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So lind und frisch es auch in den Mittagsstunden draußen in Wald und Feld ist, so wandeln doch nur wenig »Mannen« hinaus, und auch diese kehren bald zurück, bis endlich alles in der raucherfüllten niedern Stube zum »Adler« beisammen ist.
Es mag auffallend erscheinen, daß auf dem Lande freie Trinkplätze so selten sind, wo man im Schatten der Bäume unter freiem Himmel seinen Schoppen in Frieden genießt. Aber erstlich fühlen sich die, welche die ganze Woche draußen sind, behaglicher unter Dach und Fach, und sodann vereinzelt das Zusammentreffen im Freien: der Raum ist unbeschränkt, man rückt nicht so nahe zusammen, das Wort des einzelnen verhallt leicht, weil es nicht, von den Wänden eingeschlossen, zu allen dringt.
Wir müssen uns also schon dazu bequemen, in die Wirtsstube einzutreten.
Um den runden Tisch in der Ecke sitzen viele. Konstantin, Mathes und der Buchmaier lesen die Zeitung, von der heute drei Blätter auf einmal angekommen sind. Sie teilen mit, was ihnen von Belang scheint und worüber sie etwas zu sagen haben. Es sind oft Bemerkungen, die den Nagel auf den Kopf treffen, oft aber auch Schläge in die Luft. Denn heutigen Tages, wo man es meist darauf anlegen muß, den leitenden Grundgedanken zwischen den Zeilen herauslesen zu lassen, ist es für den Uneingeweihten fast unmöglich, das Rechte zu finden.
Das Gespräch verlor sich nach allen Seiten hin; es möchte lehrreich sein, solches weiteren Kreisen mitzuteilen, wir müssen uns aber an das nahe gerückte Interesse des Tages halten. Der Adlerwirt ist auch dieser Ansicht; man sieht ihm an, daß er etwas auf dem Herzen hat; er sagt daher als einmal Stille eintrat:
»In der Zeitung steht auch die Geschicht von dem Sträflingsverein.«
»Lies vor!« hieß es von allen Seiten.
»Lies du!« sagte Konstantin und gab seine Zeitung dem Mathes. »Ich will nichts davon. Gegen ganz schlechte Menschen da tun sie jetzt gar liebreich: da ist's wohlfeil gut sein. Dabei kann man den Kamm noch recht hoch tragen. Die Heiligenfresser und Beamtenstübler haben da nebeneinander feil, und wisset ihr was? Gnadenpülverle auf Stempelbogen.«
»Oha, Brüderle, du hast einen Pudel geschoben«, erwiderte der Buchmaier; »da ist der Doktor Heister auch mit unterschrieben, und wo der ist, da darf man mit all beiden Händen zulangen. Und wenn auch noch Hochmutsnarren dabei sind, der Verein ist gut. Mag einer sonst tun, was er will, wenn er was Rechtschaffenes tut, so ist das halt rechtschaffen.«
»Das mein ich auch«, sagte Konrad, der Adlerwirt, und las vor.
»Da ist kein Salz und kein Schmalz in der Anzeig«, bemerkte Mathes; »die sollten unsern Pfarrer haben, der hätt's anders geben, daß das Ding Händ und Füß hätt. Wenn ich einen Knecht bräucht, ich tät gleich einen nehmen.«
»Ich auch«, riefen viele.
»Und ich nehm einen«, sagte Konrad.
»Wenn du das nicht gesagt hätt'st, wär's gescheiter gewesen«, entgegnete der Buchmaier, »da hätt's niemand gewußt, und jetzt sieht ihn ein jedes drauf an.«
Konrad kratzte sich ärgerlich hinter dem Ohre.
Der Schullehrer trat ein und der Buchmaier sagte zu ihm: »Du kommst wie gerufen. Kannst du uns nicht sagen, was das mit dem pennsylvanischen Schweigstumm ist oder wie man's heißt? Ich bin ganz dumm von dem, was da die Zeitung drüber sagt.«
»Es gibt zweierlei Strafsysteme oder Strafarten«, sagte der Schulmeister; »Auburn –«
»Nicht so!« unterbrach ihn der Buchmaier, der heute etwas ärgerlich schien; »mach jetzt all deine Bücher zu und sag's gradaus.«
Jener erklärte nun die Zellengefängnisse mit ihrer Sprachlosigkeit. Alles eiferte mit großer Heftigkeit gegen das Schweigstumm, wie sie es nannten, und der Buchmaier wurde so grimmig, daß er sagte: »Wenn ich Herrgott wäre, dem Mann, der das einsam stumme Gefängnis erfunden hat, dem ließ ich nur all Woch zweimal die Sonn scheinen.«
Der Lehrer wollte die Heftigkeit mildern, indem er berichtete, daß viele edle und gelehrte Männer für diese Strafart gestimmt hätten. Er fand aber kein Gehör.
Endlich traten mehrere Schreiber in die Wirtsstube. Das Gespräch erhielt eine andere Wendung und leise Fortsetzung. Man ging bald auseinander.