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1928-1932
ὥρας, αἳ πάντα φέρουσιν
Wie seid ihr nah, verewigte Gestalten,
In diesem lösenden Septemberlicht,
Das über Wiesen, Wälder, Hügelfalten
Aus wolkenloser Bläue bricht.
Neigt sich, wie alter Spruch des Volkes kündet,
Mein Leben, da in solcher Deutlichkeit
Gewesenes sich dem Seienden verbündet?
Ich wäre jetzt zum Hingang nicht bereit.
Und euer Ruf, so sehr ich ihn verstehe,
Erschiene grausam, da ich noch das Werk,
Das in mir lebt, nicht ganz vollendet sehe:
Was es vollenden soll, ist kaum Vermerk.
Stört meine Bahnen nicht, geliebte Schemen,
Ihr wißt ja, daß ihr unvergessen seid ...
Ich litt für euch: so wollet mir nicht nehmen
Den Glauben an den Sinn von soviel Leid
Und euch den Ruhm nicht, bis zum Siegelschlusse
Zu harren, den ein
größerer bestimmt:
Ich lebe noch von eurem ersten Kusse
Und sterbe erst, wenn
er ihn übernimmt.
I
Wunder der Feen,
Blauem Serail entstiegen,
Sieh unsren Seen
Glanz deiner Heimat fliegen ...
Goldnes Gewölk verpufft
In Firnenfrühe ...
Dem Schnee durchtauter Luft,
Daß sie noch süßer sprühe,
Mengt sich Glyzinenduft.
In deines Auges Achat,
Spiegel der Stunde,
Hebt sich vom Grunde
Aller Liebkosungen Saat.
II
Ja: die Treppen von Balsora und die grünen Kugeln
Der Moscheen, vom trägen Fluß gespiegelt ...
Staub und Sand der Karawanenstraßen ...
Salziger See, der bald den Weg verriegelt ...
Regenleere, aasgefüllte Brunnen ...
Endlich, abends, Machanaims Königspalmen,
Trauernd noch um den geliebten Schatten ...
Alle Lüfte schwer vom Rauch der Psalmen ...
Purpurnacht am Saum des Toten Meeres ...
Zinnen, rufend, doch gemieden ...
Weißer Mohn ... Magdalas Taubengurren ...
See Genezareth im Dämmerfrieden ...
Goldne Lampen schaukeln in den Dielen,
Alle Fischernetze sind an Land gezogen –
Jene schrien: doch Pari Banus Bruder,
Bannte kaum gehobner Hand die Wogen.
III
Rosen-Winde
Aus lodernden Schluchten ...
Ferne laden
Dattelhaine ...
Ufer, Buchten,
Lang entschwanden ...
Quellen versiegten
Im grauen Gesteine.
Fächer schmeicheln
Unter Zelten ...
Lider sanken
Glut zu mildern –
Flüstert ein Fragen:
Ob Götter der Jugend
Vor tödlichen Bildern
Des Mittags noch gelten?
IV
O sieh! Hyazinthblauem Meere
Entsteigen die Reiter des Lichtes:
Schon suchen die silbernen Speere
Den Duft deines trunknen Gesichtes.
Doch tiefer als Licht ist der Traum ...
Dich halten die Bilder gefangen,
Geburten entzaubern dich kaum:
«Was sollte Geschehn mir besiegen
Die Wunder, die heimlich mich wiegen,
Am halb schon versinkenden Saum
Des ewig betrügenden Lebens?
Was soll mir des Nehmens, des Gebens
Verächtlich geringes Entgelt?
Ich kann auf der Erde nicht weilen,
Ich kann meine Wunder nicht teilen
Um Wunder der Welt».
V
Die Kuppeln bleichen schon im Grün des Abends.
So will ich in die Gärten deiner Augen
Nach diesem heißen Tage niedersteigen
Und mit den Palmen, stumm, die Nacht erwarten.
Den Sklaven, die am Brunnenbecken träumen,
Hebt Duft von weißen Oleanderbüschen
Lieder aus trägem Blut in träge Saiten,
Uralte Lieder, die Samum
Im Sand begrub: wie Haschisch süß
Und tief wie Tod aus Mohn.
I
Mich wiegt ein Lied
Aus Götter-Tagen ...
Von Pessinus die Große Mutter
Magst du um seine Deutung fragen.
II
Es weht von Götterflug auf den Gestaden,
Die blaue Feuchte netzt den Flügelschuh ...
Die ewig-grünen Eichenhaine laden
Trauer der Himmlischen zu Erdenruh.
III
Ich rief dich nicht, doch wie ein Flügelbeben
Ging durch die Not, in der ich schweigend lag,
Das Ahnen, eines Gottes Niederschweben
Bereite mir den Auferstehungstag.
Platanenzweige, die am Tore schwankten,
Goldgrünen Dämmer wehend in den Raum,
Petunien, die am Fenstersimse rankten,
Der Brunnenstrahl, der Schatten blauer Saum
Auf weißen Wänden und auf weißen Steigen:
Dies alles wußte schon von deinem Sein,
In alle dem war schon das stumme Neigen:
«Was wartest du? Wir rufen dich! Tritt ein
In die Geschenke, die dich lang ersehnen» ...
Und da ich liebend bin in jedem Ding,
Sah ich den Gott am Rand der Mauer lehnen,
Die voll von Thymian und von Winden hing.
IV
Und wie vor Tausenden und tausend Jahren,
Begriff ich, daß nicht Dinge gehn und werden,
Daß Tod nicht Sterben heißt im großen Sein:
Daß Ewig-Gleiches ewig gleich entzückt
Und jedes Wunder wiederkehrt auf Erden.
V
Rühre die schlafenden Saiten,
Finde mir heute ein Spiel:
Singe noch einmal die Zeiten,
Ehe der Tempel zerfiel.
Singe die ladende Schwelle,
Singe das weiße Gewand,
Attikas heilige Helle,
Attikas ewigen Strand.
VI
«Nun sage mir: Wie deutest du die Worte,
Daß
Sein von mehr Gewichte sei als
Werden?»
Nur aus des Blutes unverfälschtem Horte
Wächst wahres Spiel von Taten und Geberden.
Kein Ungefähr von draußen kann dich mehren,
Verringern dich: eindeutig ist das
Sein,
Vieldeutig die Gestalt: das Aufbegehren
Aus dumpfem Grund in Hülle, Bild und Schein.
Hier nur ist Wandlung, Stufe und Entfaltung:
Ewiges Was wird zeitlich süßes Wie ...
Das
Sein bestimmt dir Fülle, Kraft und Haltung,
Das
Werden Farbe, Duft und Melodie.
VII
So werden wir zur schönen Fahrt uns rüsten
In frühe Heimat, wenn der Sommer naht ...
Schon lang erwarten uns die Siedlerküsten
Der fröhlichen Korinth und Gelons Staat.
O große Stunde, wenn wir schweigend schreiten
Aus grauem Trümmerfeld zum Mauerkranz
Der alten Veste und die Blicke breiten
Auf steiles Meer im Abendglanz.
Wenn uns vom grausam-klaren Herrschensdrange
Glaubhafter Fürsten später Hauch umbebt,
Wenn unser Blut, in heilig-dunklem Zwange,
Himeras Jubeltag noch einmal lebt:
Schon flog von Salamis des Wunders Kunde:
Triumph! Der Perser unterliegt!
Und hier verblutet schon aus Todes-Wunde
Karthagos Neid: der Traum von Hellas siegt!
VIII
Wir harrten auf den Tag im Fensterbogen
Nach kurzem Schlummer, den Erinnern brach ...
Matrosen sangen, als in Purpurwogen
Der Bug des ersten Seglers stach.
Nun stürzen Schwärme wilder Vögel schreiend
Sich über See ins Morgenrot,
Vom Tau der Nacht die Fittiche befreiend
Im Gold, das auf den Zinnen loht.
