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Zu dem, was ich dir noch vom Kreislauf der Erscheinung zu sagen gedenke, o Teurer, erfasse wohl:
Auf Einem Gedanken ruht wovon ich dir rede – Samsara; auf Umzulangen im Ur-sprüng – auf Verlangen ruht diese Welt.
Eines ist, was wir, in dieser Welt erwachend, rastlos suchen; Eines, was wir, in irdischer Anschauung befangen, vielheitlich schauen; Eines nur, was wir mit zahllosen Worten benennen; alles Geschehen und alle Gestaltung, aller Geschöpfe und aller Welten all-einiger Gedanke:
– Verlangen –
Verlangen, dem Ursprung entquellend, Verlangen nach Überbrückung der Kluft, Verlangen nach Wiedervereinigung – unserer Leben Sinn und aller Welten Ziel: Verlangen nach Erlösung.
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Was ich dir von tiefer Erkenntnis verkündige, besitzt die Menschheit nicht, und nicht überliefert wurde mir die Lehre aus der Gemeinschaft hoher Meister – : den Sinnen entrückt, der Gedankenqual entronnen, in wunschloser Allhingebung versunken – fand ich mich erleuchtet. Erkenntnis trat zu Tage, wuchs und erstarkte.
In solche Erkenntnis weihe ich dich ein; von solcher Erkenntnis getragen erachte dich auf rechtem Wege – du nahst den Wissenden.
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All-ur-sprung: ur-Teil und gegen-Teil; aus solcher Ent-zwei-ung – : ver-Langen nach Ergänzung; aus solchem Verlangen – : Tat; aus Tat-widerstand – : Erkenntnis
– BUDDHI – aller Welten Hoheziel! – Erfasse den großen Gedanken, ehe deine Lippe ihn ausspricht –
– Erwachen der Menschheit –
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Wer sein Heil im ›Ich‹ sucht, dem ist Selbstsucht Gebot, dem ist Selbstsucht Gottheit.
Wer sein Heil in dieser Welt sucht, der bleibt dieser Welt verfallen; dem ist kein Entrinnen aus ungestilltem Verlangen; dem ist kein Entrinnen aus nichtigem Spiel; dem ist kein Entrinnen aus den engen Fesseln des ›Ich‹. Wer sich aus dieser Welt nicht erhebt, der lebt und vergeht mit seiner Welt.
Wem die Gnade des Ishvara das Auge geöffnet hat, der durchschaut diese Welt. Wer diese Welt durchschaut, der ist für diese Welt verloren.
Darum ist Erkenntnis Enttäuschung, darum ist Erkenntnis Erwachen. Erwachen ist Erlösung – Erlösung ist Vollendung in Gottheit.
Davon ist gesagt: »Erkenntnis – und einen andern Weg hat der Mensch nicht.«
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Hüte das Urerbe – dir zum Heil und allen denen, die auf Erden mit dem Tode ringen.
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Also ist die Unterweisung:
Aus Sinnes-wahr-nehmung wird, was du Wirklichkeit dieser Welt nennst. Was deinen Sinnen wirklich wahr scheint, ist deinem Nachsinnen hinfällig; was deinen Sinnen standhält, flieht vor deinem Besinnen, mündet, sich selbstwidersprechend, in Widersinn, und nur in sinnlicher Auffassung scheint Sinn in der Welt. Und gewiß: wäre letzter Sinn in der Erscheinung, so wäre Erscheinung Wesen.
Sinneswahrnehmung in dir ist rings um dich sinnlich begrenzt. Grenze deines Schauens ist der Gegenstände sinnlicher Widerstand – Seele der Dinge bleibt deinen Sinnen ewig unnahbar.
Wie ein Strom Ufer von Ufer trennt, so trennt sinnliche Anschauung Seele von Seele; und wie du von Ufer zu Ufer auf unsicher schwankender Fähre gelangst, so gelangt Seele zu Seele durch blind suchende Sinne; und wie ein mächtiger Strom jenseitiges Land völlig deckt, so decken zügellos stürmende Sinne alle Seele außer dir.
Irdische Wahrnehmung ist der Blindheit vergleichbar – was wir hier in Gestalten und Farben gläubig schauen, ist nicht die Welt, Samsara zeugt blinde Kinder.
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Maya! Es scheint, es stellt sich dar, es mutet dich an, dich gelüstet danach und du erliegst der Lust. – Von gleißender Erscheinung geblendet, suchst du unsicher tastend dein Ziel, taumelst Wahnbildern folgend, von Trug zu Trug – wahrlich einem Trunkenen vergleichbar. Und wie ein Trunkener unter den Hufen einer Büffelherde sich im Paradiese träumt, so träumst du trunken von Sinneslust ein erlogenes Glück – die ewige Lüge!
Verlangen in dir ist der Seele Verlangen nach ewigem Ziele; Sinneswahrnehmung in dir hält dich in vergänglicher Erscheinung zurück. Die Erscheinung ergreifend, bist du ergriffen – Seele in den Fesseln der Sinne.
Darum sagt Maitrâyana Upanishad: »Seele von den Gegenständen überwältigt.«
Darum sagt man: sich ernüchtern, wieder zu sich kommen, sich auf sich selbst besinnen.
Darum lehrt der Erlauchte: »Unterscheidung des Wandelbaren vom Unwandelbaren, des Ewigen vom Vergänglichen, Unterscheidung des Wesens von der Erscheinung.«
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Unabsehbare Kluft, unlöslicher Widerspruch uns irdisch Schauenden zwischen Erkenntnis und Anschauung; Torheit, ewiges Ziel in vergänglicher Erscheinung zu suchen. Daraus sinnloses Hasten und Irren, endloser Wechsel, unablässige Erneuung; daher die Unbeständigkeit, die Friedlosigkeit, die Vergänglichkeit alles Irdischen, daher die Unsinnigkeit steter Wiederholung alles Geschehens, aller Gebilde, aller Gedanken – ein rastloser Kreislauf von Hoffnung zu Enttäuschung. Darum die Unzulänglichkeit, das Stückwerk, die Unvollkommenheit aller Dinge; die Unwiederbringbarkeit der Zeit, die Unüberwindbarkeit des Raumes; darum des Hohenzieles Unerreichbarkeit, des Zweifels Unstillbarkeit, die Trostlosigkeit, die Widersinnigkeit, Verruchtheit dieser Welt.
Diese Welt ist für Kinder und Wölfe, und so sehr sind wir Kinder und Wölfe, daß wir uns in solcher Welt gefallen!
Der Welt Lust ist Fraß, der Welt Lohn ist Trug, der Welt Ziel ist Vernichtung – und du solcher Welt williger Sklave.
Ist Lust Frieden? Und ist nicht verlorene Lust Schmerz? Und wäre nicht dauernde Lust Qual? Und schließt nicht Lust Seeligkeit aus? – Wagst du es zu widersprechen? – Was auf Erden vermöchte Verlangen nach dem Höchsten zu stillen? – Verlangen nach Gottheit.
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Das Gepräge dieser Welt ist Vergänglichkeit.
Was von Gedanken und Dingen dieser Welt lebt, atmet in Einhauch und Aushauch, aus Entstehen zu Vergehen.
Alles Werden durch Absonderung, durch Abstammung, durch Verzweigung, durch Spaltung, durch Unterscheidung von einander. Alle Empfindung und Wahrnehmung durch Abstand; alles Wollen und Tun durch Gegenstand und Widerstand. Ich-nicht-Ich-bewußtsein durch Anstoß und Hemmung; Leben und Dasein durch Wandel – nichts was unverändert, nichts was beständig, nichts in Frieden im Himmel und auf Erden.
