sich auf der Bühne bewegen. Indessen ist diese letzte Bedingung nicht unerläßlich. Wir können uns ebensogut rein betrachtend verhalten, wenn wir nur ganz deutlich das Gefühl eines mechanischen Arrangements behalten. Das ist immer der Fall, wo jemand zwischen zwei entgegengesetzten Entschlüssen schwankt und beide ihn abwechselnd locken: so wenn Panurge bei Hinz und Kunz herumfragt, ob er sich verheiraten soll. Bemerken wir noch, daß der Humorist immer Sorge trägt, die beiden entgegengesetzten Möglichkeiten zu personifizieren. Versagt der Zuschauer, dann müssen wenigstens ein paar der Spielenden die Fäden halten.

Aller Ernst des Lebens kommt von unserer Freiheit. Die Gefühle und Leidenschaften, die wir gehegt, die Taten, die wir bedacht, beschlossen und ausgeführt haben, kurzum alles, was von uns kommt und uns ganz gehört, das ist es, was den Leben seine bisweilen dramatische und im ganzen ernste und schwere Haltung gibt. Wodurch könnte man das Ganze in Komödie verwandeln? Man müßte sich vorstellen, daß die scheinbare Freiheit ein Spiel von Fäden verdeckt und daß wir hienieden nichts sind als, wie der Dichter sagt,

... armselige Marionetten,
Die an des Schicksals grauen Fäden laufen.

Es gibt also keine wirkliche, ernste, ja überhaupt keine dramatische Szene, die die Phantasie durch Erweckung dieses einfachen Bildes nicht komisch werden lassen könnte. Und keinem Spiele steht ein weiteres Feld offen.

 

3. Der Schneeball. – Je weiter wir in dieser Studie der Lustspieltechnik vorschreiten, um so besser verstehen wir die Rolle, die die Kindheitserinnerungen dabei spielen. Diese Erinnerung erstreckt sich vielleicht weniger auf ein ganz bestimmtes Spiel als auf die mechanische Vorrichtung, von der dies Spiel eine Anwendung ist. Die gleiche allgemeine Vorrichtung kann übrigens sehr verschiedenen Spielen zugrunde liegen, wie dieselbe Melodie aus einer Oper vielen musikalischen Phantasien. Was hier wichtig ist, was man behält, was in unmerklichen Graden aus den Spielen des Kindes in die des Mannes übergeht, das ist das Schema der Verbindung oder, wenn man so will, die abstrakte Formel, von der diese Spiele besondere Anwendungen sind. Da ist zum Beispiel der herabrollende Schneeball, der immer größer und größer wird. Wir könnten ebensogut an Bleisoldaten denken, die in einer Reihe aufgestellt sind: stößt man den ersten an, so fällt er auf den zweiten, der den dritten umwirft und so in Steigerung weiter, bis alle daliegen. Oder auch an ein mühsam aufgebautes Kartenhaus: die erste Karte, die man antippt, überlegt sichs noch, die benachbarte entscheidet sich schneller, und das Werk der Zerstörung eilt mit zunehmender Geschwindigkeit unaufhaltsam zur Katastrophe. All diese Gegenstände sind sehr verschieden, aber sie suggerieren uns alle das gleiche abstrakte Bild einer Kraft, die sich wachsend fortpflanzt, so daß die anfänglich unbedeutende Ursache in notwendigem Fortgange ein ebenso bedeutsames als unerwartetes Resultat ergibt. Schlagen wir nun ein Kinderbilderbuch auf: wir werden sehen, wie die Vorrichtung, deren Wesen wir eben beschrieben haben, sich schon auf die Form einer komischen Szene hinentwickelt. Da tritt zum Beispiel ein Besucher hastig in ein Zimmer, stößt eine Dame an, die ihre Tasse Tee auf einen alten Herrn ergießt, der rückwärts ausweicht, eine Fensterscheibe eindrückt, die draußen einem Schutzmann auf den Kopf fällt, der die ganze Polizei auf die Beine bringt, usw. ... Der gleiche Trick liegt sehr vielen Bildern für Erwachsene zugrunde. In humoristischen »Erzählungen ohne Worte« spielt oft irgendein Gegenstand eine Rolle, der sich verschiebt und mit dem proportional gewisse Personen ihre Lage ändern, wodurch in mechanischer Steigerung die Lage der Personen immer bedenklicher wird. Und gehen wir jetzt zur Komödie über, wieviel Szenen derber Komik, ja wieviel Lustspiele gehen nicht auf diesen einfachen Typ zurück! Man lese in den Plaideurs Chicanneaus Bericht nach: da folgt Prozeß auf Prozeß, und der Mechanismus funktioniert immer schneller (Racine erregt in uns das Gefühl einer wachsenden Beschleunigung dadurch, daß er die juristischen Ausdrücke immer mehr häuft), bis schließlich die eines Heubündels wegen angestrengte Klage dem Kläger den besten Teil seines Vermögens kostet. In ähnlicher Folge spielen sich gewisse Auftritte im Don Quijote ab, zum Beispiel die Wirtshausszene, wo in einer seltsamen Verkettung der Umstände der Maultiertreiber den Sancho verprügelt, dieser die Dirne, der Wirt die Dirne ... usw. Sehen wir uns nun noch den zeitgenössischen Schwank an. Ist es nötig, an alle Formen zu erinnern, die diese selbe Kombination annehmen kann? Von einer macht man ziemlich häufig Gebrauch: sie besteht darin, daß irgendein Gegenstand (ein Brief zum Beispiel) für gewisse Personen von wesentlicher Bedeutung ist und daß man ihn um jeden Preis wieder haben muß. Immer wenn man ihn zu fassen glaubt, entschlüpft er und rollt so durch das ganze Stück und wälzt auf seiner Bahn immer tollere Ereignisse mit sich. All das ähnelt mehr, als man zunächst glauben möchte, einem Kinderspiele; es ist immer der Schneeball.

Das Eigentümliche einer mechanischen Kombination ist, daß sie im allgemeinen umkehrbar ist. Es macht einem Kinde Spaß, zu sehen, wie eine losgeschnellte Kugel unterwegs immer mehr Verwüstungen unter den aufgestellten Kegelchen anrichtet; es lacht noch mehr, wenn die Kugel nach vielen Wendungen, Abwegen, Zögerungen aller Art an ihren Ausgangspunkt zurückkehrt. Mit anderen Worten: der Mechanismus, den wir soeben beschrieben haben, ist schon komisch, wenn er gradlinig wirkt; er ist es noch mehr, wenn er kreisförmig wird und wenn infolge einer verhängnisvollen Verkettung von Ursachen und Wirkungen alle Anstrengungen des Menschen einfach darauf hinauslaufen, daß er sich schließlich an ebendemselben Platze wiederfindet. Sehr viele Schwanke haben in dieser Idee ihren Schwerpunkt. Ein Pferd hat einen Florentiner Strohhut aufgefressen. In ganz Paris gibt es einen einzigen ähnlichen Hut, den man auf jeden Fall haben muß. Der Hut entwischt jedesmal in dem Augenblick, wo man ihn zu haben glaubt, die Hauptperson läuft hinter ihm her und setzt alles, was mit ihr zusammenhängt, ebenfalls in Bewegung: so wie sich die Anziehungskraft des Magnets immer weiter erstreckt und ein Eisenteilchen das andere an sich zieht. Und als man schließlich nach vielen Zwischenfällen am Ziel zu sein glaubt, findet sich, daß der heißersehnte Hut jener selbe ist, den das Pferd gefressen hatte. Dieselbe Odyssee erleben wir in einer andern, nicht weniger berühmten Komödie von Labiche. Wir sehen zunächst einen Junggesellen und eine alte Jungfer, die alte Bekannte sind, bei ihrem täglichen Kartenspiel. Beide haben sich heimlich an das gleiche Heiratsbureau gewandt. Durch tausend Schwierigkeiten, von Mißgeschick zu Mißgeschick gehen sie nebeneinander während des ganzen Stückes der Zusammenkunft entgegen, wo eines verblüfft das andere vorfindet. In derselben Weise schließt sich der Kreis durch Zurückgelangen auf den Ausgangspunkt in einem neueren Stücke. Ein bedrängter Gatte glaubt seiner Frau und seiner Schwiegermutter durch die Scheidung zu entkommen. Er verheiratet sich wieder; und schon beschert ihm das Wechselspiel von Scheidung und Heirat seine frühere Frau in schlimmerer Gestalt als neue Schwiegermutter.

