Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Aufzug.

Schauplatz: Das Schlafzimmer der Gräfin. Im Hintergrunde, in einem Alkoven, ein Himmelbett. Daneben eine Thür, in die Gemächer der weiblichen Dienerschaft führend. Im Vordergrunde links ein Fenster, rechts eine Thür in die Garderobe der Gräfin. Der Haupteingang links.

 

Erster Auftritt.

Gräfin. Susanne.

Gräfin (auf der Chaise-Longue liegend). Schließ die Thür, Susanne, und erzähle mir Alles, ganz genau.

Susanne (neben der Gräfin stehend). Ich habe der gnädigen Gräfin Alles berichtet.

Gräfin. Also förmliche Anträge hat dir mein Gemahl gemacht?

Susanne. Anbote, wie sie ein vornehmer Herr einer Dienerin zu machen pflegt.

Gräfin. In Gegenwart des kleinen Pagen?

Susanne. Der war hinter den Lehnstuhl versteckt. (Die Gräfin sieht sie argwöhnisch an.) Er kam nur, um meine Fürbitte bei der gnädigen Gräfin anzusprechen.

Gräfin. Warum bat er nicht mich selbst? Würde ich ihn abgewiesen haben?

Susanne. Das sagt' ich auch. Aber der Schmerz, die gnädige Gräfin verlassen zu müssen, hatte den armen Jungen ganz verwirrt gemacht. (Den Pagen nachahmend, pathetisch:) Ach Susanne, wie reizend ist sie, wie himmlisch; aber auch so vornehm, so erhaben!

Gräfin. Sehe ich so aus, Susanne? Ich, seine treue Beschützerin!

Susanne. Zufällig hielt ich eine Nachthaube der gnädigen Gräfin in der Hand. Er fiel darüber her, riß das Band herunter ...

Gräfin (lächelnd). Mein Band? Wie kindisch!

Susanne. Und da ich es ihm wieder abnehmen wollte, vertheidigte er seinen Raub wie ein Löwe. Hätten gnädige Gräfin nur gesehen, wie seine Augen funkelten, wie er mir um den Hals fiel, mich küssen wollte ..

Gräfin. Dich, Susanne?

Susanne. Nun ja doch, aus lauter Respekt vor der gnädigen Frau Pathin, weil er den Saum Ihres Kleides nicht einmal zu küssen wagt.

Gräfin. Thorheit, Thorheit ... Sprechen wir lieber – (seufzend) vom Grafen. Was sagte er dir zuletzt?

Susanne. Er würde auf Marzellinens Seite treten, wenn ich nicht nachgäbe.

Gräfin (aufstehend, umhergehend, den Fächer von der Toilette nehmend, sich fächelnd). Er liebt mich nicht mehr.

Susanne. Woher aber dann seine Eifersucht?

Gräfin. Gatten-Eitelkeit, nichts weiter. Ach, ich habe ihn zu sehr geliebt, ihn ermüdet durch meine Zärtlichkeit, meine Treue. Das ist mein einziges Unrecht gegen ihn. Doch soll dir dein offenes Geständniß nicht schaden. Du sollst deinen Figaro haben. Nur muß er dazu behülflich sein. Er allein vermag es. Wird er kommen?

Susanne. Sobald der gnädige Herr fort ist auf die Jagd.

Gräfin (Fächerspiel, wie oben). Oeffne das Fenster! Es ist eine Hitze hier, zum Ersticken.

Susanne (das Fenster links aufmachend). Gnädige Gräfin regen sich durch Reden und Umhergehen auf (hinausschauend). Sieh da, Excellenz reiten eben die Allee hinunter. Pedrillo hinterdrein. Zwei, drei, vier Hühnerhunde.

Gräfin. So haben wir Zeit zu überlegen. (Sie setzt sich wieder.) Hat's da nicht geklopft?

Susanne (zum Haupteingang links eilend). Das ist Figaro, mein Figaro!

 

Zweiter Auftritt.

Vorige. Figaro.

Susanne. Nur herein, mein Freund! Gnädige Gräfin werden ungeduldig!

Figaro. Und Suschen nicht? Frau Gräfin haben in der That keinen Grund, sich zu beunruhigen. Es handelt sich um eine Kleinigkeit. Der Herr Graf findet Gefallen an meinem Bräutchen; ihr zu Liebe werde ich Gesandtschaftscourier, Suschen ganz geheime Gesandtschaftsräthin. Suschen lehnt ab. Deswegen geht Excellenz zum Feinde über, begünstigt Dame Marzellinens Absichten auf meine geringe Person. Alles dies ist sehr einfach; Jedermann macht es so, daß er sich an den Gegnern seiner Absichten durch Zerstörung der ihrigen rächt. Weiter ist es nichts.

Gräfin. Figaro, kann man so leichtfertig mit unser Aller Unglück spielen?

Susanne. Statt mit uns betrübt zu sein ....

Figaro (heiter einfallend). Das würde uns viel nützen! Nicht doch, ich lerne vom Gegner. Mit seiner eigenen Taktik bekämpfen wir ihn: er macht Einfälle auf unser Gebiet; beunruhigen wir ihn auf dem seinigen!

Gräfin. Wie wäre das anzufangen?

Figaro. Ist bereits geschehen. Man hat ihm einen falschen Verdacht gegen die Frau Gräfin beigebracht.

Gräfin. Gegen mich? Du hast dich unterstanden? Bei seiner bekannten Eifersucht!

Figaro. Um so besser. Um Herren seiner Art zu behandeln, muß man nur ihr Blut ein wenig in Wallung bringen; das verstehen die Frauen so vortrefflich. Hat man ihnen den Kopf brav heiß gemacht, so führt man sie am Fädchen der kleinsten Intrigue wohin man will, an der Nase umher, in den Guadalquivir. Freund Basilio hat ihm ein anonymes Brieflein zugesteckt, des Inhalts, daß bei dem heutigen Fest ein Anbeter der Frau Gräfin nahen würde ...

Gräfin. Welch leichtfertiges Spiel mit der Ehre einer Frau von Stande!

Figaro. Bei neunundneunzig unter Hunderten würde ich es freilich nicht wagen, aus Furcht, mit meiner Lüge die Wahrheit zu sagen.

Gräfin. Das soll wohl gar ein Compliment sein, für das ich mich zu bedanken habe?

Figaro. Gab es ein anderes, ein besseres Mittel, um den gnädigen Herrn von Susannen abzubringen, als indem ich ihn zur Frau Gräfin zurückführte? Nun spürt und schwärmt er bereits unruhig umher, einstweilen auf der Fährte eines armseligen Häsleins. Darüber vergeht die Zeit; unsere Hochzeitsstunde rückt heran, und der Herr Graf wird nicht wagen, in Gegenwart der Frau Gräfin Widerstand zu leisten.

Susanne. Desto gewisser wird das Marzelline thun.

