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Adelbert von Chamisso

Die Hawaii-Inseln · Die Radak-Inseln · Noch einmal quer durch die Inselwelt der Südsee · Die Karolineninseln

Die Hawaii-Inseln

Die Zeit unseres Aufenthalts in Kalifornien war abgelaufen.

Am 1. November 1816, am Allerheiligenfeste, morgens um 9 Uhr lichteten wir die Anker, während unsere Freunde in der Kirche waren. Wir sahen sie auf dem Fort ankommen, als wir eben vorbeisegelten. Sie zogen mit einem Kanonenschuß die spanische Flagge auf, wir gleichfalls die unsere. Sie salutierten uns erst mit sieben Kanonenschüssen, die wir Schuß auf Schuß erwiderten.

Das Wasser des Hafens von San Francisco war in hohem Maße von sehr feinen Lichtpunkten phosphoreszierend, und merklich schimmernd entrollte sich auch die brandende Welle auf dem Strande der Küste außerhalb der Bucht. Ich habe das Wasser des Hafens mit dem Mikroskop untersucht und darin nicht häufige, ausnehmend kleine Infusorien beobachtet, denen ich dennoch bei dem Leuchten keine Rolle zuschreiben mag.

Wir schauten hier täglich dem Spiele der Nebel zu, die, vom waltenden Seewind ostwärts über das sonnenerhellte Land gewehet, zerflossen und sich auflösten. Besonders schön war das Schauspiel, welches sie uns bei der Abfahrt bereiteten, indem sie verschiedene Gipfel und Gegenden der Küste bald verhüllten und bald entschleierten.

Wir waren am 1. November 1816 kaum aus dem Hafen, so empfing uns auf dem hohen Meer ein mächtiger Wind, der das Schiff dergestalt schaukelte, daß alte Matrosen und selbst der Kapitän seekrank wurden. Ich habe dieses Übel nie bezwungen, bin nie nach dem kürzesten Aufenthalt auf dem Lande wieder auf die See gekommen, ohne daran zu leiden; ich brauche nicht zu sagen, daß ich darnieder lag.

Die Fliegen wurden vom Winde weggeblasen; am anderen Tage war keine mehr auf dem »Rurik« zu sehen. Wir sahen am 2. große Tange, am 3. Delphine, am 4. unter dem 31. Grad nördlicher Breite den ersten Tropikvogel.

Das Meer war blau, der Himmel bedeckt, alles lebensleer, wie in keinem andern Meeresstrich. Keine andern Vögel als Tropikvögel. Ihr Flug ist hoch, ihr Geschrei durchdringend. Man hört sie oft, ohne sie sehen zu können; oft vernimmt man ihre Stimme zu Nacht.

Wir hatten noch zwischen den Wendezirkeln anhaltende Süd- und Südwestwinde. Abends oft Wetterleuchten im Süden. Einige Windstillen unterbrachen den Südwind, der immer aufs neue zu wehen anhub. Am 9. spielten und lärmten Delphine um unsern Kiel. Am 12. begleiteten uns morgens und abends ein paar Walfische. Am 16. November (22° 34' nördlicher Breite, 104° 25' westlicher Länge) erreichten wir endlich den Passat. Am 21. zeigten sich uns einige Berglinien von O-Waihi durch die Wolken.

(Unser neuer Fahrtgenosse), Herr John Elliot de Castro, aus gemischtem englischen und portugiesischen Blute entsprossen, war so klein, daß ich ihn nur mit dem Jean-Paulschen kleinen Kerle vergleichen mag, der sich selber nicht bis an die Knie ging, geschweige denn längeren Personen. Er war ein frommer Katholik und setzte seine Hoffnung in ein Band von der Brüderschaft des heiligen Franziskus, welches er trug und kraft dessen ihm ganz besonderlicher Indult zuteil werden sollte. Er war in Rio de Janeiro verheiratet und daselbst als Chirurgus bei einem Hospital angestellt. Aber er war auch verliebt und unglücklich verliebt, und diese Leidenschaft hatte ihn in die weite Welt und in vieles Unglück getrieben. Er war nämlich in zwanzigtausend Piaster verliebt, zu deren Besitz er nicht gelangen konnte und von denen er sprach mit einer ergreifenden Sehnsucht, mit einer Wahrheit und Tiefe der Empfindung, mit einer Hingerissenheit, die den wenigsten Musenalmanachs-Gedichten eigen sind. Seine Liebe war wirklich dichterisch; rührend war es, ihn zu sehen, wie er über den Bord des »Rurik« sich bog und dort in die blaue Ferne ein Segel sich log: Ein Amerikaner – piasterbeladen vom Schleichhandel mit den Padres der spanischen Küste! Wir haben mehr Kanonen als er – wir könnten ihn kapern! ... Es war aber nicht einmal das Schiff da.

Wie er einst Tabak in Buenos Aires einzuschmuggeln versucht, war er daselbst in Gefangenschaft geraten. Bevor er das Glück bei Herrn Baranow gesucht, der ihm nur zu einer zweiten Gefangenschaft unter den Spaniern verholfen, hatte er es zwei Jahre lang auf den Sandwich-Inseln erwartet, woselbst er mit den Perlen von Pearl River einen Handel zu treiben versucht, der seiner Hoffnung nicht gelohnt. Er war indes Leibarzt des Königs Tameiameia geworden, der ihn mit Land beliehen hatte, und jetzt – in seine dortige Familie heimkehrend – erwartete er seine Besitzungen in gutem Stande zu finden und vertraute seinem alten Verhältnisse.

