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Zu dem, was ich dir ferner zu sagen gedenke, o Teurer! behalte vor Augen:
Es geschieht wohl, daß von den dickkopfigen Ameisen eine mitten-von-einander bricht; alsbald kehren sich die getrennten Teile feindlich gegen einander: der Kopf greift mit den Kiefer an, der Leib wehrt sich mit dem Stachel.
Eben noch einheitlicher Bestand, Ein Ich mit Einem Bewußtsein, Einer Empfindung, Einem Willen, von gleicher Sorgfalt für alle Teile seines Körpers erfüllt – zerfällt es vor deinen Augen in zwei Bewußtsein, zwei Empfindungen, zwei Willen, zwei Seelen; jedes der beiden Teile fühlt sich selbständig, ein »Ich«, und seine erste Tat ist Kampf gegen das, was es nicht mehr als sein Ich erkennt.
Zwiespalt körperlich-seelisch; Gedanke dieser im Zwiespalt atmenden Welt; Ausdruck des ur-Sprungs: Kâma, Verlangen.
Durch ur-Sprung: ur-TeilIch und gegen-TeilIch. Durch solche Teilung Verlangen in Ich und Ich; – das Außer-einander von Ich und Ich ist Verlangen:
– KAMA –
*
Also ist die Unterweisung:
Ich knüpfe an Gesagtes an, o Teurer!
Der Erreger, savitar, die Sonne, weckt die Geschöpfe – alsbald beseelt diese der Gedanke des Lebens: Kâma, Verlangen, und es folgt Jagd und Kampf.
Brennend vor Begier wirft sich der Eine auf den Anderen: »du bist meine Nahrung« – und der Sieger frohlockt: »ich töte dich: es ist mein Recht.«
Vom Unterliegenden jedoch schallt voller Widerspruch zurück: »ich will nicht sterben, du darfst mich nicht töten, es ist unrecht und böse!«
Du erwägst zuvörderst den Gegensatz im atmenden Verlangen im ›Raum‹ erscheinend.
Jeder der Beiden, hier wie dort, der Sieger sowohl wie der Unterliegende, will dasselbe: will leben, nicht sterben; will töten und fressen, will nicht getötet und gefressen werden.
Hier wie dort Ein Gedanke, dasselbe Verlangen, dennoch Widerspruch, Zwiespalt, Gegensatz.
*
Du schaust den Gedanken unbewegt, einheitlich, ungeteilt: Kâma, Verlangen, Fraß; Fraß ist sinnfälliger Ausdruck des Verlangens.
Es ist kein Zwiespalt, kein Gegensatz im Gedanken, im Wollen und Tun an sich; Zwiespalt, Gegensatz ist durch Ich und Ich.
Zwiespalt, Teilung erscheint mit be-Teil-igung des Ich am Gedanken. Der Gegensatz entsteht durch zwiefachen Standort des Ich; im Ich, das hier will, und im gegenüber stehenden, entgegen stehenden, widerstehenden Ich, das dort wieder will – zwei gegen-ständliche Standorte des Ich – das ist Raumerscheinung:
I. Ich – hier:
»ich will dich fressen.«
II. Ich – dort:
»ich will dich fressen.«
*
Ich auf beidem Standort spricht den einheitlichen Gedanken, das einheitliche Verlangen: ›Fraß‹ zwiefach aus, bejahend – verneinend. Ich auf beidem Standort bejaht den Satz und verneint damit den Gegensatz. Ich will – und will nicht das Gegenteil des Gewollten; Wille zur Tat, Unwille zur Duldung der Tat. Ich hier wie Ich dort: »ich will leben – nicht sterben, ich will fressen – nicht gefressen werden.«
Es ist Ein Gedanke, Ein Verlangen, Ein Vorgang: ›Fraß‹; ›fressen – nicht gefressen werden‹ ist nur Lautverschiedenheit, nur sprachlich doppelter Ausdruck, dem Sinne nach dasselbe; nur Gewolltes bejahende, nicht-Gewolltes verneinende Redewendung, doppelte Bezeichnung für Eines. Ich spricht in zwiefachen, Eines bedeutenden Worten einheitliches Wollen, den Einen ungespaltenen Gedanken aus; Gegensatz erscheint im raum-gespaltenen, im ent-zwei-ten Ich; im Ich, das hier will, und im Ich, das dort will, dort wieder will, das heißt – wider will:
[Ich:]
I. Ich, angreifend und siegend will die Tat, bejaht, die Tat, spricht den bejahenden tätigen Sprachausdruck des Verlangens – in Lust aufflammend:
»ich will dich fressen.«
[Ich im räumlichen ›Gegen‹stand:]
II. Ich, angegriffen und unterliegend, will die Tat nicht, verneint was ihm Leid antut, spricht den verneinenden, leidenden Sprachausdruck des Verlangens – in Leid aufflammend:
»ich will mich nicht fressen lassen.«
Kein Gegensatz im Verlangen, kein Zwiespalt, keine Teilung – gleichviel, ob sich der Gedanke in Einem Ich in zwiefacher Redewendung – bejahend – verneinend – ausspricht, oder ob sich der Gedanke in zwiefacher Redewendung als Wille und Unwille auf zwei Ich verteilt – zweiheitlicher Ausdruck des einheitlichen Gedankens: Verlangen.