Doch aller heiße Duft der Latomien
Betäubt noch heute nicht den Todes-Gruß
Der Opfer, die vor Schmach und Heimweh schrien,
Als du
Athen verrietest,
Syrakus!
IX
Was willst du, daß ich noch singe?
Thánatos, nenne das Lied!
«Vom Vogel mit purpurner Schwinge
Im abendlich dunstenden Ried.»
Er flog aus den sterbenden Aschen
Der Zeiten mit feurigem Hauch ...
Sie suchten die Flamme zu haschen
Und griffen nur Nebel und Rauch.
Sie wollten mit Netzen ihn fangen
Und stellten auf Firnen die Wacht:
Die Fittiche brausten und klangen
In sternendurchrieselter Nacht.
Sie lauschten erschrocken dem Tönen
Und weinten, als es verschied:
Die Sterblichen, wisse, versöhnen
Sich niemals dem göttlichen Lied.
I
Ich rufe wach das Blauen der Gestade,
Wo dieser Traum vor Jahren sich erging,
Ich wandle wieder jeden unsrer Pfade,
Vereine wieder mich dem kleinsten Ding.
Was heißt die Zeit, wenn wir als Bildnis tragen
Das Abgerufene? Nur das Bildnis zählt,
Nicht ein Verlauf aus Stunden oder Tagen,
Und Gott, der sich im Wunder uns vermählt.
II
Noch wölkt im Westen silbernes Gefieder,
Verflockt und läßt das Blau sich tiefer neigen,
Indessen wir die Marmortreppen nieder
Zum Saum des mütterlichen Meeres steigen.
Du gehst voran mit Schritten wie auf kühlen
Kamelienblüten, schwebend in der Hüfte,
Mit schmaler Nüster witternd in die schwülen
Noch nachtgebundenen Mimosendüfte.
Erst als vom Sande dir der eigne Schatten
Entgegenblaut im ätherleichten Streichen,
Hebst du die Lider von den immer-matten
Traum-Blicken auf, die langen Küssen gleichen.
III
O sieh, wie vor den Füßen unsre Schatten
Im heißen Ufersande sich umschlingen ...
Der Wind im Ölbaumflitter will ermatten ...
Der See wird still ... Die Grillen singen ... singen ...
Kein Segel weit und breit ... Kein Ruf der Schiffer ...
Die Wolkenberge blühn in dunstiger Bläue.
Die Sonnenuhr, auf halbverwischter Ziffer,
Verkündet, daß der Mittag sich erneue.
IV
Nun läßt der Gärtner in bemoosten Schalen
Des späten Brunnens Perlenspiel sich fangen ...
Die Wände dunkeln schon, die letzten Strahlen
Sind aus den Pinien um das Haus gegangen ...
Wir werden ihren Aufgang nicht mehr sehen ...
Du hebst die Wimper schwer vom Saum der Wange ...
Bis an den Rand der schwarzen Schächte stehen
Die Wasser – stumm – und funkeln lange.
V
Immer weht noch jenes Sichverschwenden
Der Glyzinen aus dem Lorbeerhaine,
Rufen laut noch über Murmelsteine
Unsre Brunnen, wenn sie nächtige Kühlung spenden.
An den Stufen, die sich flach ins Wasser gießen,
Wartet noch die Barke auf dein Kommen ...
Und der Abendwind hat noch nicht fortgenommen
Deiner Tritte Spur auf den bemoosten Fliesen ...
VI
Rógaro: wie lockten seine Einsamkeiten,
Rosen-Gärten zwischen Salbeiwiesen,
Langsam durch der Lüfte abendliches Fließen
Dem Gedächtnis deines Bildes nachzuschreiten.
Damals – o wie trank im langen Rasten
Deine Lippe Duften der Glyzinenreife,
Als die Schatten schon den Fuß der Bucht umfaßten
Und der Wind sich hob zu flüchtiger Streife ...
Der Gestirne mildes Sichvertauschen
Ließ als Ahnung lauer Nacht sich deuten ...
Durch das heimliche Zypressenrauschen
Hörten wir – um Himmel fern – Limonta läuten.
VII
Du meiner Träume Kind und Kind der Auen,
Die zwischen Hügeln weit, ein Feiertag,
In alle Öden meines Lebens blauen:
So wie ich einst vor fremden Göttern lag,
Das Wunder deiner Nähe noch nicht fassend,
So lieg ich nun – und weiß es selbst nicht, wie –
Mich deinen Händen wunschlos überlassend,
Erschüttert hingegeben dir am Knie.
Was auch geschehen mag: von deinem Wehen
Im Grund bewegt, von deinem Blut gespeist,
Ich werde jeden Kampf zuletzt bestehen,
Der dich als Gegenwart in mir erweist.
VIII
Ich sage nicht mehr Mutter, nicht mehr Vater,
Ich sage nicht mehr Schwester, nicht mehr Bruder,
Ich sage deinen Namen, und sage die Heimat.
Du, letzter Name, der mich mit Heimat ruft ...
Wenn ich an fremden Meeren
Durch Städte im Mittag
Und Städte im Abend
Auf und nieder ziehe – des Mondes
Geschmeide um Dächer und Kuppeln
Zerschmilzt: O wie singt durch die Tauluft
Dann für dich das Gebet:
Und der Teppich der Sterne
Sinkt mir, dem Beter,
Unter die schläfrigen Füße.
IX
Nun schaukelt dein Leben,
Ein blühendes Segel,
In meines Lebens
Mild glühendem Wind,
Bald näher der Küste,
Bald ferner im Streben
Zu fremden Gestaden,
An Hoffnungen lind.
Ich warte am Ufer,
Ein wissender Warter,
Dich liebend, dich lassend
Dem Traum, der dich wiegt –
Gehn Sterne zur Rüste,
Ermahnend ein zarter
Beschwörer des Dunkels,
In das dein gefalteter
Flügel sich schmiegt.
X
Verzaubernd stets, doch im bewußten Schenken
Sparsam, und niemals mehr dich selbst entäußernd
Als manchmal unbewußtes Drängen heischt:
So ziehst du, mehr als wundersames Wesen,
Die Straßen meines Lebens auf und nieder,
Gefangen zwar im Dunkel meiner Liebe,
Doch nie den Zwang der milden Haft verspürend.
Wie aber, wenn ich, tiefere Antwort fordernd,
Dir sagte: Zauber nicht: Entbürdung!
Begriffest du und lindertest mein Schicksal
Mit stummer Stundentat? Bewegtest Steine
Von meinem Weg und schwebtest dennoch mit
Gestirntem Fittich über meinem Herzen?
XI
Dieses auch lehrtest du wieder:
Lächelnde Schwermut: o wie lange schon fremd
Allzu aufgelichtetem Herzen!
Wie muß ich nun fühlen:
Alles Leben ist ohne Vergangenheit,
Ewiger Urwald, wuchert Gewesenes in
Ewige Gegenwart über ...
Ob uns – o Gleichnis! –
Ob uns Sterben ermächtigt zu sagen: wir waren?
Siehe, wohin mich sanftester Anhauch
Deiner verschwiegenen Seele verführte ...
Sehr wehe Verführung!
XII
Was ist ergreifender als dein Gesicht,
Wenn es, von schönen Bilderreihn bewogen,
Vom Nebel des Gefühles angeflogen,
Die Grenzen seiner Form durchbricht?
Dann steht es einsam, schwer vom eignen Duft,
Ein Rosenkelch, an überschwankem Stiele
Und so, als ob es schon in Schlummer fiele
Im dumpfen Grau der unbewegten Luft.
Die lange Wimper taucht in weiche Nacht
Des Auges Wasser und beseelt die Schatten
Am Saum der Wange, die sich flüchtig gatten
Mit Purpur, der auf stillen Lippen lacht.
Doch an den Schläfen, wo das Haar sie schließt
Mit goldnen Fäden, steht ein großes Lieben,
Noch größeres Liebenlassen hingeschrieben
Und jene Schwermut, die aus Fülle fließt.