Samsara ist Wechsel; wer Frieden im wechselnden Samsara sucht, der ist betrogen; Frieden kann nur zu Unfrieden wechseln.
Dieser Welt Bestand durch Gegen-stand, dieser Welt Sinn durch Gegen-sinn; darum dieser Welt Wider-spruch und Wider-sinn; darum dieser Welt ruheloser Kampf; darum dieser Welt Vergänglichkeit.
Entzweiung will Paarung, Ansammlung will Auflösung; weil Entstehen ist, darum ist Vergehen; weil Verschiedenheit ist, darum ist ein Verscheiden; weil Leben ist, darum ist Tod.
Alle Erscheinung ist durch Ur-sprung, durch Entzweiung in Gegensatz, und aller Gegensatz will Ausgleich. Was durch Entzweiung aus Einheit entspringt, endet in Einheit.
Wie alles Urteil in seinem Gegenurteil sich auf hebt, wie aller Gedanke, zu Ende gedacht, durch seinen Gegensinn in sich selbst zurückkehrt, so kehrt alle Erscheinung in sich selbst zurück, sich selber aufhebend.
Alle Wirklichkeit hält stand, so lange du Befriedigung im Wirken suchst, solange du, selbst Erscheinung, sinnliche Erscheinung wahr-nimmst, solange du an die Wirklichkeit dieser Welt glaubst.
Erscheinung, durchschaut, hält nicht stand, verblaßt, zerrinnt, geht zugrunde, geht auf den Urgrund zurück. Wirklichkeit, als Schein erkannt, wirkt nicht mehr, ist nicht mehr wirklich – vergangen wie ein Traum, der beim Erwachen zu nichte ward.
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Was dir als gegenständliche Welt erscheint, ist nicht an sich; was du Wirklichkeit nennst, ist zu sinnlich anschaulichen Bildern gewordener Gedanke in dir – ist dein träumendes Verlangen, die unermeßliche Kluft zu überbrücken, der weite Irrweg zur ewigen Heimat.
Die Gestaltung dieser Welt ist dein; Wirklichkeit folgt deinem Gebot – Wahr-nehmung in dir ist Be-dingung; das heißt: was du von Erscheinung für Wahrheit nimmst, gewinnt Gestalt, wird zu wirklichen Dingen. Du er-innerst dich aus zeitloser Vergangenheit – du er-innerst dich aus raumloser Nähe und Ferne – du ver-gegenwärt-igst dir aus seelisch ewiger Gegenwart sinnlich gegenwärtige Erscheinung. Deine Einbildung wird Vorstellung: das Verlangen in dir hat sinnliches Da-sein gewonnen, was du wirklich wahr nennst, hat sich geschaffen.
Die gewaltige Welt ist aus deiner Empfindung geboren, deine eigene Schöpfung – du selbst.
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Dies wunderbar Einfache wird von Unmündigen widerstrebend erfaßt – volles Erleben hiervon ist nur dem Erwachenden beschieden.
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Was aus Ursprung dieser Welt lebt, lebt zwiefach: lebt als Empfindung in dir, lebt als Bewegung außer dir; Bewegung im unendlichen Raum – und Empfindung solcher Bewegung in ewiger Seele – : die also erscheinende Welt.
Bewegung aus dem Raume trifft dich – du wirst der Bewegung inne. Inne-werden der Außen-bewegung ist Empfindung in dir; Auslegung dieser deiner Empfindung ist dir Bewegung im Raum. Empfindung: ver-inner-lichte Bewegung; Bewegung: ge-äußer-te Empfindung. Was aus-wendig Bewegung ist, ist in-wendig Empfindung. Äußerer Gegenstand schafft inneren Zustand; innerer Zustand schafft äußeren Gegenstand.
Bewegt empfindest du – empfindend bewegst du. Seelische Empfindung von dir aus-gelegt, wandelt sich außer dem Bereich deiner Seele zu sinnlich anschaulicher Bewegung. Empfindung aus dir hinausverlegend, stellst du vor; vorstellend wirkst du; gegen-ständlich Vorgestelltes ist Gegenstand; Gegenstand widersteht; Widerstand ist Wirkung auf dich. Dein eigenes Werk, aus dir gewirkt, ist Wirklichkeit und wirkt auf dich zurück.
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Die Seele wird von äußerer Bewegung innen bewegt; die innen bewegte Seele bewegt nach außen. Du empfindest in dir, das heißt: du bewegst außer dir. Was du zeitliche und räumliche Ferne nennst, ist sinnlich befangene Auffassung; Seele wirkt außersinnlich, Seele wirkt seelisch, über Zeit und Raum hinaus. – Eines ist Auslegung deiner Empfindung und Rückwirkung des aus dir Hinausverlegten – Zusammenfließen der Seelen – Seele der Dinge – eigene Seele – Überbrückung des Ur-sprungs.
Je nach Vorwiegen seelischer oder sinnlicher Auffassung im Ich scheint Empfindung oder scheint Bewegung, scheint eigener Zustand oder fremder Gegenstand, ist gedankliche Ein-bildung oder anschauliche Wahrnehmung, das ist: allen deinen Sinnen faßbarer Körper – der Gedanke ist leib-haftig geworden; Eines ist Gedanke und Sichtbarkeit des Gedankens. Angeschaute Gedanken sind Körper.
Davon sagt Patandschali: »Körpererscheinung wird durch Wandlung der Auffassung im Ich.«
Davon sagt der Buddha: »Wie ich aus einem Schilfrohre den Halm ziehe – hier das Schilf – dort der Halm, so bilde ich aus diesem meinem Leibe nach dem Willen meines Herzens einen anderen Leib, mit allen Gliedern versehen und mit Gefühl begabt.«
Der verlangende Gedanke zu Fleisch und Blut geworden.
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Es scheint, als sei in dir seelische Empfindung, es scheint, als sei außer dir seelenlose Bewegung; deiner Seele Empfindung, deinen Sinnen Bewegung – Gegensatz und Einheit. Was sinnlich als Gegensatz erscheint, wird seelisch als Einheit erkannt. Was blindem Schauen durch unüberbrückbare Kluft getrennt scheint, unvereinbar und unlösbares Rätsel, ist Eines; Eines, was deinen Sinnen Bewegung, deiner Seele Empfindung ist – je nach sinnlicher oder seelischer Auffassung unterscheidende Benennung, ununterschieden in sich, zwei Worte für das Selbe – : Verlangen in dir. Und wie du in deinem eigenen, einheitlichen, ungespaltenen Verlangen Widerwillen von Willen unterscheidest, beides in dir, beides Eines – du selbst, so unterscheidest du Bewegung von Empfindung, bei des in dir, beides Eines – du selbst.
Alle Empfindung ist Bewegung, alle Bewegung – Empfindung; Beid-einheit, seelisch-sinnlich geschaut.
Empfindung in dir und die Welt ist bewegt; du durchschaust die Bewegung und still stehen alle Sonnen und Erden, und es empfinden alle Sonnen und Erden, ruhelos Ausgleich suchend.
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Ich ist Ur-sprung. Nichts dieser Welt, was sich nicht im Ich willig-un-willig schafft, zwiefach in Zeit und Raum. Aller Inhalt des Ich durch Gegen-sinn in sich, durch Gegen-stand zu sich. Die ganze Welt im verlangenden, im unter-scheidenden, im ur-teilenden, im ent-zweienden, im ent-zweiten Ich. Ich außer sich verlangend, spaltet in sich selbst, spaltet im Urteil, Wollen und Tun: bejahend verneint Ich, wollend en-will Ich, liebend haßt Ich.
