Aristophanes
Lysistrate
Aristophanes

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Zweite Szene

Chor der Männer. Chor der Weiber. Später ein Ratsherr mit zwei Polizeischergen. Dann Lysistrate und andere Weiber

Der Chor der alten Männer tritt in die Orchestra mit Glutpfannen, Holzklötzen usw.

Chorführer zu einem der Choristen:
Voran nur, Drakes, marsch voran! Und beißt dich auch die Schulter
Vom schweren, grünen Ölbaumklotz, mit dem du dich beladen!

Erster Halbchor: »Weh, Unvorgeahntes kommt
Oft im langen Leben«:
Wer hätt', o Strymodoros, sich
Je versehn der Kunde:
Daß unsre Weiber, die zu Haus
Wir pflegen, uns zur Qual und Pein,
Das heil'ge Holzbild nehmen, keck
Sich unsrer Burg bemächt'gen und
Die Propylä'n verrammeln!

Chorführer: Nun denn, so stürmen wir hinauf, hinan zur Burg, Philurgos!
Rund um die Weiber häufen wir hier auf die Stämm' und Klötze,
Und alle, die die Freveltat beschlossen und begonnen,
Auf einem Holzstoß, eines Sinns, mit eigner Hand verbrennen
Wir all' zusammen; doch zuerst muß dran das Weib des Lykon!

Zweiter Halbchor: Nein, spotten, bei Demeter, soll
Meiner nicht das Weibsvolk!
Kam doch Kleomenes, der einst
Diese Burg erobert,
Nicht ungerupft von hinnen; so
Lakonisch wild er auch geschnaubt,
Die Waffen streckt' er doch vor mir
Und zog davon im schäb'gen Wams,
Verhungert, schmutzig, unrasiert,
Sechs Jahr' lang ungewaschen!

Chorführer: So grausam hab' ich zugesetzt in alter Zeit dem Manne,
Mit siebzehn Rotten, Schild an Schild, hier vor dem Tore – schlafend! –
Und die da, dem Euripides verhaßt und allen Göttern,
Die sollen vor der Nase mir den Frevel wagen dürfen?
Da müßt' in Marathon von mir kein Siegesdenkmal stehen!

Erster Halbchor: Nur diese kleine Strecke Wegs
Anzusteigen hab' ich noch
Zur Burg, dem steilen Ziel, das ich erklimme!
Will's Gott, so schleppen wir die Last
Ohne Esel auch hinauf.
Au! Die Tragestangen haben mir die Schultern wundgedrückt!
Aber dennoch: Marsch hinauf,
Blast das Feuer wieder an,
Daß es uns am Ziel des Marsches unversehens nicht erlischt.
Puh! Puh!
Uh! Welch ein Rauch! Uh! Huh!

Zweiter Halbchor: Uh! Potz Herakles! Schrecklich raucht's
Aus der Pfann' heraus, und wie
Ein toller Hund, so beißt mich's in die Augen!
Ja, meiner Treu, das qualmt gerad
Auf aus Lemnos' Feuerschlund:
Denn sonst lähmt' es zum Ersticken nicht den Atem mir im Schlund!
Vorwärts, auf zur Burg hinan!
Auf, und springt der Göttin bei,
Nie bedurfte sie, o Laches, unsrer Hilfe mehr als jetzt!
Puh! Puh!
Uh! Welch ein Rauch! Uh! Huh!

Chorführer: Den Göttern sei's gedankt, die Glut flammt auf und lodert munter!
Ich denke nun, wir legen hier die Tragestangen nieder!
Und stecken in die Feuerpfann' das Rebenreis und zünden
Die Fackeln an und stürzen los aufs Tor mit Sturmbockstößen!
Und wenn auf unsern Ruf die Frau'n uns nicht den Riegel öffnen,
Dann stecken wir das Tor in Brand, daß sie im Rauch ersticken!
So! – Machen wir's uns leicht! – Sie laden ab
                                                    Puh! Puh! Ist das ein Rauch – Potz Wetter!
Will keiner denn der Admiräl' in Samos mit anfassen?
So! – Nun, da liegt's, das hat mir lang genug gekrümmt das Rückgrat!
Nun, Pfanne, halt dich gut und laß die Kohlen lustig glühen
Und laß geschwind die Fackel hell auflodernd mich herausziehn!
Sie zünden die Fackeln an
Hilf, Nike, daß wir in der Burg den Übermut der Weiber
Jetzt züchtigen und über sie ein Siegsdenkmal errichten!

Sie legen Feuer an
Der Chor der alten Weiber eilt von der andern Seite mit Wasserkrügen in die Orchestra

Chorführerin: Da steigt ja Rauch und Qualm empor: seht ihr es nicht, ihr Frauen?
Es brennt! Es brennt! Nur schnell herbei! Zu Hilf, zu Hilf, zu Hilfe!