XIII
Profil: ägyptisch-zart, doch Glut im Innern,
Vom Kupfer weniger Kerzen angehaucht,
Du bannst mit übersinnlichem Erinnern,
Ein Tempelbild, Jahrtausenden enttaucht.
Wer je dich so: mit hingegebenen, bangen,
Mit Blicken, deren dunkler Atem stockt
Im Atem deiner Schönheit, eingefangen
Und dein Geheimnis in sein Blut gelockt
(Es stammt von Opfern, die dir ehmals galten),
Begreift, erschrocken, wie die äußeren Zeiten,
In denen mühsam das Jahrhundert denkt,
Den Durchbruch innerer Zeiten niederhalten
Und fühlt das Brennen sagenferner Weiten
Im Duft der Trauer, die dein Auge schenkt.
XIV
Du lockst nicht den, der sich nicht selber naht,
Und keinen bannst du, der nicht bleiben will.
Kein Wunder wirkt, das nicht in zweien blüht,
Und niemals eines geht durch Edens Tor.
Und wenn in zwei Erwählten Liebe wuchs,
Wie könnte Liebe ohne Trauer sein?
Wo sich zusammendrängt getrennter Stoff,
Wird immer Wunde bluten, Flamme sprühn.
Was ich dir künde, hast du selbst gefühlt.
Doch wem, der liebt und der geliebt sich weiß,
Verwehrte Gott Befruchtung je im Leid?
Es ist nicht Liebe, die nicht Mit-Leid sei.
XV
So wäre wieder Scheu das Maß für Tiefe,
Und Schweigen einziger Ton, der dich erreicht?
Ich, dessen Leben nichts als Liebe war,
Erschüttert steh ich wie am ersten Tag,
Vergleichend nicht, und mich an nichts entsinnend.
Was Liebe sei, wird Liebe nie ergründen:
Solang wir fühlen, sind wir ganz gefangen,
Und starb Gefühl, so war es nie.
XVI
Du bist der Sang, der ohne Ruf nicht klingt,
Du bist die Schönheit, die nicht Antwort bringt,
Du bist der Wind, der ohne Herkunft weht,
Du bist der Duft, der nicht zum Ende geht.
Du bist der Traum, den keiner weiterträumt,
Du bist das Licht, das keine Straße säumt,
Du bist der Frieden, der nicht Frieden gibt,
Du bist die Liebe, die sich selbst nicht liebt.
I
Damals, als dich die jähe Sehnsucht faßte
Nach Unbegrenztem und nach Unberührtem,
Als du, ein Sturm, in Fernen stobst, kaum wissend,
Wo denn das Ziel so heftigen Aufbruchs sei:
Gab ich auf dein Befragen nicht mehr Antwort.
Ich ließ dich gehn, mir nicht das Recht erkennend,
Den Flug zu hemmen, der dich abseits trug.
Doch nun, wo sich dein Ruf nach mir erhebt –
Ich ahnte nicht, daß er so traurig sei,
So voll von Heimweh nach verlorenem Maß –
Verkündet dir die einst verschwiegene Mahnung:
Erweise dich des schönen Auftrags würdig,
Zu dem du auserlesen warst, und kehre,
Abtrünniger Stern, in deine Bahn zurück.
II
Unergründlich ihm selber, dem Sänger,
Bleibt des Gesanges Geheimnis,
Unergründlicher noch dem Forscher.
Wesen enthüllt nicht,
Wer die Erscheinung erkennt.
Dichter und Liebende wissen, was frommt:
Zu knien und zu lauschen,
Nicht um Ursprung zu grübeln
Und nicht um das Ende.
Alle Kräfte entsteigen den glühenden
Tiefen des Glaubens,
Und des Formers Gewalt
Schlägt immer zurück auf den Stoff.
Daß er blühender mache die Laute,
In denen sein Volk west,
Bestimmt dem Sänger die Größe:
Daß er sich ewig erneue
Sein Glück dem Geliebten.
III
Immer ist dieses
Anfang des Abstiegs:
Rede zu stehen
Unbefugten.
Wer dich erforschen will,
Soll sich bemühen,
Demut üben
Vor schlichterem Sein.
Nur wer des Gottes ganz
Entriet, zergrübelt
Sein Leben und anderer.
Der Schauer-Erfüllte
Beugt seine Stirne der Flamme,
Freut sich des Glanzes und fühlt
Süße Durchleuchtung.
IV
Ich müßte fast zu meinen Göttern flehen,
Daß sie aus größerer Ferne zu mir sprächen:
Doch weiß ich wohl, daß sie uns niemals Abstand
Vom eigensten Berufensein gewähren:
Verweisend würde Delphi mir bedeuten:
«Wem wir das Dasein gedoppelt
Im Schaun und im Fühlen,
Dem auch verdoppeln die Last wir
Schönes zu tragen, zu schaffen.»
V
Wie vieles dich noch quält,
Dem längst deines Blutes Adel,
Dir selbst noch unerschlossen,
Tiefere Antwort fand.
So ferne bist du gestellt von deinen Göttern
Den Orten, wo das Verworrene
Ewig gleiche Schmerzen austrägt,
So namenlos zu lieben ward dir aufgetragen
Was strahlt und weht im Wandel der Gezeiten,
Daß auf den reinen Flügeln dir nicht Staub,
Nicht Träne lasten darf geringeren Lebens!
Wer dich aus eigner Fülle nicht begreift,
Darf dich nicht rühren ... nahn darf dir nur jener,
Dem auf die Stirn das Zeichen
Gleicher Geburt gesetzt ist.
VI
O lerne Unglauben
Als erstes der großen Läuterung!
Wisse nicht bildhaft nur,
Wesenhaft wisse Menschen zu fühlen!
Verachten lerne,
Wo du, trunkenes Herz,
So überschwenglich liebtest,
Daß nur entliehenes Geleucht
Larven dir zeigten!
Tiere gibt es zum Lieben,
Blumen, Meere, Fluhen,
Und du selber,
Gefäß voll Traum und Sesam,
Bist deines eignen Gefühles
Wie wenige wert!
Auf deinen Schläfen steigen
Gestirne auf und nieder,
Ur-Sterne, ewiger als Menschheit:
So lerne höchstes Wissen:
Zeugung im Beispielsein.
VII
Verlorene Mühe jedes Wort!
Sie sagen «
Hellas»: und die süßen Klänge
Erstarren schon in ihrer ersten Frage:
«Was soll uns dieser seelenlose Marmor?»
Vergrabt euch erst im Dunkel ewiger Silben,
Hört den Gesang der glühenden Wurzeln tönen,
Im unterirdischen Wald der Götterlaute,
Und kleidet, eh ihr urteilt, euch in Demut!
Die Eichenwälder von Dodona rauschen
Nicht jedem frechen Ohre, und die Stirne,
In der die Flamme des Lysippos starb,
Erschließt sich nicht dem flüchtigen Begaffer!
Wißt: Die Griechen waren
Der Völker heißestes: und was sie ewig macht:
Des Feuers letzte Bändigung: nichts
Als Heiterkeit!
VIII
Die Wasser der Erinnerung,
Mit breiten Rändern
Dorischen Frühgoldes
Rauschen im Strom unsres Blutes,
Weiterwollende nun,
Wasser des Anbruchs.
O wir Dunkel-Nachgeborenen
Unvergänglichen Erbes,
Manchmal zerreißt unsrem Auge
Nie gelichtetes Wirrsal,
Münden, von sinkenden Sternen besprüht,
Uns tausend Bäche des Leides,
Suchender Sehnsucht und
Oft zerspaltener Hoffnung
Im Meer des Friedens:
Verlassene Täler befruchten sich neu,
Ernähren ein reines Geschlecht,
Das mit Göttern wandelt,
Erdwärts gebogener Stirne
In offne Himmel blickend.