Figaro. Brrr! Daraus mache ich mir nicht so viel, meiner Treu! Du lassest Seiner Excellenz sagen, du werdest dich gegen Abend im Park einfinden.

Susanne. Ein sauberes Auskunftsmittel.

Figaro. Höre, mein Kind, die Leute, die nichts für etwas thun wollen, kommen zu nichts und taugen zu nichts. Das ist mein Grundsatz.

Susanne. Ein schöner Grundsatz.

Gräfin. Wie sein Vorschlag. Unmöglich kann es dein Ernst sein, Susannen in den Park gehen zu lassen.

Figaro. Sie gewiß nicht. Wir stecken Jemand Anderes in Susannens Kleider, überraschen Seine Excellenz bei dem Stelldichein und zwingen ihn nachzugeben.

Susanne. Wer soll mich vertreten?

Figaro. Cherubin.

Gräfin. Der ist ja abgereist.

Figaro. Vielleicht auch nicht. (Da die Damen nachdenklich schweigen, drängend.) Hab' ich freie Hand?

Susanne (zuredend). In Führung einer Intrigue kann man sich schon auf ihn verlassen.

Figaro (feurig). Eine?! Zwei, drei, vier auf einmal; je verwickelter, desto besser. Ich bin ein geborener Hofmann.

Susanne. Soll doch ein schweres Handwerk sein.

Figaro (verächtlich). Empfangen, nehmen, verlangen: in diesen drei Worten besteht sein ganzes Geheimniß.

Gräfin. Deine Sicherheit besticht mich beinahe.

Figaro. So darf ich? (Die Gräfin wendet sich ab, Susanne winkt ihm zu.) An's Werk denn! Ich schicke den blonden Cherubin sogleich hierher: frisire ihn, kleide ihn um. Dann versteck' ich ihn wieder und bringe ihm seine Rolle bei. Sobald der Herr Graf von der Jagd zurückkehrt, kann das Schauspiel beginnen.

 

Dritter Auftritt.

Gräfin. Susanne.

Gräfin (an ihren Toilettentisch eilend). Aber Susanne, bedenkst du denn gar nicht, wie ich aussehe? Und der junge Mann wird gleich hier sein!

Susanne. Wollen gnädige Gräfin ihm durchaus den Gnadenstoß versetzen?

Gräfin (sich arrangirend). Ich? Du wirst hören, wie ich ihn zurechtweise. Nein, sieh doch nur, meine Haare sind wirklich in einer schrecklichen Unordnung!

Susanne (sie lächelnd bedienend). Wenn ich diese zwei Locken ein wenig aufnehme, wird die Zurechtweisung noch schrecklicher werden.

Gräfin (sich besinnend, streng). Was soll das heißen, Mademoiselle? (Es klopft an der Thüre links.)

 

Vierter Auftritt.

Gräfin. Susanne. Cherubin.

Susanne. Nur herein, Herr Offizier. Wir sind sichtbar.

Cherubin (der sich scheu nähert). Ach, wie mich dieser Titel betrübt, gnädige Frau. Er mahnt mich, daß ich scheiden muß von dieser Stelle, von einer Frau Pathe, die so gütig ist ...

Susanne. Und so schön.

Cherubin (seufzend). Ach ja!

Susanne (nachahmend). »Ach ja!« Der gute Junge mit seinen langen, scheinheiligen Augenwimpern. Komm, kleiner Spaßvogel, singe der gnädigen Gräfin deine Romanze. (Sie überreicht das Notenblatt.)

Gräfin (es entfaltend). Von wem mag sie sein?

Susanne. Wie der Schuldige roth wird, über beide Wangen!

Cherubin. Darf man denn nicht ... lieben ...

Susanne (drohend). Ich werde alles sagen, Schelm.

Gräfin. Singt er sie auch selbst?

Cherubin. Gnädige Frau, ich bebe.

Susanne (lachend). Tralalala. Wenn gnädige Frau befiehlt, gehorcht der schüchterne Dichter. Ich werde ihn begleiten.

Gräfin. Nimm meine Guitarre. (Die Gräfin liest sitzend im Notenblatt nach. Susanne steht hinter ihr und präludirt, die Noten über der Gräfin Schulter einsehend. Vor ihr steht, mit niedergeschlagenen Augen, der kleine Page. Die Gruppe stellt ganz das berühmte Bild Banloo's dar: Spanische Konversation.)

Romanze.

Melodie: Held Marlborough zieht zu Felde etc.

Mein Rößlein, sollst mich tragen
(Ach, mein Herz, mein Herz thut mir schlagen)
Durch Berg und Thal zu jagend
Wohl über Stock und Stein.

Wohl über Stock und Stein
Hinritt ich ganz allein;
Wo dunkle Tannen ragen,
(Ach, mein Herz, mein Herz thut mir schlagen)
Da hub ich an zu klagen,
Und Thränlein flossen drein.

Ja, Thränlein flossen drein;
Ich grub in einen Stein
Den Namen nicht zu sagen,
(Ach, mein Herz, mein Herz thut mir schlagen)
Drauf zog in lust'gem Jagen
Der König hin am Rain.

Der König zog am Rain
Sammt Hofstaat groß und klein;
Die Kön'gin kam zu fragen,
(Ach, mein Herz, mein Herz thut mir schlagen)
»Was hast du schwer zu klagen?
Willst du nicht fröhlich sein?

Willst du nicht fröhlich sein,
Gesteh' dein Leides ein!« –
Ach, mein Herz, mein Herz thut mir schlagen,
Drin hab' ich seit viel Tagen
Herzliebchens Bild getragen,
Die holde Pathe mein.

Die holde Pathe mein,
Sie lieb' ich, treu und rein.
Die Königin zu sagen
Begann: »Du sollst nicht klagen«,
(Ach, mein Herz, mein Herz thut mir schlagen)
»Ich will dir Pathe sein.

»Ich will dir Pathe sein,
Sei du der Page mein;
Du magst dir nach Behagen,
Wenn sie dich ausgeschlagen«,
(Ach, mein Herz, mein Herz thut mir schlagen)
»Meiner Damen schönste frein.«

Ich eine Andre frein?
O nein, Fran Königin, nein!
Ihre Fesseln will ich tragen
(Ach, mein Herz, mein Herz thut mir schlagen)
Bis einst im schwarzen Schragen
Ich ruhig schlafe ein!

Gräfin. Recht einfach, sogar voll Empfindung.

Susanne (die Guitarre weglegend). O was Empfindung betrifft, verspricht der junge Mann etwas. Hat man Ihm, Herr Offizier, denn auch gemeldet, daß Er im heutigen Festspiel eine Frauenrolle darstellen soll? Nun möchten wir gern vorher wissen, ob eins meiner Kleider Ihm paßt.

Gräfin. Ich fürchte: nein.

Susanne (mißt sich mit ihm). Gleiche Größe. Erst nehmen wir ihm den Mantel ab. (Sie thut es.)