Erster Halbchor der Frauen:
Herbei im Flug, Nikodike!
Kritylla, Kalyke wird sonst
Verbrannt, vom Rauch und Flammenhauch
Erbarmungsloser Gesetz' umqualmt,
Vom verderbendrohenden Männervolk!
Aber besorgt macht mich nur eins: werd' ich zu spät nicht kommen?
Eben am Born hab' ich den Krug voll mir geschöpft in der Dämm'rung,
Mühsam genug, unter dem Lärm und dem Gedräng' um den Bronnen
Und dem Geklirr der Krüge!
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Von den Mägden gedrückt und gebrandmarkten Kerls
Schlug ich mich durch, lief mit dem Krug
Eilig hierher, Wasser den Frau'n
Meines Quartiers, denen der Tod
In Flammen droht, zu bringen.

Zweiter Halbchor der Frauen:
Denn rauchumwirbelte Greise, hört'
Ich, stürmen heran, mit Klötzen bepackt,
Nicht anders, als wollten sie heizen ein Bad,
Und keuchend unter der schweren Last
Die gräßlichsten Drohungen stoßen sie aus:
Rösten auf Glut müsse man, denkt, all' die verworfenen Weiber!
Göttin, ach, nie laß sie mich sehn sterben in lodernden Flammen,
Laß sie vom Kampf, Wahnsinn und Krieg endlich einmal
Hellas und uns erlösen!
Denn darum nur, Schutzgöttin der Burg
Mit dem goldnen Helm, ist besetzt dein Haus!
Darum dich selbst rufen wir an:
Streite mit uns, Herrin, und hilf,
Wenn sie verbrennen das Männervolk will, –
O hilf uns Wasser tragen!

Chorführerin zum Männerchor:
Du, laß das sein! Wozu denn dies, erboste Bösewichter?
So handelt doch gewiß kein Mann von Gottesfurcht und Ehre?

Chorführer: Da stoßen uns ja Händel auf, ei, ei, ganz unerwartet!
Ein Schwarm von Weibern kommt daher, die Tore zu verteid'gen!

Chorführerin: Ihr fürchtet euch vor uns, nicht wahr? Wir sind euch allzuviele,
Und doch ist's kein Zehntausendstel von uns, was ihr hier sehet!

Chorführer zu einem vom Chor:
Hör, Phaidrias, das lassen wir uns von den Weibern sagen?
Kommt, laßt auf ihrem Leib uns gleich entzwei die Knüttel schlagen!

Chorführerin: So? – Stellen wir zu Boden auch die Krüg', um frei die Arme
Zu haben, wenn sie Hand an uns zu legen sich erfrechen!

Chorführer: Beim Zeus! Wenn einer ihnen, wie dem Bupalos, zwei-, dreimal
Nur schlug' auf Maul und Backen, oh, sie würden bald verstummen!

Chorführerin: Ei wie? So schlag doch zu, da sieh, ich biete dir die Wange!
Dann aber nimmt am Hodensack nie wieder dich 'ne Hündin!

Chorführer: Schweigst du nicht still, so werd' ich jung dich rupfen, alte Vettel!

Chorführerin: Komm, wag's mit einem Finger nur, Stratyllis zu berühren!

Chorführer: Wenn meine Faust sie malmt zu Brei, wie willst du dann sie rächen?

Chorführerin: Ich? – Mit den Zähnen reiß' ich Lung' und Darm dir aus dem Leibe!

Chorführer: Ja, weiser als Euripides ist auf der Welt kein Dichter!
Schamloser aber kein Geschöpf auf Erden als die Weiber!

Chorführerin zu einer vom Frauenchor:
Rhodippe, nun ist's Zeit, zur Hand den Wasserkrug zu nehmen!

Sie gehn mit den Wasserkrügen auf den Männerchor los

Chorführer: Wie? Gottvergessenes Weibervolk, du kommst daher mit Wasser?

Chorführerin: Und du mit Feuer, Leichnam, du? Willst du dich selbst verbrennen?

Chorführer: Für deine saubern Schwestern steck' ich gleich in Brand den Holzstoß!

Chorführerin: Und ich – für deinen Holzstoß hab' ich Wasser hier zum Löschen.

Chorführer: Mein Feuer löschen willst du mir?

Chorführerin:                                                       Das will ich gleich dir zeigen!

Chorführer die Fackel schwingend:
Soll ich denn ohne weiteres nicht an dieser Glut sie braten?

Chorführerin: Komm! Wenn du Seife hast, ich will ein Bad dir zubereiten.

Chorführer: Du alte Vettel, mir ein Bad?