Kein Gegensatz in Gedanken – gleichviel, ob sich der Gedanke im tuenden Ich in Tat ausdrückender Redeform ausspricht, oder ob sich der Gedanke im leidenden Ich in Leid ausdrückender Redewendung widerspricht; gleichviel, ob der Gedanke im Ich, fressend, sich bejaht, im Ich, gefressen, sich verneint: – einheitliches Verlangen.
Unberührt bleibt der Gedanke, ungeteilt – Unterscheidung, Teilung, Entzweiung, Zwiespalt und Gegensatz ist durch Ich und Ich
Dies ist kâma, Verlangen, in gegen-Teile ent-zweit, als Wille und wider-Wille erscheinend; im zu-Stand-Ich und im gegen-Stand-Ich; Ich räumlich auf zwei Standorten. Ich-ent-Zwei-ung.
*
Nunmehr der Gegensatz im atmenden Verlangen in der Zeit erscheinend.
Nichts weset ohne ein Zweites, kein Ding ohne seinen Gegensatz, kein Willen ohne gegen-Willen – kein Leben ohne Atem des Willens, wie kein Atem ohne Einhauch und Aushauch.
Es geschieht, daß in den Beiden, die sich bekämpfen, eine Wendung im Verlangen eintritt:
Im Sieger nach geschehener Tat: die Gier ist befriedigt, die Lust verraucht. Wie am bewegten Schöpfrad der Eimer gefüllt emporsteigt und entleert wieder herabsinkt, so füllt sich das Verlangen, übersteigt den Höhepunkt und fällt. Bisher zurückgedrängte Gedanken drängen vor. Der Sieger versetzt sich in die Lage des Opfers; das Mitleid erwacht, der Umschlag erfolgt; man sagt wohl: er ist nicht mehr derselbe, er ist ein anderer geworden: »ich will nicht töten, es ist Unrecht. Lieber Unrecht leiden als Unrecht tun, lieber selber den Tod erdulden, als andere töten.«
Sodann im Unterliegenden: »mein Widerstand ist vergeblich; ich unterliege.« Bisher zurückgedrängte Gedanken drängen vor. Erinnerung an eigene Untat wird wach, der Umschlag erfolgt: »es geschieht mir Recht, ich verdiene den Tod; ich will mein Unrecht büßen, will meine Sünde sühnen: töte mich, ich sterbe freudig.«
Der Kampf ist aufgegeben, Frieden ist gewonnen; Aufopferung hat Raubgier abgelöst. Verraucht ist das Verlangen, aller Sittlichkeit höchstgepriesenes Ziel erreicht – erstanden das Wunder: Selbstlosigkeit.
*
Du erwägst zuvörderst den zeitlich erscheinenden Gegensatz im Willen des angreifenden Ich – Wechsel von Tat zu nicht-Tat.
Der Gegensatz erscheint als geänderter Wille im Ich. Das Verlangen atmet, lebt, bewegt sich, wandelt, wechselt im lch. Ich verläßt seinen Stand, ver-stellt sich, nimmt andere Stellung zum Gedanken:
»Ich wollte leben, wollte nicht sterben; wollte die Tat tun, wollte die Tat nicht dulden, wollte töten und fressen, wollte nicht getötet und gefressen werden« –
»jetzt will ich sterben, will nicht leben; will nicht töten, nicht fressen, will getötet und gefressen werden.«
Im Willen des Ich ist Wandlung eingetreten – Gegensatz im wechselnden Willen in der Zeit erscheinend.
*
Du schaust den Gedanken unbewegt, einheitlich: kâma, Verlangen. Tat und Fraß ist sinnfälliger Ausdruck des Verlangens, Ausdruck des Wirkens dieser Welt.
Es ist keine Änderung, kein Gegensatz in Verlangen an sich; Änderung und Gegensatz ist im be-Stand des verlangenden Ich.