IX
Als ob nur eine Stunde Hellas tot
Gewesen sei, weil hundert neue Süchte
Menschen verwirrten und ihr Gleichnis suchten!
Als ob im kühlen Rollen der Äonen
Dreitausend kleine Jahre mehr
Bedeuteten, als eines Tropfens Fall
In heißen Sand! – O nein, ihr armen Schwätzer:
Das Erbe, das wir hüten, ist von heute!
Und wenn ein Wille in uns brennt, zu zeigen
Mit nichts als
Sein, was uns erfüllt, erschüttert
Und selig macht in jedem unsrer Schritte:
So ist es nur, um halberloschnen Augen
Den Star zu stechen, Herzen aufzurufen,
Die eben in den Stand der Blüte traten.
Denn eher nicht wird die zerquälte Welt
Aufatmen von dem Alp, der auf ihr lastet,
Als bis sie jedes Jenseits heimgerissen
In das Gehäus der tausendfachen Dinge
Und statt des Himmels Schicksal aufgerichtet,
Vor dem kein Flehen und kein Flennen gilt.
Dann wird man wieder heilige Tiere hüten
Und Blumen Tempel baun.
X
Wer an den Flug der schöpferischen Seele
Die vielen Wünsche seines Herzens heftet,
Muß zeigen, daß ihm selber Flügel wuchsen,
Und frei vom Irrtum des Besitzes schalten.
Du magst die Schwingen ruhig mit mir heben:
Ich lenke unser stilles Kreisen so,
Daß du die eignen Himmel wiederfindest
Im Auf- und Niedersteigen meiner Sterne.
XI
Mögen sie töten die Zeit
Und vernichten den Raum:
Sie werden nie die Wunde heilen,
Aus der ihr Leben verblutet.
Ich sage dir: ihrer wehesten Sehnsucht
Gleichnis wird sein: im blauen Abend
Die weidende Herde den Hügel hinan,
Auf grauem Feldstein
Die Flamme zu dunklen Wipfeln,
Der spähenden Hinde gefülltes Auge
Aus steilem Lorbeer gegen
Mittagflimmerndes Olivental.
XII
Beschließen wir, diesmal, das späte Gespräch.
Was soll ich dir noch sagen,
Der fühlend erkennt?
Beklage nicht mehr
Der Väter lang versunkenes Land!
Dir lebt es ja,
Wie vielen es auch starb.
Aus eigner Tiefe
Blühe jedem die Wahrheit,
Er lebe für alle,
Wozu er bestimmt ist, durch Eros,
Des Allwirkers Gebot.
Siehe, der Tag weht über dem feuchten Lorbeer heran,
Die ersten Schwalben jauchzen gegen das Meer,
Und fern, im Hafen von Ortygia, singen
Matrosen der Ewigen Mutter das Morgenlied.
XIII
Ja: mein Leben war Abschied um Abschied,
Und ich verlernte die Klage um Trennung.
Trennung ist es gewiß nicht,
Was mich erschüttert, doch dieses:
Daß zur Vollendung uns
Immer wieder die Götter
Mit den Flammen der Einsamkeit ausglühn,
Immer wieder das Rasten
Bei ebenbürtigem Blute
Nur nach
ihren Stunden bemessen
Und ohne Erbarmen
Ihre Erwählten in
Wüste verweisen!
XIV
O rühre dich nicht!
Um eines Ölbaumblattes Breite
Nicht rühre dich,
Du Gleichnis meines Lebens:
Dem stummen Beter
Versinken Grund und Raum ...
Versinkt er selbst am Ufer
Atmender Ewigkeit.
XV
Wie steil das Meer, zu dem ich dich geleitet,
Wie feierlich getürmt die Goldne Stadt!
So bleibt der Abschied groß wie unser Anfang.
Wer sich mit solchem Auge maß wie wir,
Entweiht die heilige Trennung nicht mit Trauer.
Und ob auf Jahre uns die Fluten scheiden,
Fremdes Erleben sich dem Herzen häuft:
Was in uns war und ist, wird weiterwachsen
An jedem Feuer, das uns überfällt.
Vermehrter Reichtum wird die Sehnsucht mehren,
Und eines Tages werden wir die Ernte
Im großen Wiedersehn erneut vertauschen,
Uns abermals – mit Gott im Auge – messen,
Um gleichen Glaubens in uns einzugehn.
Leb wohl! Ich wünsche nichts als daß du blühst.
Traumvolles Bild,
Im grauen Staube der Nacht
Rundet das offne Fenster den Bogen
Um deine Verlorenheit.
Vom Saum der Hafenlichter gehütet,
Mühsam entschlummert die laute Stadt.
Im weißen Haus, jenseits am Hügel,
Zünden sie nachmitternächtige Kerzen an,
Gehn mit erregten Geberden im Zimmer,
Treten hinaus zum Balkon, und die kupferne Flamme
Malt ihre eifernden Schatten an schweigende Wände.
Du aber blühst,
Blühst am Geländer,
Der Tiefe nicht achtend,
Nicht achtend des Sternes, der lautlos
Grünes Geschmeide
Gegen dich ausgießt.
Im Winde duften die Salinen,
Fast wie das Meer. Die Wolken ziehn.
Die Rosen blühn, und über ihnen
Ist noch ein Duft von Rosmarin.
Du dämmerst, lächelnd, mir zur Seite,
Entschlummert fast. Das frühe Licht
Entschleiert langsam nur die Weite
Und küßt sie über dein Gesicht.
So war das zagende Beginnen
Von dem, was längst in Abend strebt ...
Wir haben uns im langen Minnen
Ganz zu uns selbst zurückgelebt.
Alte, vielgeliebte Dinge,
Rufen uns von neuem an:
Trauermantel mit verbrämter Schwinge,
Aus dem Acker, fliehend, ein Fasan.
Schweigend, atmend, Arm in Arm geschlungen,
Schreiten wir durch Wälder hügelan:
Wir-gewordene Erinnerungen ...
Leid war viel, doch gar nichts ward vertan.
Lange schon ist ausgeklungen,
Was uns einte und verwirrte ...
Heute sind wir nur durchdrungen
Tieferen Wissens, daß von beiden
Keines ganz vergebens irrte.
Unbegreifliches Ersehnen
Dünkt uns nun, die Liebe sei
Mehr als Aneinanderlehnen –
Und der Weg ist frei.
Sieh, wie das Gold der Neige
Noch den Altan umklärt
Und fern, durch Lorbeerzweige,
Im Felde das Gefährt.
Die breiten Barken schwimmen
Heimwärts auf trägem Strom,
Die ersten Lampen glimmen
Schon auf in Rom.
Ob von so langem Bunde
Schöner die Frucht erscheint,
Als daß uns solche Stunde
Noch so durch sich vereint?
Wie seltsam, daß in ihre große Liebe
Die Liebenden nicht Abschied einbeziehn,
Als ob ein andres ihnen übrigbliebe ...
Warum so ruhmlos vor sich selber fliehn ...
Ich liebe dich – und mag dich doch nicht sehen,
Weil soviel Übergang mich nun bewegt,
Weil soviel Anfangsdunkel mich durchwehen
Und ungewisse Ferne mich erregt.
Was in mir singt, ist nicht, wie einst, dein Leben.
Du bist es nicht: mir scheint, es ist ein Hauch
Von allem, was wir uns noch nicht gegeben ...
Und eine Ahnung, scheint mir, ist es auch:
Vielleicht, daß morgen schon im Angesichte
Der Sinn der Trennung dir erblüht
Und, was ich nun im schwachen Wort berichte,
Als Werbung sich erneut um dich bemüht.
Auch ich bin heimgekehrt, nicht du allein.
Ich sehne mich nach nichts, auch nicht nach dir.
Ich bin so angefüllt mit eignem Sein,
Als lebte niemand in mir – außer mir.
Ist dies ein Ende, das in Anfang weist?
Ist es die Wende, die ein Leben schließt?
