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(Bürger-Ressource.)
Maikäfer (im Journal lesend). »Bürgerblatt für die niedere Thierwelt!« – Nein, was die Zeitungen jetzt für eine Sprache führen! So ganz und gar ungenirt!
Hirschkäfer (mit Weisheit). Wissen Sie, das ist die Preßfreiheit.
Maikäfer. Alles recht! Aber da läßt Einer drucken, daß unser bisheriger Bürgermeister nichts taugte.
Hirschkäfer. Freilich nicht! Darum ist er auch abgesetzt worden.
Maikäfer. So? Gesetzt aber, er taugte doch?
Hirschkäfer. Sehen Sie, dann wär's ein Preßvergehen.
Maikäfer. Nun ja! Es wäre mir aber doch fatal, wenn Einer über mich so etwas drucken ließe.
Hirschkäfer. Das muß sich ein Jeder gefallen lassen. Uebrigens der Mann von tadellosem Lebenswandel hat dabei nichts zu besorgen! Dort kommt meine Frau. Ich muß ihr entgegengehen. (Ab.)
Maikäfer (sieht ihm nach). Er ist freilich tadellos! – Aber die Frau! Armer Hörndler! wenn die Presse einmal über die kommt! (Liest behaglich weiter.)
Biber (in einer Gruppe). Wir sind gewiß fleißige Leute.
Ameise. Und praktisch dabei.
Biber. Das mein' ich eben. Was haltet Ihr von dieser neuerfundenen Organisation der Arbeit?
Biene. Daß sie uns Alle zu Grunde richten wird.
Biber. Das ist auch meine Ansicht. 's ist eine pure Schwärmerei.
Libelle (hinzuflatternd). Alles Neue gilt für Schwärmerei und richtet anfangs einige Privilegirte zu Grunde. So mit der Organisation der Arbeit. Es fragt sich nur, ob ein echter Lebenskeim darin verborgen liege – und ich behaupte: ja! – was auch die Philister dagegen einwenden mögen. Das Neue ist eben neu – wenn's alt geworden ist, begreift's ein Jeder. In Jahren wird sich's zeigen, daß ich recht habe. Adieu, meine Herren! (Flattert weiter).
Biber. Wer ist denn der junge Herr? Er sieht nicht wie ein Arbeiter aus.
Ameise. Er schwärmte sonst immer gern auf dem Lande herum – auch an den süßen Wassern und Seen – seit Kurzem ist er, glaub' ich, im Ministerium angestellt.
Biber. Sie suchen jetzt lauter solche Windbeutel hervor. An den rechten Männern fehlt's überall. Aber wir tüchtige Leute in unsern Fächern wollen wenigstens zusammenhalten. (Sie sprechen weiter.)
Ein Maulwurf (zu einem Adler). Wie geht's, Herr College? Was macht die Philosophie? Ist's noch immer die beste Welt?
Adler. Besser als je.
Maulwurf. Wirklich? Dann sehen Sie weiter als ich.
Adler. Das hoff' ich.
Maulwurf. 's ist nur der Unterschied, daß Sie in den Wolken droben studiren und ich auf der Erde – unter der Erde – wohin wir Alle kommen, wo wir Alle bleiben. Es ist einmal unser Planet.
Adler. Zugestanden. Aber gehören die Wolken, die Atmosphäre nicht auch dazu?
Maulwurf. Die sind mir zu luftig; ich halte mich an's Solide. – Soll ich Ihnen sagen, wie Alles kommen wird? Die Republik wird sich nicht halten. Die Leute werden sich gegenseitig zu Grunde richten – ein Bürgerkrieg, ein allgemeines Blutbad – darauf ein Tyrann, ein militärischer Despot – das wird das Ende vom Liede sein.
Adler. Und was weiter?
Maulwurf. Was weiter? Nichts weiter! Dann ist's aus – denn fängt's wieder von vorne an. Die Geschichte ist ein ewiger Kreislauf.
Adler. Besonders für die Maulwürfe.
Maulwurf. Nun, und was erspäht denn Ihr Adlerblick so gar extra Schönes?
Adler. Die Idee – den Geist.
Maulwurf. Ich nenn's die Materie.
Adler. Sie ist der Stoff, das Kleid, das immer wechselt, immer weicher, feiner, reiner wird.
Maulwurf. An meinem Felle spür' ich keine Aenderung. – Sie glauben also an den Fortbestand dieser improvisirten Republik?
Adler. Ich sehe ihre kommende Nothwendigkeit.
Maulwurf. Und was geschieht mit dem Königthum?
Adler. Es hat noch Respect-Tage oder Jahre.
Maulwurf. So? Und das Volk?
Adler. Wird ein Ganzes werden, wenn's an der Zeit ist.
Maulwurf. Gratulire! Wir sprechen uns noch.
Adler (fliegt aufwärts). Vielleicht!
Maulwurf (blinzelt ihm nach). Ich möchte nicht fliegen und wenn ich gleich Flügel hätte. Ein vernünftiger Kopf muß davon schwindlich werden. (Er kriecht unter die Erde.)