Kein Tun ist einwertig. Du vermagst dich keinem Dinge zuzuneigen, ohne dich einem anderen Dinge abzuneigen. Zuneigend neigst du dich ab, abneigend neigst du dich zu. Alle Zuneigung ist Abneigung, alle Abneigung ist Zuneigung. Du bejahst den Satz und verneinst damit den Gegensatz. Du glaubst Eines zu tun und tust zweierlei – : ewiger Zwiespalt, ewiger Ur-sprung in dir selbst.
Kein Geschehen, kein Ding, kein Wort, kein Gedanke ist eindeutig. Mit deinem Leibe neigt sich deine Seele. Neigung ist körperliche Bewegung, Neigung ist seelische Empfindung. Neigung deines Leibes ist Neigung deiner Seele; seelische Neigung erscheint deinen Sinnen als Körperbewegung; Körperbewegung ist in dir als seelische Neigung wach. Neigung ist seelisch und sinnlich zugleich.
In einem Worte ist Einheit von Zuneigung und Abneigung, Einheit von Empfindung und Bewegung, Einheit von Leib und Seele. Im einheitlichen Worte liegt sich selbst aufhebender Gegensinn: Ich und du, innen und außen, hier und dort, Zustand und Gegenstand, Zeit und Raum, Gedanke und Tat, Seele und Sinnlichkeit, Unfaßbares und greifbare Wirklichkeit; in einem Worte Anziehung und Abstoßung, Aufflammen und Verlöschen, Lust und Leid, Himmel und Hölle, Leben und Tod.
In jedem Worte spiegelt sich zerfallene Einheit.
Gegensinn im einheitlichen Wort – Einheit gegensinnlicher Worte ist Lösung nie gelöster Rätsel, Lösung nie gelösten Widerspruchs; törichter Streit durch Jahrtausende – : Allgottheit, Göttervielheit; Gutes und Böses in Gott; Wesenseinheit oder Doppelwesen der Welt; Weltgeist oder Weltenstoff; Allseele oder Seelenvielheit; Ursächlichkeit oder Selb-einheit; Zweck oder Zufall; eherne Naturgesetze oder freie Schöpfung – wie auch Irrende die seelisch sinnliche Kluft benannt haben mögen – müßige Fragen dem Wissenden, Lösung aller Gegensätze, Lösung des Widerspruchs dieser durch Widerspruch werdenden Welt.
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Und ferner, o Teurer, Lösung nie gelöster Rätsel – : das Wunder der Verkörperung. Es offenbare sich dir, aus welchen Tiefen solche Lösung fließt und der Weg zu Erlösung.
Du fühlst dich Körper, du weißt dich Seele. Du empfindest dich selbst unmittelbar, du schaust aus dir mittelbar durch Sinne. Deine Sinne nehmen sinnlich wahr; Seele in dir nimmt sinnlich Geschautes für wahr. Auf fünffach verschlungenen Sinnenwegen suchend, seelenblind für alle Seele außer dir, verkennst du alles, was du nicht selbst bist und dich selbst. Du begreifst die ganze Welt sinnlich; du nimmst dich selbst sinnlich wahr.
Also seelenblind schauend glaubst du dich von Allseele abgeschieden, vermagst abgeschieden Erachtetes nicht mehr seelisch zu dir zu einen. Was du nicht mehr als eigen erkennst, deuten deine Sinne als außer dir; du vermagst, was dir außen dünkt, nicht anders als fremd, als räumlich dir gegen-über-stehend, als gegen-ständlich zu dir aufzufassen; du kannst, was du nicht selbst bist, nur als Gegenstand schauen. Alles nicht-Ich muß dir Ding und Körper sein.
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Also sieht Seele kraft ihrer Sinne Körper; also ist Seele sinnlich erfaßt: Körper.
Also sind Körper: Körper durch wahrnehmende Sinne – Körper durch Verkörperung der Seele, zwiefach Eines.
Empfindend bist du Seele, empfunden Leib; be-seelter Körper – verkörperte Seele. Sinnliche Gestalt ist seelische Gestaltung, leibliche Zeugung – seelische Über-zeugung; Beid-einheit – : Gedanke leibhaftig geworden, dein schaffendes Verlangen. Du verlangst und es wird Ding und Bewegung, du verlangst und es ist Empfindung und Seele: – gottabgewandt: Welt – weltabgewandt: Gottheit genannt.
Alles was dir als Wirklichkeit erscheint – welche Namen es auch trage – ist Seele, von Seele in dir sinnlich erfaßt. Seele – alles andere Sinnenmitgift. Alle Gestaltung Seele, alle Gebilde in die Sinne fallende Erscheinung – Sinn-bild der Seele – Seele im Bannkreis der Sinne – Seele in irdischer Umhüllung – in Sinnenwelt versunkene Gottheit.
Nur für irdische Augen ist diese Welt – Samsara; seelisch durchschaut versinkt die Erscheinungswelt deinen Sinnen; nur für seelisches Schauen ist Erlösung – Verklärung der Welt – der Seele Seeligkeit – Nirvana.
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Raum-zeitlose Seele in zeit-räumlicher Welt.
Im unendlichen Raum alles zeitlos; in ewiger Zeit alles raumlos. Ohne Raum ist alles im Laufe der unendlichen Zeit; ohne Zeit ist alles im unendlichen Raum.
In der Zeit ist die Gegenwart – ohne Dauer, und nur im zeitlosen Gedanken zu fassen. Im Raum ist der Punkt – ohne Ausdehnung, und nur im raumlosen Gedanken zu fassen; in Zeit und Raum erscheinende Körperlichkeit ist endlos teilbar, also körperlos und nur in Gedanken zu fassen. Urteil von Zeit – nicht Zeit; Urteil von Raum – nicht Raum; Urteil von Körper – nicht Körper. Das letzt Denkbare von Zeit, das letzt Denkbare von Raum, das letzt Denkbare von Körper ist Gedanke im Ich. Das letztdenkbare Urteil der Welt ist Ich-urteil.
Im Ich ist Bindung und Lösung dieser Welt.
Ich, erscheinend, ist Zeit in Raum, ist Empfindung in Bewegung, Willen in Kraft, Ursache in Wirkung, Freiheit in Notwendigkeit, Selbigkeit in Ursächlichkeit, Seele in Leib, Wahrheit in Täuschung, Wesen in Schein. – Denkt die Welt, so denkt sie: Ich.
Zeiteinbildung, Raumvorstellung, Körperwahrnehmung – die Welt – entspringt und endet im Ich. Ich-gegenwart ist Zeitewigkeit, ist Raumunendlichkeit, ist Körper und Wirklichkeit.
Zeit-räumliches Ich aus raum-zeitloser Seele.
Davon ist gesagt: ››das Weltall hat nur in mir Bestand.‹‹
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Ich ist ur-Teil im entzweienden Ursprung der Welt. Ich ur-Teil, vom All abgesondert – un-zu-langend – ver-langt zum All zurück; darum ist Ich Verlangen. Ich ist ungestilltes Verlangen; Ich ist unstillbares Verlangen; Ich ist nur durch Verlangen. Ich, sich selbst wollend, muß Alles zu sich wollen, so lange Ich – Ich ist.
Ich ist worin Ich erwacht. Ich ist was sich im Ich bewußt wird, was Ich sich einbildet, was sich im Ich bildet, was Leben im Ich gewinnt nennt sich Ich. Ich-inhalt erachtet sich für »Ich«.