Der Umgang mit unserm Gaste während der Tage der Überfahrt war mir unschätzbar lehrreich. Wohl hatte ich, was über die Sandwich-Inseln geschrieben war, gelesen und hatte über deren jetzigen Zustand, besonders in Hinsicht des Handels, dessen Stapelplatz sie geworden sind, manche Notizen gesammelt. Hier aber hatte ich einen O-Waihier vor mir, der mit und im Volke gelebt, der einer bestimmten Kaste angehört hatte und dem ich die Sprache abhören und die Sitte abmerken konnte. Ich benutzte emsig die Gelegenheit; und wirklich kam ich gut vorbereitet, zu sehen, und selbst der kindergleichen Sprache nicht ganz fremd, auf den Wohnsitz dieses anziehenden und damals seiner Eigentümlichkeit noch nicht abwendig gemachten Volkes.

 

Keine Seevögel hatten uns über dem Winde der Sandwich-Inseln das Land angesagt, und zwischen demselben sahen wir auch keine.

Nur hoch in den Lüften der Tropikvogel und nah über dem Spiegel der Welle der fliegende Fisch.

Wir richteten unsern Lauf nach der Nordwestspitze von O-Waihi (Hawaii), um diese zu umfahren und – nach dem Rate von Herrn Elliot – »Haul-Hanna« (einen ansässigen Amerikaner namens Jung oder eigentlich: Young) in der Bai von Tokahai zu sprechen, woselbst dieser in der Geschichte der Sandwich-Inseln rühmlichst bekannte Mann seinen Wohnsitz haben sollte. Herr Jung würde uns die nötigen Nachrichten über den jetzigen Zustand der Dinge und den Aufenthalt des Königs mitteilen. Dem Könige aber mußten wir uns vorstellen, bevor wir in den Hafen Hana-ruru der weiter westwärts liegenden Insel O-Wahu einliefen.

 

In der Nacht zum 22. November und am Morgen dieses Tages enthüllten sich uns die Höhen der großartig in ruhigen Linien sich erhebenden Landmasse, über welche sich mittags und abends die Wolken senken. Noch sahen wir nur Mauna Kea, den »kleinen Berg«, welcher, wenngleich der kleinere, sich höher über das Meer erhebt als der Montblanc über die Täler, von welchen aus er gesehen werden kann. Die Nordküste am Fuße des Mauna Kea ist die unfruchtbarste der Insel.

Wir umschifften gegen Mittag das nordwestliche Vorgebirge von O-Waihi, fuhren durch den Kanal, der diese Insel von Mauwi trennt, und verloren den Passat unter dem Winde des hohen Landes. Wir hatten längs der Westküste von O-Waihi sehr schwache Land- und Seewinde und gänzliche Windstille.

Zwei Insulaner ruderten in der Gegend des Vorgebirges an das Schiff. Der auf das Verdeck stieg, beantwortete so scheu und zögernd die Fragen des ihm wohlbekannten »Najas« (Elliot de Castro), daß dieser über das, was auf den Inseln geschehen sein möchte, Besorgnis schöpfte. Wir erfuhren indes, daß »Haul-Hanna« mit den mehrsten Fürsten auf O-Wahu und Tameiameia zu Karakakoa sich befinde. Das Kanu, welches an das Schiff angebunden war und worin der andere O-Waihier sich befand, schlug um, und wir hatten Gelegenheit, die Kraft und Gewandtheit dieser Fischmenschen zu bewundern.

Wir sahen von der hohen See die europäisch gebauten Häuser von Herrn Jung sich über die Strohdächer der Eingebornen erheben. Der ganze Strand ist von den Ansiedlungen der Menschen bekränzt, aber schattenlos. Erst südlicher längs der Küste untermischen sich Kokospalmen den Häusern. Die Wälder, die an den Bergen eine hohe Zone einnehmen, steigen nicht zu Tale. Rauchsäulen stiegen in verschiedenen Gegenden des Landes empor.

Andere Kanus kamen an das Schiff; wir verkehrten mit mehreren Eingeborenen und vermochten einen weitgewanderten Mann – einen Mann des Königs, der in Boston, an der amerikanischen Nordwestküste und in China gewesen war –, an unserm Bord zu bleiben und uns nach Karakakoa zu lotsen. Wir erfuhren, daß zwei amerikanische Schiffe in Hana-ruru lägen und vor Karakakoa ein drittes, welches, vom Sturme geschlagen, entmastet nach diesen Inseln gekommen. Wir erfuhren endlich, daß Russen der amerikanischen Handelskompanie das Reich mit Krieg zu überziehen gedroht und daß man die russischen Kriegsschiffe erwarte, welche die Drohung verwirklichen sollten.

Das waren die Umstände, unter welchen wir vor O-Waihi erschienen und uns glücklich preisen mußten, Herrn Elliot, den Leibarzt des Königs, an Bord zu haben, der Zeugnis von uns ablegen konnte.

Wir lagen die Nacht in vollständiger Windstille. – Wir kamen sehr langsam vorwärts. Am Abend ward ein Delphin harpuniert. Während der Nacht frischte der Wind; am Morgen des 24. waren wir vor Tiutatua. Das amerikanische Schiff fuhr eben unter allen Segeln in die Bucht. Der Kapitän ließ das kleine Boot aussetzen, worin er Herrn Elliot mit mir, Eschscholtz und Choris an das Land schickte. Wir begegneten einem Europäer, der in seinem Kanu fuhr; er trat in unser Boot über und geleitete uns.