Gräfin (ängstlich). Wenn Jemand käme!

Susanne. Thun wir denn etwas Böses? Doch will ich die Thüre verschließen. Wenn wir nur einen passenden Kopfputz hätten.

Gräfin. Nimm von meiner Toilette ein Morgenhäubchen.

(Susanne ab in das Kabinet.)

 

Fünfter Auftritt.

Cherubin. Gräfin.

Gräfin. Bis zum Beginn des Festes darf der Graf nicht wissen, daß du noch im Schlosse verweilst. Wir werden ihm sagen, wir haben auf die Ausfertigung deines Patents gewartet.

Cherubin (ein Papier ans der Tasche ziehend). Da ist es leider schon. Basilio hat es mir in des Herrn Grafen Namen zugestellt.

Gräfin. Nicht eine Minute haben sie verlieren wollen. (Sie liest das Patent und giebt es dann dem Pagen zurück.) So eilig waren sie, daß sie das Siegel darunter vergessen haben.

 

Sechster Auftritt.

Cherubim. Gräfin. Susanne.

Susanne (mit einer Coiffure zurückkehrend). Ein Siegel? Wozu das?

Gräfin. Unter sein Patent, das man ihm schon eingehändigt hat. Ist der Kopfputz da?

Susanne. Der hübscheste, den ich finden konnte. Nun, knie Er einmal nieder, – nicht da, – dicht vor der gnädigen Gräfin, damit sie Ihn genau betrachten kann. (Cherubin kniet auf einem, von Susannen gebrachten Kissen. Sie setzt ihm den Kopfputz auf.) Nein, wie prächtig ihm das steht!

Gräfin. Seinen Kragen lege ein wenig weiblicher zurück.

Susanne (an ihm musternd). So. Sehen gnädige Gräfin, was der Taugenichts für ein reizendes Mädchen geworden ist. Ich bin ganz eifersüchtig auf ihn. (Sie kneipt ihm Kinn und Wange.) Will er wohl nicht so hübsch sein!

Gräfin (beschäftigt sich, zurückhaltend, mit ihm). Wenn wir ihm die Aermel etwas aufschlügen, daß die Spitzen besser sichtbar werden! (Streift den Aermel des Pagen zurück.) Ach, was trägt er denn da um den Arm gewickelt? Ein Band?!

Susanne. Obendrein das Band der gnädigen Gräfin. Ich bin froh, daß sie es selbst sieht. Wäre der Herr Graf nicht gekommen, so hätte ich es dem Spitzbuben sicher wieder abgejagt; ich nehme es in Stärke mit ihm auf.

Gräfin (erschrocken). Was seh' ich? An dem Bande ist Blut!

Cherubin (zögernd). Als ich heute mein Pferd aufzäumte, um abzureisen, ritzte ich mich an einer Schnalle.

Gräfin. Aber wer verbindet sich denn mit einem Seidenband?

Susanne. Noch dazu mit einem geraubten! Was er für weiße Arme hat! Wie eine Frau! Wahrhaftig weißer als meine eigenen! Wollen gnädige Gräfin nicht vergleichen?

Gräfin (abweisend). Hole mir lieber englisches Pflaster und eine Scheere. (Susanne giebt im Abgehen dem Pagen einen kleinen Stoß, so daß er wieder vor der Gräfin in die Knie fällt.)

Gräfin (nach einer Pause, während deren Cherubin, dreister werdend, sie bittend und zärtlich angeblickt). Mein Band, mein Sohn, hättest du nicht nehmen sollen. (Sie thut böse.) Ich bin ernstlich ungehalten darüber. (Cherubin sieht sie traurig an, worauf sie begütigend fortfährt.) Der Farbe wegen miss ich es nicht gern.

Susanne (mit Scheere und Pflaster in einem Etui zurückkehrend, das sie der Gräfin darreicht). Verbinden wir nun die schweren Wunden unseres Helden.

Gräfin (die Susannen wieder entfernen möchte). Hole indessen deine Kleider herüber und bringe auch ein anderes Band mit. (Susanne, mit dem Mantel des Pagen, durch die Thür im Hintergrunde, neben dem Alkoven, ab.)

Cherubin (immer knieend, vor der Gräfin, welche sitzt). Das Band, das man mir nimmt, würde mich über Nacht geheilt haben.

Gräfin. Nicht doch! Englisches Pflaster thut bessere Dienste.

Cherubin. Die Frau Pathin wissen das nicht: nichts heilt so rasch wie ein Band, das Jemand getragen hat, der uns ... (stockt.)

Gräfin (rasch einfallend). Der uns fremd ist? Das wußt' ich in der That nicht. Aber ich werde es an diesem Bande versuchen, wenn sich einmal Jemand im Hause geschnitten hat.

Cherubin (weinerlich). Sie nehmen mir mein theures Band weg, und fort soll ich auch.

Gräfin. Auf kurze Zeit nur!

Cherubin (in Thränen). Ach, ich bin recht unglücklich!

Gräfin. Er weint. Gewiß denkt er an Figaro's schreckliche Prophezeiung.

Cherubin. Daß sie sich erfüllte, daß ich augenblicklich und hier sterben müßte. Vielleicht fände ich dann den Muth, zu gestehen, was ich fühle.

Gräfin (gerührt). Sei doch still, armes Kind, sei still. (Sie trocknet ihm mit ihrem Tuche die Thränen ab.) Wenn du wüßtest .... (Es wird an die Thür links gepocht.) Wer klopft?

 

Siebenter Auftritt.

Gräfin. Cherubin. Graf.

Graf (von draußen). Sie haben sich eingeschlossen?

Gräfin. Es ist der Graf. Hilf Himmel! (Sie springt erschreckt auf, so auch Cherubin.) Der Page ohne Mantel, in diesem Aufzug, allein mit mir ... Der anonyme Brief ... Seine Eifersucht ...

Graf (pocht noch einmal). Nun? Wird man mir öffnen?

Gräfin. Ich bin .. ganz allein.

Graf. Mit wem reden Sie denn, wenn Sie allein sind?

Gräfin. Mit ... mir. Nicht doch .... mit Ihnen!

Cherubin (für sich). Ich bin ein Kind des Todes, wenn er mich noch einmal findet. (Er eilt in das Kabinet rechts, dessen Schlüssel die Gräfin hastig abzieht und zu sich steckt.)

Gräfin (öffnet dem Grafen). Was hab' ich gethan!

Graf (eintretend, mit ernstem, aber nicht hartem Ton). Seit wann pflegen Sie sich einzuschließen, Gräfin?

Gräfin. Ich .. ich hatte Toilettengeheimnisse mit Susannen, – ja wohl mit Susannen; sie ist einen Augenblick in ihr Zimmer hinübergegangen.

Graf. Und das hat Sie so aufgeregt? Ihre Stimme zittert ja!

Gräfin. Kein Wunder! Wir sprachen – von Ihnen. Sie ist, wie gesagt, eben erst hinübergegangen.