Sammlung, die neuen Aufbruch mir verheißt?
Erfüllung schon, die über-fließt?
Ergründe du und prüfe, wer ich sei:
Von meinen Göttern schon der Zeit entrückt,
Unwissend schon von irdischem Leben frei,
Oder so tief und ungewußt beglückt
Von ihrem langen Schlummern durch mein Blut,
Daß
du, ihr Tönen einst, durch hellen Ruf
Sie scheuchen mußt: «es ist nicht gut,
Daß der euch hörig sei, die ich erst schuf!»
Da uns die große Abendklarheit nicht
Wie ehmals eint, da uns die Eichenhaine,
Wenn rotes Gold sich an den Stämmen bricht,
Zur heimatlichen Stadt nicht mehr im Scheine
Flammender Fenster niedersteigen sehn:
Mag ich nicht ohne dich in diesem Jahre
Die Wege unsrer frühen Liebe gehn,
Eh ich, vor Wintergrauen, südwärts fahre.
Den Ufern, die mir dort mit Meeresglanz,
Mit Nespelduft und weißen Städten winken,
Ist deine Süße fremd. Dort kann ich ganz
In einem nie geteilten Glück versinken.
Dort kann dich mein Verlangen rufen, laut,
Doch ohne Schmerz, in ein erfülltes Leben ...
Wo dieser Erde ewiger Mittag blaut,
Kann ich zum Traumbild dich zurückerheben.
So gehn die Tage nun in goldner Gleiche
Und mahnen uns, wie nah schon der Oktober ...
Das Stroh der Stoppel hängt an Rad und Speiche ...
Der Wiesen letzte Schur füllt alle Schober.
Das Laub des Birnbaums weist die erste Röte,
In Scharlach kleidet Wein die Villenwände ...
Die Winden duften, doch des Gottes Flöte
Regt sich nicht mehr im flimmernden Gelände.
Die Störche sind schon lange fortgeflogen ...
Durch lichtes Blau der Bussard zieht die Kreise ...
Die Schläfe lässig an mein Knie gebogen,
Rufst du die Bilder deiner nahen Reise:
Schiff, Hafen – endlich Flucht der flachen Küste ...
Ich lasse ohne Hoffnung dich entgleiten ...
Das schöne Jahr der Liebe geht zur Rüste,
Erfüllt in sich: nach dem Gesetz der Zeiten.
Ich fühle ohne Schmerz das stete Schwinden
Der Liebe, die du willig mir gewährt:
Wir brauchen keines Schwurs uns zu entbinden,
Ein Rest von Anspruch gelte als verjährt.
Wir werden immer seltner uns begegnen,
Und bald durch Meere ganz geschieden sein,
Du wirst die Stunde deiner Ausfahrt segnen,
Und doch wird dich die Trennung nicht befrein.
Was nie zu vollem Leuchten sich entfaltet,
Wirft seine längsten Schatten. Sei gewiß,
Daß nur ein Ausgebranntes ganz erkaltet.
Von unsrem Abschied bleibt nicht Mal noch Riß,
Noch jener taube Raum, den Tote lassen:
Es bleibt ein dämmerndes Ergebensein,
Ein Wissen, daß wir nie die Regel fassen,
Nach der das Spiel sich spielt von Mein und Dein.
So wie nun du durchwandelt man ein Haus,
Das man im Geiste lange schon verließ:
Um jenes Bild – wie sah der Rahmen aus?
Im Gartensaal – wie war der Deckenfries?
Schon steht geschichtet, was man eingebracht
Und wieder fortträgt in das andre Leben ...
Wann aber wird, was man so oft gedacht,
Unwiderruflich sich zum Wort erheben?
Soll ich dich lösen aus des Zögerns Qual?
Was kann dir frommen, daß dich vor der Zeit,
Die Stunde fälschend deiner eignen Wahl,
Ein fremder Wille zu dir selbst befreit?
Des langen Tages Lichter sind zerflossen,
Die Wärme zittert am Gemäuer nach ...
Petunienduft ist lindernd ausgegossen,
Noch dämmert ohne Lampen das Gemach.
Du bist ans Fenster neben mich getreten:
Die Wege blassen schon, das Feld wird grau ...
Ein Schimmer nur von weißen Asternbeeten
Fällt ungewiß in diese späte Schau.
Daß eine Grille riefe, fern ein Wagen
Das Zeichen gäbe. – Nirgends rings ein Laut ...
Du schaust mich an, und deine Augen fragen,
Von keines Fühlens Regung mehr betaut ...
Ich halte diesen schweren Blick – und wende
Mich schließlich wieder an die laue Nacht:
Ob sie das Wort nicht löse, das beende,
Der Worte Wort: Es ist vollbracht.
Nun du gesprochen und dich selbst entbunden,
Bist du in deinen Raum zurückgestellt,
Dich trennend, hast du auch den Ton gefunden,
Der diesen Zwiegesang noch einmal hellt.
Du konntest länger nicht in meinen Zonen
Gedeihn als dieser eine Umlauf reicht:
Sei dir das Ziel gewiß, der Äther leicht,
Wenn du nun aufwachst, wo die Deinen wohnen.
Dort wirst du, grüner Stern aus Abendwelten,
In deinem alten Zauber auferstehn
Und an den Himmeln, die dich reich entgelten,
Gelassen die gewohnten Bahnen gehn.
Auf deinem Glanz wird kein Erinnern blassen,
Und doch wirst du an mich gebunden sein:
Wer schuf die Spangen, die dein Feuer fassen?
Wer hielt den Herd von jedem Staube rein?
Du könntest mich verzaubern, meiner Ferne
Die Welt heraufbeschwören, wie sie war,
Als ich die Fahrt begann ... Ich folgte gerne
Noch einmal solchem Duft von dunklem Haar.
Ich bliebe deinem Schmeicheln nicht verschlossen
Und nähme dankbar deine Gaben an ...
Wir ruhten, von Glyzinenduft umflossen,
Vor stillem Meer auf schattendem Altan –
Doch welches wäre mein Erwachen morgen?
Mir scheint, auch deine Jugend wittre schon,
Von Abgetragnem lasse sich nicht borgen –
Du ließest, scheidend, mir verdienten Lohn.
Es wäre wohl ein spätes Glück gewesen,
Und hätte einmal noch mein Herz entrückt,
Durchleuchtet mich in meinem ganzen Wesen
Und alle, die mich lieben, mitbeglückt.
Was in mir strahlt, ergreift ein jedes Draußen,
Läßt mich zu allen Menschen gütig sein
Und hell wie Lüfte, die durch Blüten brausen,
Wusch sie ein Morgenregen blau und rein.
Du wußtest nicht (wie solltest du auch wissen?),
Was zu erwecken dir gegeben war,
Du lagst in meinen wie in andren Kissen,
Verspielt und süß und jeder Größe bar.
Du mußtest, als die Stunde kam, versagen.
Du sahst nicht, welcher Schmerz mich fast erstickt ...
Und was ich dann in mir noch ausgetragen,
Blieb dir ein Brief, wie man zum Schluß ihn schickt.
Wenn du nur etwas weißt von einer Seele,
So weißt du auch, was mir durch dich geschehn,
Und wenn du heut, verzweifelnd, schreibst, ich fehle
Dir wie die Luft: so hast du übersehn,
Daß du dir selber einen Frieden raubtest,
Indem du, sinnlos, mir den Frieden nahmst ...
Es wäre Irrtum, wenn du wirklich glaubtest,
Du kommst noch einmal, wie du damals kamst.
Durch diese Tür wirst du nicht wieder schreiten,
Auf diesem Lager wirst du nicht mehr ruhn ...
Ich könnte dir bequemen Trost bereiten:
Jedoch ein strenger Gott bestimmt mein Tun.
Er ist voll Nachsicht – außer gegen Schwäche.
Zerbrechen darf, verbluten nie ein Glück ...
Undenkbar, Leid zerdehne sich zur Fläche ...