Chorführerin:                                             Und noch dazu ein Brautbad!

Chorführer: Habt ihr gehört, wie unverschämt?

Chorführerin:                                                       Frei bin ich, frei geboren!

Chorführer: Wart nur, ich stopfe dir das Maul!

Chorführerin:                                                       Dann hast du ausgerichtet!

Chorführer: Brennt ihr die Haar' an auf dem Kopf!

Chorführerin:                                                             Ergeuß dich, Acheloos!

Sie begießen die Männer

Chorführer: O weh mir Armem!

Chorführerin:                               War es warm?

Chorführer:                                                           Warm?! – Halt! Hör auf! Was machst du?

Chorführerin:                                                                                                                           Ich
Begieß' dich, daß du wieder grünst!

Chorführer:                                             Ich bin ja mürb und klapperdürr!

Chorführerin: Nun gut, du hast ja Feuer, geh, und heize mit dir selber!

Ein Ratsherr tritt auf mit zwei Polizeischergen

Ratsherr: Nun kommt zu Tag der Weiber Übermut,
Ihr Paukenwirbel, ihr Sabaziostaumel
Und ihr Adonisheulen auf den Dächern,
Wie's in der Volksversammlung war zu hören!
Da riet Demostratos in böser Stunde
Zur Heerfahrt nach Sizilien! – Tanzend schrie
Das Weib: ›Adonis, weh!‹ – Demostratos
Rief: ›In Zakynthos hebet Mannschaft aus!‹
Und auf dem Dache taumelnd schrie das Weib:
›Wehklaget um Adonis!‹ – Doch er setzt'
Es durch, der tolle, gottverfluchte Bube!
Seht, dahin führt ihr wilder, wüster Taumel!

Chorführer: Nun hör erst, wes sich diese da erfrecht!
Zu anderm Unfug haben sie mit Krügen
Uns überschüttet, daß, die Kleider schüttelnd,
Wir tropfen, gleich als hätten wir uns bepißt.

Ratsherr: Geschieht euch recht, beim Wassermann Poseidon!
Denn wenn wir selbst zur Schlechtigkeit die Weiber
Anlocken und zur Üppigkeit erziehn,
Dann schießt die Saat auf, die wir selbst gesät. –
Wir treten in die Bud' und sprechen: ›Goldschmied,
Am Halsband, das du meiner Frau gefertigt,
Ist leider gestern abend ihr beim Tanz
Die Eichel aus dem Loch gefallen! Ich
Muß heut nach Salamis: drum, wenn du irgend
Heut kannst, so geh am Abend hin und setze
Ihr kunstgerecht die Eichel wieder ein!‹
Ein andrer spricht zum Schuster, der robust
Und jung ist und den größten Leist besitzt:
›Hör, lieber Schuster, meine Frau, die drückt
Der Schuh gewaltig, grad da vorn: sie ist
Gar zart: drum sei so gut und komm zu Mittag
Und zieh ihn übern Leist und mach ihn weiter!‹ –
So machen wir's, da sehn wir nun die Folgen! –
Ratsherr bin ich, ich soll Matrosen schaffen,
Ich brauche Geld im Augenblick, und finde
Das Burgtor nun versperrt durch diese Weiber.
Da ist jetzt keine Zeit zum Müßigstehn!
Zu den Schergen:
Brechstangen her, ich will den Unfug enden:
Maulaffe, gaffst du? – He, wo guckst du hin?
Nach einer Kneipe schaust du, fauler Bengel!
Gleich schiebt den Balken unters Tor und hebt
Den Flügel aus: den andern will ich selbst
Ausheben helfen! –

Lysistrate und andere Frauen treten heraus

Lysistrate:                     Ganz unnöt'ge Mühe!
Ich komme selbst heraus! – Wozu die Stangen?
Nicht Stangen – nein, Verstand bedarf es hier!

Ratsherr: So? Wirklich, Schändliche? Wo ist der Scherge?
Pack sie und bind' die Hand' ihr auf den Rücken!

Lysistrate: Rührt er mich an, nur mit der Fingerspitze,
Bei Artemis, der Scherge soll's bereu'n!

Ratsherr zum Schergen:
Kerl, hast du Furcht? Gleich packt sie um den Leib!
Ihr werdet doch selbzweit sie knebeln können?

Eine andere Frau: Du, legst du Hand an sie, bei Pandrosos!
Ich tret' auf dir herum, bis daß du kackst!

Ratsherr: ›Du kackst!‹ Ei sieh! – Wo ist der andre Scherge?
Gleich packt sie! – Hängt auch die ihr Maul noch drein?

Dritte Frau: Die Hand davon! Wenn du sie nur berührst,
Bei Hekate, so mußt du heut noch schröpfen!