Graf. Mich führt die Unruhe zurück. Als ich zu Pferde stieg, wurde mir ein Brief zugesteckt, auf dessen Inhalt ich zwar nicht den mindesten Werth lege, der aber doch – mich ärgert.

Gräfin. Was für ein Brief?

Graf. Wir beide, Gräfin, Sie wie ich, sind augenscheinlich von böswilligen Leuten umgeben. Stellen Sie sich vor: man meldet mir, im Laufe des Tages, während meiner Abwesenheit, werde Jemand, den ich fort glaubte, Sie besuchen.

Gräfin. Dieser Jemand müßte keck genug sein, hier einzudringen; ich habe mir vorgenommen, mein Zimmer heute nicht zu verlassen.

Graf. Auch nicht bei Susannens Hochzeit?

Gräfin. Auch da nicht; ich fühle mich ernstlich unwohl.

Graf. So trifft sich's gut, daß Doktor Bartholo zugegen ist.

(Ein Stuhl fällt in der Garderobe.) Welcher Lärm?

Gräfin (auf's Neue noch mehr verlegen). Ein Lärm?

Graf. In Ihrer Garderobe fiel etwas.

Gräfin. Ich hörte nichts.

Graf. Madam! (Auf die Thür rechts deutend.) Es ist Jemand in diesem Zimmer.

Gräfin. Wer soll drinnen sein?

Graf. Das frag' ich Sie. Ich komme von draußen.

Gräfin. Vielleicht Susanne, die aufräumt.

Graf. Die, – sagten Sie nicht so? – eben erst in ihr Zimmer hinübergegangen ist?

Gräfin. Dahin, dorthin; wie kann ich das wissen?

Graf. Wenn es Susanne ist, woher Ihre Verlegenheit?

Gräfin. Mich dünkt, meine Kammerjungfer brächte eher Sie als mich in Verlegenheit.

Graf (in Zorn gerathend). Keine Ausflucht! Ich will Susannen sehen!

Gräfin. Mir scheint, Sie haben Susannen nur zu oft gesehen.

 

Achter Auftritt.

Graf. Gräfin. Susanne.

Susanne tritt, mit Frauenkleidern auf dem Arm, durch die Thür im Hintergrunde ein. Beim Anblick des Grafen erschrickt sie und bleibt lauschend in der Nähe des Alkovens stehen.

Graf. Ist mein Verdacht grundlos, so wird er leicht zu widerlegen sein. (Er ruft in die Tapetenthüre rechts.) Komm heraus, Susanne, ich befehl' es!

Gräfin. Sie kann nicht gehorchen. Sie hat Kleider versucht, die ich ihr zur Hochzeit geschenkt, und ist, halb angezogen, entflohen, als Ihr Klopfen uns erschreckte.

Graf. So kann sie reden, wenn sie nicht erscheinen kann. (Wie oben.) Susanne, bist du in diesem Kabinet? Antworte, ich befehl' es! (Susanne flüchtet in den Alkoven, hinter die Vorhänge des Bettes.)

Gräfin. Und ich, Susanne, verbiete dir zu antworten. Hat man je eine solche Tyrannei gesehen!

Graf. Sie spricht nicht, sie kommt nicht; wohlan, so werde ich mich selbst überzeugen. (Er geht auf die Thüre zu.)

Gräfin (dazwischen tretend). Herr Graf, Sie sind in meinen Zimmern!

Graf. Die Sie mir verschließen, Frau Gräfin. Sie um den Schlüssel bitten, wäre verlorne Mühe. So bleibt nichts übrig, als Gewalt. (Er ergreift die Klingel auf der Toilette der Gräfin und will läuten:)

Gräfin. Ziehen Sie unsere Leute herbei und machen uns zum Gespött des Schlosses, der ganzen Stadt?

Graf. Ich kann freilich auch ohne Hülfe diese leichte Thür sprengen, ein Hammer genügt dazu. (Will abgehen.) Damit aber während meiner Abwesenheit hier Niemand verschwinde, werden Sie die Güte haben, mich zu begleiten. Ohne Aufsehen, das Sie ja nicht lieben. Diese Thür (im Hintergrunde) verschließe ich auch, um Ihre Rechtfertigung vollkommen zu machen. (Er verschließt die Thür und steckt den Schlüssel zu sich.)

Gräfin (für sich). Wie schrecklich straft sich meine Unbesonnenheit!

Graf. Ihren Arm, Gräfin! (Er führt sie durch die Thür links ab, die er hinter sich abschließt.)

 

Neunter Auftritt.

Susanne. Cherubin.

Susanne (aus dem Alkoven an die Kabinetsthür eilend). Oeffne, Cherubin! Ich bin's, Susanne. Rasch!

Cherubin (herausschleichend). Susanne, welch' ein Auftritt

Susanne. Nur hinaus!

Cherubin. Wo denn? Alle Thüren verschlossen!

Susanne. Weiß ich's? Aber hinaus! Kommt er zurück, bist du verloren. Eile zu Figaro. Erzähle ihm Alles.

Cherubin (das Fenster erblickend). Ha! dies Fenster.

Susanne. Ein Stockwerk hoch!

Cherubin (hinaussehend). Es geht in den Küchengarten, auf die Melonenbeete. Da fällt sich's weich.

Susanne (ihn zurückhaltend). Er bricht den Hals! Springe nicht!

Cherubin (außer sich). Für sie – in einen Abgrund! Ein Kuß von Suschen leiht mir Flügel! (Reißt sich los, küßt sie, springt hinaus. Pause.)

Susanne (sinkt mit einem Schrei des Entsetzens in einen Stuhl; dann rafft sie sich auf, sieht, widerstrebend, aus dem Fenster und lacht laut auf). Er ist fort! Schon über alle Berge! Du kleiner Taugenichts, ebenso flink wie hübsch! Dir wird's einmal bei den Frauen nicht fehlen. (Sie geht auf das Kabinet zu.) Geschwind seinen Platz eingenommen. Und jetzt, mein Herr Graf, können Sie kommen, Thüren erbrechen, Lärm schlagen, wie es Ihnen beliebt. Ein Schelm wer antwortet. (Ab in's Kabinet.)

 

Zehnter Auftritt.

Graf. Gräfin (zurückkommend).

Graf (Zange und Hammer in der Hand, welche er auf einen Stuhl wirft). Alles, wie ich es verlassen. (Zur Gräfin, die sich kaum aufrecht erhält) Madam, ehe ich zum Aeußersten schreite, frage ich noch einmal: Wollen Sie öffnen?

Gräfin. Wie kann eine plötzliche Laune so den ehelichen Frieden stören? Wenn es noch Liebe wäre, die Ihnen Ihre eifersüchtige Wuth einflößt, so könnte ich, um des Grundes willen, die Beleidigung verzeihen. Aber daß nur Eitelkeit einen Edelmann so weit treiben kann!