Ich ragt über sich hinaus: Ich ist was Ich wollend umfaßt, was Ich nicht wollend umfaßt, was Ich wollend nicht umfaßt; Ich ist soweit Ich-auffassung reicht. Kein Ich, wenn nichts umfassend; kein Ich, wenn allumfassend.
Ich entspringt, Ich endet im Verlangen; Ich wechselt in sich mit seinem Verlangen; Ich wechselt in sich mit wechselndem Gegenstand; mit anderem nicht-Ich ist anderes Ich.
Ich besteht ohne eigenen Bestand – ewig neu geborene Gegenwart, ewig erneute, ewig vernichtete Selbstherrlichkeit; das ewig Vergängliche aus dem ewig Unvergänglichen.
Der Glaube, als habe das Ich ein Sein in sich, schafft Ich, erhält Ich, endet mit Ich – ein Nichts, das Alles ist. Ich ist Teil, so lange es sich Teil glaubt. Gibt Ich sich auf, so ist Ich alles.
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Ist Einbildung Ich, so ist Vorstellung nicht-Ich. Alles Ich baut sich auf am nicht-Ich; am nicht-Ich-gegen-stand findet Ich seinen Rück-halt; durch Wider-stand gegen alles nicht-Ich ist das Ich.
Ich lebt nur durch Gegensatz – durch Gegensatz zu sich: Raum, durch Gegensatz in sich: Zeit. Verlangend einigt Ich allen räumlichen, allen zeitlichen Gegensatz in sich.
Ich, alles nicht-Ich zu sich anziehend, stößt alles nicht-Ich von sich ab. Verlangend schwankt Ich von s-Ich zu nicht-Ich, von nicht-Ich zu s-Ich zurück. Ich verlangen spiegelt sich im nicht-Ich; nicht-Ich wirft das Ich verlangen zurück. In dem Maße wie Ich verlangt, widersteht das nicht-Ich dem Verlangen; in dem Maße wie Ich zu sich verlangt, wird Ich vom nicht-Ich verlangt – Ergreifend, ist Ich ergriffen.
Also ist zwischen Ich und Ich Anziehung im Verlangen; also ist zwischen Ich und Ich Abstoßung im Verlangen; also ist Verlangen Anziehung und Abstoßung zugleich; also hält Verlangen Ich und Ich auseinander; also ist Verlangen nach Vereinigung zu sich Hindernis der Einigung – das Verbindende ist das Trennende.
Ich will das All zu sich, enwill sich zum All – weltschöpferischer Irrtum.
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Ich überträgt sich ins nicht-Ich.
Verlangend tritt Ich aus sich hinaus, langt außer sich, ist nicht mehr bei sich, ist außer sich, ist in seinem Gegenstand – Ich im nicht-Ich.
Ich weiß nur von sich; Ich empfindet immer nur sich selbst; s-Ich einbildend stellt Ich s-Ich vor; vorstellend faßt Ich sich selbst gegen-ständlich auf. Wie Ich sich im gegen-Stand empfindet, so empfindet Ich den Gegenstand. Gegenstand dem Ich ist Ich im gegen-Stand. Soweit Ich den Gegenstand empfindet, soweit ist Zerklüftung im Ursprung überwunden, soweit ist das Empfindende und das Empfundene Eines. Die Empfindung ist das Empfundene.
Ich-zu-stand im Gegen-stand nennt sich selbst mit anderen Namen. Ich verkennt sich im du – wie ein Hund sein eigenes Bild im Spiegel anknurrt. Eines ist Zustand und Gegenstand. Eines ist Ich und du – Einheit in sich, in dir unterscheidende Namen.
Im Verlangen liegt Ich und nicht-Ich; im Verlangen fällt Ich und nicht-Ich aus-einander. Was Ich verlangend nicht will, will nicht Ich, will ein nicht-Ich – »ich will nicht« das heißt: »du willst«.
Ich und Ich – zerfallene Einheit, geschaffen und auseinander gehalten durch blindes Verlangen.
Davon ist gesagt: »ich bin du«.
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Alles was außer Ich ist, ist aus Ich. Alles nicht-Ich beginnt und endet im Herzen des Ich. Wie im Willen Unwillen liegt, so liegt im Ich das nicht-Ich.
Ich will durch Willen und Unwillen; Willen wie Unwillen ist Ich-verlangen. Willen wie Unwillen hat dasselbe Ziel. Ich-loser Wille undenkbar; ziel-loser Wille, Wille ohne Gegen-stand des Wollens undenkbar.
Ich will durch Bejahung und Verneinung: sogenannte Verneinung des Willens ist Bejahung geänderten Willens – das Eine Verlangen bei gewechseltem Ziel.
In sich verneinen heißt außer sich bejahen; in sich vernichten heißt aus sich hinaus schaffen; aus sich hinaus schaffen heißt außer sich schaffen. Unwillig aus dir Entlassenes weicht aus dem Bereich deiner Seele, fällt in den Bannkreis deiner Sinne, tritt, selbständig geworden – ein eigenes Ich – dir sinnlich gegenüber.
Abstoßung im Ich ist das Abgestoßene, ist aus eigenem Zustand geschaffener Gegen-stand. Das Angezogene ist im Ich Anziehung; das Angezogene ist Gegenstand im Zustand Ich:
– Verlangen im Ich ist das nicht-Ich –
Verlangen vom Ich ausgesprochen, vom nicht-Ich, dem Widerschein des Ich, ›wieder‹ ausgesprochen, das ist ›wider‹sprochen, sieht sich selbst gegenüber, tritt sich selbst entgegen, ist sich selbst Gegenstand des Verlangens.
Die Welt sich selbst wollend – darum ist Welt.
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Das Außereinander von Ich und Welt ist Erscheinung; das Durchschauen des Scheines ist Erlösung. – Verlangen im Ich ist das nicht-Ich; Verlangen im Ich ist die sich schaffende Welt; alles Geschaffene erkennt sich im erkennenden Ich.
Kein Ich ohne Welt; das Verlangen in dir schafft die Welt, darum ist die Welt dein Verlangen; darum verlangt dich nach der Welt. Die Welt wird und wirkt wie du, verlangend, die Welt wirkst. Die Welt ist, so lange du an dich und deine Welt glaubst – mit dir entsteht, mit dir vergeht deine Welt.
Keine Welt ohne Ich – : Ich geht in der Welt auf, die Welt geht im Ich auf; darum lösen sich vom Ich aus alle Fragen dieser Welt – : endlos wechselnde Namen endlos wechselnden Verlangens in dir – Widerschein deiner selbst – Und die ganze Welt erlangend, erlangst du dich selbst – nichts mehr.
Verlangen ist Gedanke in dir; denken heißt urteilen, urteilen heißt zeugen. Dein Gedanke ist Dasein, dein Glaube ist Schöpfung, deine Überzeugung ist Zeugung. Eines ist der Schaffende mit dem Geschaffenen, Eines ist Ich und Welt.
Davon ist gesagt: »der, fürwahr, baut aus sich diese ganze Welt – und ist ihre Vernichtung, der solches weiß.«
Du schaffst die Welt, die Welt schafft dich – schafft sich in dir. Die Welt sich selbst schaffend, sich selbst schauend, sich selbst verlangend, sich selbst vernichtend.