Selbst wenn ich wollte, darf ich nicht zurück.
I
Wenn schmerzlich-starrem Verlangen Frieden
Durch leidende Gewährung sinken kann:
O so nimm mich ganz als Gebenden, Nehmenden,
Der seines Geschenkes Wert nie übersann.
Dir Glück zu sein: dies allein
Bestimmt meines Fühlens Gewicht:
So großes Glück, als deine glühende
Verworrenheit auftrinken kann.
Wisse, kastilisches Herz, meine Liebe
Ist von vielen dir fremden Lieben schwer
Und an Hoffnungen arm.
Sie erwartet nichts mehr,
Das Stillung wäre. Wirst du es fassen,
Daß unter deinem Munde
Mein Mund nicht aufbricht?
Daß sich mein Auge nur feuchtet,
Weil unaufhaltsam dir die Träne
Drängt in das dunkle Gesicht?
II
Wenn du, deines spanischen Vaterlandes
Erstarrung fliehend, über die milde Bidassoa
In Guétharys Einsamkeiten heraufkamst
Und nun, geregt von der siedenden Tage Ungeduld,
Am Fuß des farrenumdufteten Strandpfades
An meine Schulter stürztest,
Anpressend das schmale, gequälte Gesicht
An meines, das minder verlangende:
Wenn deiner aufgesprengten Jugend
Nachtgefühl mich nochmals hinüberriß
In Tempelgärten entthronter Götter:
Des Anfangs, der deinen nun,
Nicht mehr der meinen,
Und des Nach-Traumes Feuer mich durchzuckten:
Dann konnte geschehen, daß ich mein Leben vergaß
Und – nur der Stunde noch hörig, die deine war –
Versank mit dir ...
Indessen des Weltmeeres Brandung,
Gleichgültig, unter uns
Die rötlichen Felsbrüche schlug
Und aus den Bergwerken
Grauer Himmel
Das bröckelnde Gold hinabfuhr
In steigende Wasser,
Weit, wo sich der Feuchte Ewigkeit
Mischt mit den ewigen Lüften ...
Schläfe an Schläfe lagen wir dann
Im warmen, atmenden Gras,
Ausgetauschte, durch Zauber –
Aber die Schatten
Wuchsen von rückwärts,
Dir selber unfühlbar,
Fühlbar mir,
Überschlugen uns beide und
Forderten Heimkehr:
Daß wir die Waage der Wirklichkeit
Richteten ohne die Frachten des Traumes.
Niemals war meines Mundes Gelübde
So voller Inbrunst, als wenn es zurückrief:
Mochte die schlagende Wimper auch
Der deinen Tau abstreifen im
Hauch der Berührung:
Niemals ist Liebenden –
Lerne es endlich, du loderndes Herz –
Niemals der Erschütterung Gewicht
Gleichgesetzt: wie sehr sie auch lieben!
III
Dies ist die Stunde unsrer Abendflucht,
Wenn sich auf San Sebastians Cannagärten
Und tamariskenüberblühte Bucht
Die Schatten vom Igueldo niederlassen.
Sie werden uns zu schützenden Gefährten,
Wenn deinem Fiebern allzu langsam blassen
Die grünen Himmel der atlantischen Fluten
Und an den wolkenlosen Horizonten
Zu lang des Tages Wunden sich verbluten.
Dann kommt das bange Grau, mit dem wir fliehen,
Indessen schon aus bleichen Häuserfronten
Erwachte Lampen mit uns aufwärts ziehen.
Bald löscht auch dies Geleit, und nur das Hauchen
Der Heliotropen weist uns noch das Ziel,
Eh wir dem Samt der Parke ganz enttauchen.
Nun ist mit einem Mal die Nacht erschlossen,
Wir sind allein im Raum – die Hülle fiel ...
Die Sternensaat ist aufgeschossen,
Und aus der Woge braust das Spiel.
Aus Welten, die wir stumm sich wandeln sehn,
Umweht uns Hauch von nicht geringerem Leben.
Nach Gottes Maßen deuten wir Geschehn
Und werden Scherben oft als Schätze heben.
Das Heute oft – die Zukunft nie beschwörend,
Ganz in der Fülle wirkend, die uns bindet,
Uns nie an noch so schönem Traum betörend
Und wissend, daß der Suchende nicht findet,
Wenn er nicht Herkunft seiner Wünsche kennt,
Betrachten wir mit Staunen das Getriebe,
Wo einer stets den andren überrennt
Und keiner mehr die Lösung wittert: Liebe.
Ich bin bereit, in meinen Einsamkeiten
Bis an den letzten Markstein auszuhalten,
Willst du mich meines Weges noch begleiten,
Ergreifendste der irdischen Gestalten.
Ob Götter stürzen, Götter neu erstehen,
Nach neuen Bildern leere Sehnsucht schreit:
Geburt geschieht in ewig-gleichen Wehen:
Doch nie hat Wandlung noch den Geist befreit.
Und keine jemals wird den Sinn ergründen,
Nach dem die Schwestern Tod und Leben kreisen:
Doch daß in
einem beide sich verbünden,
Wird ihn vor Gott als Liebenden erweisen.
Du großes Herz, nun bist auch du gegangen
Und wirst nie mehr bei meinen Brücken schlafen ...
Seit du sie sahst, hielt dich Paris gefangen ...
Von wo du kamst, blühn Palmen und Agaven.
Alles vergaßest du – und bliebst verfallen ...
Solang du fremd warst, war dein Leben reich,
Du zähltest nie dein Gold und schenktest allen,
Doch schließlich unterlagst du dem Vergleich.
Die Freunde schwanden – die Beschenkten schwiegen,
Du wurdest ärmer als die zu dir kamen,
Doch konnte dich die Armut nicht besiegen:
«Pauvre Mathilde»: mit diesem letzten Namen
Gingst du durch fünfzehn lange Jahre betteln
Und gabst noch immer deinen letzten Sou
Den Allerärmsten: Lahmen, Blinden, Vetteln –
Doch keine Hand schloß dir die Augen zu.
Nun schlafe du ...
Nun ruhe aus vom bittren Weg –
Du wolltest Gottes Ferne dienen
Und glittest ab vom ungewohnten Steg.
Ich kann um dich nicht trauern.
Du bist der Schmerz in meiner Neige,
Der Mütter spätes Wirken und Gebot,
Die Dornenschlucht, durch die ich aufwärts steige ...
Du bist die Gnade meiner Not.
Erwache niemals mehr!
Wenn du erwachst, ist meine Krone,
Für die du fielst, bedroht.
Dies geschah und will unfaßbar scheinen:
Schon beim ersten Heben deiner scheuen Schritte
War in dir und mir und über uns das Dritte ...
Ich, der niemals weint, begann durch dich zu weinen.
Kind – aus welchen abendspiegelnden Zisternen,
Tausend Jahre tief in dein Geblüt gegraben,
Magst du solche Trauer aufgesogen haben,
Solchen kühlen Glanz von nie gerührten Sternen?
Langsam schwebend nun – doch du nicht warst das Schweben –
Aufschwung nun – doch sah ich dunkel Götterhände,
Die dich trieben –: Leben über deinem Leben,
Überwandest du im Tanz den Sinn der Wände,
Allen Trost und Schutz gezogner Wirklichkeiten ...
Nur dein über-großes, über-feuchtes Auge
Blieb zurück im Raum als
Nein der Zeiten.
I
Wenn sich nach dir mein großes Lieben sehnt
In fremden Ländern,
Deutschland, das ich hüte
Mit soviel Schmerzen, steigt die Wiesenblüte
Des Hügels auf, an den sich Espa lehnt.
Hier will der Frühling schwerer nur erstehn
Als in den reicheren Gaun und scheu verhalten:
Kaum wird sich hier die Schlehenknospe spalten,
Wenn schon im Tal die Kirschenzweige wehn.