Graf. Liebe oder Eitelkeit, gleichviel. Oeffnen Sie die Thür, wenn ich sie nicht erbrechen soll.

Gräfin. Halten Sie ein, ich bitte Sie. Glauben Sie, daß ich im Stande bin, meine Pflichten zu verletzen?

Graf. Sie fragen statt zu antworten. Ich aber bestehe darauf, ich will wissen, will sehen, wer sich in jenem Kabinet befindet?

Gräfin. Das sollen Sie. Nur hören Sie zuvor mich ruhig an.

Graf. So ist es also nicht Susanne?

Gräfin (stockend). Wenn sie es auch nicht ist, so ist es Jemand gleich Unverfängliches. Ein Maskenscherz für heute Abend ...

Graf. Ein Scherz, sagen Sie?

Gräfin. Und schwöre Ihnen, daß wir beide Sie nicht verletzen wollten, weder ich, noch er.

Graf. Er?! So ist's ein Mann!

Gräfin (lautlos). Ein – Knabe.

Graf. Wer denn?

Gräfin. Ich wage nicht, ihn zu nennen.

Graf (außer sich). So fällt er von meiner Hand. (Greift nach dem Werkzeug und eilt auf das Kabinet zu.)

Gräfin (sich ihm m den Weg werfend). Es ist .. Cherubin!

Graf (mit dem Fuße stampfend, halblaut). Zum dritten Male der verwünschte Page. (Laut.) Deshalb Ihre Rührung beim Abschied? Deshalb sein heimliches Verweilen im Schlosse, während ich seine Abreise befohlen hatte. Alles ist klar. Der Brief sprach die Wahrheit. (Heftig an die Thüre klopfend.) Heraus, Unseliger!

Gräfin (vor ihm niederfallend). O mein Gemahl, schonen Sie ein unschuldiges Kind! Er wagt nicht zu erscheinen: die Unordnung in seinem Anzuge ...

Graf. Auch das noch!

Gräfin. Wir wollten ihn in ein Kleid Susannens stecken. Trauen Sie meinen Worten mehr als dem Augenschein. Auf meinen Knieen bitte ich um Gnade für ihn!

Graf. Bitte für dich, treuloses Weib! Hinweg, aus meinem Wege!

Gräfin. Bei deiner Liebe zu mir sei beschworen ..

Graf (bitter auflachend). Meine Liebe, du Falsche? Noch einmal, hinweg von der Thüre!

Gräfin (erhebt sich wankend und überreicht dem Grafen den Schlüssel). Oeffnen Sie, Herr Graf! Ueber mich Ihre Rache! (Sie fällt in einen Stuhl, das Gesicht mit dem Tuche bedeckend.) Er ist verloren.

Graf (reißt die Thüre auf, in der Susanne erscheint, und fährt bei ihrem Anblick weit zurück). Susanne!

 

Eilfter Auftritt.

Graf. Gräfin. Susanne.

Susanne (mit einem Knix vortretend und den Grafen kopirend). Er fällt von meiner Hand! (Laut auflachend.) Nun, so tödten Sie ihn doch, den gefährlichen Pagen!

Graf (ganz erstarrt, für sich). Meisterhaft gespielt! (Mit einem halben Blick auf die Gräfin, die ebenfalls wie versteinert in ihrem Sessel liegt.) Und sie stellt sich auch noch erstaunt und erschreckt! (Von einem Gedanken durchzuckt). Halt! Vielleicht war sie nicht allein drin. (Stürzt in das Kabinet).

Susanne (zur Gräfin eilend, rasch und leise). Erholen Sie sich, gnädige Frau! Er ist gerettet! Ein Sprung aus jenem Fenster, und weg war er!

Gräfin (nach einem unterdrückten Angstschrei, lallend). Susanne, welch ein schreckliches Spiel war das!

Graf (aus dem Kabinet kommend, sehr verlegen). Niemand drin! Diesmal hab' ich Unrecht! (Kurze Pause.) Gräfin, – Sie spielen vortrefflich Komödie!

Susanne. Und ich erst, Excellenz?

Gräfin (schweigt, ihr Taschentuch vor das Gesicht haltend).

Graf (nähert sich der Gräfin halb beschämt, halb zweifelnd). So war dies alles nur ein Scherz?

Gräfin (sich allmählig fassend). Warum nicht?

Graf. In der That, ein grausamer Scherz! Und zu welchem Zweck?

Gräfin (sicherer geworden). Verdient Ihre Thorheit Schonung?

Graf. Thorheit – die Sorge um meine Ehre!?

Gräfin. Bin ich verpflichtet, ewig leidend zwischen Ihrer Gleichgültigkeit und Ihrer Eifersucht zu stehen?

Graf (bittend). Gräfin!

Susanne. Wie nun, wenn die gnädige Gräfin hätte gewähren lassen, wenn die Schloßdienerschaft hier versammelt worden wäre?

Graf. Ich bin tief beschämt.

Susanne. Das ist Euer Excellenz einmal recht gesund.

Graf. Warum kamst du nicht, als ich rief? Du Schalk!

Susanne. Weil ich mich anzog. Und dann verbot mir ja auch meine gnädige Gräfin zu antworten. (Halblaut, zum Grafen.) Sie wußte wohl, warum.

Graf. Statt meine Schuld zu vergrößern, hilf mir Verzeihung erlangen.

Gräfin. Das Unrecht war zu schwer. Ich werde mich in ein Kloster zurückziehen; ich sehe ein, daß es höchste Zeit dazu ist.

Graf. Könnten Sie mich so leicht verlassen?

Susanne. Ich weiß gewiß, am Tage des Abschieds käme die Reue.

Gräfin. Wenn auch, Susanne. Lieber bereuen, als unwürdig verzeihen. Er hat mich zu tief verletzt.

Graf. Rosine!

Gräfin. Ach, die bin ich nicht mehr, nicht Rosine, die Sie anbeteten, liebten, entführten; ich bin die arme Gräfin Almaviva, die von ihrem Gatten verlassene, gekränkte Frau.

Susanne (beschwichtigend). Gnädige Gräfin!

Graf. Habe Mitleid!

Gräfin. Hatten Sie es für mich?

Graf. Bedenke, wie ich gereizt worden durch den anonymen Brief.

Gräfin. Er war geschrieben ohne meine Einwilligung.

Graf. Aber du wußtest darum?

Gräfin. Figaros Unbesonnenheit.

Graf. Figaro auch im Spiel?

Gräfin. Er hatte den Brief an Basilio gegeben.

Graf. Und Basilio sagte mir, er habe ihn von einem Bauern empfangen. Wart', doppelzüngiger Musikmeister, du sollst mir für Alle bezahlen.

Gräfin. So sind die Männer. Von uns verlangen sie Vergebung für sich, und sie selbst wollen an Andern sich rächen. Nicht doch. Wenn ich verzeihe, geschieht es nur unter der Bedingung eines Generalpardons.