Denkt man an die Schlagkraft und die Häufigkeit dieser Art von Komik, so versteht man, daß sie gewissen Philosophen besonders aufgefallen ist. Einen großen Weg machen, um schließlich doch am Ausgangspunkt anzukommen, heißt eine große Anstrengung an ein nichtiges Resultat setzen. Man könnte versucht sein, das Komische auf diese letzte Art zu definieren. So scheint Herbert Spencer gedacht zu haben: nach ihm stellt sich Lachen ein, wenn ein seelischer Kraftantrieb plötzlich leer läuft. Schon Kant sagte: »Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in Nichts.« Ich gebe zu, daß diese Definitionen auf unsere letzten Beispiele passen würden; doch müßte man auch da die Formel gewissen Einschränkungen unterwerfen, denn es gibt sehr viele unnütze Kraftanstrengungen, die nicht komisch wirken. Aber wenn unsere letzten Beispiele uns eine große Ursache mit einer kleinen Wirkung zeigen, so haben wir kurz vorher andere zitiert, die dann gerade umgekehrt zu definieren wären als eine große Wirkung aus kleiner Ursache. In Wahrheit wäre diese zweite Definition kaum besser als die erste. Das Mißverhältnis zwischen Ursache und Wirkung, das sie so oder so zur Hauptsache macht, ist niemals die unmittelbare Quelle des Lachens. Wir lachen über etwas, was dieses Mißverhältnis in gewissen Fällen zeigen kann, das heißt, wir lachen über die spezielle mechanische Anordnung, die wir hinter einer Reihe von Wirkungen und Ursachen durchscheinen sehen. Vernachlässigt man diese Anordnung, so verliert man den einzigen Leitfaden, der einen im Labyrinthe des Komischen führen kann, und die Regel, der man alsdann folgt und die vielleicht auf gewisse passend gewählte Fälle anwendbar ist, bleibt der Gefahr ausgesetzt, daß das erste beste Beispiel sie über den Haufen wirft.

Warum lachen wir aber über diese mechanische Anordnung? Wenn die Geschichte eines Individuums oder einer Gruppe uns in einem gegebenen Moment wie ein Spiel von Transmissionen, von Federn oder Fäden erscheint, das ist ohne Zweifel seltsam, aber woher stammt der eigentümliche Charakter dieser Seltsamkeit? Warum ist sie komisch? Auf diese Frage, die uns schon in den verschiedensten Formen entgegengetreten ist, werden wir immer die gleiche Antwort geben. Der starre Mechanismus, den wir von Zeit zu Zeit wie einen Eindringling in dem lebendigen Zusammenhang der menschlichen Dinge überraschen, hat für uns ein ganz besonderes Interesse, weil er wie eine Zerstreutheit des Lebens ist. Wenn die Ereignisse immer auf ihren richtigen Lauf acht geben könnten, dann gäbe es keine Koinzidenz, keinen Zusammenstoß, keinen Zirkelgang unter ihnen; alles würde sich in stetem Fortschritt vorwärts abwickeln. Und wenn alle Menschen immer auf das Leben acht gäben, wenn wir mit den andern und auch mit uns selbst in ständiger Fühlung blieben, dann könnte sich nie in uns etwas durch Federn oder Fäden zu vollziehen scheinen. Das Komische ist die Seite im Menschen, mit der er einer Sache ähnelt, die Ansicht menschlicher Vorgänge, die durch ihre eigenartige Starrheit schlechtweg eine Imitation des Mechanismus, des Automatismus, kurz der unlebendigen Bewegung darstellt. Es drückt also eine individuelle oder kollektive Unvollkommenheit aus, die unmittelbare Korrektur verlangt. Das Lachen ist eben diese Korrektur. Das Lachen ist eine bestimmte soziale Gebärde, die eine bestimmte Zerstreutheit von Menschen und Vorgängen unterstreicht und zurückweist.

Doch gerade dies lädt uns ein, weiter und höher zu suchen. Es hat uns bisher Vergnügen gemacht, in den Spielen der Erwachsenen gewisse Mechanismen wiederzufinden, über die schon das Kind lacht. Dies Verfahren war ganz empirisch. Der Augenblick ist gekommen, wo eine vollständige methodische Deduktion zu versuchen ist, welche all die verschiedenen Mittel, über die die komische Bühne verfügt, an ihrer Quelle, in ihrem einfachen und steten Prinzip zu erfassen hätte. Die Komödie, sahen wir, ordnet die Vorgänge so an, daß sie in den äußeren Ablauf des Lebens eine Art Mechanismus einführt. Bestimmen wir also die wesentlichen Merkmale, durch die das Leben, von außen gesehen, sich von einem einfachen Mechanismus abzuheben scheint. Es wird dann genügen, die entgegengesetzten Merkmale zu nehmen, um, diesmal allgemein gültig und umfassend, die abstrakte Formel aller wirklichen und möglichen Mittel der Komödie zu erhalten.

Das Leben stellt sich uns dar als ein bestimmtes Nacheinander in der Zeit und Nebeneinander im Räume. In der Zeit betrachtet ist es der stete Fortschritt eines Wesens, das unaufhörlich älter wird: das heißt, es kommt nie zurück und wiederholt sich nie. Im Raume betrachtet breitet es vor uns koexistente Elemente aus, die untereinander so innig verbunden, so ausschließlich für einander geschaffen sind, daß keins von ihnen gleichzeitig zwei verschiedenen Organismen angehören könnte: jedes lebende Wesen ist ein geschlossenes System von Erscheinungen, dem die Interferenz mit andern Systemen unmöglich ist. Stete Veränderung des Aussehens, Unumkehrbarkeit der Erscheinungen, vollkommene Individualität einer in sich geschlossenen Reihe, das sind die äußeren Merkmale (gleichviel, ob wirklich oder scheinbar), die das Lebendige vom einfachen Mechanismus unterscheiden. Nehmen wir das Gegenteil von diesen dreien und wir haben drei verschiedene Verfahren, die wir Repetition, Inversion und Interferenz der Reihen nennen wollen. Man sieht leicht, daß es die Mittel sind, mit denen der Schwank arbeitet, und daß es andere nicht geben kann.

Man würde sie leicht, verschieden gemischt, in all den Szenen finden können, die wir uns eben angesehen haben, und in noch stärkerem Grade in den Kinderspielen, deren Mechanismus in jenen wiederkehrte. Wir halten uns mit dieser Analyse nicht auf; es wird nützlicher sein, jene Verfahren an neuen Beispielen in möglichst reinem Zustande zu studieren. Das fällt übrigens gar nicht schwer, denn sie begegnen oft ganz rein in der klassischen und der modernen Komödie.

 

Die Repetition. – Es handelt sich jetzt nicht mehr einfach um ein Wort oder um einen Satz, den jemand wiederholt, sondern um eine Situation, das heißt, um eine Kombination von Umständen, die mehrere Male unverändert wiederkehrt und so gegen den wechselvollen Lauf des Lebens absticht. Schon die alltägliche Erfahrung kennt diese Art Komik, aber nur in rudimentärem Zustande. Wenn ich eines Tages einen Freund, den ich lange nicht gesehen habe, auf der Straße treffe, so hat die Situation nichts Komisches. Wenn ich ihm aber an demselben Tage abermals begegne, und noch ein drittes und viertes Mal, dann lachen wir beide schließlich über das seltsame »Zusammentreffen«. Denkt man sich nun eine Reihe erdachter Begebenheiten, die aber doch lebenswirklich erscheinen, und denkt man sich in dieser ablaufenden Reihe eine und dieselbe Szene sich wiederholend, sei es nun, daß sie sich jedesmal zwischen denselben Personen oder daß sie sich zwischen andern abspielt: auch das ist dann ein seltsames Zusammentreffen, aber ein viel ungewöhnlicheres. Dieser Art sind die Wiederholungen auf der Bühne. Sie sind um so komischer, je verwickelter die wiederholte Szene ist und auch je natürlicher sie herbeigeführt wird – zwei Bedingungen, die sich auszuschließen scheinen und die die Kunst des Dramatikers zu vereinigen hat.

Der moderne Schwank benutzt dies Verfahren in allen Formen. Eine der bekanntesten besteht darin, daß man eine bestimmte Personengruppe durch Akte hindurch in die verschiedensten Lagen führt, und zwar so, daß unter immer neuen Umständen immer die gleiche Abfolge von sich symmetrisch entsprechenden Ereignissen oder Abenteuern entsteht.

