Honoré de Balzac
Das Chagrinleder
Honoré de Balzac

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Epilog

Und was wurde aus Pauline? –

Ah! Pauline? Ja. Bist du manchmal an einem stillen Winterabend daheim geblieben, am Kamin hast du dich, während du die Streifen betrachtetest, die das Feuer auf einem Eichenscheit hervorzauberte, schmerzlich-süß in Erinnerung an Liebe und Jugend verloren? Hier zeichnet das Feuer die roten Felder eines Damebretts; dort schimmert es wie Samt; kleine graue Flammen laufen über die heiße Glut, hüpfen und züngeln spielerisch. Da kommt ein unbekannter Maler, er bedient sich dieser Flamme; mit einzigartiger Kunst zeichnet er mitten in diese flammenden violetten und purpurroten Töne eine übernatürliche Gestalt von wundervoller Zartheit, eine flüchtige Erscheinung, die der Zufall nie wieder erschaffen wird: Es ist eine Frau, ihre Haare wehen im Wind, ihr Antlitz atmet glückselige Leidenschaft: Feuer im Feuer! Sie lächelt, sie haucht aus, du wirst sie nie wieder erblicken! Leb wohl, du Blume der Flamme! Leb wohl, du unerwartetes, unvollendetes Element; du kamst zu früh oder zu spät, um ein schöner Diamant zu werden.

Aber Pauline? –

Du hast es nicht verstanden! Ich will noch einmal beginnen. Platz! Platz! Sie kommt, sie ist da, die Königin der Illusionen, die Frau, die wie ein Kuß vorübergeht, die Frau, die, wie ein Blitz zündend, vom Himmel zuckt, das ungeschaffene Wesen, ganz Geist, ganz Liebe! Sie ist in einen Flammenkörper geschlüpft, oder die Flamme hat sich für sie einen Augenblick lang beseelt! Ihre Konturen sind so rein, daß du weißt: sie ist vom Himmel herniedergestiegen. Strahlt sie nicht wie ein Engel? Hörst du nicht das Rauschen ihrer Flügelschläge? Leichter als ein Vogel läßt sie sich zu dir nieder, und von ihren furchtbaren Augen bist du wie gebannt; ihr Atem ist sanft und stark und zieht deine Lippen mit magischer Gewalt an sich; sie flieht und reißt dich mit sich empor; du fühlst die Erde nicht mehr unter dir. Du möchtest ein einziges Mal mit deiner bebenden Hand, mit deiner verzückten Hand über diesen schneeigen Leib streichen, in ihre goldenen Haare greifen, ihre funkelnden Augen küssen. Ein Duft berauscht dich, eine bezaubernde Musik umkost dich! Ein Zittern durchschauert dich, du bist ganz Sehnen, ganz Qual. O namenloses Glück! Du hast die Lippen dieser Frau berührt; aber mit einem Male weckt dich ein wahnsinniger Schmerz. Ha! Ha! du bist mit dem Kopf gegen die Bettkante gestoßen, du hast braunes Mahagoni, kalte Vergoldung, ein bronzenes Bildwerk, einen kupfernen Amor umarmt.

Aber Monsieur, Pauline? –

Noch nicht genug? So höre! Eines schönen Morgens verließ ein junger Mann mit seiner hübschen jungen Frau Tours an Bord der »Ville d'Angers«. Sie standen lange Hand in Hand auf dem Deck und bewunderten über der weiten Fläche der Loire eine weiße Gestalt, die wie aus Wasser und Sonne geboren oder wie ein launisches Gebilde aus Luft und Wolken dem Nebel entstiegen war. Bald Undine, bald Sylphide, schwebte das wesenlose Geschöpf in den Lüften wie ein vergebens gesuchtes Wort, das im Gedächtnis da und dort auftaucht und sich nicht fassen läßt; es wandelte zwischen den Inseln, es lugte aus den Zweigen der hohen Pappeln hervor; dann wurde es riesengroß, ließ die tausend Falten seines Gewandes erglänzen oder den Strahlenkranz, den die Sonne um sein Antlitz wob, aufleuchten; es schwebte über die Dörfer, über die Hügel dahin und schien dem Dampfschiff verwehren zu wollen, am Schloß Ussé vorüberzufahren. Man mochte sie für die »Dame des belles Cousines«Dame des belles Cousines‹: Gestalt aus dem Roman ›Le Petit Jehan de Saintré‹ (1456) von Antoine de la Sale (um 1388 - nach 1462), dessen Tendenz eine ideologische Unterstützung des im 15. Jahrhundert bedrohten Rittertums ist. halten, die ihr Reich gegen das Eindringen der modernen Zeit schützen wollte.

Schön, ich verstehe; soviel von Pauline. Aber Fœdora? – Oh! Fœdora, du wirst ihr begegnen. Sie war gestern in den Bouffons, heute abend geht sie in die Oper, sie ist überall. Sie ist, wenn du so willst, die Gesellschaft.

Paris, 1830-1831


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