Graf. Zugestanden, und das von Herzen. Aber nun erkläre mir auch, wo ihr Frauen die Kunst der Verstellung erlernt? Du erröthetest, du weintest; dein ganzes Gesicht war voll Aufregung. Wahrhaftig, es ist es noch!

Gräfin (gezwungen lächelnd). Ich erröthete über deinen Verdacht.

Graf (lachend). Und der Page mit seinem unordentlichen Anzug ...

Gräfin (auf Susanne deutend). Da ist er. Nicht wahr, ihm begegnen der gnädige Herr lieber als dem anderen?

Graf (lauter lachend). Dann dein Kniefall, deine Thränen.

Gräfin. Ich muß mitlachen, wo ich weinen möchte.

Graf. Wir Männer sind Kinder in der Politik und Diplomatie. Dich, nicht mich, sollte der König als Botschafter nach London schicken. Welch ein tiefes Studium muß euer Geschlecht in der Selbstbeherrschung gemacht haben, um es zu solcher Vollkommenheit zu bringen.

Gräfin. Das eurige zwingt uns dazu.

Susanne. Man glaube uns nur auf's Wort, und wir sind die ehrlichsten Menschen von der Welt.

Gräfin. Genug davon.

Graf. Nicht eher, bis du noch einmal sagst, du hast vergeben.

Gräfin. Susanne, hab' ich das schon gesagt?

Susanne. Ich habe nichts gehört.

Graf. So sprich es jetzt aus, das holde Wort: Vergebung!

Gräfin. Verdienen Sie es?

Graf. Durch meine Reue!

Susanne. Einen Mann im Kabinet der gnädigen Gräfin vermuthen!

Graf. Ich bin dafür bestraft.

Susanne. Ihrem Wort und dem ihrer ehrlichen Kammerjungfer nicht trauen!

Graf. Rosine, ich kniee, wie du: Vergebung!

Gräfin (dem Grafen die Hand reichend, die dieser hastig und mehre Male küßt). Nun, da hast du sie! (In des Grafen Armen.) Sieh weg, Susanne! Meine Schwäche giebt dir ein schlimmes Beispiel.

Susanne. Frauenschicksal, in das ich mich zum Voraus ergebe!

 

Zwölfter Auftritt.

Vorige. Figaro.

Figaro (athemlos von links eintretend). Die gnädige Gräfin wurde unwohl gesagt. Deswegen eil' ich herbei, finde aber zu meiner Beruhigung hier Alles im besten Stande.

Graf (trocken). Du bist sehr diensteifrig.

Figaro. Meine Pflicht, Excellenz. Da meine Dienste glücklicher Weise unnöthig sind, so könnten wir ja nun wohl zu der feierlichen Handlung schreiten. Das ganze Dorf ist versammelt, der Brautzug und die Musik in Ordnung. Wenn es also Excellenz und Susannchen beliebte ..? ..

Graf. Wer bleibt aber bei der Gräfin?

Figaro. Gnädige Gräfin sind vollkommen wohl.

Graf. Ja doch; aber sie bedarf des Schutzes gegen den fremden Besuch.

Figaro. Ein fremder Besuch?

Graf. Ein Anbeter, den ich abgereist glaubte.

Figaro. Ein abgereister Anbeter?

Graf. Stand nicht so in dem Briefe, den du Basilio gegeben?

Figaro. Ich? Ihm? Wer sagt das?

Graf. Schelm, wenn ich es nicht bereits wüßte, würde dein Gesicht mir sagen, daß du lügst.

Figaro. Ist dem so, dann lügt mein Gesicht, nicht ich.

Susanne. Laß gut sein, Figaro, und ergieb dich: wir haben Alles eingestanden.

Figaro. Was eingestanden? Man behandelt mich hier wie einen Basilio.

Susanne. Daß du den Brief geschrieben, um den gnädigen Herrn Grafen weiß zu machen, der Page stecke in dem Kabinet, worein ich mich eingeschlossen hatte.

Graf. Was sagst du nun?

Gräfin. Dein Läugnen hilft nichts mehr; der Scherz ist vorüber.

Figaro (der errathen möchte, was vorgegangen). Wirklich? Der Scherz ist vorüber?

Graf. Wirst du den Brief endlich eingestehen?

Figaro. Excellenz, wenn die gnädige Gräfin befiehlt, daß ich ihn geschrieben haben soll, wenn Susanne es befiehlt, wenn endlich Excellenz höchstselbst es befiehlt, was bleibt mir übrig, als zu gehorchen, mich zu dem namenlosen Brief als Verfasser zu bekennen? (Fein und zweideutig.) Wäre ich aber an Euer Excellenz Stelle, ich glaubte kein Wort von Allem, was wir Ihnen sagen.

Graf. Mir reißt die Geduld: Lügen ohne Ende!

Gräfin (vermittelnd). Warum sollte er auch so spät anfangen, die Wahrheit zu reden? (Spricht besänftigend mit dem Grafen weiter.)

Susanne (leise zu Figaro). Sahst du Cherubin?

Figaro (wie oben). Noch ganz auseinander.

Susanne (wie oben). Fatal!

Gräfin (auf Susanne und Figaro deutend). Sehen Sie, mein Gemahl! Unser Brautpaar kann die Hochzeit nicht erwarten. Gehen wir zur feierlichen Handlung.

Graf (für sich). Wo bleibt Marzelline? (Laut.) Ich sollte mich doch wenigstens umkleiden.

Gräfin. Unserer Leute wegen? Bin doch ich im Negligé.

 

Dreizehnter Auftritt.

Vorige. Antonio.

Antonio (taumelt, mit einem zertretenen Nelkenstock im Arm, herein; er ist angetrunken). Wo ist meine Ex'lenz?!

Graf. Was soll's, Antonio?

Antonio. Die Fenster, Ex'lenz, sollten Sie endlich 'mal vergittern lassen, die auf meinen Küchengarten gehen. Alle Tage werfen sie, mit Respekt zu sagen, was anderes 'naus, – Papierschnitzeln, Zwirnsfaden... vorhin gar 'n Menschenkind.

(Gräfin, Susanne und Figaro erschrecken.)

Graf. Aus diesem Fenster?

Antonio. Nu' ja doch. Da sehn Ex'lenz meinen Nelkenstock an, wie der zugericht't ist.

Susanne (leise). Figaro, hilf!

Figaro. Gnäd'ger Herr, der Mann ist betrunken, am frühen Morgen.

Antonio. Fehlgeschnitten, Bartkratzer. 's ist noch von gestern her, mein Rausch nämlich.

Graf. Wo ist der Mensch? Auf der Stelle her mit ihm!

Antonio. Sag ich auch. Her mit ihm, auf der Stelle. Denn warum bin ich Gärtner? Wenn so ein Mensch, mir nichts, dir nichts, auf meine Beete fällt, so tritt er meine Reputazjon mit Füßen.