Mehrere Stücke von Molière zeigen eine bestimmte Ereignisfolge, die sich durch das ganze Stück hin wiederholt. So arbeitet die Ecole des Femmes dreimal mit demselben Motiv: erstens, Horace erzählt Arnolphe, was er sich ausgedacht hat, um den Vormund von Agnes zu hintergehen, dieser Vormund aber ist Arnolphe selber; zweitens, Arnolphe glaubt den Streich pariert zu haben; drittens, Agnes weiß aus Arnolphes Vorsichtsmaßregeln für Horace Kapital zu schlagen. Die gleiche periodische Wiederkehr findet sich in der Ecole des Maris, im Etourdi und besonders im George Dandin, wo sich auch die Dreigliedrigkeit des Motivs wiederfindet: erstens, George Dandin merkt, daß seine Frau ihn betrügt; zweitens, er ruft seine Schwiegereltern zu Hilfe; drittens, er, George Dandin, muß sich entschuldigen.

Bisweilen auch spielt sich zwischen verschiedenen Personengruppen dieselbe Szene ab. Nicht selten bilden dann die erste Gruppe die Herren und die zweite die Diener. Die Diener wiederholen in anderem Tone und weniger edlem Stile einen Auftritt, den die Herren schon gespielt haben. Ein Teil des Dépit amoureux ist nach diesem Schema gebaut, ebenso wie der Amphitryon. In einer netten kleinen Komödie von Benedix, Der Eigensinn, ist die Anordnung gerade umgekehrt; hier wiederholen die Herren eine Eigensinnszene, die ihnen die Diener vorgespielt haben.

Aber welches auch immer die Personen sind, zwischen denen sich symmetrische Situationen ergeben, ein tiefer Unterschied scheint zwischen der klassischen und der modernen Komödie zu bestehen. Freilich das Ziel ist immer das gleiche: man will in das Geschehen eine gewisse mathematische Ordnung bringen und ihm doch die Wahrscheinlichkeit, das heißt seine ganze Lebendigkeit lassen. Aber die angewandten Mittel sind verschieden. Im modernen Schwank bearbeitet man meist den Zuschauer direkt. Jenes seltsame Zusammentreffen mag noch so ungewöhnlich sein, es wird glaubhaft einzig durch die Tatsache, daß es geglaubt wird, und wir werden es immer glauben, wenn man uns allmählich, darauf vorbereitet und uns genügend bearbeitet hat. Bei Molière sind es umgekehrt die Stimmungen der Personen und nicht die des Publikums, die die Wiederholung in der Handlung natürlich erscheinen lassen. Jede seiner Personen stellt eine bestimmte, in einer bestimmten Richtung wirkende Kraft dar, und weil diese Kräfte von konstanter Richtung sich notwendigerweise untereinander gleichartig anordnen, wiederholt sich die gleiche Situation. Die so verstandene Situationskomödie grenzt also an die Charakterkomödie. Sie verdient klassisch genannt zu werden, wenn es wahr ist, daß klassische Kunst diejenige Kunst ist, bei der sich Wirkung und Ursache das Gleichgewicht halten.

 

Die Inversion. – Dieses zweite Verfahren hat soviel Ähnlichkeit mit dem ersten, daß wir uns begnügen werden, es zu umreißen, ohne auf Beispiele Wert zu legen. Man denke sich gewisse Personen in einer gewissen Situation: läßt man die Situation sich umkehren und die Rollen vertauschen, so wird sich eine komische Szene ergeben. Dieser Art ist die doppelte Rettung in Perrichons Reise. Aber es ist nicht einmal nötig, daß die beiden symmetrischen Auftritte vor unsern Augen gespielt werden. Man braucht uns nur einen zu zeigen, wenn man nur sicher ist, daß wir an den andern denken. So lachen wir über den Angeklagten, der dem Richter Moral predigt, über das Kind, das seine Eltern belehren will, kurz über alles, was sich in die Rubrik »verkehrte Welt« einreiht.

Oft zeigt man uns jemand, der die Netze stellt, in denen er sich dann selber fängt. Vielen Komödien liegt die Figur dessen, der andern eine Grube gräbt, des betrogenen Betrügers zugrunde. Wir finden sie schon in der alten Farce. Der Advokat Pathelin rät seinem Klienten einen Trick, um den Richter zu täuschen: der Klient benutzt den Trick auch, um den Advokaten nicht bezahlen zu müssen. Eine zänkische Frau fordert von ihrem Mann, daß er alle Arbeit im Haushalt tun solle; sie hat alles Punkt für Punkt auf einem Zettel verzeichnet. Wie sie nun in einen Bottich fällt, will ihr Mann sie nicht herausziehen, denn »das steht nicht auf seinem Zettel«. Die neuere Literatur kennt viele andere Variationen über das Thema vom betrogenen Betrüger. Immer handelt es sich dabei im Grunde um eine Rollenvertauschung und um eine Situation, die sich gegen den wendet, der sie herbeigeführt hat.

Hier bewahrheitet sich ein Gesetz, das wir schon in mehr als einer Anwendung aufgezeigt haben. Wenn ein komischer Auftritt sich oft wiederholt hat, dann wird er zur »Kategorie«, zum Modell. Er wird an sich lustig, ganz abgesehen von den Ursachen, durch die er ursprünglich komisch gewirkt hat. Dann können neue Auftritte, die von rechtswegen nicht komisch sind, in Wirklichkeit lustig wirken, wenn sie jenem ersten Auftritt irgendwie ähneln. Sie wecken in uns mehr oder minder dunkel ein Bild, das wir als lustig kennen, und sie reihen sich so in eine Klasse anerkannter Komik ein. Die Situation des »betrogenen Betrügers« ist von dieser Art. Sie strahlt ihre Komik auf eine Menge anderer Szenen aus. Sie macht am Ende jedes selbstverschuldete Mißgeschick komisch, gleichgültig welcher Art die Schuld oder welcher Art das Mißgeschick ist – ja, eine Anspielung, eine leise Andeutung schon genügt, um den komischen Effekt zu erzeugen. »Du hasts gewollt, George Dandin«, dieses Wort hätte nichts Erheiterndes ohne seine komischen Assoziationen und Resonanzen.

 

Aber von Repetition und Inversion haben wir nun genug gesprochen, wir kommen zur Interferenz der Reihen. Die Formel dieser Komik zu entwickeln ist nicht schwer, wegen der außerordentlichen Mannigfaltigkeit der Formen, in denen sie auf dem Theater auftritt. Vielleicht müßte man sie so definieren: Eine Situation ist immer dann komisch, wenn sie gleichzeitig zwei völlig unabhängigen Reihen von Ereignissen angehört und so einen doppelten Sinn hat.

Man wird sofort an die komische Personenverwechslung denken. Und die Verwechslung ist in der Tat eine Situation, die einen doppelten Sinn hat, den einen nur möglichen, den sie in den Augen der handelnden Personen hat, und den andern wirklichen, den die Zuschauer kennen. Wir merken den wirklichen Sinn der Situation, weil man uns vorher wohlweislich alle Seiten und alle Voraussetzungen gezeigt hat; die handelnden Personen aber kennen jede nur eine Seite der Sachlage: daher ihr Irrtum, daher ihr falsches Urteil über das, was um sie herum geschieht, ebenso wie über das, was sie selbst tun. Wir gehen von diesem falschen Urteil zum richtigen über; wir pendeln gleichsam zwischen dem möglichen und dem wirklichen Sinn; und gerade dieses Balancieren zwischen zwei entgegengesetzten Interpretationen tritt in dem Vergnügen, das eine Verwechslung uns macht, zuerst zutage. Man versteht, daß dieses Balancieren einigen Philosophen besonders aufgefallen ist und daß einige das Wesen des Komischen in dem Streit oder in der Gleichzeitigkeit zweier Urteile, die sich widersprechen, haben sehen wollen. Aber diese Definition paßt durchaus nicht in allen Fällen, und da, wo sie paßt, definiert sie nicht das Prinzip des Komischen, sondern nur eine seiner mehr oder weniger mittelbaren Konsequenzen. Es ist in der Tat leicht einzusehen, daß die komische Verwechslungsszene nur ein besonderer Fall des viel allgemeineren Phänomens der Interferenz der unabhängigen Reihen ist, und daß im übrigen die Verwechslung nicht an sich komisch ist, sondern nur als Exponent einer Interferenz der Reihen.