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Vielfach ist in Suchenden der Gedanke aufgestiegen, in Erkenntnis suchenden Weisen mancher Völker alter und neuer Zeiten; ausgesprochen hat die Lehre von den Gegensätzen Bhagavad-gîta-upanishad mit deutlichen Worten, aber unverstanden von der Menschheit blieb die Erkenntnis, unerkannt in ihren Tiefen:
»Alle Geschöpfe dieser Welt lassen sich vom Trugbild der Gegensätze betören, die sie, liebend oder hassend, sich selber schaffen.«
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Uraltes Wissen, o Teurer, verkündige ich dir wieder, Lösung nie gelöster Rätsel, Lösung des Weltwiderspruchs; der Erkenntnis Urgrund, die Lehre vom Gegensinn in der Erscheinung – dvamdva-vidya – die Lehre von der sich selbst aufhebenden Welt.
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Also ist die Unterweisung:
Weltursprung – durch Ur-sprung: Ent-zweiung in ur-Teil und gegen-Teil, Ich und nicht-Ich.
Weil durch Ur-sprung Kluft ist, darum steht alles dieser Welt ein-ander unerkannt gegen-über, darum ist alles dieser Welt durch Gegen-sinn, darum sieht alles dieser Welt einander als Gegen-stand, darum ist Widerspruch in der Erscheinung endlos, darum ist ewiger Kampf
Davon ist gesagt: »Zweiheitlich ward All-Einheit, Wahrheit und Täuschung an sich zu erleben.«
»Ich weiß warum die Welt ist: Gott wollte leiden«.
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Gegenteile schaffen sich aus-ein-ander, Gegenteile heben einander auf; Gegenteile scheinen endlos weit von einander, Gegenteile berühren einander; Gegenteile fallen, auseinander tretend, in einander; wie Ost und West auseinandertretend im Rücken der Erde ineinanderfallen, wie West im Osten, wie Ost im Westen wiederkehrt; wie Ost zu Ende gedacht zu West wird und West zu Ost; wie aller Gedanke zu Ende gedacht, durch seinen Gegensinn hindurch in sich selbst zurückkehrt – der geraden, nach durch messenem All in sich zurückkehrenden Linie vergleichbar.
Wie farbloses Licht in Gegenfarben zerfällt, wie Gegenfarben, vereint, einander zu Farblosigkeit ergänzen, so ergänzen aus-ein-ander gefallene Gegenteile, vereint, einander zu nichts.
Aller Gegensatz ist den Gegensätzen an einer Kugel vergleichbar; Vergleichbar den Gegensätzen eines im Kreise schwingenden Pendels.
Aller Gegensatz dieser Welt erscheint durch wechselndes Urteil sinnlicher Wahrnehmung – bloße Auffassung im Ich.
Mächtig bewegte Sterne stehen deinen Sinnen still; still stehende Sterne siehst du mit dem Himmelsgewölbe mächtig über dir bewegt. – Savitar hebt sich aus dem Meere: du schaust Sonnenaufgang; was dir Sonnenaufgang ist, ist Anderen Sonnenuntergang; was dir oder Anderen Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang, ist weder Aufgang noch Untergang – Savitar strahlt ewigen Tag. Indessen du die Sonne steigen siehst, sehen andere dieselbe Sonne fallen; es vermag die Sonne nicht zu steigen ohne zu fallen, vermag nicht zu fallen ohne zu steigen, steigt und fällt zu gleicher Zeit – steigt weder noch fällt. – Innere Erden scheinen im rechten Laufe umzukehren; Wandelsterne und Monde, Sonnen und Erden, nach überstiegenem Höhepunkt, werden rückläufig. Kein Gegensatz im rechten Laufe, keine Umkehr, kein Rücklauf – irriges Urteil vom wechselnden Standort des irrig schauenden Ich.
Ich, zeiträumlich atmend, wechselt Standort, Ansicht, Urteil. Durch Ich-urteil-wechsel ist Gegensatz. Ur-teilend schafft Ich in sich zeitlichen Gegensatz – außer sich räumlichen Gegensatz.
Wechselndes Urteil im Ich zeugt für Gegensinn im Einheitlichen – zeugt für Einheit im Gegensatz.
Aller Gegensatz geht auf – wird und vergeht – im Ich; Ich schafft, Ich vernichtet allen Gegensatz. Nur in einem ›Ich‹ ist Willenswechsel, nur in einem ›Ich‹ ist Urteilsgegensatz; mit aufgehobenem ›Ich‹ ist aller Gegensatz aufgehoben.
Scheinen Gegensätze, so ist Einheit. Ist das Eine Gegensatz des Anderen, so ist das Eine gleich dem Anderen – so ist weder das Eine noch das Andere.
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Raum-anstoß ist Zeitfolge:
Wechselt Ich aus sich hinaus, so empfindet Ich durch nicht-Ich räumliche Wider-stand-wirkung, das ist – : wirklicher Gegensatz. Durch Widerstand Empfindung wechselt Ich in sich zeitlich eigene Empfindung, das ist – : eigentlicher Gegensatz. – Ur sache aus mir – Wirkung auf mich: Ich-m-Ich; wirklich räumlicher – eigentlich zeitlicher Gegensatz. – : Beid-einheit. – Raumanstoß ist Zeitfolge.
Durch Zerfall im Ur-sprung: Urgegensinn; das ist sinnlich-seelische Auffassung in Ich und Ich.
Eines ist innen und außen, Eines Ursache und Wirkung, Eines Zeit und Raum, Eines eigentlich und wirklich, Eines Bewegung und Empfindung, Eines Seele und Leib, Eines Ich und nicht-Ich – : durch Ich-ur-Teil, das ist durch Ich-Urteil sinnlich geschaffene Teilungserscheinung – Ur-sprung im Ich.
Dvamdva – : aus Einheit Ich gezeugte gegen-Teile, Gegensinn und Gegenstand, Gedanken und Dinge gegenseitig gezeugt, gegenseitig gepaart; Hälften, die getrennt, einander zu nichts aufheben; die vereint, einander zu nichts ergänzen; Eigenschaffungen, die durch Spaltung sind und nicht sind – getrennt und vereint nicht sind.
Daraus ist: Gegensinn im einheitlichen Wort, daraus ist: Einheit gegensätzlicher Worte. Nimmerrastender Widerschein des spaltenden Ursprungs, nichtige Schöpfung im Ich – Trugbild des Seins.
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Sinnlich geschaut:
Durch Ursprung Raum, durch Raum Zeit; im Ursprung inzwischen entzweiten Teilen die sich schaffende Welt; die Welt in der Kluft inzwischen Ich und nicht Ich. Alle Wirklichkeit dieser Welt rastlos wechselnde Beziehung inzwischen Ich-zustand in sich – Ich-zustand im Gegen-Stand. Endloser Kreislauf der Erscheinung von Gegensinn zu Gegenstand, von Ich zu nicht-Ich, von nicht-Ich zu Ich zurück. – Gegensinn in s-Ich die werdende, Gegenstand zu s-Ich die gewordene Welt.
Alles zeiträumliche Außereinander ist im Ich, alle Unterscheidung, aller Gegensatz, alle Worte, alle Vielheit – im Ich ist Ur-sprung und Unendlichkeit dieser Welt.
Eines ist was du, durch ur-teilenden Willensgegensatz in dir, zu Gegensätzen außer dir prägst; Eines ist was du, ur-teilend, entzweit schaust – : willkürliche, an sich nichtige Unterscheidung, endlose Gestaltung deines in Einhauch und Aushauch atmenden Verlangens – deine eigene Schöpfung – du selbst.
Davon sagt des Heilweges Buch des Lehrers Lao: »Diese Einheit der Gegensätze bezeichne ich als den Urgrund, die große Tiefe und das der Erkenntnis geöffnete Tor.«
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Und noch einmal:
Durch Ur-sprung-erscheinung scheint Entzweiung. Jedes der beiden Teile lebt das Leben des anderen – gleichwertige Bruchstücke. Durch Kluft geblendet verkennt sich eines im anderen – Sündenfall.