Susanne (wie oben). Geschwind, eine Nothlüge.

Figaro. Pfui über den ewigen Trunkenbold!

Antonio. Noch einmal fehlgeschnitten. Denn warum? Der fortwährende Durscht ist der einzige Vorzug, was den Menschen von den Thieren unterscheiden thut.

Graf (zornig). Antworte, oder ich jage dich fort.

Antonio. Hä, hä, hä! Als ob ich gehen thäte!

Graf. Du unterstehst dich?

Antonio. Wenn Sie auch dumm genug wären, so einen guten Dienstboten wie ich bin nicht zu behalten, na, so bin ich doch so gescheit, daß ich so 'ne ex'lente Herrschaft nicht fortjage. Nä, wir bleiben beisammen.

Graf (ihn schüttelnd). Also einen Mann hat man aus diesem Fenster geworfen?

Antonio. Na, endlich begreifen Sie's! Ein Mannsbild war's, in Hemdsärmeln, mit Respekt zu sagen, oder in einem weißen Wamms. Plumps, da lag er, mitten in den Nelken drin. Aufgerappelt hat er sich und ist fortgelaufen.

Graf. Und du?

Antonio. Als hinterdrein, bis ich mit dem Kopf an das Spalier rannte. Plumps, da lag ich nu', und streckte, mit Respekt zu sagen, alle Viere.

Graf. Aber wiedererkennen würdest du den Mann?

Antonio. Na, ob?! Nämlich, natürlich, wenn ich 'n gesehen hätte.

Susanne (wie oben, erleichtert). Er hat ihn nicht gesehen.

Figaro (wieder ganz sicher). Was für ein Lärm um so einen lumpigen Blumenstock. Ich bezahle ihn. Ich war es, der aus dem Fenster sprang.

Graf. Du?

Antonio. Er? Na, da muß er kurios gewachsen sein in der Zeit. Denn warum? Mir kam er viel kleiner vor und schlanker.

Figaro. Begreiflich. Im Sprung bückt man sich.

Antonio (nachsinnend, den Finger an der Nase). Kam mir's doch vor, als ob's das Windspiel von Pagen gewesen wäre!

Graf (rasch). Cherubin?

Figaro. Der vermutlich mit Sack und Pack zu Pferde von Sevilla zurückkam, wo er wohl längst eingetroffen ist.

Antonio (kopfschüttelnd). Nä, kein Pferd ist nicht aus dem Fenster gesprungen. Was wahr ist, ist wahr.

Graf. Himmlische Geduld, verlaß mich nicht.

Figaro. Ich befand mich im Zimmer der Kammerfrauen, auf mein Suschen zu passen. Der Hitze wegen hatt' ich mir's bequem gemacht. Auf einmal hört' ich im Korridor den gnädigen Herrn lebhaft reden. Mich faßte eine Angst wegen des anonymen Briefs und ohne viel zu überlegen, im ersten Schreck, sprang ich aus dem Fenster; wobei ich mir sogar den rechten Fuß ein wenig verstaucht habe. (Reibt ihn.)

Antonio. Wenn er's war, so muß ich ihm wohl auch den Fetzen Papier wiedergeben, der aus seiner Tasche gefallen.

Graf (greift rasch danach). Halt, her damit!

Figaro (leise). Gefangen!

Graf. Hast du vor Schrecken nicht auch vergessen, was dies Papier enthält, und wie es in deine Tasche gekommen?

Figaro (eine Anzahl Papiere aus seinen Taschen hervorziehend). Hm, hm! Ein Wunder wär's nicht, wenn man Kopf und Taschen so voll hat! War's nicht ein Brief von Marzellinen? Nicht doch, der ist hier. Oder die Bittschrift des armen Wilddiebs, der im Thurm sitzt? Nein, die ist da. Aber vielleicht das Verzeichniß der Möbel im kleinen Schlosse ... Das steckt in dieser Tasche. (Sucht.)

Graf (öffnet das Papier).

Gräfin (mit einem raschen Blick auf das Papier, leise zu Susanne). Es ist das Patent des Pagen.

Susanne (leise zu Figaro). Wir sind verloren. Es ist das Patent des Pagen.

Graf (das Papier wieder zusammenfaltend). Erräthst du noch immer nicht?

Figaro (sich vor den Kopf schlagend). Fundus! Das Fähndrichspatent unseres armen Pagen ist es. Er gab es mir, und ich vergaß in der Hast seiner Abreise, es ihm wieder zuzustellen. Das muß man ihm aber gleich' durch Eilboten nachschicken; was thäte er ohne Patent in der Garnison? (Will davonschleichen.)

Graf. Nicht so geschwind. Weshalb gab dir Cherubin das Patent?

Figaro (verlegen). Ich ... sollte noch etwas daran machen lassen.

Graf (in das Papier blickend). Es fehlt ja nichts daran.

Gräfin (zu Susanne, rasch und leise). Das Siegel fehlt.

Susanne (zu Figaro, rasch und leise). Das Siegel fehlt.

Figaro (wieder ganz sicher und dreist). Viel fehlt freilich nicht daran; er meinte aber, es sei Styli ....

Graf (ungeduldig einfallend). Was ist Styli?

Figaro. Daß Excellenz Ihr hochadliches Wappen beidrücken ließen. Vielleicht ist es nicht einmal so nöthig.

Graf (das Papier öffnend, durchblickend und zornig zerknitternd). Verwünscht. Ich soll nichts herausbringen und von Allen, Figaro an der Spitze, mich anführen lassen, ohne mich rächen zu können. (Er will unmuthig abgehen.)

Figaro (ihn zurückhaltend). Sie gehen, gnädiger Herr!? Wo bleibt meine Hochzeit?

 

Vierzehnter Auftritt.

Vorige. Bartholo. Marzelline. Basilio. Antonio. Landleute. Dienerschaft.

Marzelline (bei Figaro's letzten Worten an Bartholo's Arm feierlich eintretend). Ich thue Einsprache gegen die Hochzeit, gnädiger Herr! Ich habe ältere Rechte an den Bräutigam.

Graf (für sich, erfreut). Jetzt kommt meine Rache.

Figaro. Was für Rechte?

(Gräfin zieht sich mit Susannen in den Hintergrund zurück.)

Graf. Worauf stützt Ihr euer Recht, Marzelline?

Marzelline. Auf ein schriftliches Eheversprechen.

Figaro. Ein bloßer Schuldschein über Geld, das sie mir geliehen.

Marzelline. Unter der Bedingung, daß er mich heirathen sollte. Excellenz, als unser Guts- und Gerichtsherr, sind Sie Ihren Unterthanen Gerechtigkeit schuldig.

Graf. Ich gewähre sie Jedermann, der sie vor Gericht fordert.

Basilio (vortretend). So darf auch ich meinerseits meine gerechten Ansprüche auf gegenwärtige Dame Marzelline geltend machen?