Ratsherr: Was war das? – Kerl, wo bist du? Halt mir die!
Ich will euch schon den Ausgang hier versperren!
Wirft das Tor zu

Lysistrate: Bei Tauris' Göttin, nahst du ihr, ich reiß'
Dir aus die »wehgeheulumstöhnten« Haare!

Ratsherr: O weh, die Mannschaft geht mir aus! – Gleichviel!
Vor Weibern werden wir doch wohl nicht weichen!
Wir rücken auf sie los vereint, ihr Skythen,
In Reih und Glied!

Lysistrate:                   Dann, bei Demeter, sollt
Ihr finden, daß auch hier bei uns, dort innen
Vier Kompanien streitbare Weiber sind!

Ratsherr: Die Hände bindet ihnen, schnell, ihr Skythen!

Lysistrate reißt das Tor wieder auf:
Hallo, ihr Waffenschwestern, kommt heraus,
Ihr Rübenkohlgemüsebutterweiber,
Ihr Zwiebelkäsebäckerkneipenfrau'n,
Rauft, schlaget, stoßet, kratzt, zu Hilfe, zu Hilfe!
Schreit, schimpfet, flucht, schweinigelt, spuckt sie an!
Die Weiber dringen heraus und auf die Skythen los. Handgemenge
Zieht euch zurück! Genug! Halt! Keine Plünd'rung!

Ratsherr: O weh, mein Heer ist übel zugerichtet!

Lysistrate: Du glaubtest wohl, nur ein paar Mägde hier
Zu finden? Ist dir nicht bekannt, daß Weiber
Auch Galle haben?

Ratsherr:                       Beim Apollon, viel,
Zumal wenn in der Näh' ein Wirtshaus ist!

Chorführer: Verschwendet, edler Ratsherr, hast du nun genug der Worte!
Was läßt du mit den Bestien auch dich ein in lange Reden?
Vergaßt du ganz die Wäsche, die mit uns in unsern Kleidern
Sie vorgenommen kaum zuvor, und erst noch ohne Lauge?

Chorführerin: Narr, darf man mir nichts dir nichts auch sich so an seinem Nächsten
Vergreifen? Wie du's wieder wagst, gleich setzt es blaue Augen!
Ich will ja gerne ruhig sein und sittsam, wie 'ne Jungfer,
Ich tue keiner Seele was, kein Wasser will ich trüben,
Nur muß man in mein Wespennest nicht stechen, noch mich reizen!

Chor der Männer zum Ratsherrn:
Aber, o Zeus, was beginnen wir nun mit den Bestien?
Auszuhalten ist's nicht länger, kommen muß man auf den Grund
Endlich der Sache, warum
Sie die Kranaerfeste besetzt,
Die erhabene Felsenburg,
Der Akropolis
Heilig unnahbaren Raum!

Chorführer: So befrage sie denn, doch zu gläubig sei nicht, und erforsche nur alles recht gründlich:
Denn es wäre ja Schmach, ohne scharfes Verhör die Geschichte so gehen zu lassen!

Ratsherr zu Lysistrate:
So verlang' ich denn nun zu erfahren, bei Zeus, von euch Weibern die lautere Wahrheit:
Was bewog euch, sagt, zu verschließen die Burg und die Tore vor uns zu verrammeln?

Lysistrate: Nur in Sicherheit brächten wir gerne das Geld, nicht verführen euch soll es zum Kriege!

Ratsherr: So? Ist denn das Geld Ursache des Kriegs?

Lysistrate:                                                                   Und die Ursach' aller Verwirrung!
Nur damit sich Peisandros besacken kann und die Stellenjäger, drum rühren
Stänk'reien sie auf! Nun, meinthalb wohl! Die mögen nun ganz nach Belieben
Hantieren in Zukunft! Die Gelder jedoch sind vor ihren Krallen gesichert!

Ratsherr: Ei, was hast du denn vor?

Lysistrate:                                         Und das fragst du mich noch? – Wir verwalten fortan die Finanzen!

Ratsherr: Das wollt ihr, verwalten den Schatz wollt ihr?

Lysistrate:                                                                         Und was hast du dagegen zu sagen?
Und verwalten wir denn nicht das Geld auch zu Haus, da ja alles durch unsere Hand geht?

Ratsherr: Das ist nicht das gleiche!

Lysistrate:                                       Wieso denn?

Ratsherr:                                                               Das Geld ist bestimmt zu den Kosten des Krieges!

Lysistrate: Unnötig vor allem ist eben der Krieg!

Ratsherr:                                                               Ei, wie sollen wir sonst denn uns retten?

Lysistrate: Wir werden euch retten!

Ratsherr:                                           Wer? – Ihr?

Lysistrate:                                                             Ja, wir! Wir selber!