Unterscheidung, Zwiespalt, Teilung erscheint mit be-Teil-igung, mit an-Teil-nahme des Ich am Gedanken. Der Gegensatz entsteht im Ich, das, wollend, in sich spaltet; das Verlangen bleibt, nur das zeitliche Ziel des Verlangens im Ich wechselt: Ich, das wollte – Ich, das anders will; zweierlei Verhalten, zwiespaltiger Zustand im Ich – das ist Zeiterscheinung.
I. Ich erst in Lust aufflammend, erst:
»ich will fressen;«
III. Ich dann lustlos verlöschend, dann:
»ich will gefressen werden.«
*
Der Gedanke bleibt Einer, einheitlich, ungeteilt: Fraß. Kein Fraß ohne fressen und gefressen werden; beides liegt unmittelbar im Gedanken »Fraß«, »Fressen – gefressen werden« ist nur sprachlich verschiedener Ausdruck des Einen Gedankens; nur zweierlei Benennung für ein-und-denselben Vorgang, nur tätige und leidende Sprachform: nur Laut-Verschiedenheit, nicht Gegensatz in sich – Eines: Kama, Verlangen.
Wandel und Gegensatz erscheint im zeitgespaltenen Willen des Ich: Ich wollte und will das Gegenteil des zuerst Gewollten. Alles Wollen ist aus Tun und Dulden: Ich wollte die Tat tun – ich will die Tat dulden.
[Ich:]
I. Ich, erst, in Verlangen, Urteil, Tat sich schaffend, will das Leben, begehrt, hofft, will tun, bejaht den Gedanken zu solcher Zeit blind:
»ich will dich fressen, will nicht von dir gefressen werden.«
[Ich in zeitlichem Gegensinn:]
III. Ich, dann, nach aufgegebenem Tun, von treibender Lustempfindung frei, nicht mehr begehrend, ver-setzt sich in die Lage des Opfers, ver-stellt sich auf den Standpunkt des Gegners, versteht ihn, mit leidend, steht ihm bei, – urteilt nun von also entgegengesetztem Stand mit der Zeit ver-ständig, erkennend, wechselt mit gewechseltem Stand seine Ansicht, wendet sich im Gedanken, widerspricht sich selbst, gibt sich auf, will dulden, will den Tod: lustlos vergehend:
»ich will mich fressen lassen, will nicht fressen«
Es ist ein Gedanke, der sich im Ich ausspricht, gleichviel wie sich das Ich verlangend zum Gedanken stellt, es bleibt Ein Gedanke, gleichviel ob Ich den Gedanken tun, oder ob Ich den Gedanken dulden will, gleichviel ob das Ich, erfüllt vom Gedanken, sich Henker oder Opfer fühlt – kâma, Verlangen.
*
Dieselbe zeitliche Wendung im angegriffenen, im widerstehenden Ich – Wechsel von nicht-Duldung zu Duldung –
Ich wollte nicht und will dann nicht das Gegenteil des zuerst nicht Gewollten. Ich wollte die Tat nicht dulden – jetzt will ich die Tat nicht tun.
[Ich im ›Gegen‹stand, das ist: nicht-Ich:]
II. Ich, angegriffen, verabscheut die Tat, widersteht, verteidigt blind seinen Standort, will nicht dulden; in Leid aufflammend:
»ich will nicht von dir gefressen werden, will dich fressen!«
[nicht-Ich im zeitlichem Gegensinn:]
IV. Ich, nach aufgegebenem Widerstand, im Übermaß des Leides nichts mehr erhoffend, weder begehrend noch verabscheuend, gibt den bisher verteidigten Standort auf, ver-stellt sich auf den Standort des Henkers, ver-steht ihn, urteilt jetzt vom also entgegengesetzten Standort erkennend, will dulden, nicht tun, leidlos vergehend:
»ich will dich nicht fressen, will mich von dir fressen lassen!«
Unberührt bleibt der Gedanke – Unterscheidung ist im Ich, im zeitgespaltenen, im gewechselten Willen des Ich. Wille ist Ausdruck des Ich. Kein Wille ohne Ich, kein Ich ohne Willen. Wille ist Ich, Ich ist Wille.
Dies ist Kâma, Verlangen im Ich als wechselnder Wille atmend; Verlangen im selben Ich zeitlich in gegen-Teile gespalten erscheinend im Ich und wieder im Ich; Ich in zwei Zeit-zu-Ständen; Ich-zwie-Spalt.