Dem also gewordenen Zwiespalt folgt alle Erscheinung: aller Gedanke, alles Urteil, alles Wort – Wille und Tat gegen sich selbst gerichtet. Alles Urteil Widerspruch in sich; – Sinn und Widersinn in-ein-ander. Alle Unterscheidung in Wort und Urteil bedeutungslos – in sich selbst aufgehoben – bloße Lautver-schiedenheit.
Nur Eines ist – alles Erscheinende ist irrendes Verlangen im Ich zum Ziel, nichts mehr.
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Wahn-sinn das Wesen der Welt in Worte fassen zu wollen. Seele, Kraft, Geist, Stoff, Gedanke – Gottheit – gleichviel mit welchen Lauten du das benennst, was dich lebt.
Erscheinung dieser Welt schafft sich, durchschaut sich, hebt sich auf.
Was sich also erscheinend schafft, ist nicht Wahrheit – ist nicht Täuschung – ist ewig vergängliches Sinn-bild des Ewigen.
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So lautet die Lehre von der sich selbst als nichtig aufweisenden Erscheinungswelt – der Erkenntnis Höhe und Tiefe, der Erkenntnis eherner Kern und Anker.
Und was du, o Teurer, durch solche Erkenntnis verlierst ist ein Nichts; und was du durch solche Erkenntnis gewinnst ist Alles.
So lange dir der tiefen Lehre volles Verständnis nicht aufgegangen ist, o Teurer! so lange wisse dich fern vom Hohenziele der Erkenntnis.
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Die ganze Sinnenwelt wächst, sich verklärend, zu Gottheit. Alles Samsara ist Verlangen nach Nirvana. Je nach dem Ziele deines eigenen Verlangens, nach Samsara oder nach Nirvana erscheint dir das Geschehen dieser Welt Vorgang oder Rückschritt, ziellos oder zielbewußt, blinder Zufall oder unabwendbare Bestimmung. Weder das Eine noch das Andere – in sich freie, durch Gegensinn in der Erscheinung gebrochene Kraft in dir – dein schaffendes Verlangen.
Das Ziel der Welt bist du selbst, o Teurer! In dir, mit jedem Atemzug wechselnd, alle Stufen der Weltenschöpfung – Weltenvernichtung; von Samsara zu Nirvana, von Nirvana zu Samsara rastlos gegeneinander schwankend.
Samsara heißt sich in irdischer Anschauung verlieren. Nirvana heißt sich wiederfinden. Irdisches Verlangen rückt Nirvana in zeit-räumliche Fernen – Nirvana ist – wenn dich nicht mehr nach Nirvana verlangt.
Ewigkeit des Ursprungs im Ich, Ewigkeit der Weltenschöpfung und Weltenvernichtung. Ich, besinnungslos Seeligkeit außer sich suchend, jagt nach selbstgeschaffenen Trugbildern – Sinnenkampf zu Samsara; Ich, sich auf sich selbst besinnend, wendet sich von irdischen Trugbildern ab – Seelenkampf zu Nirvana.
Verlangend schafft Ich Samsara, Verlangen verklärend schafft Ich Nirvana; Samsara und Nirvana schafft sich im verlangenden Ich. Blinder Kreislauf des Verlangens, Kreislauf der Wiedergeburt. – Samsara ist Verlangen; mit schweigendem Verlangen ist Nirvana.
Wie ein Kind im nichtigen Spiele zum Manne wächst, so wachsen wir Menschen in Samsara zu Nirvana. Samsara hält uns das blendende Schild vor – gläubig hasten wir danach – und erwachen in Nirvana.
Die große Täuschung, o Teurer, die ewige Torheit – Samsara – der weite Irrweg zu Nirvana! – Du folgst dem ewigen Kreislauf erkennend oder blind; du nahst dem ewigen Ziele unwillig-willig – aus Gottheit zu Gott und Gottheit – unser aller Ziel.
Samsara ein Alles, das nichts ist; Nirvana ein Nichts, das alles ist – unendlich das eine, ewig das Andere – dem Erkennenden Einheit.
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Solches lehren seit Jahrtausenden unsere Brüder, Hohemeister in Tibet, Sser-od in Kâ'gdschur:
»Wisse o Sohn der Erhabenen! um dem nach höchstem Ziele strebenden Bôdhisattva alle Schranken und Hindernisse aus dem Wege zu räumen, lehren Wissende die unwandelbare Wahrheit vom ungetrennten Samsara und Nirvana.« »Wisse, daß die Buddha Samsara und Nirvana auf das Klarste als unverschieden erkannt haben.«
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Keine Wahrheit im vielheitlichen Samsara: Vielheit muß sich selbst widersprechen; zerfallene Einheit hebt sich selbst auf Samsara zeugt blinde Kinder. Erscheinung wie Worte wandeln sinnlos von Sinn zu Gegensinn. Nur dem selbstisch verlangenden, dem einseitig wertenden Ich scheint Sinn in Samsara – wie dem Träumenden Sinn im sinnlosen Traume scheint. Alle Wahrnehmung in Samsara, alle Empfindung, und alle Deutung von Wahrnehmung und Empfindung – bedeutungslos. Lust wie Qual, Bewunderung wie Abscheu und alle Worte aller Welten – bedeutungslos, sinnlos, weil sinnlich.
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Ich, im Gefühl seiner Unzulänglichkeit, verlangt nach Ergänzung außer sich. Zeitlich wechselnde Empfindung im Verlangen, vom Ich ausgelegt, gewinnt sinnliche Gestalt im Raum. Mit Wechsel seelischer Empfindung wird Wechsel sinnlicher Anschauung. Im Ich zeitlich Geschiedenes erscheint, räumlich vorgestellt, als Verschiedenheit – erscheint und ist. Nach ein-ander wird neben-ein-ander; in-ein-ander wird außer-ein-ander. Seelisch empfunden: Gegen-sinn, zeitlich endlos wechselnd; sinnlich angeschaut: Gegen-stand, räumlich endlos vervielfacht. Folge in der Zeit ist Vielheit im Raum. Beid-einheit dem Wissenden.
Endloses Verlangen in dir erscheint als endloses Werden – Gedanken zu Worten, Worte zu Dingen verkörpert.
Die verlangende Welt denkt durch zahllose Worte Einen Gedanken. Alle Gedanken und alle Worte dieser Welt sagen nur Eines; alle Worte aller Sprachen aller Welten – endlos wechselnder Ausdruck endlosen Verlangens nach Alleinheit. Aus wechselnder Empfindung, wechselndem Urteil, wechselnden Worten schafft sich die Vielheit dieser Welt – die vielheitliche Welt aus dem schaffenden Wort.
Davon sagt Tschhandogya-Upanishad: »an Worten haftend ist alle Umwandlung der Erscheinung.«
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Aufleuchten möge in dir, o Teurer, voll die Einheitserkenntnis! Der Welten ewiger Ursprung hat nur Ein Ziel; dein rastlos wechselndes Irren nach dem Einen Ziele benennst du mit wechselnden Namen. Dein Wort benennt, dein Wort wertet, dein Wort schafft die Dinge – ein Zweites, glaubst du, sei es, wenn du es anders benennst – Aus Vielheit wertender Worte des wechselnden Urteils in dir schafft sich die Vielheit der Dinge. Endlose Sinnbilder des Einen Gedankens deuten wir sehend Blinden als endlose Vielheit verschiedener Dinge. Erfaß erbarmend wohl die tiefe Blindheit der Menschen! – Blindheit der Führenden und Geführten, Blindheit der Weisesten aller Völker und aller Zeiten – uns Armseligen der Weg zu Erkenntnis – Befangenen unnahbar – Suchenden die offene Schranke – lichte Einsicht dem Erwachenden.