Ratsherr:                                                                                               Daß Gott sich erbarme!

Lysistrate: Und wir werden dich retten, auch wenn du dich sträubst!

Ratsherr:                                                                                               Wie vermessen!

Lysistrate:                                                                                                                       Du ärgerst dich fruchtlos,
Und es wird doch geschehn, und es muß doch geschehn!

Ratsherr:                                                                                 Bei Demeter, das wird nicht geduldet!

Lysistrate: Ja, wir retten dich doch!

Ratsherr:                                           Wenn ich aber nicht will?

Lysistrate:                                                                                   Dann gerade nur um so gewisser!

Ratsherr zu einer andern Frau:
So sagt doch, wie kam euch die Grille zu Sinn, euch um Frieden und Krieg zu bekümmern?

Frau: Das bericht' ich dir gleich!

Ratsherr:                                     So berichte nur schnell, sonst kriegst du noch –

Lysistrate:                                                                                                               Hör mich und bleibe
Mit den Händen nur ruhig, und halte dich still!

Ratsherr:                                                                 Ich vermag es nicht! Halte da einer
Die Hände zurück in der Wut!

Frau:                                               Ei! ei! Da kriegst du nur um so gewisser!

Ratsherr: Das, krächzende Vettel, weissagst du dir selbst!
Zu Lysistrate                                                           So berichte denn du mir!

Lysistrate:                                                                                                                   Das werd' ich!
Wir ertrugen es stets in der vorigen Zeit und im Jammer des Krieges geduldig,
Sittsamer Natur, wie wir Frauen nun sind, wie ihr Männer auch immer es triebet.
Wir durften nicht mucksen, so hieltet ihr uns! Und ihr wart doch gewiß nicht zu loben!
Wir durchschauten euch wohl, und wir ahnten nichts Guts, und da kam denn, wenn wir zu Hause
Still saßen, zu Ohren uns oft, wie verkehrt ihr die wichtigsten Dinge behandelt!
Da fragten wir wohl euch, im Herzen betrübt tief innen, doch lächelnden Mundes:
›Was habt ihr im Rate des Volks heut früh nun wegen des Friedens beschlossen?
Was kommt an die Säule?‹ – ›Was kümmert das dich?‹ – war die brummende Antwort des Mannes.
›Ich rate dir, schweig!‹ – Und ich schwieg!

Frau:                                                                   Ei was? Ich hätte gewiß nicht geschwiegen!

Ratsherr: Hätt'st du nicht geschwiegen, so hätt'st du geschrien!

Lysistrate:                                                                                   So schwieg ich denn lieber zu Hause!
Nicht lange, so hörten wir wieder: ihr habt noch verkehrtere Dinge beschlossen!
Und so fragten wir wieder: ›Nein, sage mir, Mann, was macht ihr für dumme Beschlüsse?‹ –
Da sah er mich an von der Seit' und begann: ›Wenn du ruhig nicht bleibst bei dem Webstuhl,
Dann setz' ich zurecht dir den störrigen Kopf! »Denn der Krieg ist die Sache der Männer«!‹

Ratsherr: Und er hat dir's, bei Zeus, wie er mußte, gesagt!

Lysistrate:                                                                           Wie er mußte? Wieso, du Verdammter?
Zu verbieten den Frau'n, mit ersprießlichem Rat euch Übelberatnen zu dienen?
Und doch haben wir selbst auf den Straßen gehört, wie ihr unverhohlen euch ausspracht:
›Nicht ein einziger Mann ist im Lande, bei Zeus!‹ – ›Nicht einer!‹ – erwidert der andre. –
Drum beschlossen wir Frau'n in gemeinsamem Rat, nicht länger zu säumen und Hellas
Zu erretten noch heut! Denn was hätt' es genutzt, mit Worten die Zeit zu verlieren!
Wenn Gehör uns zu schenken ihr also gewillt und stille zu schweigen, wie wir es
So lang schon getan, dann kommen wir Frau'n mit verständigem Rat euch zu Hilfe.

Ratsherr: Ihr? – Uns? – Wie verrückt! Heilloses Geschwätz! Das soll ich ertragen?

Lysistrate:                                                                                                                     Kein Wort mehr!

Ratsherr: Kein Wort mehr, Verfluchte? So spricht man mit mir? Vor der Haube da soll ich verstummen
Auf dem Weiberkopf? Nein, lieber den Tod!

Lysistrate: Wenn dieses allein dir noch Skrupel macht,
Dann komm und empfange die Haube von mir:
Gibt sie ihm
Da, nimm nur, und setze sie dir auf den Kopf!
So! So! und schweig mir hübsch stille!

Eine andere Frau: Da, nimm auch, mein Bester, den Gürtel dazu!