*
Erkenne zunächst:
Gegensatz, Widerspruch, Zwiespalt, Entzweiung, Teilung, im Verlangen erscheinend, ist nicht an sich, ist willkürliche, durch gegensätzlichen Ich-stand – in sich, außer sich – in-gegen-Teile aus-ein-ander-spaltende, an sich nichtige Unterscheidung in dir, von scheinbarer Verschiedenheit, – ununterschieden in sich; von scheinbarer Bedeutung – bedeutungslos an sich; aus dir gewirkt – auf dich wirkend, Wirkung und Wirklichkeit dieser deiner eigen-geschaffenen Welt – nicht Wahrheit.
Was als Gegensatz im Verlangen erscheint, ist in dir, ist Kennzeichnung deiner zeiträumlichen gegen-Wart, deines da-Seins, ist Ausdruck deiner Beziehung zum gegen-Stand, ist deine Auffassung, deine Gesinnung, deine an-Teil-nahme, deine Stimmung, deine Lust oder un-Lust zum eigenen, gegen-ständlich auf gefaßten Gedanken, ist Empfindung in dir und Auslegung, das ist nach außen ver-Legung deines inne-Befindens, ist deine ein-Bildung und wider-Spiegelung deiner Einbildung, das ist: Vorstellung; Inhalt deiner Seele, Verlangen, aus dir geboren, deine eigene Schöpfung – du selbst.
Unberührt bleibt der Gedanke, unbewegt wie im Sturm der Sonnenstrahl, gleichviel, ob Ich das Verlangen aufnimmt oder abweist, den Gedanken hofft oder fürchtet, liebt oder haßt, bejaht oder verneint, anzieht oder abstoßt, tut oder duldet, will oder nicht will; gleichviel, ob Ich, vom Gedanken beseelt Lust oder Unlust empfindet, ob Ich sich Freund oder Feind, Herr oder Knecht, Henker oder Opfer fühlt, gleichviel ob Ich frei will oder wollen muß, gleichviel ob der Gedanke in Ich oder Ich im Gedanken oder der Gedanke Ich ist. –
Alle Unterscheidung ist im Ich, im atmenden Willen Ich. Wille ist Ich Zustand, Wille ist Ich Ausdruck. Kein Willen ohne Ich, kein Ich ohne Willen. Wille ist Ich, Ich ist Wille – kâma, Verlangen.
Die Welt denkt nur einen Gedanken – aus dem ›Ich‹ ist endlose Mannigfaltigkeit dieser Welt.
Und noch einmal:
Der Gedanke dieser Welt – Verlangen – atmet im Ich; Ich, atmend, spaltet – : zwiespältige Beziehung des Ich zu seinem eigenen Gedanken, zu sich selbst. Ich will – will nicht: will tun, nicht dulden; will dulden, nicht tun; in sich – außer sich; in Zeit – in Raum. – Alles Geschehen dieser Welt – alle Möglichkeit dieser Welt; aller Gedanken, alles Werdens und Verwerdens – alle Welten umfassende Möglichkeit.
SAMSARA.
Ich aufflammend: | |
Raum. | |
I. »ich will dich fressen, ich will nicht von dir gefressen werden.« |
II. »ich will nicht von dir gefressen werden, ich will dich fressen." |
Zeit. | |
III. »ich will von dir gefressen werden, ich will dich nicht fressen.« |
IV. »ich will dich nicht fressen, ich will von dir gefressen werden.« |
NIRVANA.
Das ist: | |
Ich, im Verlangen atmend, will tun, nicht dulden; will dulden, nicht tun. |
*
Vierfacher Ausdruck für Eines: Ich auf vier Standorten – die vier sogenannten Denkgesetze des Yavana.
Ich, im Verlangen atmend, bejaht und verneint in sich – bejaht und verneint außer sich. –
Ich – in sich – außer sich – bejahend – verneinend – nennt sich mit allen Namen dieser Welt:
Die Welt ist im verlangenden Ich – so erkennst du.
*
Also ist der erscheinende Wandel des Verlangens vom Ich zum nicht-Ich, vom nicht-Ich zu s-Ich zurück; aus Tat – durch Widerstand – zu Duldung; Ich-Atem – âtmâ.
*
Mit dem Zerfall im Ur-sprung erscheint Zerfall in Ich und nicht-Ich, erscheint Zerfall in Willen und Unwillen, erscheint Zerfall in Zeit und Raum – erscheint Welt-wirklichkeit.
*
Folge meinen Worten, o Teurer, mit offener Seele – ich führe dich sicheren Weg. Doch laß dein Verständnis nicht an Worten haften, erfasse über Worte hinaus; Worte sind Hindernis der Erkenntnis. Mit wachsender Einsicht offenbart sich dir die gegensinnliche Einheit von Erscheinung und Verlangen. Sprich es unverstanden nach – was unverständlich scheint wird selbstverständlich.