Nur Eines ist im Kreislauf der Erscheinung: Ver-langen! schlaftrunken suchendes Verlangen nachdem letzten Ziele. – Erwachen führt aus Verlangen und Tat, aus Gedanken und Worten zu willenloser, zu wortloser Wahrheit.
– Wer also sieht, der ist sehend. –
Davon sagt Taïttitiya-Upanishad: »Erkenntniswonne wird von keiner Sprache erreicht; vor der Wonne der Erkenntnis kehren alle Worte um, und alle Gedanken.« – Ananda.
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Unsere Brüder, Hohepriester in Tübet, lehren seit Jahrtausenden:
»Es ist, o Rabdschor, alles Erfassen in der Ichheit ein Nichterfassen. Wissende, o Rabdschor, gehen nicht in die Einbildung: ›Ich‹ ein.
»Wenn ein Wissender also denkt: Wesen ist ohne Ich – Ichlos ist Wesen, solchen nennt De-schin-scheg-pa, der Feindbesieger und heilig vollendete Buddha einen erwacht Erkennenden.
»O Rabdschor! Wenn du denken solltest, daß die in wahrhafte Reinheit Eingegangenen jegliches Sein völlig zerstört und demselben ein Ende gemacht haben, so gib, o Rabdschor, solcher Meinung nicht Raum... Es sind dies nur Worte – das Wesen selbst ist unausdenkbar und wird von Unmündigen nicht erkannt.
»Das Wesen, o Rabdschor, ist in sich – und ist weder Verschiedenheit noch auch Gleichheit in ihm, weder Sein noch Nichtsein, und volle Erkenntnis hievon wird das allerhöchste wahrhaft rein vollendete Erwachen genannt.
»Der Name dieses Lehrbegriffs lautet: »der an das jenseitige Ufer der Erkenntnis Gelangte.« Dieser Lehrbegriff, o Rabdschor! ist unergründlich und seine voll gereiften Früchte stelle dir als unergründlich vor.«
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Aus Nebelgluten sondern sich Schlacken, ballen sich, erkaltend, zu Sonnen und Erden; aus lebender Flut starre Gebilde, aus Gottheit –
– Ich – – ur-sprung-er-schein-ung-ur-teil-gegen-teil-ver-langen – ein unabsehbarer Strom, der das All durchmessend, in seiner eigenen Quelle mündet – : Samsara!
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Uns schauend Blinden – Nichts. Da geschieht im All Einen das Unergründbare: Absonderung ›Ich‹. Absonderung hält sich zurück – der Strom überflutet; Absonderung drängt vor – der Strom hemmt; Empfindung und Empfundenes – Wirkung aus dir und Wirkung auf dich. – Das Eine, Einheitliche, Ungeteilte, Unteilbare – : als sei zwiefach Sein. Es scheint als seist du – es scheint als sei außer dir, es scheint, erscheint, und ist wirklich: Ich und Sinnenwelt, ja und nein, Lust und Leid, und alle Worte.
Aus dem seelisch Einen das sinnlich Zerklüftete: die im Ich-bewußtsein erwachte Welt. Aus dem Ewigen das ewig Vergängliche –
Vergängliche Welten zeugen wider sich selbst:
Absonderung »Ich« aus Gottheit ist Sündenfall. Ur-sprung – atmende Kluft, die trennend verbindet – Anziehung und Abstoßung, Entzweiug und Zu-eins-paarung, Werden-Verwerden zugleich – Spiel in sich selbst – unsere Welt –
– eine Welt durch ewig erneuten Ursprung in sich; eine Welt in ewiger Selbstentzweiung, in ewigem Kampfe gegen sich selbst, in ewiger Blindheit sich selbst gebärend, sich selbst vernichtend – die im Wahn gewordene, im Wahnsinn verharrende Welt.
Unabsehbar grauenerfüllte Wahlstatt nie gestillten Verlangens, nimmer endender Tat – Ringen um verlorenes Paradies, Ringen um Erkenntnis, Ringen um Erlösung – Seele wider Sinne, Gedanke wider Tat, Himmel wider Hölle; endloses Ringen von Lust wider Seeligkeit, Samsara wider Nirvana, Abgott ›Ich‹ wider Gottheit
– allüberall blind stürmende Erscheinung, von Sinneswahn zu Widersinn sinnlos wechselnd; hinfällige Gebilde, Scheingestalten, flüchtige Schatten, im Entstehen dem Untergang, in der Geburt dem Tode geweiht – Trugbilder, bloße Namen, bloße Worte im nichtigen Urteil Ich –
– endloser Widersinn ewig erneuter Entzweiung, ewig neuer Wiedervereinigung – werdend verwerdende, seiend nicht seiende Welten.
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Durch blindes Vergaffen ist Sinnenwelt.
Sinnenwelt schafft sich wie Liebesrausch, wie aus deinem inne-Befinden der Traum sich schafft – sinnvoll – sinnlos. Wie ein Weib, verlangend angeschaut, zu sinnberückendem Reiz wird, so wird Seele, verlangend angeschaut, zu berückender Sinneswelt – : unsere Welt! wirklich zwar, doch nicht wahrhaft. Und wie es aus Traum und Rausch ein Erwachen gibt, so gibt es ein Erwachen aus verlangenden Sinnen.
Was du in dir Traum und was du außer dir Wirklichkeit nennst, ist wesenseines – : zu sinnlichen Bildern geworden er Gedanke.
Wie die Schlange, die dich im Traume schreckt, nicht wahrhaft lebt; wie das Schwert, das dich im Traume trifft, nicht von Eisen ist; die Geliebte, die dich beglückt, nicht Fleisch und Blut –
– wie Lust und Qual, wie Schlange und Weib im Traum –
– so alle Dinge dieser Welt – wirken und sind nicht.
Und wie unter deiner Schädeldecke Schwert und Weib Raum hat und alle Gebilde dieser Welt, dazu alles Geschehen und Werden –
– so ist die ganze Welt in dir und ist nicht; wirklich zwar, doch nicht wahrhaft –
und wie die im Traume wahrgenommenen Gesichte alsbald zu nichts verflattern, so schwindet im Leben alles dahin, was du für wahrhaft geworden hieltest; von allen Welten bleibt Erinnerung, und Erinnerung verweht –
und wie es im Traume ein leises Besinnen gibt, so dämmert dir wohl in lichten Augenblicken die Erkenntnis: ich träume diese Welt –
und wie du, aus dem Traume voll erwachend, Lust und Grauen abgeschüttelt hast, so erwachst du aus den Freudenqualen unseeliger Erscheinung und schaust wahrhaft – überwunden ist alles Verlangen, geschlossen der Ursprung – nicht mehr ist diese Welt.
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Befangen hält uns alle ein tiefer Traum – ein allfesselnder, ein allumstrickender Wahn, ein unermeßliches Blendwerk – Maya – unsere Welt.
Wie, wenn ein Pilgerzug, in wasserloser Strecke vom Wege abgeirrt, dem Tode ins Antlitz schaut und es ersteht den Dürstenden das Wüstentrugbild: Zelte und Paläste unter wehenden Palmen spiegeln sich in weiten Wasserflächen – was verzweifelnd zu Boden lag, rafft sich freudig auf und strebt entschlossen dem verheißenden Ziele zu und lobpreist bewegten Herzens – vergessen ist alle Qual! – die rettenden Götter.