Graf (für sich). Ah, mein anonymer Briefträger; er kommt mir gerade recht. (Laut.) Wagt der Hans Narr auch von Rechten zureden?

Antonio (in die Hände klatschend). Getroffen, und das auf den ersten Streich: Basilio ein Narr.

Graf. Marzelline, die Hochzeit wird aufgeschoben bis nach der Prüfung eurer Ansprüche, welche öffentlich im großen Gerichtssaal vor sich gehen soll. Ehrlicher Basilio, treuer und zuverlässiger Bote, bestelle die Gerichtsleute.

Basilio. Für ihren Rechtfall?

Graf. Schaffe mir auch den Bauern zur Stelle, der dir das Billet gegeben.

Basilio. Wenn ich ihn kennte!

Graf. Du weigerst deinen Dienst?

Basilio. Ich bin nicht Botenläufer im Schlosse.

Graf. Was denn?

Basilio. Als talentvoller Musiker und Orgelspieler im Dorfe, gebe ich der gnädigen Gräfin Klavierstunde, den Kammerfrauen Gesangsunterricht, den Pagen Guitarrelektionen; mein Hauptgeschäft ist, durch Lautenschlagen die Gesellschaft unterhalten, wenn der Herr Graf befiehlt.

Bauernknabe (aus der Schaar der Landleute hervortretend). Ich will schon gehn, wann's gnä' Herrn recht is.

Graf. Wie heißt du, was bist du?

Bauernknabe. Ich bin ja der Hanns, gnä' Herr, der kleine Hanns, wo die Gaisen hüten thut. Heut' Nacht aber thu' ich mit beim Feu'rwerk. Heut' haben die Gaisen Feierabend. Und ich weiß, wo all' die Gerichtschreiber im Ort wohnen thun.

Graf. Dein Eifer gefällt mir. Geh denn. Du, Basilio, begleitest ihn und spielst Guitarre, ihm die Zeit zu vertreiben. Er gehört auch zur Gesellschaft.

Bauernknabe. Ich – zur Gesellschaft! Hähähä.

Basilio (entrüstet). Ich soll den Hanns mit der Guitarre begleiten?!

Graf. Das ist, wie du eben gesagt, dein Hauptgeschäft. Geh, oder ich jage dich fort. (Der Graf geht ab.)

 

Fünfzehnter Auftritt.

Vorige (ohne den Grafen).

Basilio (für sich). Mit großen Herren ist nicht gut Kirschen essen; sie werfen Einem ...

Figaro (einfallend). Die Steine in's Gesicht.

Basilio. Ich werde, statt ihrer Heirath zu dienen, die meinige mit Marzellinen betreiben. (Zu Figaro.) Schließe nichts ab, bevor ich zurück bin. (Er nimmt die Guitarre.)

Figaro. Abschließen? Fürchte nichts. Und wenn du auch niemals zurückkommst .... Aber du scheinst mir nicht aufgelegt zum Singen; ich werde dir helfen. Auf, lustig, meinem Bräutchen zu Ehren. (Er tanzt voran, Alle folgen, Basilio spielt auf.)

???Tabelle Seguedilla.

Nichts besser mir gefällt Was mich erfreut und hält
Auf der Welt, Auf der Welt,
Als mein Suschen fein; Ist ihre Lieb' allein;
Fein, fein – – Lein, lein –
Fein, fein – – Lein, lein –
Fein, fein! – Lein, lein!

 

Sechszehnter Auftritt.

Gräfin. Susanne.

Während Gesang und Spiel hinter der Scene allmählig verhallen, kommen Beide, die sich zurückgezogen, wieder in den Vordergrund.

Gräfin. Das war eine artige Scene, die mir dein Leichtfuß mit seinem anonymen Brief zugezogen hat.

Susanne. Meine Angst erst, als ich die gnädige Gräfin bald feuerroth, bald leichenblaß werden sah!

Gräfin. Er sprang also aus dem Fenster?

Susanne. Ohne sich zu besinnen, der brave Junge, – leicht wie ein Vogel.

Gräfin. Der verwünschte Gärtner! Das Alles hat mich so aufgeregt, daß ich mich nicht zu fassen vermag.

Susanne. Im Gegentheil; gnädige Gräfin haben sich so gut zusammengenommen, daß ich wohl gesehen habe, wie leicht die vornehmen Damen sich verstellen können, ohne daß man etwas merkt.

Gräfin. Glaube nicht, daß sich der Graf täuschen läßt. Cherubin muß aus dem Schloß, muß fort. Ihn an deiner Stelle in den Garten zu schicken, zum Rendez-vous mit meinem Gemahl, geht jetzt auf keinen Fall mehr an.

Susanne. Ich selbst kann aber doch noch weniger gehen, und so ist es mit meiner Hochzeit wieder nichts.

Gräfin (überlegend). Wenn nun statt deiner, statt seiner – ich ginge!?

Susanne. Die gnädige Gräfin?

Gräfin. Dadurch würde Niemand compromittirt, des Grafen Eifersucht und Untreue zu gleicher Zeit bestraft und seine Einwilligung zu deiner Heirath erreicht. In der That, dies Mittel würde allen Zwecken dienen, und das Glück unseres ersten Wagstückes giebt mir Lust und Muth zu einem zweiten. Laß den Grafen wissen, daß du kommst. Aber keine Silbe von meinem Plan, hörst du? An Niemanden!

Susanne. Außer Figaro?

Gräfin. Auch an ihn nicht. Er würde mitspielen wollen, und wir brauchen ihn diesmal nicht. Geh und hole mir meine Sammtmaske und meinen Spazierstock. (Susanne geht in das Kabinet ab.)

 

Siebzehnter Auftritt.

Gräfin. Susanne.

Gräfin (allein. Im Nachsinnen). Keck ist mein Plan, aber nicht ohne Reiz. (Sie erblickt bei einer Wendung auf dem Toilettentisch das Band, welches sie dem Pagen abgenommen.) Sieh da, mein Band, mein liebes Band, dich hätt' ich fast vergessen! Ich werde dich nicht mehr von mir lassen, du sollst mich an den armen Knaben erinnern, der hier vor mir kniete, dort (auf das Fenster deutend) sein Leben für mich wagte! ...« Cherubin! (Sie wickelt das Band auf.) Herr Graf, was haben Sie gethan? Was thu' ich selbst in diesem Augenblick?

(Sie verbirgt das Band im Busen.)

Susanne. Hier ist die Maske und der Stock.

Gräfin. Erinnere dich, daß ich dir verboten habe, ein Wort von meinem Plan an Figaro zu sagen.

Susanne (erfreut). Ihr Plan ist reizend, gnädige Gräfin. Er vereinigt, er beendigt alles. Was sich nun auch ereignen mag, meine Heirath ist gesichert. (Sie küßt der Gräfin Hand, und während beide abgehen, fällt der Vorhang.)


 << zurück weiter >>