* * *
Einheitliches Verlangen erscheint im Ich in Willen und Unwillen gespalten.
*
Ich, zum Ziele wollend, stößt Ungewolltes unwillig von sich ab, schafft im eigen-Willen Widerwillen. Widerwillen weicht vom Ich, wird im gegen-Stand selbst-ständig, ist fremdes entgegenstehendes Wollen – : Willen in mir – Willen außer mir – das ist Raum.
Raumerscheinung schafft sich durch Aus-legung des Widerwillens im Ich.
*
Ich-willen, zum Hohenziele des Verlangens rastlos irrend, von selbstgeschaffenem gegen-Stand zurückgestoßen, bleibt wollend, wechselt im Willenszustand – : Willen in mir erst – Willen in mir dann – das ist Zeit.
Zeiterscheinung schafft sich im Ich durch wechselnden Willen.
*
Das verlangende Ich schafft zeiträumliche Erscheinung.
Verlangen treibt dich zu Ausdehnung in Zeit und Raum. Je nachdem du dich im atmenden Verlangen gefordert oder gehemmt empfindest, ist Willen oder Widerwillen in dir. Verlangen der Welt willig ergriffen ist eigener Willen; Verlangen der Welt unwillig abgewiesen ist Widerwillen in dir. Was in dir seelisch empfunden Widerwille ist, ist sinnlich aufgefaßt Widerstand im Raum, das ist fremder Wille wider dich: ›ich will nicht‹ das heißt: ›du willst‹. Was Ich aus sich unwillig entläßt, wird räumliche Vorstellung: Du.
Der Atem des Verlangens in Anziehung oder Abstoßung erscheint im Ich als Willensgegensatz. Willensgegensatz in sich faßt Ich zeitlich auf; Willensgegensatz zu sich ist dem Ich Raum. Wechselnder Willen ist Zeit; zu Unwillen gewechselter Willen ist Raum. Willig-un-williges Verlangen in dir erscheint als zeit-räumliche Wirklichkeit außer dir.
Endloses Verlangen in dir erscheint als endloses Werden – erscheint und ist.
Mit dem Zerfall im Ur-sprung erscheint Zerfall in Ich und nicht-Ich, erscheint Zerfall in Willen und Gegenwillen, erscheint Zerfall in Zeit und Raum
– erscheint und ist –
*
Wie du, von dir aus ur-teilend, Willen von Widerwillen unterscheidest – beides in dir, beides Eines – du selbst, so unter-scheidest du, von dir aus urteilend, Zeit von Raum – beides in dir, beides Eines – du selbst.
Wie Unwillen in eigenem Willen zu fremdem Gegenwillen wird, so wird Ein-bildung Zeit zu gegensätzlicher Vor-stellung Raum. Wie ›fressen‹ und ›gefressen werden‹ Eines ist im ›Fraß‹, wie Willen und Unwillen Eines ist im Verlangen, so ist Zeit Erscheinung und Raum-Erscheinung Eines in dir – dein Verlangen, du selbst.
Verlangen, vom Ich ausgesprochen, vom Widerschein des Ich – dem nicht-Ich – wieder ausgesprochen, das ist: widersprochen – sieht sich selbst gegenüber, tritt sich selbst entgegen, ist sich selbst Gegensatz.
Suchender Wille ist Raum, im Suchen wechselnder Wille ist Zeit.
Also wurzelt in deinem Willen-un-Willen Zeit und Raum; also ist Zeit-Raum-Erscheinung dein Verlangen.
Erkenntnis hiervon ist Lösung des Rätsels: Raum-Zeit-Einheit.
* * *
Was von Empfindungswellen dir erwünscht, willkommen zuströmt, was du dir anzueignen gewillt bist, was du willfährig aufnimmst, was du zustimmend bejahend wohlwollend auffaßt, was sich dir willig fügt, dir zu Willen ist, worein du einwilligst, was zu deinem eigenen Willen, zu dir selbst wird, dein Zustand, erscheint in dir – deine Seele bewegend – in zeitlichen Formen.
Was, aus dir geboren, dich unwillkürlich befremdet, was du nicht für dein eigen hältst, was nicht mehr du selbst bist, was du unerwünscht erleidest, was dich anwidert, was dir widrig, widerwärtig, zuwider ist, dein wider-Wille erscheint – deine Sinne bewegend – außer dir, räumlich, als wider-Stand, als widerstehende Kraft aus dem Raum.