Das Dorf liegt unter Palmbäumen anmutig am Seegestade. Hinter demselben steigt der Blick auf einen Lavastrom zu dem Riesenkegel des Wororai hinan. Zwei Morais standen mit ihren häßlichen Idolen auf einem Vorsprung des Lavastrandes.

Am Ufer war ein zahlreiches Volk in Waffen. Der alte König, vor dessen Wohnung wir landeten, saß auf einer erhabenen Terrasse, von seinen Weibern umringt, in seiner volkstümlichen Tracht: dem roten Maro (Schamgürtel) und der schwarzen Tapa (dem weiten, schönfaltigen Mantel von Bastzeuge); nur Schuhe und einen leichten Strohhut hatte er von den Europäern erborgt. Den schwarzen Mantel tragen nur die Vornehmen; das färbende Harz verleiht dem Zeuge die Eigenschaft, nicht naß zu werden. Vor dem König sitzt jeder Untergeordnete niedriger als er, mit entblößten Schultern.

Der alte Herr nahm seinen Arzt gern wieder auf, jedoch ohne überströmende Freude und ließ sich von ihm über den friedlichen Zweck unserer Expedition belehren; dann richtete er an uns den Friedensgruß, drückte uns die Hand und lud uns ein, ein gebackenes Schwein zu verzehren. Drei der hervorragenden Männer der alten Zeit – ich rühme mich der Ehre – haben mir die Hand gedrückt: Tameiameia, Sir Joseph Banks und Lafayette.. Wir verschoben die Mahlzeit bis zur Ankunft des Kapitäns; Eschscholtz und ich begehrten botanisieren zu gehen, während Choris blieb und den König zu zeichnen sich erbot. Tameiameia gab uns zu unserm Schutz einen Edlen seines Gefolges mit und warnte uns vor der großen Aufregung des Volkes. Dem Maler wollte er nur in europäischen Kleidern sitzen, nämlich in roter Weste und Hemdsärmeln, da er den Zwang des Rockes nicht ertragen mag. Er beauftragte Herrn Elliot, den Kapitän ans Land zu geleiten, und er sandte mit ihm zwei der vornehmsten Häuptlinge, von denen einer gleichsam als Geisel auf dem Schiffe bleiben sollte, bis er, der Kapitän, an seinen Bord zurückgekehrt sei.

Ich werde hier mit wenigen Worten über die Ereignisse berichten, die unserer Ankunft auf den Sandwich-Inseln vorangegangen waren.

Ein gewisser Doktor Scheffer, im Jahre 1815 als Schiffsarzt am Bord des »Suwarow« (Kapitän: Leutnant Lasarew) zu Sitka (Alaska) angelangt und daselbst im Dienste der amerikanischen Kompanie zurückgeblieben, war – vermutlich von Herrn Baranow ausgesandt – anscheinlich zu wissenschaftlichen Zwecken auf die Sandwich-Inseln gekommen, wo er den Schutz des Königs genossen hatte. Der Doktor Scheffer hatte die verschiedenen Inseln bereist. Auf O-Wahu, wo zwei Schiffe der russisch-amerikanischen Kompanie (die »Clementia« und die »Entdeckung«) angelegt, war verschiedentlich gegen den König und gegen die Volksreligion gefrevelt worden. Die Russen hatten einen Morai entweiht und die Förmlichkeit der Besitznahme der Insel bei Aufziehung der russischen Flagge auf dem Lande vollzogen. Vermittelnde Europäer hatten das Blutvergießen verhindert, und die übermütigen Fremden hatten – gezwungen, sich einzuschiffen – mit Krieg und Eroberung gedroht. Welch ein Anteil der Schuld jenen Schiffen, welcher dem Doktor zuzuschreiben sei, bleibe unentschieden; die größere Erbitterung war gegen den Doktor. Gegenwärtig war derselbe auf den westlichen Inseln, deren König Tamari er vermocht hatte, sich unter russischer Flagge gegen seinen Lehnsherrn Tameiameia zu empören. Bekanntlich war zur Zeit der Eroberung Tameiameias der ehedem selbständige König von Atuai und den westlichen Inseln dem Gewaltigen zuvorgekommen, indem er sich ihm freiwillig unterworfen.

Das war der jetzige Stand der Dinge. Als wir im Spätjahr 1817 nach den Sandwich-Inseln zurückkamen, hatte auf diesem Schauplatz der Doktor Scheffer seine Rolle bereits ausgespielt; der König von Atuai, dem er lästig geworden, hatte ihn weggewiesen und hatte aufs neue Tameiameia gehuldigt. Der Doktor Scheffer kam nach Petersburg, wo er mit abenteuerlichen Anschlägen und Ratschlägen kein Gehör gefunden zu haben scheint. Er tritt später als kaiserlich brasilianischer Werbeoffizier in Hamburg auf.

Wie ich mit Eschscholtz botanisieren ging, umringte uns eine mehr lachende als drohende Menge. Ein Häuptling – an seiner Haltung und seinem fast riesigen Wuchs nicht zu verkennen – schwang, wie wir den Weg gingen, den er kam, lachend seinen Wurfspieß gegen mich und drückte mir dann mit dem Friedensgruße »Arocha!« die Hand. Was er dabei sagte, mochte bedeuten: Habt ihr uns wieder einmal den Spaß verdorben? Wir dachten uns zu schlagen, und nun seid ihr gute Freunde!