Bei jeder Verwechslung ist jede der Personen in eine Reihe von Geschehnissen eingegliedert, die sie angehen, von denen sie eine genaue Vorstellung hat und nach denen sie ihre Reden und Taten einrichtet. Jede dieser Reihen, jede zu einer bestimmten Person gehörig, entwickelt sich unabhängig von den andern; aber sie treffen aufeinander in einem bestimmten Momente, wo die Umstände es zulassen, daß die Taten und Reden, die zu der einen gehören, ebensogut zur andern passen können. Daher der Irrtum der handelnden Personen, daher die Doppeldeutigkeit; aber diese Doppeldeutigkeit ist nicht an sich komisch; sie ist es nur, weil in ihr das Zusammentreffen zweier unabhängiger Reihen sich offenbart. Der Beweis dafür ist, daß der Autor es sich beständig angelegen sein lassen muß, unsere Aufmerksamkeit auf die Doppeltatsache der Unabhängigkeit und des Zusammenfallens zu lenken. Und das gelingt ihm gewöhnlich dadurch, daß er immer wieder zum Scheine mit einer Trennung der beiden zusammenfallenden Reihen droht. In jedem Augenblicke droht alles auseinanderzukrachen und lenkt doch wieder ein: und dieses Spiel bringt uns zum Lachen, weit mehr als das intellektuelle Hinundwider kontradiktorischer Behauptungen. Zum Lachen bringt es uns deshalb, weil es uns die Interferenz zweier unabhängiger Reihen offenbar macht, und diese Interferenz ist die wahre Quelle komischer Wirkung.

Und so kann die Verwechslung nur ein spezieller Fall sein. Es ist eines (und vielleicht das künstlichste) von den Mitteln, die Interferenz der Reihen sichtbar zu machen, aber es ist nicht das einzige. An Stelle zweier gleichzeitiger Reihen könnte man ganz ebensogut eine Reihe vergangener Ereignisse und eine Reihe gegenwärtiger nehmen: wenn die beiden Reihen in unserer Phantasie zusammenstoßen, so findet keine Verwechslung mehr statt, und doch tritt dieselbe komische Wirkung ein. Man denke an die Gefangenschaft Bonivards im Schloß von Chillon: da hat man die erste Tatsachenreihe. Dann stelle man sich Tartarin vor, wie er auf seiner Reise in der Schweiz festgenommen und gefangen gesetzt wird: die zweite Reihe unabhängig von der ersten. Nun lasse man Tartarin an genau der gleichen Kette wie Bonivard festgelegt werden und so die beiden Geschichten auf einen Moment zusammenfallen, und man wird eine sehr lustige Szene haben, eine der lustigsten, die Daudet erfunden hat. Viele Vorgänge, die zum Stoff der heroisch-komischen Gattung gehören, haben hier ihre Elemente. Die immer komisch wirkende Übertragung von Altem in Modernes schreibt sich von der gleichen Vorstellung her.

Labiche hat dies Verfahren in allen Formen benutzt. Bald baut er zunächst unabhängige Reihen auf und macht sich dann das Vergnügen, sie ineinandergeraten zu lassen; er nimmt eine geschlossene Gruppe, etwa eine Hochzeit, und läßt sie in ganz fremde Umgebungen geraten, wo aber gewisse Umstände doch für Augenblicke diese Einschaltung erlauben. Bald behält er während des ganzen Stückes dieselbe geschlossene Personengruppe bei, aber er läßt einige dieser Personen ein Geheimnis haben, das sie nötigt, sich miteinander auseinanderzusetzen, so daß sie eine kleine Komödie in der großen spielen: in jedem Augenblick droht die eine der beiden Komödien die andere zu stören, aber dann gleicht sich alles wieder aus, und das Zusammenwirken der beiden Reihen ist wieder hergestellt. Bald endlich ist es eine rein ideelle Reihe von Geschehnissen, die er in die wirkliche Reihe einschiebt, etwa eine Vergangenheit, die man gern verbergen möchte und die doch unaufhörlich in die Gegenwart hereinbricht, die man aber schließlich immer wieder mit den Situationen, die sie über den Haufen zu werfen drohte, in Einklang bringen kann. Immer aber haben wir dabei zwei unabhängige Reihen, die teilweise zusammenfallen.

Wir wollen diese Analyse der Methoden des Schwankes nicht weitertreiben. Ob Interferenz der Reihen, ob Inversion oder Repetition, wir sehen, das Ziel ist immer das gleiche: man will das erreichen, was wir eine Mechanisierung des Lebens genannt haben. Man nimmt ein System von Handlungen und Beziehungen und wiederholt es entweder einfach, so wie es ist, oder man stellt es geradewegs auf den Kopf, oder man schiebt es als Ganzes in ein anderes System hinein, mit dem es teilweise zusammenfällt – alles Operationen, deren Wesen darin besteht, daß das Leben wie ein Repetiermechanismus mit Rückläufen und auswechselbaren Stücken behandelt wird. Das wirkliche Leben erscheint als Schwank genau in dem Maße, in dem es im natürlichen Lauf der Dinge Wirkungen hervorbringt, die zur gleichen Art wie jene Geschehnisse im Schwank gehören, und folglich genau in dem Maße, in dem es sich selbst vergißt; denn wenn es immer aufmerksam wäre, dann wäre es auch stets wechselnder Ablauf, unumkehrbarer Fortschritt und ungeteilte Einheit. Und deshalb kann man die Komik des Geschehens als eine Zerstreutheit der Dinge definieren, ebenso wie die Komik eines individuellen Charakters immer in einer bestimmten fundamentalen Zerstreutheit des Individuums ihren Grund hat, was wir schon andeuteten und was wir noch beweisen werden. Aber diese Zerstreutheit des Geschehens ist ungewöhnlich, und ihre Wirkung wiegt leicht. Und sie ist auf jeden Fall unkorrigierbar, so daß es keinen Sinn hat, darüber zu lachen. Deshalb wäre man sicher nicht auf den Einfall gekommen, sie zu übertreiben, ein System aus ihr zu machen, eine Kunst für sie zu schaffen, wenn das Lachen nicht immer ein Vergnügen wäre und wenn die Menschheit nicht jede Gelegenheit dazu beim Schopfe faßte. So erklärt sich der Schwank, der sich zum wirklichen Leben verhält wie die Gliederpuppe zum gehenden Menschen: er ist die reichlich künstliche Übertreibung einer gewissen natürlichen Steifheit der Dinge. Der Faden, der ihn mit dem wirklichen Leben verbindet, ist sehr dünn. Es ist kaum mehr als ein Spiel, und wie alle Spiele geht es zunächst von einer willkürlichen Annahme aus. Die Charakterkomödie dagegen treibt viel tiefere Wurzeln ins wirkliche Leben. Mit ihr hauptsächlich werden wir uns im letzten Teil unserer Studie beschäftigen. Aber zuvor müssen wir eine Art der Komik analysieren, die der des Schwankes von vielen Seiten aus ähnelt: die Wortkomik.

 

Es scheint vielleicht etwas künstlich, eine besondere Kategorie für die Komik der Worte zu bilden, denn schon die Mehrzahl der komischen Effekte, die wir bisher untersucht haben, bedurfte der Sprache, um in Erscheinung zu treten. Aber man muß unterscheiden zwischen dem Komischen, dem die Sprache nur zum Ausdruck verhilft, und dem, das auf Eigentümlichkeiten der Sprache als solcher beruht. Das der ersten Art ließe sich zur Not aus einer Sprache in die andere übersetzen, freilich nicht, ohne den größten Teil seiner Beziehungen beim Übergang in eine neue Umgebung einzubüßen, neu an Sitten, Literatur und vor allem neu durch andere Ideenassoziationen. Das Komische der zweiten Art aber ist im allgemeinen unübersetzbar. Alles, was es ist, verdankt es dem Satzbau oder der Wortwahl. Es konstatiert nicht mit Hilfe der Sprache irgendwelche besondere Zerstreutheiten von Menschen oder Begebenheiten, sondern unterstreicht die Zerstreutheiten der Sprache selbst. Hier wird also die Sprache selber komisch.

Es ist wahr, daß Redensarten nicht von allein entstehen und daß, wenn wir über sie lachen, wir vielleicht zugleich über ihren Urheber lachen. Aber diese letzte Bedingung ist nicht unerläßlich. Redensart und Wort können hier unabhängige komische Kraft haben. Beweis dafür ist, daß wir in der Mehrzahl der Fälle äußerst verlegen sind, wenn wir sagen sollen, über wen wir lachen, wenn wir auch meist undeutlich fühlen, daß jemand der Urheber ist.

Dieser Urheber ist übrigens nicht immer der, der spricht. Hier würde eine wichtige Unterscheidung zwischen dem Witzigen und dem Komischen zu machen sein. Ich neige dazu, einen Ausspruch komisch zu nennen, wenn wir über den, der ihn tut, lachen, witzig, wenn wir dabei über einen dritten oder über uns lachen. Sehr oft freilich werden wir nicht entscheiden können, ob, was einer sagt, komisch oder witzig ist. Es ist dann einfach schlechthin lächerlich.

Vielleicht ist es nötig, ehe wir weiter gehen, genauer zu prüfen, was man unter Witz versteht. Zum mindesten lächeln wir doch über ein Witzwort, sodaß eine Studie über das Lachen nicht vollständig wäre, wenn sie verabsäumte, die Natur des Witzes zu ergründen und sein Wesen aufzuhellen. Aber ich fürchte, daß diese Substanz eine von denen ist, die sich bei Licht zersetzen.