Atmet Verlangen in dir, wandelst du Willen zu Unwillen, so wandelst du Empfindung zu Anschauung, Einbildung zu Vorstellung, Zustand zu Gegenstand, wandelst zeitlichen Wechsel zu räumlicher Verschiedenheit, Zeit zu Raum: – und umgekehrt: ziehst du unwillig Abgestoßenes, Gegenstand, Raum Gewordenes wieder willig an dich, nimmst du, durch Aufhebung der Verneinung, den Gegensatz willig in dich auf, so wandelst du deine Anschauung zu Empfindung, deine Vorstellung zu Einbildung, deinen Gegenstand zu deinem Zustand, räumliche Mannigfaltigkeit zu zeitlichem Wechsel, fremde Kraft zu eigenem Willen, Raum zu Zeit.
Willenswandel deine Seele bewegend – seelisch empfunden – erscheint dir zeitlich, Willenswandel deine Sinne bewegend – sinnlich angeschaut – erscheint dir räumlich. Seelischer Wandel ist Zeit; sinnlich körperlicher Wandel ist Raum. Bewegung deiner Seele – Zeit; Bewegung deiner Sinne – Raum. Verlangen treibt dich und es wird Zeit und Raum; beides Bewegung, beides Empfindung in dir.
Eigene Lust dein Wandel im Verlangen; eigenes Gefallen dein Wandel in Zeit und Raum. Verlangend wandelst du in Zeit und Raum, verlangend wandelst du dich zu Zeit und Raum, wandelst Zeit zu Raum, wie rechts zu links, wandelst Raum zu Zeit, wie unten zu obem.
*
Aller Wille will nicht, aller Unwille will. Unwillen durch Willen, Willen durch Unwillen – Wille und Wille untrennbar – Eines, wie Zeit und Raum, wie oben und unten.
Versuche zu verstehen:
Wenn du wollend nicht willst und nicht wollend willst, was nicht wollend dich will, was wollend dich nicht will, was dir unwillig willig zu-kommt, was dir willig unwillig aus-kommt, nennst du mit zeitlich räumlichen Namen. Was du willig Zeit oder Raum nennst, nennst du unwillig Raum oder Zeit.
Zeit und Raum – Gestaltung deines Willens; Zeit und Raum – andere Worte für deinen Willen und für das, was, wider deinen Willen, wieder dein Wille ist – Gestaltung deiner selbst.
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Ich Atem ist Einhauch und Aushauch, ist innen und außen, ist zu-Stand und gegen-Stand, ist Wille und Unwille, ist Zeit und Raum, Ich und nicht lch.
Also von Gegensatz zu Gegensatz atmend schafft Ich Zeit und Raum, mit Zeit und Raum – die Welt, deines Verlangens sinnlicher Widerschein.
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Also ist der Atem des Verlangens Wille-un-Wille im Ich – aus Tat durch Widerstand zu Duldung – Atem, Leben, Bewegung, Wandel, von Ich-bestand I auf Ich-wider-Stand II und auf Ich-wieder-bestand III zurück. Ich-Verlangen, wandelnd, zu seinem gegen-Stand und zu sich selbst zurück ver-wandelt; Ich durch wider-Ich zu wieder-Ich; von Ich zu Ich; Ich Atmen – âtmâ.
*
Und ferner, o Teurer, Verlangen in dir ist Schöpferkraft.
Von geringem Verständnis sind wir Menschen, blind vor Verlangen erkennen wir offenen Auges das Nächste nicht. Was im Samsara verlangend wächst, nennen wir unsern Willen; Hemmung unseres Willens empfinden wir unwillig; empfundenen Unwillen legen wir aus als Wirkung fremder Kraft.
Ausübend wandelst du eigenen Willen zu rückwirkender Kraft. Wollend schaffst du Unwillen. Unwillen weist du von dir ab; darum erscheint er außer dir, dir entfremdet, scheint fremde Kraft gegen dich. Oder mit anderen Worten gesagt: weil es fremder Wille ist, darum ist er nicht in dir – beides ist dasselbe.
Unwillen in dir ist Willen wider dich. Der eigene Wille-un-Wille von dir ge-äußert, von dir ausgelegt, das ist: aus dir hinaus verlegt, im gegen-Stand selbst ständig geworden, vom gegen-Stand wider-stehend, als Widerstand auf dich rückwirkend, ist dir des Gegenstandes Widerstandskraft. Wille in dir schafft mit Not-wend-igkeit rückwirkende Kraft – Widerwille in dir ist Widerstand außer dir.