Die Lärchen sparen hier der Säfte Hauch
Im langsam grünenden Gezweig ... den Buchen
Entsprießen Blätter, die nach Sonne suchen,
Erst mit der Apfelblüten Licht und Rauch ...
Dann, bei den ersten warmen Abendregen,
Wie sie verschüttet sterbender April,
Sind eine Nacht lang alle Anger still –
Doch was der Morgen weist, ist Blust und Segen.
II
Wenn Morgenwind durch Maienbläue flittert,
Ein jeder Zweig die kühlen Blüten regt,
Das rote Gold im Tau des Rasens zittert
Und feucht sich auf die flache Treppe legt ...
Wenn Lerchenruf und früher Wandrer Lachen
Zum Himmel schwingen zwischen Glockenton,
Faßt uns im allerleisesten Erwachen
Der Jubel unserer deutschen Pfingsten schon.
Und wie wir langsam auf die Schwelle treten,
Vermählend uns dem brausenden Geleucht,
Ist unsre Schau nur noch ein stummes Beten,
Und jeder Blick von heiligem Wasser feucht.
III
Nun rufst du abermals in diesen klaren
Septembertagen mich zum Künder auf,
Heilige Flur, und Mutter meines Lebens,
Spiegel, der nie den Liebenden betrügt.
Wenn ich am braunen Hang mich niederlege,
Die Schläfe pressend in den Thymianduft,
Und mich im Räderknarren – fern, am Lohschlag –
Heimwärtsgewandter Abendfuhr verliere:
Quillt meine Liebe auf zu dir, mein Land,
Die einzige, die mich noch entbürden kann,
Mich vor mir selbst verlöschen wie in Tränen ...
Denn wenn der Gott mich ruft zur heftigen Gattung,
Ruft er den Brand der Sammlung. O mein Leben:
Der Geist, der immer wirkt, muß einmal rasten,
Im Gold auf Abendhügeln muß beklommen
Einmal verströmen das kristallene Herz.
IV
Ein Duft von Farn. Die Bläue steht und loht.
Aus offner Hügelrunde träuft das Licht ...
Noch steigt der Rauch der nahen Weiler nicht,
Obwohl der Tag den Abend schon entbot.
Ein Wind erblüht ... die Schatten werden lang ...
Du hast den Kopf in deine Hand geneigt:
So sieht dich noch die Sichel, da vom Hang
Sie kupfergrün in schwarze Wälder steigt.
Meergrüne Sichel, ehmals warst du Zeichen
Der Liebe mir auf klarem Kupfergrunde ...
Dann fühlt ich deinen Schimmer langsam bleichen,
Den Zauber wanken deiner Aufgangsstunde.
Du starbst mir nicht, doch wie aus andren Welten
Umgeistert nun dein ungewisser Schein
Der Seele Brunnenhof, den kaum erhellten,
Wo noch ein Duft von Rosen lebt und Wein.
Ich rufe deinem silbernen Verhauchen
Den Glanz nicht nach der abgeschiednen Zeiten:
Und solltest du für immer untertauchen:
Noch nicht ein Seufzer würde dich geleiten.
So ferne jedem Kämpfen um die Bahnen
Der Sterne hat mich mein Gestirn gestellt –
Ich will nicht mehr ergründen, will nicht ahnen:
Unwissend nur ertragen wir die Welt.
Solang dir noch ein sonniges Ufer winkt,
Wo still ein Haus und Sehnsucht dich empfangen,
Die Kerze noch für dich beim Mahle blinkt
Und Lauscher noch an deinem Munde hangen,
Wenn du, geregt von Wein und Gläserklang,
Dein Leben aufrollst: wie es, zum Gedichte
Sich mählich rundend, dich zum Singen zwang,
Und so auf manchem jungen Angesichte
Das innere Träumen dir entgegenhobst
(Nur noch ein Blick, und du kannst an dich nehmen):
So ziemt es sich, daß du die Götter lobst,
Wieviel dir auch entglitt ins Reich der Schemen ...
Was uns noch blüht, entscheidet, nicht, was schwand.
Kein Irdisches haftet ganz: und wie ertrügen
Wir jemals unveränderten Bestand?
Die Grenze kennen, heißt nicht: sich begnügen.
Köln
Du Pendelschlag, der schwingt und dennoch ruht,
Du Stadt aus Regung ganz und ganz aus Blut:
An deinem langgereiften[*] Maß zerschellt
Jedweder Anspruch ungemäßer Welt ...
Des Römers Wille zog dir den Bereich,
Das andre Wesen gab dir den Vergleich:
Du schmolzest in der eingeborenen Flamme
Zu deiner eignen – Glut aus fremdem Stamme.
In Priesters Hand der mahnenden Monstranz
Gabst du die Antwort in dem irdischen Glanz,
Der aus dem großen Fließer steigt, dem Rheine,
Auf daß sich Gott und Mensch in dir vereine.
Zweitausend Jahre schufen dir Gesicht,
Beschwingten Geist und schwebendes Gewicht ...
Dem Schatz aus Norden, Westen, Süden offen,
Stehst du als Tor und Sinnbild unsrem Hoffen.
Paris
Wie hast du dich bewahrt durch die Gezeiten,
Du menschlichstes Gebild aus Park und Mauer,
Jedweden Wahn besiegt und jede Trauer
Zum Hauch verwoben über deinen Breiten.
Du bist nicht müd und auch nicht voll Getriebe,
Dein Atem ruht, wie sehr man ihn auch spüre –
Da ist kein Brückenbogen, der nicht führe
Aus gleicher Andacht in die gleiche Liebe.
Und wenn, vom Süden lau, die Nächte spülen
Um die entrückten Säulen an der Wohnung
Der Heiligen Herrin: wissen wir, daß Schonung
Das Letzte ist: und stehn zu unsrem Fühlen.
Marseille
Du nichts als Schrei, den über glühenden Spiegel
Sich die Jahrtausende ins Antlitz schrein:
Du Weltenspange, phokisch-kühnes Siegel –
Du Stadt im Dunst von Öl und Zimt und Wein!
Seit ich zum erstenmal im Morgenfeuer
Dein «Haus der Wächterin» erstrahlen sah,
Warst du wie Taras und Milet mir teuer,
Heraufgezauberte aus Afrika!
Kein Denkmal lockt aus deinen Gegenwarten,
In denen alles wirkt, was jemals war:
Der Söhne Auszug und der Väter Warten,
Matrosenmärchen, -heimweh und -gefahr.
Du Höhnerin am Rande der Gesetze,
Der Lüste ohne Namen Schlucht und Schoß:
... «es lebe nur, wer das Gebot verletze,
Und nur, wer überschreite, lebe groß.»
Palermo
In diesem Bilde bist du ganz umschlossen,
Und wer dich denken kann, denkt nur dies eine:
Den Säulenhof, von Gelsomin durchflossen,
Der Kuppeln Pfirsichrot im blauen Steine
Des mittaglichen Himmels ... Duftgehänge –
In Schattenwinkeln – der Datturablüten ...
Palmen, geneigt auf kühle Bogengänge,
Die das Geheimnis deines Glanzes hüten:
Gold aus Byzanz, Gewürz und Öl aus Yemen,
Des Wassers Rieseln durch Gemach und Auen,
Im Hafen der Chalessa die Triremen
Des großen Roger – und die Frau der Frauen,
Die dir das Wunder gab: den Ghibellinen ...
Schon vor dem frühverwaisten Knaben neigten
Die Dinge sich, dem Könige zu dienen,
Eh seine Kronen ihn dem Weltall zeigten.
Syrakus
Erst als dem Kerker heimlich er entronnen,
Und sich dem Meere anvertraut, gelang
Das Werk dem Dorer: trieb, erlöst vom Zwang,
Bis zum Olymp den Strahl der Wunderbronnen.
Vergessen Tafeln, Armut und Geronten,
Der sture Tag: ein einziger Täterschrei
Das Leben vor den selig übersonnten
Gefilden – und zur Schöpfung frei!