Das dürre, ausgebrannte Feld hinter dem Dorf bot dem Botaniker nur eine karge Ausbeute; und doch war es eine große Freude, hier die ersten Sandwicher Pflanzen zu sammeln. »Eine Cyperacee!« rief ich dem Doktor zu und zeigte ihm die Pflanze von ferne. »Küperakeh! Küperakeh!« fing unser Führer zu schreien an, indem er eine Handvoll Gras über den Kopf schwang und wie ein Hampelmann tanzte. So sind diese Menschen, fröhlich wie die Kinder, und man wird es wie sie, wenn man unter ihnen lebt.

Wir wurden, in Erwartung des Kapitäns, zu den Königinnen eingeführt; große, starke, fast noch schöne Frauen. Kahumanu tritt schon unter Vancouver in der Geschichte auf. Sie lagen in einem Strohhause zusammen auf dem weich mit feinen Matten gepolsterten Estrich; wir mußten Platz unter ihnen nehmen. Fast unheimlich wurden mir, dem Neulinge, die Blicke, die meine Nachbarkönigin auf mich warf. Ich folgte Eschscholtz, der sich schon früher aus dem Hause geschlichen hatte. Ich erfuhr von ihm, seine Königin habe sich noch handgreiflicher ausgedrückt.

Unser Kapitän war angelangt. Der alte Held empfing ihn mit Herzlichkeit. Er verstand sehr wohl das Verhältnis und wußte es großartig, ehrfurchtgebietend und leicht zu behandeln. Herr Cook, ein Europäer, der sein Vertrauen besaß und der jetzt erst von dem amerikanischen Schiffe, wohin er ihn gesandt hatte, zurückkam, diente ihm zum Dolmetscher. Er verhielt seinen Ingrimm gegen die Russen nicht, die seiner königlichen Gastfreiheit mit so schnödem Undank gelohnt; in uns aber, die wir, auf Entdeckung ausgesandt, mit jenen nichts zu teilen hatten, wollte er keine Russen sehen, sondern nur die Söhne und Nachkommen Cooks und seines Freundes Vancouver. Wir seien keine Kaufleute, er wolle es auch gegen uns nicht sein; er werde für alle unsere Bedürfnisse Sorge tragen, frei und unentgeltlich. Wir brauchten dem Könige nichts zu geben, und wollten wir ihm ein Geschenk machen, so sei es nur nach Belieben. So Tameiameia, König der Sandwich-Inseln.

Unsere Gegengeschenke zeugten von unserer friedlichen Gesinnung: zwei kleine Mörser mit den dazugehörigen gefüllten Granaten und Pulver. Eisenstangen, die wir als Ballast hatten und die ihm angenehm zu sein schienen, wurden für ihn zu Hana-ruru ausgeschifft. Er selbst erkundigte sich in dem Gespräche, ob wir ihm wohl etwas Wein ablassen könnten? Er erhielt ein Fäßlein guten Teneriffa von unserm Vorrat. Der Kapitän hatte zufällig etliche schöne Äpfel aus San Francisco mitgebracht. Er fand sie wohlschmeckend, verteilte sie zum Kosten den Häuptlingen um ihn und ließ die Kerne mit großer Sorgfalt sammeln. Auf den Wunsch, den Herr von Kotzebue aussprach, ließ Tameiameia sogleich einen Federmantel herbeiholen und überreichte ihm solchen für den Kaiser Alexander. Furchtlos und würdevoll schlug er ab, auf das Schiff zu kommen, da die jetzige Stimmung seines Volkes es ihm nicht erlaube.

Wir statteten dem Reichserben Liolio einen Besuch ab, vor dem sein Vater nur entblößt erscheinen darf.

Der Tisch war für uns in einem Hause, das im Umfang des königlichen Morai lag, auf europäische Weise gedeckt. Der König geleitete uns dahin mit seinen Häuptlingen, doch nahm weder er noch einer von ihnen Anteil an dem Mahle, das wir allein verzehrten. Unsere Matrosen wurden nach uns auf gleiche Weise bewirtet. Wir erfuhren später, daß mit diesem uns gereichten Mahle ein religiöser Sinn verbunden gewesen. Die wir, als Feinde angekündigt, als Freunde gekommen waren, aßen ein geweihtes Schwein an geweihter Stelle in dem Morai des Königs.

Nach uns speiste Tameiameia in seinem Hause allein, wobei wir ihm zuschauten, wie er uns selber zugeschaut hatte. Er aß nach altertümlicher Sitte. Gesottene Fische und ein gebackener Vogel waren die Gerichte, Bananenblätter die Schüssel, und der beliebte Taro-Brei vertrat die Stelle des Brotes. Die Diener brachten die Speisen kriechend herbei, die ein Vornehmerer ihm vorsetzte.

Herr von Kotzebue spricht von der sonderbaren Tracht der Höflinge Tameiameias, die alle schwarze Fracks auf dem bloßen Leib getragen. Ich kann mich nur erinnern, ein einziges Mal auf den Sandwich-Inseln dieses Kostüm gesehen zu haben, welches keineswegs so allgemein war und auch dem Auge des Künstlers nicht aufgefallen ist.

Tameiameia behielt Herrn Elliot um sich, von dem nach O-Wahu begleitet zu werden uns wohl erwünscht gewesen wäre. Er gab uns als Geleitsmann und Überbringer seiner Befehle in unserm Betreff einen Edlen geringeren Ranges mit, der seines völligen Vertrauens genoß. Er ließ diesen Mann, namens Manuja, von zehn Meilen her kommen, weshalb er auch spät eintraf.

Der »Rurik« war unter Segel geblieben. Wir hatten bereits Signalschüsse abgefeuert, Raketen abgebrannt und Laternen aufgezogen, als Herr Cook unsern Schutzmann abends um 8 Uhr an Bord brachte.