Was Eines ist, benennst du mit unterscheidenden Namen. Was du in dir Willen nennst, nennst du außer dir Kraft. Kraft in dir bewußt, nennt sich Willen; Willen außer deinem Bewußtsein scheint dir bewußtlose Kraft. Aller Wille ist Kraft, alle Kraft ist Willen. Wille ist Kraft aus dir, Unwillen in dir ist Kraft gegen dich.
Aus dir fließt Willen und Kraft; Eines ist Willen und Kraft – Verlangen in dir – du selbst. Sehend geworden erkennst du den eigenen Willen in fremder Kraft, dich selbst im nicht-Ich.
In deinem Herzen ist die Auseinandertretung, deine eigene Schöpfung die Unterscheidung: Zeit-Wille – Raum-Kraft. Ich ist Zeit und Raum, Ich ist Wille und Kraft. Ich ist âkâsha, Ich ist kâma.
*
– Ur-sprung – | Namen des Verlangens vom Ich aus. |
Ich | nicht-Ich |
m-Ich empfunden | d-Ich vorgestellt |
in der Seele unmittelbar gewußt | mittelst der Sinne erfaßt |
als eigen erkannt | als fremd verkannt |
innen-Zustand | außen-Gegenstand |
wechselndes Verlangen | Entzweiung einheitlichen Verlangens |
geänderter Wille | eines anderen Wille |
eigener Widerwille | fremder Widerstand |
Wandel, seelische Empfindung | Wandel, körperliche Bewegung |
Ursache | Wirkung |
Wille | Kraft |
Freiheit | Notwendigkeit |
Einbildung | Vorstellung |
ur-Teil | gegen-Teil |
Zeit | Raum |
Seele | Körper |
werdende | gewordene Welt. |
* * *
Ich, durch-ur-Sprung – ur-Teil, un-zu-langend – ver-langt; Ich ur-Teil verlangt nach dem gegen-Teil. Darum ist Ich Verlangen.
Alles Verlangen ruht auf Unzulänglichkeit, auf Bedürfnis, auf Mangel, auf Gebrechen, auf Bedrängnis, auf Sehnsucht, auf Furcht und Hoffnung, auf Not und Qual; alles Verlangen ruht auf Zwiespalt, auf Zwiespalt der Seele, alles Verlangen auf ur-Sprung. Alles Verlangen ist Verlangen nach er-Gänz-ung, Verlangen nach wieder-ver-Ein-igung mit Gottheit.
Ich empfindet sich Bruchstück, darum hungert Ich nach dem Entgangenen; darum lebt alles Ich außer sich, darum ist alles Ich friedlos; darum sucht Ich, begehrt Ich, sehnt sich nach anderem, bewegt sich, neigt sich, nähert sich anderem, nährt sich von anderem. Eines Wesens ist, wenn der Spalt im Holz sich zu schließen trachtet – wenn ein Ich bewußt will; Enzweiung will Zu-eins-paarung. Aus Einer Quelle fließt: sich eines Anderen Seele nähern – sich von eines Anderen Körper nähren.
Darum lebt Alles dieser Welt durch Nährung, durch Ein-ver-leib-ung, durch an-Eign-ung; darum lebt alles Ich durch ein anderes und lebt kein Ich ohne nicht-Ich, und lebt alles Ich durch nicht Ich – seelisch wie sinnlich.
Also beschränkt sucht Ich Unbeschränktheit, also unvollständig sucht Ich Vollständigkeit, also unvollkommen sucht Ich Vollkommenheit, also verstoßen sucht Ich nach dem verlorenen Paradiese, also vereinsamt und verlassen schreit Ich um Hilfe – es verlangt alles Ich nach Allumfassen, nach Alleinheit, nach Vollendung – nach Nirvana.
Es verlangt m-Ich – Ich muß verlangen, muß außer sich wollen, muß von Anderem leben, muß jagen und erbeuten, muß würgen und fressen.
Ich muß alles nicht-Ich zu sich wollen, muß an-eign-en wollen, muß für sich lieben und hassen, muß wider alles nicht-Ich stehen, muß allem nicht-Ich Gegner und Feind sein solange Ich ›Ich‹ ist. Es ist kein Ausweg. Wer das Heil im Ich sucht, dem ist Selbstsucht geboten.
Alles ich lebt nur durch Selbstsucht. Alles Ich, blind durch Ichheit, von Ichheit besessen, vermeint in s-Ich das höchste Gut zu verteidigen – : zum Bewußtsein erwachende Gottheit.