Nun scholl das Lachen, als aus Marmorschründen
Die Quadern sprangen für den Mauerfug,
Und jeder wollte jedem sich verbünden,
Als man die Säulen für Apollon schlug.
Aus solchem Geiste – Wunder Sikelias –
Bist du gezeugt, geboren, Syrakus,
Und rufst noch heute, in der Heiligen Trias
Als dritte, uns den Auferstehungsgruß.
Tarent
Wer will dich schelten, weil du dem Genießen
Den Vorrang gabst? Solang die Erde dreht,
Sieht man den Haß der Niedrigen entsprießen,
Wenn einer ganz zu seinen Freuden steht:
O süße Stadt: du zahltest mit dem Leben,
Was du berauschend uns vorausgelebt ...
Nun, da wir staunend deine Schätze heben,
Sehn wir die Fülle erst, die du erstrebt,
Und können leichter auch den Stolz begreifen,
Mit dem du rohem Handwerk dich entzogst:
Rom, die Barbarin, ließ dein Bollwerk schleifen,
Als du ihr heimlich schon das Rückgrat bogst ...
Rom
Dahin ist vieles, was dich unsrem Leben
Als zeitliche verband. Schon lang verstummten
Die Feste, die du ehmals uns gegeben,
Als deine Nächte noch von Liedern summten.
Und wenn wir manchmal kurz noch wiederkehren,
So ist es nicht, weil uns ein Wunsch noch lebte,
Du möchtest – unverhofft – uns neu bescheren
Den Hauch der Süße, der dich einst umschwebte:
Wir kommen, weil dem zeitenlosen Raunen
Der Quelle unser Heimweh treu geblieben
Und weil wir, fern dem Gaffen und dem Staunen,
Die Götter mehr als alle Steine lieben.
München
Dich nahmen wir von je als Übergang,
Wenn uns der Süden lockte und entließ,
So lebst du uns als schöner Zwischensang,
Der Hier und Dort in gleicher Liebe pries.
Du warst Florenz und Traube von Tirol,
Der Firnen Schnee und erster Krokusflor
In aufgetauter Fluh – auch warst du wohl
Nach Franken oder Schwaben uns das Tor.
Würzburg und Ulm im gleichen Atemzug
Beschworen wir, wenn uns ein reines Blau
Durch dein Kastaniengold nach Westen trug
Zu langer, milder, heimatlicher Schau.
Basel
Wache auf! Schon ruft das Frühgeläute
Auf die Brückenbögen ... Schiffer singen
In den Tag, der sich durch Wolken bricht,
Gegen Norden steht ein Dämmerlicht.
Horch! Auch drüben wollen Glocken schwingen ...
Glaub an Eh und Je in diesem Heute!
Keine Wirrung tötet je die Art:
Selig, wer vor Dünkel sich bewahrt ...
Jede Wandlung läutere dein Wesen,
Stadt, an der der Strom die Biegung wagt –
Denke der Gefilde um das Knie:
Laß dich hüten und behüte sie.
Immer ist es noch von Not gewesen,
Daß man wach sei, wenn es tagt.
Laß im königlichen Köln den Rhein
Noch den Spiegel deines Lebens sein!
I
Du, die mich segnet, wann ich sie betrete,
Stadt meiner Jugend, ich bin heimgekehrt ...
An deinen Brücken lehn ich nun und bete
Im Abend, der sich über dir verzehrt.
Schon warten Gläser, daß ein Schein von Kerzen
Im Wein sich neben Veilchenblüten spiegle
Und daß ihr Klang den alten Bund besiegle
Der wachen Geister und der wachen Herzen.
O wie mich dies durchströmt: «dir stumm verbunden,
In jedem Schön, durch das dein Leben kreist» ...
Seit ich dich fand, war auch gefunden
Der Weg, auf den mich Delphi weist.
II
Bewahre mir dein Herz, du lang Vertraute,
Es könnte sein, daß bald mich Dunkel hüllt,
Daß mir, was ich an Werken auch schon baute,
Der Weg der Krönung würde nicht erfüllt.
Ich weiß, ich werde in den Sielen sterben
Und habe nie nach anderem verlangt,
Auch war ich nie besorgt um einen Erben:
Nur du begriffst, worum ich mich gebangt.
Du nahmst, wie je die Mutter es genommen,
Des Wesens Heimlichstes in deine Huld,
Gabst alle Lichter, die dem Herzen frommen,
Enthobst mich jeder Sühne, jeder Schuld.
Du triebst nicht an: du ließest nur gedeihen
Die Saat, die meiner Seele Gott bestellt,
Erteiltest schon dem Knaben deine Weihen
Und lichtetest dem Mann das Bild der Welt.
III
Wer, ewig brennend, ein getreuer Füger,
Die Welt, wo Deine Klarheit gilt, durchmißt,
Dem scheint erzwungner Wechsel als Betrüger
Am Werk, das schon im Stand der Reife ist.
Gott: lasse mir den Fluß, den Berg, die Türme,
Den Hauch, in dem sich hier dein Odem regt,
Erspare mir die Nacht fruchtloser Stürme:
Mir ist genug an dem, was mich bewegt.
Ich will nicht Schonung – bat ich je um Milde?
Ich will, was meines Blutes Jahreszeit
Gemäß erblühe im gemäßen Bilde:
Das Ende, Herr, ist nicht mehr weit.
IV
Daß mir im Abschied einmal noch erblaue
Aus Wolkenhelle deines Himmels Zelt,
Daß ich im Flug der letzten Bilder schaue
Die Türme, in den Glanz der Nacht gestellt:
Dies ist, was oft durch meine Schmerzen schreitet
Als Wunsch voll Weh und voll Glückseligkeit,
Was noch an Festen war, hast du bereitet,
Und du allein stehst über aller Zeit.
Dir bin ich durch ein Innerstes verbunden:
Den Dank, für den es keine Zeichen gibt:
Es ist nicht eine mehr von meinen Stunden,
Die nicht besagte, wie ich dich geliebt.
Ich kam zu dir, vom eignen Blut getrieben,
Dann riß Gewitter mich aus deinem Licht:
Doch über aller Trennung wuchs mein Lieben:
So riefst du heim und schlossest mein Gesicht.
Ich nenne lange schon Vergessenheit,
Was nur zuweilen noch als Duft mir lebt.
Ich bin zu neuem Anruf nicht bereit,
In mir ist nichts mehr, das in Antwort strebt.
Ich werde nie verleugnen, was ich je,
So flüchtig es auch war, als Glück empfand –
Sieh, wie das Licht sich wandelt auf dem See:
Es gibt nur Licht: es gibt nicht See noch Land.
Du große Wächterin: den Weg erkennend,
Hast du des Weges Qualen auch geahnt:
Die Dinge stehn, im Golde Gottes brennend,
Und Gott ist härter, als uns je geschwant.
Was blieb an Süße? Kaum noch ein Entsinnen
An das Unsägliche, das Mutter heißt ...
Vollenden muß, wer anfing zu beginnen ...
O lang verloschnes Bild, ich weiß: du weißt.
Ich möchte schlafen einst in deutschem Land,
Doch eingedenk der Länder meiner Wahl,
Wo frühem Ruf sich frühe Antwort fand
Und viel an Trost für unverstandne Qual.
Dort, wo der Weg nach Panagia lenkt,
Bei Syrakus, von Iris blau umblüht,
Vom roten Schnee des Ätna angesprüht,
Ein wenig meiner Asche sei versenkt.
Ein andres Wenig bettet in Paris
Am Quai Voltaire bei meinen Pappeln ein,
Wenn sich ein Juniabend niederließ
Und Schwalben durch die goldnen Himmel schrein.
Den Rest verwahrt in jenem Wiesengrund,
Der von der Oes zum Weg nach Espa zieht,
Und sorgt, daß es beim Frühgeläut geschieht
Im Mai ... Doch gebt die Stelle keinem kund.