Wir nahmen mit einem schwachen Landwind unsern Kurs nach O-Wahu. Die aufgehende Sonne fand uns am 25. in Ansicht von O-Waihi und Mauwi. Der Wind hatte uns verlassen. Es war ein schöner Morgen. Größe, Ruhe und Klarheit. Luft und Meer klar und ruhig; rein und wolkenlos die groß und ruhig gezeichneten Höhen beider Inseln. Herr von Kotzebue benutzte den Moment, die Höhen der Berge beider Inseln zu messen.

Zu Nacht erhob sich der Wind; wir hatten den Passat wieder gewonnen. Wir sahen die Feuer der Insel Tauroa brennen. Wir segelten am 26. schnell längs der Inselkette und südlich von derselben vorwärts. Ein paar Walfische (Physeter) spritzten nicht fern von uns ihre Wasserstrahlen. Manuja lag seekrank auf dem Verdecke, und sein Dienstmann war kaum imstande, ihm Hilfe zu leisten. Auch Manuja hatte die Kerne der Äpfel, die er bei uns gegessen, sorgfältig gesammelt und verwahrt.

Wir lavierten die Nacht in Ansicht der Insel O-Wahu.

Wir gelangten am 27. November in den Mittagsstunden vor den Hafen von Hana-ruru. Manuja fuhr mit dem ersten Kanu, welches sich zeigte, ans Land, und bald kam ein königlicher Lotse, ein Engländer, Herr Herbottel, heraus, der uns die Anker außerhalb des Riffes werfen ließ, da jedes einlaufende Schiff während der Windstille, die hier regelmäßig vor Sonnenuntergang eintritt, in den Hafen bugsiert werden muß.

Der Kapitän fuhr, sobald der »Rurik« vor Anker lag, an das Land. Ein amerikanischer Scunner (Schoner), der »Traveller« aus Philadelphia (Kapitän Wilcoks), ging eben unter Segel. Wir sahen über die Brandung hinüber zu der anmutigen Stadt, die, von schlanken Kokospalmen beschattet, aus O-Waihischen Strohdächern und europäischen Häusern mit weißen Mauern und roten Dächern besteht. Sie unterbricht die sonnige Ebene, die den Fuß des Gebirges umsäumt. Der Wald, der die Höhen bekleidet, senkt sich auf ihren Abhöhen tief herab.

Zwei Schiffe lagen im Hafen; beide gehörten dem Herrn der Inseln. Ein Dreimaster, der bald den Namen der Frau von Kareimoku erhalten sollte und der am 29. morgens, mit Taro beladen, nach O-Waihi unter Segel ging. Das zweite, nach Tameiameias edelster Gattin die »Kahumanu« genannt, eine kleine elegante, schnell segelnde Brigg, die – in Frankreich zum Kaperschiff gebaut– ursprünglich »la grande guimbarde« geheißen und, von den Engländern genommen, den Namen »Forester« erhalten hatte. Die »Kahumanu« feuerte als Wachtschiff bei Sonnenuntergang den üblichen Retraitenschuß ab.

Der Kapitän kam an Bord zurück, nicht eben erfreut von dem Empfang, der ihm geworden. Noch war das Volk gegen die Russen in Aufregung, und bei dem Gouverneur hatte er dasselbe Vorurteil zu bekämpfen gehabt. Herr Jung war ihm hilfreich gewesen. Der Gouverneur Kareimoku (den die Engländer Pitt nennen), auf den Sandwich-Inseln der Nächste nach dem Könige, hatte ihm jedoch versprochen, die Befehle, die er in betreff seiner von Tameiameia erhalten, pünktlich zu vollziehen.

Am 28. um 6 Uhr des Morgens riefen wir verabredetermaßen durch einen Kanonenschuß die Kanus herbei, die uns in den Hafen bugsieren sollten. Der Lotse und acht Doppelkanus, jedes unter der Führung des Eigners von sechzehn bis zwanzig Mann gerudert, kamen heran. Herr Jung fuhr an ihrer Seite mit einem kleinen Kanu. Der Anker ward gelichtet, und spielend, lachend, lärmend führten die Sandwicher in guter Ordnung und mit einer Gewalt, die unsere Seeleute bewunderten, den »Rurik« dahin. Wir fuhren nach dem Log drei Knoten. Wir ließen unter den Mauern der Festung die Anker fallen, und Herr Jung kam an Bord, Bezahlung für den Dienst einzufordern, den nicht Leute des Königs uns geleistet hatten.

Ich kann das erste, was uns wie jedem Fremden auf diesen Inseln entgegentrat, mit Stillschweigen nicht übergehen: die allgemeine, zudringliche, gewinnsüchtige Zuvorkommenheit des andern Geschlechts; die ringsher uns laut zugeschrienen Anträge aller Weiber, aller Männer namens aller Weiber.

Die Scham scheint mir dem Menschen angeboren zu sein, aber die Keuschheit ist nur nach unseren Satzungen eine Tugend. In einem der Natur näheren Zustande wird erst das Weib in dieser Hinsicht durch den Willen des Mannes gebunden, dessen Besitztum es geworden ist. Der Mensch lebt von der Jagd. Der Mann sorgt für seine Waffen und für den Fang; er ernährt die Familie. Der Waffenfähige herrscht rücksichtslos im Gebrauch seiner Übermacht; das Weib dient und duldet. Er hat gegen den Fremden keine Pflicht; wo er ihm begegnet, mag er ihn töten und sein Besitztum sich aneignen. Ob er des Getöteten Fleisch zur Speise benutzt oder verwesen läßt, ist unerheblich. Schenkt er aber dem Fremdling das Leben, so schuldet er ihm fürder, was zu dem Leben gehört; das Mahl ist für alle bereitet, und der Mann bedarf eines Weibes.