Unterscheiden wir zunächst zwei Bedeutungen von Witzwort, eine weitere und eine engere. Im weitesten Sinne des Wortes will es mir scheinen, daß man Witz eine mehr oder minder dramatische Art zu denken nennt. Statt seine Vorstellungen rein sachlich zu behandeln, sieht und hört sie der witzige Kopf und läßt sie miteinander wie Personen konversieren. Er läßt sie, und auch ein wenig sich selbst, untereinander spielen. Ein witziges Volk ist unbedingt ein geborenes Theatervolk. Jeder witzige Kopf ist schon ein wenig Dichter, so wie in jedem guten Leser das Zeug zu einem Schauspieler steckt. Ich ziehe diese Parallele mit Absicht, weil man ohne Mühe eine Proportion zwischen diesen vier Gliedern aufstellen kann. Um gut zu lesen, genügt es, die geistigen Fähigkeiten des Schauspielers zu besitzen; aber um gut zu spielen, muß man mit ganzer Seele und mit seinem ganzen Menschen Schauspieler sein. So setzt das dichterische Schaffen eine gewisse Selbstvergessenheit voraus, die gemeiniglich nicht der Fehler des witzigen Kopfes ist. Dieser scheint hinter allem, was er sagt und tut, hervor. Er geht darin nicht auf, da auch er, wie der Leser, nur seinen Verstand daran setzt.

Jeder Dichter wird sich also, wenn es ihm beliebt, als Witzkopf entpuppen können. Er hat dazu nichts Neues nötig; vielmehr würde er dabei etwas zu opfern haben. Er müßte sich beschränken, seine Ideen »bloß zum Vergnügen« miteinander spielen zu lassen. Er müßte bloß das doppelte Band durchschneiden, das seine Ideen in Zusammenhang mit seinen Gefühlen und seine Seele in Zusammenhang mit dem Leben hält. Kurz, er wäre ein Witzkopf, wenn er sich entschlösse, nur noch mit dem Verstande und nicht mehr mit dem Herzen zu dichten.

Wenn aber das Wesen des Witzes schon in der weiteren Bedeutung des Wortes darin besteht, die Welt sub specie theatri zu sehen, so wird deutlich, daß, was wir eigentlich Witz nennen, einer bestimmten Gattung der dramatischen Kunst entspricht: der Komödie. Daher der engere Sinn des Wortes, der uns denn vom Standpunkt einer Theorie des Lachens ausschließlich interessiert. In diesem Sinne nennt man Witz eine gewisse Gabe, komische Auftritte flüchtig zu skizzieren, und zwar so diskret, so leicht und so flink, daß alles schon vorüber ist, wenn wir anfangen, es zu bemerken.

Wer sind die Spieler in diesen Szenen? Mit wem hat es der Witzkopf zu tun? Zunächst natürlich mit seinen Partnern, wenn das Witzwort eine direkte Antwort im Gespräch ist. Häufig auch mit einer abwesenden Person, von der er annimmt, daß sie etwas gesagt hat und daß er ihr antwortet. Häufiger noch mit jedermann, das heißt: mit dem gemeinen Menschenverstand, mit dem er anbindet, indem er aus einem landläufigen Satz ein Paradoxon macht, oder indem er eine gang und gäbe Redensart verwendet, oder ein Zitat oder ein Sprichwort parodiert. Man vergleiche diese kleinen Szenen miteinander, man wird sehen, daß sie fast durchgängig Variationen über ein wohlbekanntes Lustspielthema, das des »betrogenen Betrügers« sind. Man nimmt ein Bild, eine Redensart, einen Gedanken auf und kehrt ihn gegen den, der ihn äußerte, oder der ihn hätte äußern können, sodaß dieser dann gesagt hat, was er gar nicht sagen wollte und sozusagen in die Schlingen der Sprache fällt. Aber das Thema des betrogenen Betrügers ist nicht das einzig mögliche. Wir haben uns mancherlei Arten des Komischen vor Augen geführt, keine ist darunter, die sich nicht zu einem Witz zuspitzen ließe. Jedes Witzwort wird also einer Analyse fähig sein, deren Rezept sozusagen wir jetzt geben können. Dieses ist: Man nehme das Wort, verdichte es zunächst in eine gespielte Szene, suche dann die komische Kategorie, unter die diese Szene fällt, und man wird es so auf seine einfachsten Elemente reduzieren und eine vollständige Erklärung geben können.

Wenden wir dieses Verfahren auf ein klassisches Beispiel an. »Deine Brust macht mir Schmerzen«, schreibt Mme de Sévigné an ihre kranke Tochter. Also ein Witzwort. Wenn unsere Theorie stimmt, müssen wir, wenn wir es wörtlich nehmen, es vergröbern und verdichten, eine komische Szene erhalten. Tatsächlich finden wir ganz diese Szene in Molières Amour médecin. Der falsche Arzt Clitandre, gerufen, um nach Sganarelles Tochter zu sehen, begnügt sich, Sganarelle selber den Puls zu fühlen, woraus er ohne Zögern, auf Grund der Sympathie, die zwischen Vater und Tochter existieren muß, schließt: »Eure Tochter ist recht krank«. Da ist der Übergang vom Witzigen zum Komischen vollzogen. Uns bleibt nun, um die Analyse zu Ende zu führen, nur noch übrig zu sehen, wieso die Idee, eine Diagnose über das Kind nach Untersuchung des Vaters oder der Mutter zu stellen, komisch ist. Wir wissen aber, daß eine der Hauptformen der komischen Phantasie darin besteht, uns einen Menschen von Fleisch und Blut als eine Art Gliederpuppe vorzustellen, und daß, um uns auf diese Idee zu leiten, oft zwei oder mehrere Personen auftreten, die sprechen und agieren, als ob sie miteinander durch unsichtbare Fäden verbunden wären. Und werden wir hier nun nicht auf dieselbe Idee geführt, wo man uns nötigt, die Sympathie, die wir uns zwischen Tochter und Vater bestehend denken, sozusagen zu verkörperlichen?

Wir verstehen jetzt wohl, warum diejenigen Autoren, die über den Witz gehandelt haben, sich darauf beschränken mußten, die außerordentliche Kompliziertheit dieses Begriffes festzustellen, ohne ihn je recht definieren zu können. Es gibt sehr viele Weisen, witzig zu sein, fast ebensoviele, wie es nicht zu sein. Wie kann man erkennen, was sie unter sich gemein haben, wenn man nicht zuerst das allgemeine Verhältnis zwischen dem Witzigen und Komischen bestimmt? Ist aber einmal dieses Verhältnis klar, so hellt sich alles auf. Zwischen dem Komischen und dem Witzigen findet dann dasselbe Verhältnis statt wie zwischen einer ganzen Szene und der flüchtigen Andeutung einer möglichen Szene. Soviel Formen das Komische annehmen kann, soviel entsprechende Formen wird auch der Witz haben. Zuerst muß man also das Komische in allen seinen Formen zu bestimmen suchen, indem man – was schon schwierig genug ist – den Faden auffindet, der von einer Form zur andern leitet. Denn dadurch hat man auch das Witzige analysiert, das dann nichts weiter ist als verflüchtigte Komik. Aber den umgekehrten Weg gehen, direkt die Formel für den Witz suchen, das heißt einen sicheren Mißerfolg erleben wollen. Was würde man von einem Chemiker denken, der in seinem Laboratorium die Stoffe selbst zur Verfügung hätte, und der es vorzöge, sie im Zustand bloßer Spuren in der Atmosphäre zu untersuchen!

Aber diese Vergleichung des Witzigen und Komischen weist uns zu gleicher Zeit den Weg, den wir bei der Untersuchung der Wortkomik verfolgen müssen. Einerseits sehen wir, daß es keinen wesentlichen Unterschied zwischen komischen und witzigen Worten gibt, andererseits ruft ein Witzwort, obgleich an eine Form der Sprache gebunden, immer das mehr oder minder deutliche Bild einer komischen Szene hervor. Das führt wieder darauf, daß die Komik der Sprache Punkt für Punkt der Komik der Handlungen und Situationen entspricht und daß sie, wenn man es so ausdrücken kann, lediglich deren Projektion auf die Ebene der Sprache ist. Kehren wir also zur Komik der Handlungen und Situationen zurück. Erinnern wir uns der Hauptverfahren, durch die man sie gewinnt. Wenden wir diese Verfahren auf Wortwahl und Satzbau an. So werden wir die möglichen Formen der Wortkomik und alle Arten des Witzes bekommen.