Eine Andere: Und ich gebe dir drein noch den Handkorb!

Lysistrate: Nun, schürze dich auf, kratz Wolle, mein Schatz,
Und iß Bohnen dazu!
»Doch der Krieg ist die Sache der Weiber!«

Chorführerin zum Frauenchor:
Laßt eure Krüge stehn, ihr Frau'n, wir wollen jetzt nach Kräften
Tun unsre Schuldigkeit und rasch den Schwestern an die Hand gehn!

Sie stellen die Wasserkrüge auf die Bühne

Chor der Weiber: Wahrlich, erschlaffen nicht soll mir im Reigen der flinke Fuß,
Lässiges Ermatten beschleiche, lähme mir nie das gelenkige Knie!
Mit den Schwestern verbind' ich mich kühn,
Mit den tapfern, zu jeglicher Tat:
Denn es schmücket sie Liebreiz, Verstand,
Patriotischer Mut,
Tapferkeit, Feuer und Geist!

Chorführerin: Mannhafter Urahninnen Töchter, ihr, Brennesseln vergleichbare Mütter,
Rückt grimmig nun an, ohn' Erbarmen dringt vor, denn der Wind ist noch immer euch günstig!

Lysistrate: Und wenn einst Aphrodites, der kyprischen, Hauch und der seelenerfreuende Eros
In Herzen und Hüften die Sehnsucht euch weckt und die Glut des Verlangens entzündet
Und die süße Begier auch den Männern erregt und den Reiz inbrünstiger Spannung:
Als Friedensfürstinnen werden uns dann die Hellenen mit Jubel begrüßen!

Ratsherr: Ei! Für welches Verdienst?

Lysistrate:                                           Für das einzige schon: daß das rasende Schrei'n auf dem Markte
Wir euch legen und steuern dem Waffengeklirr!

Eine Frau:                                                                 Ja, gewiß, bei der Göttin von Paphos!

Lysistrate: Jetzt laufen sie auf dem Gemüsemarkt, auf dem Fischmarkt, auf dem Geschirrmarkt
Mit dem Sarras herum, mit dem Helm auf dem Kopf: Korybanten vermeint man zu schauen!

Ratsherr: Bei Zeus, das ziemt doch dem tapferen Mann!

Lysistrate:                                                                         Potz Tausend, das ist doch zum Lachen,
Wenn ein Mann da kommt mit dem Gorgoschild und um Heringe feilscht mit dem Marktweib!

Eine Frau: Ja, ich sah es, bei Zeus, wie ein haariger Mann, ein Reiteroberst zu Pferd sich
Von 'ner alten Frau in den ehernen Helm ließ schütten gebackene Eier,
Und ein andrer, ein Thrakier, schüttelte wild, wie ein Tereus, Tartsche und Wurfspieß,
Und der Hökerin macht' er entsetzlich Angst, und verschlang dann die leckersten Feigen!

Ratsherr: Wie getrauet doch ihr euch imstande zu sein, die krausen, verwickelten Händel
Zu entwirren, zu schlichten, in Hellas umher?

Lysistrate:                                                             Sehr einfach!

Ratsherr:                                                                                     Und wie denn? Laß hören!

Lysistrate: Sieh, wie wir beim Spinnen verworrenes Werg so rehmen und sacht auseinander
Und zurecht mit der Spindel die Fäden ziehn, den 'rüber, den andern hinüber,
So gedenken wir auch durch Gesandte den Krieg zu entwirren, mit eurer Erlaubnis,
Und zurecht zu legen die Fäden des Knäuls, den 'rüber, den andern hinüber.

Ratsherr: Wie die Wolle beim Spinnen, wie Hanf und Werg zu behandeln gedenkt ihr Vermeß'nen
Die politischen Fragen – zu lösen wohl gar? O des Unsinns!

Lysistrate:                                                                                     Wärt ihr bei Sinnen,
So behandeltet ihr die Geschäfte des Staats akkurat wie wir Frauen die Wolle!

Ratsherr: So erkläre doch, wie?

Lysistrate:                                   Wie die Wolle vom Kot und vom Schmutz in der Wäsche man säubert,
So müßt ihr dem Staate von Schurken das Fell reinklopfen, ablesen die Bollen:

Was zusammen sich klumpt und zum Filz sich verstrickt – Klubmänner, für Ämterbesetzung
Miteinander verschworen – kardätschet sie durch und zerzupfet die äußersten Spitzen,
Dann krempelt die Bürger zusammen hinein in den Korb patriotischer Eintracht
Und mischt großherzig Insassen dazu, Verbündete, Freunde des Landes;
Auch die Schuldner des Staats, man verschmähe sie nicht und vermenge auch sie mit dem Ganzen!
Und die Städte, bei Gott, die als Töchter der Stadt in der Ferne sich Sitze gegründet,
Übersehet sie nicht: denn sie liegen herum, wie zerstreute, vereinzelte Flocken.
Lest alle zusammen von nah und fern, aufschichtet sie hier und verflechtet
Die Wocken und wickelt ein Ganzes daraus und verspinnt es zu einem gewalt'gen
Garnknäuel! Aus diesem dann webet vereint für das Volk einen wollenen Mantel!