Auf einer höheren Stufe wird die Gastfreundschaft zu einer Tugend, und der Hausvater erwartet am Wege den Fremdling und zieht ihn unter sein Zelt oder unter sein Dach, daß er in seine Wohnung den Segen des Höchsten bringe. Da macht er sich auch leicht zur Pflicht, ihm sein Weib anzubieten, welches dann zu verschmähen eine Beleidigung sein würde.

Das sind reine unverderbte Sitten.

Diesem Volke der Lust und der Freude – o könnt ich doch mit einem Atemzuge dieser lauen, würzigen Luft, mit einem Blicke unter diesem licht- und farbenreichen Himmel euch lehren, was Wollust des Daseins ist! – diesem Volke, sage ich, war die Keuschheit als eine Tugend fremd; wir haben Hab- und Gewinnsucht ihm eingeimpft und die Scham von ihm abgestreift. – Schon auf der nördlichen Küste der Insel, durch das Gebirge von der verderbten Hafenstadt abgesondert, wähnte ich mehr patriarchalische, unbescholtene Sitten zu finden.

Ich machte schon an diesem ersten Tage die Bekanntschaft von Herrn Marini (Don Francisco de Paulo Marini, der von den Eingebornen »Manini« genannt wird). Er kam mir nicht übereilt entgegen, aber ich fand ihn stets hilf- und lehrreich, wo ich seiner bedurfte; und er hat, mit Geist und Blick den Punkt treffend, den ich suchte, mich das Beste gelehrt, was ich über diese Inseln weiß. Marini war noch sehr jung, als er in einem Hafen der amerikanisch-spanischen Küste – ich glaube zu San Francisco Kaliforniens – mit Früchten und Gemüsen auf ein Schiff geschickt ward, das im Begriff stand auszulaufen. Die Matrosen ließen den Knaben trinken, er schlief ein; sie verbargen ihn. – Das Schiff war auf hoher See, als erwachend er hervorkam. Der Wurf, der sein Schicksal entschied, war geschehen. Auf den Sandwich-Inseln ans Land gesetzt, wurde er auf denselben zu einem Häuptling von Ansehen, der als betriebsamer Landwirt unablässig mit den Arten nutzbarer Tiere und Pflanzen, die er einführte, neue Quellen des Wohlstandes aus dem Boden stampft und als betriebsamer Handelsmann die zahlreichen Schiffe, die hier verkehren, mit allen ihren Bedürfnissen versorgt. Er versteht namentlich unter diesem heißen Himmel das Fleisch auf das dauerhafteste einzusalzen, was die Spanier in der Neuen Welt für unmöglich erklären. Marini schien sich als unabhängiger Mann von dem Könige fernzuhalten und nicht in dessen Gunst zu stehen. Er lebte mehr der Handelswelt. Ich war glücklich zu preisen, daß ihn jetzt keine Schiffe beschäftigten. Im ersten Gespräche, das ich mit ihm hatte, fiel mir eine Äußerung von ihm auf. Es war von den neuesten Zeitereignissen die Rede und von Napoleon. »Der«, sagte er, »hätte in unserm spanischen Amerika getaugt!« Solches Wort hatte ich noch aus keines Spaniers Munde gehört.

Ich machte die erste botanische Exkursion, bestieg den ausgebrannten Vulkan hinter der Stadt, drang berghinan in den Wald und kam über das Tal zurück, das durch kunstreiche Bewässerung für die Kultur der Taro gewonnen ist. Ich lernte die Kühlung der Bergtäler kennen und die erhöhte Temperatur, die einen empfängt, sobald man aus denselben auf den sonnigen Saum der Insel hervortritt.

Der ich täglich die Gegend durchschweifte und das Gebirge, werde ich meine einsamen Spaziergänge nicht weiter beschreiben, aber hier etliche der kleinen Abenteuer, die mir auf denselben zustießen, zusammentragen.

Über Ströme und Flüsse führt keine Brücke; ist man doch froh, die Gelegenheit zu einem Süßwasserbad zu haben, welches von den Anwohnern des Meeres ebenso geschätzt und begehrt wird wie von uns Mittelländern das Seebad. Man wird auch allerorten auf jede sich darbietende Gelegenheit aufmerksam gemacht, und »Willst du baden?« ist eine Frage, die man bald erlernt hat.

Ich hatte mich ausgezogen, um den Strom, der hinter Hana-ruru sich in den Hafen ergießt, zu durchwaten, und das Wasser ging mir kaum bis über die Knie, als ich ein leichtes Kanu an mich heranrudern hörte und ein großes Gelächter vernahm. Es war eine Dame, anscheinlich von der ersten Kaste, die mich hier zu necken sich ergötzte. Ich war wie ein unschuldiges Mädchen, das ein Flegel sich den Spaß macht im Bade zu beunruhigen.