Sich gehen lassen infolge von Steifheit oder Trägheit, sagen, was man nicht sagen wollte, oder tun, was man nicht tun wollte, das war, wie wir wissen, eine der Hauptquellen des Komischen. Das war es, warum Zerstreutheit ihrem Wesen nach lächerlich war. Das wars auch, warum man über Starres, Abgeschlossenes, Mechanisches in Gebärde, Haltung und selbst den Zügen des Gesichts lacht. Beobachtet man eine derartige Starrheit auch in der Sprache? Zweifellos, so wahr es feste Formeln und stereotype Redensarten gibt. Ein Mensch, der immer in diesem Stile reden würde, wäre unweigerlich komisch. Damit aber eine Redensart für sich genommen komisch sei, einmal losgelöst von dem, der sie ausspricht, muß sie nicht allein typisch sein, sondern außerdem ein Merkmal an sich haben, an dem wir, ohne auch nur im leisesten zu zögern, erkennen, daß sie automatisch ausgesprochen wurde. Und das kann nur dann geschehen, wenn die Redensart eine offenbare Absurdität enthält, sei es einen groben Irrtum, sei es einen in den Worten liegenden Widerspruch. Daher folgende allgemeine Regel: Einen komischen Ausspruch wird man jedesmal dann erhalten, wenn man einen absurden Gedanken in das Gewand einer stehenden Redensart kleidet.

»Dieser Säbel ist der schönste Tag meines Lebens«, sagt Monsieur Prudhomme. Man übertrage diese Redensart in eine andere Sprache, so wird sie lediglich absurd klingen, während sie in der unsern komisch ist. Das macht, »der schönste Tag meines Lebens« ist einer der stehenden Satzschlüsse, an die unser Ohr gewöhnt ist. Aber er wird erst komisch, wenn er dazu dient, den Automatismus desjenigen, der ihn ausspricht, ins volle Licht zu setzen. Das wird erreicht, wenn man eine Absurdität damit verbindet. Diese ist dann keineswegs die Quelle des Komischen. Sie ist nur ein sehr einfaches und sehr wirksames Mittel, es uns zu entdecken.

Wir haben nur eins von Monsieur Prudhommes Worten angeführt. Aber die meisten von denen, die ihm zugeschrieben werden, sind von demselben Schlage. Monsieur Prudhomme ist der Mann mit den stehenden Redensarten. Und wie es feste Redensarten in allen Sprachen gibt, ist Monsieur Prudhomme überallhin nicht sowohl übersetzbar als versetzbar.

In manchen Fällen ist die banale Redensart, in der eine Absurdität steckt, nicht ganz so leicht zu entdecken. »Ich mag zwischen den Mahlzeiten nicht arbeiten«, meinte ein Faulpelz. Hierin würde weiter nichts Komisches hegen, wenn nicht eine wichtige Gesundheitsregel lautete: »Man soll zwischen den Mahlzeiten nicht essen.«

In andern Fällen ist die Wirkung verwickelter. An die Stelle einer einzigen banalen Phrase treten zwei oder drei ineinandergeschachtelte. Man nehme z. B. dieses Wort einer Figur von Labiche: »Gott allein hat das Recht, seinen Nächsten zu töten.« Mir scheint, man macht sich hier zwei Sätze zunutze, die uns vertraut sind: »Gott hat Gewalt über das Leben der Menschen« und »Du sollst Deinen Nächsten nicht töten.« Aber diese beiden Sätze sind derart verschmolzen, daß unser Ohr betört wird und wir den Eindruck einer jener Redensarten haben, die man sinnlos nachspricht und mechanisch übernimmt. Daher eine gewisse sorglose Unaufmerksamkeit, in der man dann plötzlich von der Absurdität überrascht wird.

Diese Beispiele werden genügen, verständlich zu machen, wie eine der wichtigsten Formen des Komischen auf die Ebene der Sprache projiziert und vereinfacht werden kann. Gehen wir zu einer spezielleren Form über.

 

Wir lachen in all den Fällen, wo unsere Aufmerksamkeit auf die physische Natur eines Menschen gelenkt wird, während es sich um seine geistige handelte: dieses Gesetz haben wir im ersten Teile unserer Arbeit aufgestellt und wollen es nun auf die Sprache anwenden. Man könnte sagen, daß die meisten Worte eine physische und eine geistige Bedeutung besitzen, je nachdem man sie im eigentlichen oder übertragenen Sinne nimmt. Jedes Wort bezeichnet von Haus aus einen konkreten Gegenstand oder materiellen Vorgang; allein oft hat sich seine Bedeutung langsam zu einer abstrakten Beziehung oder einer reinen Idee vergeistigt. Wenn also unser Gesetz hier gelten soll, muß es die folgende Form bekommen: Man erhält eine komische Wirkung in all den Fällen, wo man sich so stellt, als verstände man einen Ausdruck, der übertragen gemeint war, im eigentlichen Sinne. Oder auch: Soweit unsre Aufmerksamkeit sich auf die materielle Seite einer Metapher wendet, wird die in dieser ausgedrückte Idee komisch.

»Alle Künste sind Schwestern«; in dieser Redensart ist das Wort Schwester metaphorisch genommen, um eine mehr oder weniger starke Ähnlichkeit zu bezeichnen. Und das Wort wird so oft in diesem Sinne angewendet, daß wir, wenn wir es hören, nicht mehr an die konkrete und materielle Beziehung denken, die aller Verwandtschaft zugrunde liegt. Mehr schon würden wir daran denken, wenn man uns sagte: »Alle Künste sind Basen«, weil das Wort Base kaum im übertragenen Sinne gebraucht wird: daher würde dieses Wort hier einen leicht komischen Klang bekommen. Gehen wir jetzt noch weiter und nehmen an, man richte unsere Aufmerksamkeit gewaltsam auf das Materielle des Bildes, indem man eine verwandtschaftliche Beziehung wählt, die mit dem grammatischen Geschlecht der Begriffe, die diese Verwandtschaft verknüpfen soll, unverträglich ist: so wird man eine lächerliche Wirkung haben. Das ist aber das wohlbekannte, auch dem Monsieur Prudhomme, glaube ich, zugeschriebene Wort: »Alle Künste sind Brüder«.

»Er hascht nach Witz«, sagte einer zu Boufflers, mit dem er über einen sehr anmaßenden Menschen sprach. Wenn Boufflers entgegnet hätte: »Er wird ihn nicht kriegen«, so würde das der Anfang eines Wortwitzes gewesen sein, aber auch nur der Anfang, weil der Ausdruck »kriegen« fast ebensooft wie der Ausdruck »haschen« im übertragenen Sinne gebraucht wird und uns nicht zwingend genug nötigt, das Bild der beiden hintereinander her Laufenden uns anschaulich zu machen. Soll mir die Replik ganz witzig erscheinen, so muß man der Sportterminologie einen so konkreten anschaulichen Ausdruck entlehnen, daß ich nicht umhin kann, zu glauben, ich sähe tatsächlich dem Rennen zu. Und das tut Boufflers, wenn er sagt: »Ich setze auf Witz«.

Wir sagten, der Witz bestehe oft darin, den Gedanken eines anderen bis zu dem Punkte fortzusetzen, wo er gerade das Gegenteil seines Gedankens ausdrücken würde, und wo er sozusagen in die Falle seiner eigenen Rede ginge. Setzen wir jetzt hinzu, daß diese Falle fast immer eine Metapher oder ein Gleichnis ist, dessen materielle Seite man gegen ihn ausspielt. Man erinnere sich an ein Zwiegespräch wie dieses zwischen Mutter und Sohn in den Faux Bonshommes: »Mein Freund, die Börse ist ein gefährliches Spiel. Einen Tag gewinnt man und den andern verliert man.« – »Du hast recht, Mutter, ich spiele nur noch einen Tag um den andern.« Und in demselben Stück die erbauliche Unterhaltung der beiden Geldmänner: »Ist es auch recht, was wir da tun? Denn schließlich .. wir ziehen den armen Aktionären das Geld aus der Tasche ..« – »Ja, ich bitte Sie, woraus denn sonst?«

Desgleichen wird man eine komische Wirkung immer dann erzielen, wenn man bei einem Symbol oder Emblem die materielle Seite herauskehrt und dann dieser materiellen Seite dieselbe Geltung zuerkennt wie dem Symbol. In einem auch sonst sehr lustigen Schwank tritt ein Beamter von Monako auf, dem nur eine einzige Dekoration verliehen worden und dessen Uniform dennoch über und über mit Medaillen bedeckt ist. »Ich habe meine Medaille auf eine Roulettenummer gesetzt,« erklärt er, »und da diese Nummer gewann, stand mir das Sechsunddreißigfache des Einsatzes zu.« Ist das nicht ein Gedankengang ganz ähnlich demjenigen Giboyers in den Effrontés? Man spricht von einer Braut von vierzig Jahren, die in ihrem Brautkranz Orangenblüten trägt: »Orangen stünden ihr besser an«, sagt Giboyer.