Ratsherr: Was die Weiber da krempeln und klopfen drauf los und spinnen und winden und weben!
Euch ficht doch der Krieg im geringsten nicht an!

Lysistrate:                                                                   Im geringsten nicht? Ei du Verfluchter!
Wie? Trifft er nicht doppelt und dreifach uns Frau'n? Wir haben die Knaben geboren,
Wir haben gewappnet ins Feld sie geschickt –

Ratsherr:                                                                 Schweig still von den Unglücksgeschichten!

Lysistrate: In der Zeit, wo wir sollten des Lebens uns freu'n und die Tage der Jugend genießen,
Da bereitet der Krieg uns ein einsames Bett! Ach, und wären nur wir so verlassen:
Doch die Jungfern zu sehn, die im Kämmerlein still hinaltern, das schmerzt mich noch bittrer!

Ratsherr: Und die Männer, ei, altern denn diese nicht auch?

Lysistrate:                                                                             Ei was, das vergleicht sich ja gar nicht!
Denn käme der Mann auch als Graukopf heim, er erkiest sich ein blühendes Mädchen;
Doch des Weibes Los ist ein flüchtiger Lenz, und verpaßt sie die Tage der Blüte,
Dann begehrt sie kein Mann mehr zur Ehe, sie sitzt und legt sich auf Träum' und Orakel!

Ratsherr: Aber wenn doch ein Mann noch zum Stehen ihn bringt –

Lysistrate: O da mach du nur gleich auf den Tod dich gefaßt!
Dein Platz ist dir sicher, geh, kauf dir den Sarg,
Und den Honigkuchen, den back' ich dir gleich;
Da nimm und bekränz' dir die Stirne!
Sie begießt ihn

Eine andere Frau ebenso:
Und da hast du auch eine Bescherung von mir!

Lysistrate: Komm, Alter, da ist er, so nimm doch den Kranz!
Was fehlt noch, was suchst du? Mach, steig in den Kahn:
Horch, Charon! Er ruft!
Du verzögerst allein noch die Abfahrt.

Ratsherr: Empörend ist es, wie mich die traktieren!
Bei Zeus, ich gehe, wie ich bin, und trete
So vor die Augen einem hohen Rat! Ab

Lysistrate ruft ihm nach:
Du klagst wohl, daß wir dich nicht ausgestellt?
Laß uns nur machen! Übermorgen früh
Fehlt sicher nichts zu deinem Leichenopfer! Ab

Chorführer: Länger schläfrig zuzusehen, das vermag kein freier Mann!
Werft die Mäntel ab, ihr Männer, rüstet euch zur ernsten Tat!

Chor der Männer: Wenn mich nicht alles täuscht, ist ganz andres, Schlimmres noch
Hier im Werk: o ich riech's!
Ja, heraus aus allem wittr' ich Hippias'sche Tyrannei!
In der Tat, ich fürchte sehr,
Daß von Sparta Männer sich
Eingeschlichen; und, vereint
Nachts im Haus des Kleisthenes,
Haben sie die gottverfluchten Weiber aufgehetzt, mit List
Uns den Staatsschatz wegzunehmen
Und die Löhnung,
Unser aller täglich Brot!

Chorführer: Ja, empörend ist's, hofmeistern wollen sie die Bürgerschaft,
Unerhört! Weibsbilder schwatzen über Schild und Schwert und Spieß;
Wollen gar mit den Spartanern uns zum Frieden nötigen,
Denen grad so gut zu trauen, als dem Wolf mit offnem Maul!
Ich durchschaue das Gewebe, Männer: das ist Tyrannei!
Doch tyrannisieren sollen sie mich nie: ich hüte mich,
Und »im Myrtengrün mein Schlachtschwert werd' ich tragen« fürderhin,
Auf dem Markt in voller Rüstung bei Aristogeitons Bild
Werd' ich stehn – wie er zu großer Tat berufen steh' ich da!
Zur Chorführerin
Dir, du gottverhaßte Vettel, alle Zähne schlag' ich ein!

Chorführerin drohend:
Sieh nur zu, daß wenn du heimkommst, deine Mutter dich noch kennt!
Zum Weiberchor
Doch wohlan, betagte Schwestern, machen wir's zuvor uns leicht!