Bei einer weiteren Exkursion, auf welcher mich ein Führer geleitete, ging der Weg durch ein breites, ruhiges Wasser. Der O-Waihier stieg vor mir hinein und ging hinüber; das Wasser stieg ihm nicht bis an die Brust. Ich geriet auf den Einfall, ich, der ich eigentlich nicht schwimmen kann, hinüber schwimmen zu wollen. Ich versuchte es – und siehe! das Wasser trug mich, und ich kam ordentlich vorwärts. Ich war außerordentlich mit mir zufrieden und dachte: Es ist auch gut, den Leuten zu zeigen, daß, wenn gerade kein Meister in ihrer Kunst, man doch derselben nicht ganz fremd ist. Da weckte mich ein unendliches Gelächter, das laut und lauter am Ufer erscholl, aus meinem Traum. Wie ich mich umsehen konnte, um zu erkundigen, was da vorging, gewahrte ich, daß sich das Ufer dicht mit Menschen bekränzt hatte, die herbeigelaufen waren, um über den kuriosen Kanaka haore (den weißen Mann) zu lachen, der, anstatt wie ein vernünftiger Mensch durchs Wasser zu gehen, sich eine ungeheure Mühe gab, seine Ungeschicktheit zur Schau zu geben. Aber das Lachen hat hier nichts Feindseliges. Lachen ist das Recht des Menschen; jeder lacht über den andern, König oder Mann, unbeschadet der sonstigen Verhältnisse.

»Arocha!« ist der Friedensgruß, den jeder jedem bietet und der mit gleichem Gegengruß erwidert wird. Auf jedes »Arocha!«, das einem zugerufen wird, antwortet man »Arocha!« und zieht seines Weges, ohne sich umzusehen. Als ich einst botanisieren ging und von Hana-ruru meinen Weg nach den Taropflanzungen genommen hatte, fiel es mir auf, daß, wo schon die Häuser zu Ende waren, das Grüßen noch kein Ende nahm; und war doch auf dem freien Felde links und rechts niemand zu sehen. »Arocha!« ward mir in allen Tönen unablässig nachgerufen, und ich erwiderte treuherzig jeden Gruß. Ich sah mich unvermerkt um und ward gewahr, daß ich einen Troß Kinder hinter mir her nachzöge, die es belustigte, den Kanaka haore sein »Arocha!« wiederholen zu lassen. Wartet nur, meinte ich; und ich zog mit großer Geduld begrüßt und grüßend den Schwarm mir nach bis in die Engpässe der Tarofelder, über Gräben, Gehege, Wasserleitungen und Erdwälle. Da kehrte ich unversehens um und lief mit erhobenen Armen und entsetzlichem Geheul auf sie zu; sie im ersten Schrecken ergriffen die Flucht und stürzten übereinander und in die Wasserbehälter. Ich lachte sie aus – sie lachten – und wir schieden als Freunde: »Arocha!«

Auf einer Wanderung durch das fruchtreiche Tal hinter Hana-ruru fand ich einst am Rande eines der Wasserbehälter, worin der Taro gezogen wird, ein schönes Gras, welches ich mich nicht erinnerte gesehen zu haben und wovon ich mir gleich Exemplare ausriß. Bei dem Geschäft traf mich ein O-Waihier an, der darob mich ausschalt und pfändete und den ich nur mit Mühe beschwichtigen konnte. Ich erzählte Herrn Marini das Ereignis und zeigte ihm das Gras. Der Mann war sein Pächter, das Gras – war der Reis, der, nachdem manche frühere Versuche mißglückt, endlich in diesem Jahre zuerst auf diesen Inseln gegrünt hatte.

Mag mancher Botaniker mich auslachen, dem es vielleicht nicht besser ergangen wäre. Auch ich hätte Oryza sativa im Herbario nicht verkannt.

Bezeichnend mag sein für die hiesige Pflanzenwelt, worin die baumartigen Riesenlianen Brasiliens meist nur durch krautartige Winden- und Bohnenarten vertreten werden, die ihre Netze über das niedere Gebüsch ausspannen, daß ich einmal im Gebirge abseits vom Pfade in so ein Nest geriet und, wie ich weiter vordringen wollte, endlich gewahr wurde, daß ich bereits über den Absturz des Felsens hinaus in einer Hängematte über dem Abgrund schwebte.

 

Am 29. November wurden wir zuerst nach dem Befehle Tameiameias versorgt. Wurzeln und Früchte, wie sie das Land nur hervorbringen mag, wurden uns in Überfluß gereicht, und die Schweine, die man uns lieferte, waren so groß, daß wir kaum die Hälfte verzehren konnten; die übrigen wurden teils eingesalzen, teils lebendig mitgenommen.

Der Kapitän unternahm an diesem Tage, den Plan des Hafens von Hana-ruru aufzuzeichnen, und ließ zu dem Behufe Chramtschenko Signalstangen mit Flaggen auf verschiedenen Punkten einpflanzen. Diese Flaggen erinnerten das Volk an jene Flagge, die bei der Besitznahme aufgezogen worden war, und nun griff alles zu den Waffen, sich das Fest einer Schlacht versprechend; denn waffenlustig ist dieses fröhliche Volk, und es entbehrt schon lange dieser Lustbarkeit. Haul-Hanna, der zum Glücke früh genug berichtet ward, schlug sich ins Mittel, beschwichtigte Kareimoku, kam selbst an das Schiff, den Kapitän zu warnen, und ward unser guter Engel. Alles Flaggenartige verschwand sofort, und der Krieg ward abgesagt.