Allein wir würden kein Ende finden, müßten wir alle Gesetze, die wir aufgestellt haben, eins nach dem andern hernehmen und suchen, was sie in der Ebene der Sprache, wie wir es ausdrückten, bedeuten. Wir werden besser tun, uns an die drei Hauptsätze des vorigen Kapitels zu halten. Wir hatten gezeigt, daß Ereignisreihen komisch werden entweder durch Repetition oder durch Inversion oder endlich durch Interferenz. Wir werden sehen, daß es sich ebenso mit Wortreihen verhält.

Ereignisreihen hernehmen und sie in neuem Ton oder neuer Umgebung wiederholen oder sie umkehren, sodaß sie doch noch Sinn behalten, oder sie derart mengen, daß ihre verschiedenen Bedeutungen untereinander interferieren, wirkt immer komisch, sagten wir, weil sich alsdann das Leben von uns mechanisch behandeln läßt. Aber auch der Gedanke ist etwas, das lebt. Und die Sprache, die den Gedanken wiedergibt, müßte ebenso lebendig sein wie er. Man ahnt danach, daß ein Satz komisch werden wird, wenn er noch einen Sinn gibt, sobald man ihn umdreht, oder wenn er zwei gänzlich unabhängige Gedanken zugleich ausdrücken kann, oder endlich, wenn man ihn in eine Tonart übertragen kann, die nicht zu seinem Inhalt stimmt. Das sind wohl in der Tat die drei Grundregeln für das, was man komische Umformung von Sätzen nennen könnte, wie wir nun an einigen Beispielen zeigen wollen.

Zunächst sei gesagt, daß diese drei Gesetze für eine Theorie des Komischen von ganz verschiedener Wichtigkeit sind. Die Inversion ist der am wenigsten wichtige Vorgang. Aber sie muß leicht anwendbar sein, denn man kann beobachten, daß die berufsmäßigen Witzbolde, sowie sie einen Satz aussprechen hören, suchen, ob er nicht auch Sinn gäbe, wenn man ihn umdreht, z. B. wenn man das Subjekt an die Stelle des Objekts und das Objekt an die Stelle des Subjekts setzt. Nicht selten bedient man sich dieses Mittels, um einen Gedanken in mehr oder minder leichter Form zu widerlegen. In einem Lustspiel von Labiche ruft einer dem Mieter im oberen Stockwerk, der ihm seinen Balkon mit Pfeifenasche beschmutzt, zu: »Was reinigen Sie Ihre Pfeife gerade über meinem Balkon?« Worauf die Stimme des Mieters ertönt: »Warum haben Sie Ihren Balkon gerade unter meiner Pfeife!« Doch ich will mich nicht bei dieser Art Witz aufhalten. Die Beispiele ließen sich gar zu leicht vervielfachen.

Die Interferenz zweier Gedankengänge in ein und demselben Satze ist eine unversiegbare Quelle komischer Wirkungen. Es gibt eine Menge Mittel, sie zu bekommen, d. h. ein und demselben Satze zwei unabhängige übereinanderliegende Bedeutungen zu geben. Das minderwertigste ist der Kalauer. Beim Kalauer scheint ganz derselbe Satz zwei unabhängige Bedeutungen zu haben, aber er scheint es nur, in Wirklichkeit sind es zwei verschiedene Sätze, aus verschiedenen Worten bestehend, die man miteinander mengt, indem man sich ihren gleichen Klang fürs Ohr zunutze macht. Übrigens kommt man vom Kalauer durch unmerkliche Zwischenstufen zum echten Wortspiel. Bei ihm decken sich wirklich zwei Gedankengänge in ein und demselben Satze, und man hat es mit denselben Worten zu tun; man arbeitet einfach mit der verschiedenen Bedeutung, die ein Wort im Zusammenhang haben kann, besonders mit dem Wechsel zwischen eigentlicher und übertragener Bedeutung. Daher wird man oft nur einen geringen Unterschied zwischen Wortspiel einerseits und poetischer Metapher oder illustrierendem Gleichnis andrerseits finden. Während Gleichnis und Bild uns immer den geheimen Zusammenhang der Sprache und der Natur als zweier Parallelerscheinungen des Lebens zu offenbaren scheinen, zeigt uns das Wortspiel vielmehr ein Sichgehenlassen der Sprache, die einen Augenblick ihre wahre Bestimmung vergessen zu haben scheint und sich herausnimmt, die Dinge nach sich zu regeln, statt sich nach den Dingen zu richten. Das Wortspiel verrät also immer eine zeitweilige Zerstreutheit der Sprache, und das ist es eben, wodurch es komisch wirkt.

Im ganzen aber sind Inversion und Interferenz nur Spiele des Witzes, ohne rechte Wortspiele zu sein. Viel tiefer liegt das Komische der Transpositionen. Die Transposition ist in der Tat in der Umgangssprache, was die Wiederholung in der Komödie ist.

Wir sagten, die Wiederholung ist das Lieblingsverfahren der klassischen Komödie. Es besteht darin, die Vorgänge derart anzuordnen, daß eine Szene noch ein zweites Mal vorkommt, sei es mit denselben Personen in neuen Umständen, sei es mit neuen Personen in denselben Umständen. So läßt man etwa eine von den Herren gespielte Szene durch die Diener in weniger vornehmer Sprache wiederholen. Jetzt denke man sich Gedanken in dem gehörigen Stile vorgetragen und somit in ihr natürliches Milieu eingepaßt. Man stelle sich nun eine Vorrichtung vor, die es fertig bringt, sie in ein neues Milieu zu versetzen, ohne daß sie ihre inneren Beziehungen einbüßen, oder mit anderen Worten, man lasse sie in einem ganz anderen Stile sich ausdrücken, transponiere sie in eine ganz andere Tonart, so ist es jetzt die Sprache, die Komödie spielt, die Sprache, die komisch wirkt. Keineswegs wird es dabei nötig sein, die beiden Ausdrucksformen des nämlichen Gedankens, die ursprüngliche und die transponierte, nebeneinander zu haben. Die ursprüngliche kennen wir sowieso, da wir instinktiv auf sie kommen. Also die andere, und nur die andere, ist Träger der komischen Erfindung. Sowie wir die zweite haben, ergänzen wir die erste von selbst. Daher die allgemeine Regel: Man wird immer eine komische Wirkung erzielen, wenn man einen Gedanken aus seiner ursprünglichen Fassung in einen anderen Ton transponiert.

Die Transpositionsmittel sind so zahlreich und so verschieden, unsere Sprache eine solch reiche Abfolge von Tönen, das Komische kann hier so viele Stufen durchlaufen, von den plattesten Spaßen bis zu den höchsten Formen des Humors und der Ironie, daß wir von einer vollständigen Aufzählung von vornherein absehen. Es wird genügen, wenn wir uns nach Aufstellung der Regel nach und nach die wichtigsten Spezialfälle vorführen.

Zunächst könnte man zwei extreme Tonarten unterscheiden, die feierliche und die familiäre. Durch Transposition der einen in die andere wird man die derbsten Wirkungen erzielen. Daher denn zwei entgegengesetzte Richtungen der komischen Phantasie.

Überträgt man das Feierliche ins Familiäre, so hat man die Parodie. Und die Wirkung der Parodie in diesem Sinne wird sich bis auf Fälle erstrecken, wo der in familiärer Form ausgedrückte Gedanke schon durch die Gewohnheit einen anderen Ton verlangte. Als Beispiel diene jene Beschreibung des Erwachens der Morgenröte bei Jean Paul: »Der schwarze Himmel wurde röter und röter wie ein gekochter Hummer.« Man weiß, daß der Vortrag antiker Dinge in Ausdrücken des modernen Lebens den nämlichen Effekt hervorruft wegen des poetischen Nimbus, der das klassische Altertum umgibt.

Es war ohne Zweifel das Komische der Parodie, das einige Philosophen, vor allem Alexander Bain, verführt hat, das Komische überhaupt durch Einführung des Begriffes der Herabwürdigung zu definieren. Das Lächerliche entstände dann, »wenn man uns etwas, was wir bisher hochschätzten, als minderwertig darstellt«. Ist aber unsere Analyse richtig, so ist die Herabwürdigung nur eine Form der Transposition und diese wieder nur ein Mittel von vielen, Lachen zu erregen. Es gibt eine Menge anderer, und die Quelle des Lachens hat man viel weiter oben zu suchen. Überdies ist es interessant zu sehen, ohne dabei ebensoweit zu gehen, daß, wie die Transposition des Feierlichen ins Triviale, des Besseren ins Schlechtere komisch ist, der umgekehrte Vorgang es noch mehr sein kann.