Sie legen die Oberkleider ab

Chor der Frauen gegen das Publikum:
Laß dir nun, Bürgervolk, sagen ein verständig Wort,
Das der Stadt frommen mag!
Sie verdient's, denn auf erzogen hat sie mich in Prunk und Lust!
Sieben Jahr alt trug ich schon
Herses Heiligtum beim Fest,
Mit zehn Jahren mahlt' ich dann
Opfermehl der Artemis,
Ward im Safrankleid in Brauron ihr geweiht beim Bärenfest,
Ward sodann als hübsche Jungfrau
Festkorbträgerin,
In der Hand die Feigenschnur!

Chorführerin: Sollt' ich nun der Stadt nicht dienen, wenn ich kann, mit gutem Rat?
Zwar ich bin ein Weib, doch seht ihr, hoff' ich, drum nicht scheel mich an,
Wenn ich Bess'res biet', als was ihr alle Tage seht und hört:
Steur' ich doch mein Teil zum Ganzen, meine Söhne bring' ich dar!
Aber ihr, elende Greise, steuert nichts: ihr habt sogar
Durchgebracht die ›Persersteuer‹, die die Väter euch vererbt,
Und aus eigenem Vermögen tragt ihr ohnedies nichts bei.
Ja, ihr bringt's dahin, daß nächstens wir zertrümmert untergehn.
Ihr, ihr wollt noch mucksen? – Trittst du im geringsten mir zu nah,
Mit dem ungeschlachten Holzschuh schlag' ich dir die Zähne ein!

Die Frauen ziehn ihre Oberkleider wieder an

Chorführer. Ist das nicht die schmählichste Beschimpfung?
Ja, und toller, immer toller scheint das Ding zu werden!
Männer, steuert diesem Unfug, zeigt, daß ihr noch Hoden habt,
Werft die Mäntel ab: anriechen soll man gleich dem Mann den Mann,
Denn sich wie in Feigenblätter einzuwickeln, ziemt sich nicht.

Chor der Männer: Auf, wolffüßige Männer, die wir
Einst vor Leipsydrion zogen, wo
Wir noch unsern Mann gestellt,
Auf, es gilt sich zu verjüngen, und, vom Kopf zur Zehe
Neu befiedert, abzuschütteln
Unsres Greisenalters Last!

Chorführer: Geben wir nur einen Finger ihnen, hängen sie sich dran
Fest wie Kletten, und geschäftig sind sie dann mit Hand und Fuß.
Und am Ende bau'n sie Schiffe, segeln aus und liefern uns
Seegefechte, die Verwegnen! – wie einst Artemisia!
Wenn sie noch die Reitkunst treiben, streich' ich unsre Ritter aus:
Von Natur schon sind die Weiber ritterlich und sattelfest!
Oh, die stürzen nie beim Reiten! Sieh die Amazonen an,
Wie auf Mikons Bild sie kämpfen mit den Männern, hoch zu Roß!
Wohl am besten wär's, zu nehmen all' und ins durchbohrte Holz
Ihnen gleich hineinzustecken diesen langen Schwanenhals!
Mit dem Phallos gestikulierend

Chorführerin: Bring' mich nicht in Hitze, sonst, beim Himmel,
Lass' ich meine wilde Sau los! Wart, ich will dich striegeln!
Bis der Nachbarschaft zum Schrecken du: ›Zu Hilf! Zu Hilfe!‹ schreist!
Zu den Weibern
Werft auch ihr, o Frau'n, die Mäntel wieder weg: anriechen soll
Man uns Frau'n sogleich das wilde, hitzigscharfe Temperament!

Chor der Frauen: Komm' mir nur einer jetzt her: der hat
Zwiebeln gegessen zum letztenmal,
Bohnen auch – schwarze – zum letztenmal!
Schimpfst du noch einmal – die Galle, siehst du, läuft mir über! –
Wie dem Adler einst der Käfer,
Nehm' ich dir die Eier aus!

Chorführerin: Pah, ich lach' euch aus, solange meine Lampito noch lebt,
Und Ismenia, die liebe, rüstige Thebanerin!
Wirb ein Kriegsheer: keines kriegst du, wenn du's zehnmal auch beschließt;
Denn du bist verhaßt, Elender, bei den Nachbarn ringsherum! –
Als der Hekate zu Ehren gestern ich ein Freudenfest
Gab und gern bei meinen Kindern hätt' ein Nachbarskind gesehn,
Gar ein artigleckres Bürschchen aus Boiotien – einen Aal:
Ja, da hieß es: ›Nein!‹ – weil euer Volksbeschluß es nicht erlaubt.
Und mit solchen Volksbeschlüssen ruht ihr nicht, bis euch einmal
Einer nimmt am Bein und niederschleudert, daß ihr brecht den Hals!


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