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DAS STADTTOR VON PRACHATITZ

Stehst du noch, altes Tor? In meinen Träumen
baust du dich auf so stolz und steil wie je.
Die mittelalterlichen Zinnen säumen
die graue Stirn dir in der Wolken Näh'.
Die Torfahrt, drin die Kinderschritte hallten,
das Kruzifix, der Laden mit dem Schild, --
Erinnerung verschiebt die Mantelfalten
vergangner Zeit und wird Gestalt und Bild.

Sprengt so wie ehedem der Rosenritter
visiergeschlossen über deine Wand?
Trotzt noch der Kirchturm jedem Ungewitter
und sendet seinen Glockenruf ins Land?
Gibt es noch Nächte, tief im Traum verloren,
von Wetterleuchten heimlich überflammt
und hingebreitet vor den Häusertoren
wie dunkelblauer, goldgestickter Samt?

Nie atmeten die Lüfte mehr so leise,
nie streute so die Sonne Gold auf Gold,
wie sie mir damals Büschel, Ringe, Kreise
aus ihrem Schoß zur Erde hingerollt.
Nie ward ein Tor für mich so voll des düstern
Geheimnisses und so von Fragen schwer.
Mir ist, als hör ich deine Stimme flüstern:
»Ob ich auch steh, du findest mich nicht mehr.«


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