Du aber, mit dem Auge des Wissenden schauend, stehst unbewegt – und die an dir vorübereilen, nach vermeintlichem Glücke jagend, weisen höhnend auf dich zurück: da steht er, der uns lehren wollte, wohl in weisen Gedanken versunken! Ihm vor Augen ist Leben und Lust – und der Narr grübelt, statt zuzugreifen.
Durchschaut ist die blendende Erscheinung, als Wahn-sinn erkannt – diese wahr-genommene Welt ist vergänglicher Schein.
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Die Welt ist Erscheinung im Ich – Ich ist Erscheinung in der Welt – wesenlose Erscheinung – Erscheinung des Wesens dieser Welt; – Gottheit in der Erscheinung zum Ich gesunken, im Ich zeitlich an Ort gebannt, im Ich leidende Gottheit – unseelig – selbstvergessen.
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Samsara ist durch Widersinn, keine Wahrheit in Samsara.
Aus traumlosem Schlafe erwachst du träumend – träumend glaubst du an die erträumte Welt und an dich selbst. Du jagst nach Träumen und was du erreichst, ist Traum. Erfaß es wohl: nichts mehr. Vom Traum zu Traum enttäuscht, schaffst du in dir den rettenden Gedanken: diese Welt ist nicht Wahrheit, diese Welt ist eigengeschaffenes Trugbild. Was du draußen suchst ist in dir selbst: nach außen langend erlangst du räumlich, was du zeitlich aus dir hinausverlegst; die ganze Welt erlangend, erlangst du dich selbst.
Im Feuer der Erkenntnis entzündet sich in dir die Kraft von solchem Trug zu lassen. Du gehst in dich, du entsagst dem Schein, du kehrst dich dieser Welt ab, du bekehrst dich zu Gottheit – Gottheit in dir entringt sich der Erscheinung.
Und wie du aus ureigener Kraft die vergängliche Welt schufst, so schaffst du in dir ewige Gottheit – aller Gottesverehrung, aller Völker, aller Zeiten, aller Welten ewiges Ziel – der gewaltige Unterstrom, das Ungestillte in höchster Lust, das Tröstende in tiefstem Leid – : Religion.
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Nur Eines ist: Gottheit – alles Andere ist Lüge.
Erwache! Blinder Glaube in dir hält dich in den Fesseln törichter Hoffnung, in ewig erneuter Enttäuschung; deine Sinne halten dich in Leiden und Tod. Erwache aus dem Banne nimmer gestillten Verlangens, erwache aus friedloser Tat, erwache aus Geburt und Tod. Tod ist für Tote.
Im Kerker und an den Karren geschmiedet schwinge ich mich aus Ketten und Mauern hinaus – aus Qualen und Herrlichkeiten dieser Welt – in zeitlosem Augenblicke durcheile ich, des Leibes ledig, alle Räume und alle Zeiten, schaue alle Welten und alles Geschen... was von mir, im Kerker oder im Purpur, verachtet oder angebetet, im Reiche des Todes zurückbleibt – bin ich nicht.
Davon ist gesagt: »und dieser Leib mag endigen in Asche.«
Überwunden ist der unseelige Irrtum, gestillt das Verlangen, gefunden der heilige Weg aus Erdenlust und Erdenqual, aus Grauen zu Seeligkeit, aus Tod zu Unsterblichkeit.
Nur Eines ist: Gottheit – alles andere ist nichtig.
Erkenne dich selbst, besinne dich auf deine Seele.
Erfasse das große Wort, das größte, das je eines Menschen Seele erfaßte – erbebe in der Erkenntnis:
– ich bin Gottheit –
Davon ist gesagt: »brahma bist du und in brahma gehst du auf.«
Was in dieser Welt zeiträumlich auf einander wirkend, als endloses Werden erscheint, ist deiner träumenden Lust freudiger Widerschein, – von Zeugung zu Überzeugung – deiner Seele blind tastendes Verlangen – und was in dir lebt, lebt in allen Welten. Und wie dein Verlangen ist, solche Welt wird dir, in solcher Welt entstehst du, solche Welt entsteht in dir.
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Welten erglühen – Welten erkalten. Wie Pradschapati von eigener Schöpfung erschöpft ist, so erschöpft sich alle Erscheinung – nicht zu Vernichtung, – zu Erneuung. Alle Welten fallen in sich zusammen, voll-enden in Nichts – ein Nichts, das Alles ist.
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Alle Erscheinung sucht Frieden.
Ebbe folgt auf Flut, Flut folgt auf Ebbe; Flut hier ist Ebbe dort, Flut dort ist Ebbe hier; Flut und Ebbe zu gleicher Zeit, Flut und Ebbe am selben Ort.
Die Welten atmen von Nirvana zu Samsara – durch unermeßliche Freudenqualen von Samsara zu Nirvana – von Wesen zu Dasein in allen Ewigkeiten und Unendlichkeiten. –
Tagen die Sinne, so nachtet die Seele; wacht die Seele, so ruhen die Sinne. An Stätten ohne Zahl – in endlosen Räumen – zahllose Stufen ewiger Entfaltung von Seele zu Sinnen, von Sinnen zu Seele.
Hier deiner Gegenwart leuchtender Sinnentag, brennende Mittagsglut – dort, deinen Sinnen entrückt, in dunkel geahnten Gedankenfernen: Frieden, Seelenreich, Gottheit –
Einst, in ungezählten Tagen, leises Entschlummern der Erscheinung, Aufdämmern der Seele auch hier; Seeligkeit, Erwachen der Gottheit auch in dir – und in Weltenfernen versunken alle Sinnesherrlichkeit. –
Bin ich, so ist Welt; gebe ich die Welt auf, so ist Gottheit; ist Gottheit, so bin ich nicht und keine Welt. Darum keine Gottheit da ich bin, keine Gottheit da Welt ist – und kein Ich, keine Welt in der Gottheit – Gottheit Welt.
Weltenzeugung – in sich gebundene Gottheit – Sinnenherrschaft – Samsara – Entsagung – Bekehrung – Überwindung – Erlösung – Verklärung der Welt in Gottheit – der Seele Seeligkeit – Nirvana.
Also entstehend vergehend sind diese ringenden Welten – sind nicht – das schweigend sprechende All-Eine:
– brahma –
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So, o Teurer, mühen wir uns, wir in der Geburt Erblindeten, vergängliche Erscheinung zu durchschauen und der Welt, der ewigen, zu nahen. Möge uns ein Lehrer beschieden sein, möge uns ein Führer erstehen – ein Seher – ein Gott.
Frieden sei mit dir, o Teurer!
Ich habe zu dir vom Endziel des Wissens gesprochen – gesagt, so viel zu sagen deinem Verständnis angemessen war – zu irdischem Heil und zu der Welt Erlösung – stammelnde Worte suchender Seele. Die ersten Hügel im Tiefland sind erstiegen, es lichten sich die Nebel – : vor dir in schier unabsehbaren Fernen leuchten die Höhen von Himavat. Öffne dein Auge göttlichem Lichte – du schaust wahrhaft – und zuschanden geworden ist alle irdische Weisheit – zerstoben die allblendende Erscheinung – erloschen der Weltenschein – ein Traum – was in dir erwacht ist, ist größer als alle Welten – erreicht das Hoheziel der Erkenntnis, erreicht Vollendung – Vollendung in Gottheit.
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So lautet in âranâda-upanishad der adhyaya: Erwachen; wortlos das Letzte:
Nirvana.
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So lautet die Upanishad vom Erwachen der Menschheit aus der Erscheinung – Hüte das Erbe