Man findet diese zweite Transposition so häufig wie die erste. Und man könnte, will mir scheinen, zwei Hauptformen derselben unterscheiden, je nachdem sie sich auf Größe oder Wert der betreffenden Gegenstände bezieht.

Von kleinen Dingen so reden, als wären es große, darin besteht das Wesen der Übertreibung. Die Übertreibung ist immer komisch, wenn sie durch mehrere Glieder läuft, und gar wenn sie zum Prinzip wird: dann wird sie nämlich zu einem Verfahren der Transposition. Sie reizt so sehr zum Lachen, daß einige das Wesen des Komischen in der Übertreibung sehen konnten, wie andere es in der Herabwürdigung sahen. In Wirklichkeit ist auch die Übertreibung, wie die Herabwürdigung, nur eine bestimmte Art einer bestimmten Gattung von Komik. Freilich eine sehr wirksame Art. Ihr verdankt das komische Epos seine Entstehung; eine zwar etwas abgenutzte Dichtgattung, deren letzte Reste man aber noch bei allen denen findet, die zu systematischer Übertreibung neigen. Häufig kann man auch von der Ruhmredigkeit sagen, daß uns gerade das Heroisch-Komische an ihr zum Lachen bringt.

Größere Kunst fordert – verrät aber auch – diejenige Transposition des Niedrigen ins Hohe, die sich auf den Wert der Dinge bezieht und nicht mehr auf ihre Größe. Einen unanständigen Gedanken in ehrbarem Tone vorbringen, eine schlüpfrige Situation oder ein niederes Gewerbe oder einen lasterhaften Lebenswandel hernehmen und sie in Ausdrücken strengster respectability schildern, ist schlechthin komisch. Ich gebrauche absichtlich ein englisches Wort für eine in der Tat ganz englische Sache. Man wird zahllose Beispiele bei Dickens, Thackeray, überhaupt in der englischen Literatur finden. Beiläufig bemerkt: die Stärke der Wirkung hängt hier nicht von ihrer Dauer ab. Oft genügt ein Wort, wenn es uns nur ein ganzes System von Transposition in ein anderes Milieu mutmaßen läßt und uns gewissermaßen eine moralische Organisation des Unmoralischen aufdeckt. Ich zitiere aus einem Roman von Gogol jene Bemerkung eines höheren Beamten gegen einen seiner Untergebenen: »Für einen Beamten von deinem Range stiehlst du zuviel.«

Um die bisherigen Ausführungen zusammenzufassen, werden wir sagen, daß es zunächst zwei extreme Glieder gibt, ein größtes und ein kleinstes, ein bestes und ein schlechtestes, zwischen denen die Transposition in zweierlei Sinne verlaufen kann. Verringern wir jetzt Schritt für Schritt den Abstand, so erhält man Glieder eines immer weniger brutalen Kontrastes und immer subtilere Wirkungen komischer Transposition.

Am häufigsten vorkommen dürfte wohl der Gegensatz von Wirklichkeit und Ideal, von dem, was ist, und dem, was sein sollte. Auch hier wird die Transposition in zwei entgegengesetzten Richtungen vor sich gehen können. Einmal kann man ausführen, was sein sollte, indem man sich den Anschein gibt, als glaube man, daß es genau der Wirklichkeit entspricht. Hierin besteht die Ironie. Andererseits kann man umgekehrt das, was ist, ausführlich und bis aufs Haar genau beschreiben und so tun, als glaube man, es sei im Grunde so, wie die Welt sein sollte. So verfährt häufig der Humor. Der Humor in diesem Sinne ist das Gegenteil der Ironie. Beide sind Formen der Satire, aber während die Ironie mehr rhetorischer Natur ist, hat der Humor eine wissenschaftliche Note. Man steigert die Ironie, wenn man sich durch die Idee des Guten, das sein sollte, immer höher tragen läßt: das ist der Grund, weshalb die Ironie sich so steigern und so warm werden kann, daß sie zu einer Art unterdrückter Beredsamkeit wird. Umgekehrt steigert man den Humor, wenn man immer tiefer ins Innere des Bösen, das da ist, hinabsteigt und seine Einzelheiten mit gleichgültiger Kälte feststellt. Mehrere Autoren, unter ihnen Jean Paul, haben bemerkt, daß der Humor konkrete Begriffe, technische Einzelheiten, genaue Tatsachen liebt. Ist unsere Analyse genau, so ist das nicht ein zufälliger Zug des Humors, sondern sein eigentliches Wesen. Der Humorist ist ein Moralist, der sich als Weiser verkleidet, etwas wie ein Anatom, der nur seziert, um andere abzuschrecken, und der Humor in diesem engeren Sinne des Wortes wäre dann eine Transposition des Moralischen ins Wissenschaftliche.

Nimmt man den Abstand der Glieder, die man ineinander transponiert, noch kleiner, so erhält man immer speziellere Systeme komischer Transposition. So haben bestimmte Berufe ihre termini technici: wieviel lächerliche Wirkungen hat man nicht durch Transposition alltäglicher Ideen in diese Berufssprache erzielt! Ebenso komisch ist die Anwendung der Geschäftssprache auf Dinge des gesellschaftlichen Lebens, wenn etwa eine Figur von Labiche auf eine erhaltene Einladung mit folgenden Worten erwidert: »Ihr Freundschaftliches vom 3. des vorigen Monats« und so die Geschäftsformel transponiert »Ihr Geehrtes vom 3. dieses«. Diese Art von Komik kann übrigens eine besondere Tiefe erreichen, wenn sie nicht bloß auf eine Berufssitte, sondern auf einen Charakterfehler anspielt. Man erinnert sich der Szene in den Faux Bonshommes und in der Familie Benoiton, wo die Heirat wie ein Geschäft betrieben wird und die Fragen des Herzens im strengen Geschäftsstil zu Worte kommen.

Aber wir berühren hier den Punkt, wo Eigenheiten der Ausdrucksweise lediglich Eigenheiten des Charakters wiedergeben, deren eingehenderes Studium wir unserem nächsten Kapitel vorbehalten müssen. Wie man vermuten mußte und wie man aus allem Vorhergehenden schließen konnte, folgt die Wortkomik genau der Situationskomik und mündet wie diese schließlich in der Charakterkomik. Die Sprache führt zu komischen Effekten nur, weil sie Menschenwerk und so genau wie möglich den Formen des menschlichen Geistes angepaßt ist. Wir sehen in ihr etwas, das da lebt von unserem Leben; und wenn dies ihr Leben vollkommen wäre, wenn es nichts Lebloses in ihr gäbe, kurz, wenn die Sprache ein völlig einheitlicher Organismus wäre, der nie in selbständige Organismen auseinanderfiele, so würde sie für das Komische nicht in Betracht kommen, so wenig wie eine Seele, die harmonisch mit dem Leben verschmolzen, eins mit ihm ist und wie ein Wasserspiegel so friedlich. Aber es gibt keinen Teich, auf dessen Oberfläche nicht tote Blätter trieben, keine menschliche Seele, über die sich nicht Gewohnheiten legten, die sie gegen die anderen und damit gegen sich selbst verhärten, keine Sprache geschmeidig, lebendig, hurtig genug in jedem ihrer Teile, um das Starre auszumerzen und auch den mechanischen Eingriffen der Inversion, Transposition usw., die man an ihr wie an einer bloßen Sache begehen will, erfolgreichen Widerstand zu leisten. Das Starre, Stereotype, Mechanische im Gegensatz zum Geschmeidigen, immerfort Wechselnden, Lebendigen, die Zerstreutheit im Gegensatz zur Gespanntheit, kurz der Automatismus im Gegensatz zur bewußten Aktivität, das ist es schließlich, was durch das Lachen unterstrichen und womöglich korrigiert wird. Vom Beginn dieser Arbeit an war dieser Gedanke unser Leitstern. An allen entscheidenden Wendepunkten unseres Weges haben wir ihn aufleuchten sehen. Jetzt diene er uns als Einleitung in eine wichtigere, und wie wir hoffen, noch ergiebigere Untersuchung. Denn wir wollen jetzt die komischen Charaktere studieren oder vielmehr die wesentlichen Bedingungen der Charakterkomödie bestimmen, dabei aber versuchen, durch diese Studie beizutragen zum Verständnis der wahren Natur der Kunst wie des allgemeinen Zusammenhangs zwischen Kunst und Leben.


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