Darum ist zwischen Ich und Ich ewige Tat, ewiger Widerstand, ewiges Wirken, darum ist die Wirklichkeit dieser Welt ewiger Kampf.
Darüber ist gesagt: »aus Verlangen und Nährung hat Brahma diese Welt gebildet«.
Das Verlangen ist Lust; das Lust-verlangen ist endlos.
Wie ein Mann nach dem Weibe verlangt – und würde er auch in solchem Verlangen ganz zum Weibe – nicht befriedigt ist, nunmehr nach dem Manne verlangt, so verlangt das Ich nach dem, was es nicht ist, und wenn es das Verlangte erlangt hat, ist es dennoch voll Verlangen. Ich ist Verlangen, das Verlangen ist endlos.
Ich verlangt nach Allem, was es nicht ist. Ich, sich selbst im Anderen verkennend, jagt nach sinnlich sinnlosem Ziele – endlose Täuschung der Sinnenwelt – Sinnlosigkeit der Sinnenwelt – sinnlos, weil sinnlich.
Alles Verlangen ist Verlangen zu sich, alles Verlangen ist Ich Verlangen. Es gibt kein selbstloses Verlangen. Kein Ich ist leer von Verlangen. Verlangen erfüllt, bewegt, belebt, beseelt das Ich. Ich ist nur durch Verlangen. Ich in aller seiner Gestaltung ist Verlangen – Ich, das verlangend, nie erlangt.
*
Auf Einem Gedanken ruht diese Welt:
Verlangen nach Wiedervereinigung mit Gottheit; im Verlangen ist Bindung und – Lösung dieser Welt.
Nichts außerhalb des Verlangens; nichts was nicht im Verlangen zum Ich in Beziehung steht. Verlangen ist allüberall, Verlangen ist allgegenwärtig, Verlangen ist immer. Verlangen ist nie gestillt. Verlangen birgt sich in allem Geschehen, in aller Tat, in allen Gestalten, unter allen Namen dieser Welt – ver-Langen nach ver-Einigung! sinnlich und seelisch.
Anziehung und Abstoßung ist Verlangen, brünstige Wünsche – inbrünstiges Gebet, Liebe wie Haß. Niederste Gier ist Verlangen nach dem Höchsten. Tiefster Samsara hat höchstes Ziel: Eines ist was dich – dich Körper, dich Seele – zu Nahrung treibt, zu Erwerb, zu Weib und Kind, zu Macht, zu Entsagung, zu Erkenntnis, All-Einheit, Vollendung, nirvana.
Verlangen führt dich in die Welt, Verlangen hält dich in der Welt befangen, Verlangen führt dich über diese Welt des Verlangens hinaus. Also geschlossen im Verlangen ist die ewige Kette; also löst sich aller Irrtum, alle Sünde dieser Welt: durch Verlangen ist Samsara, durch Verlangen ist Nirvana.
Endloses Verlangen erscheint als endloses Werden.
*
Ur-teil-Ich-er-Schein-ung lebt nur Einen Gedanken:
Durch ur-Sprung – ent-Zwei-ung; durch Entzweiung – ver-Langen, nach wieder-ver-Ein-igung.
Alles Ich will sich, will Alles zu sich, – en-will sich zum All.
Also hält Verlangen nach Vereinigung zu sich alles Ich auseinander.
Durch Entzweiung – Vereinigung; durch Vereinigung – Entzweiung – Unergründlichkeit – Ewigkeit des Ur-sprungs.
Die Ich-bin-heit hält Ich und Ich auseinander. Asmita ist Schöpfer dieser Welt. Keine Erlösung im Samsara. Keine Seeligkeit, keine Erlösung im Ich.
Ur-Teil-Ich durch ur-Srung ab-geschieden, unterscheidet: Ich – Welt; sieht sich Bestand, Akasha; fühlt sich Verlangen, kâma; – unterscheidet in Akasha atmend: Zeit – Raum; unterscheidet in Kâma atmend: eigenen Willen – fremde Kraft –
Alle unter-scheidung durch ab-Scheidung im ur-Sprung in ur-Teil und Gegen-Teil.
Sehend geworden erkennst du:
Es ist der Welt, die dich lebt, Atmen:
– Atma –
*
O Teurer, wie ich es dir zunächst dargelegt habe, so mögen wir Menschen der Erscheinung nach-denkend, uns der Wahrheit annähern. Nur dem tief ernst Suchenden enthüllt sich die tiefe Lehre – upanishad – der Menscheit Hoheziel – Hoheziel.
*
So lautet in Aranada-Upanishad der dritte adhyaya: Kâma, Verlangen; nunmehr Karma, Wirklichkeit.