Am 30. November stellten sich auf Einladung des Kapitäns Kareimoku und die vornehmsten Häuptlinge: Teimotu (Bruder der Königin Kahumanu), Haul-Hanna und andere, zum Mittagessen auf dem »Rurik« ein. Kareimoku war herzlich und brachte dem Kapitän den Friedensgruß. Die Herren waren alle in europäischer Tracht, wenn nicht alle nach der neuesten Mode, so doch alle sehr anständig. Man setzte sich zu Tisch, und ihr Benehmen kann für ein Muster der Schicklichkeit und guten Sitte gelten. Wir hingegen, wir waren die Ungeschickten, die Tölpel; denn es ist doch wohl gesellige Pflicht, sich nach den Sitten und Bräuchen derer, die man bewirten will, zu erkundigen und sich in notwendigen Dingen darnach zu richten. Aber das Schwein, das wir den Herren vorsetzten, war nicht im Morai geweiht worden, und so war es nicht (um mich europäisch auszudrücken) kauscher, und nichts von allem war kauscher, was am selben Feuer mit ihm gekocht und gebraten worden. Ein Stück Zwieback und ein Glas Wein war das einzige, was sie genießen durften. Sie mußten nüchtern uns essen sehen, ohne sich einmal mit uns unterhalten zu können – das war unsere Bewirtung! Sie aber benahmen sich dabei besser, als wir uns vielleicht an ihrer Stelle benommen hätten, und ließen den guten Willen für die Tat gelten. Kareimoku trank ein »Arocha!« dem Kaiser von Rußland zu, ein »Arocha!« ward dem Tameiameia dargebracht, und wir waren gute Freunde.

Die Frauen indes, deren einige mitgekommen waren – das Tabu ist auf den Schiffen minder streng als auf dem Lande, wo sie unter Todesstrafe das Speisehaus der Männer nicht betreten dürfen – die Frauen, sage ich, tranken indes Wein und betranken sich, was ein O-Waihier von Stand nie tun wird.

Das von Choris gemalte, sehr ähnliche Bild von Tameiameia machte ein ausnehmendes Glück. Alle erkannten es, alle hatten Freude daran. Ich werde einen Zug nicht vergessen, welchen man vielleicht für die Sitten dieses Volkes bezeichnend finden wird. Der Maler hatte in sein Zeichenbuch neben dem König ein Weib aus der Mittelklasse gezeichnet. Herr Jung, dem zuerst das Blatt gezeigt wurde, fand diese Nachbarschaft dergestalt bedenklich, daß er unserm Freunde riet, die zwei Porträts entweder zu trennen oder gar nicht sehen zu lassen. Demgemäß ward das Blatt durchgeschnitten, bevor das Bild des Königs andern O-Waihiern gezeigt wurde. Von diesem sehr gelungenen Porträt teilte Choris hier etliche Kopien aus. Wie wir im nächsten Jahre nach Manila kamen, hatten sich bereits die amerikanischen Kaufleute dieses Bildes bemächtigt und hatten es in den chinesischen Malerfabriken für den Handel vervielfältigen lassen. Choris hat ein Exemplar der chinesischen Ausgabe nach Europa mitgebracht.

Am 30. November fing mit Sonnenuntergang die Feierlichkeit eines »Tabu-pori« an, um mit dem Sonnenaufgang des dritten Tages zu endigen. Begierig, den heiligen Mysterien des O-Waihischen Kultus beizuwohnen, wandte ich mich an Kareimoku, der ohne alle Schwierigkeit mich einlud und dessen Gast ich auf die Dauer des Festes im Heiligtume des Morai wurde. Er verließ gegen vier Uhr das Schiff, und ich stellte mich vor Sonnenuntergang bei ihm ein.

Ich habe die Details der Liturgie und der heiligen Bräuche, die man übrigens bei älteren Reisenden genau beschrieben findet, nicht aufgezeichnet; aber eins kann ich sagen: gegen die Lustigkeit, mit der sie vollzogen wurden, könnte die Lustbarkeit eines unserer Maskenbälle für ein Leichenbegängnis angesehen werden. Die religiösen Handlungen füllen nur einzelne Stunden aus. Wie bei der katholischen Liturgie fällt das Volk stellenweise in den Gesang der fungierenden Priester ein. Die Zwischenzeiten gehören der fröhlichsten Unterhaltung, und es werden gute Mahlzeiten abgehalten, wobei ich allein nach europäischer Art bedient wurde und gebackene Taro anstatt des üblichen Breies bekam. Zur Mahlzeit wie zur Unterhaltung liegt man in zwei Reihen auf dem mit Matten belegten Estrich, mit dem Kopf nach dem trennenden Mittelgang, auf den die Türe stößt. Die Gerichte werden auf Bananenblättern aufgetragen, man führt die Speisen mit den Händen nach dem Munde, und der zähe Tarobrei, der das Brot vertritt, wird von den Fingern abgeleckt. Waschwasser wird vor und nach der Mahlzeit gereicht. Zu Nacht geben Fackeln von Kukuinüssen, die auf Stäbchen eingefädelt sind, ein sehr helles Licht. Dieses alles im Morai nicht anders als zu Hause.

Wer aus dem heiligen Bezirke sich entfernen will, wird von einem Knaben begleitet, der jeglichem zur Warnung ein kleines weißes Fähnlein führt. Ein Weib, das man berühren würde, müßte sogleich getötet werden; ein Mann müßte sich nur im Morai der gleichen Absonderung unterwerfen.

Choris hat in seinem »Voyage pittoresque« die Idole eines Morai zu O-Wahu abgebildet. Der Typus, der sich in den Figuren wiederholt, ein gleichsam hieroglyphischer, scheint mir der altertümliche, volkstümliche zu sein. Die mit roten Federn bekleidete Figur von Korbgeflechte, die, im Allerheiligsten des Morai verwahrt, bei den Bräuchen des »Tabu-pori« zum Vorschein kommt, trägt diesen selben Typus. Der weite Mund ist mit wirklichen, ich glaube, Hundezähnen umzäunt. Ein paar Jünglinge brachten mir in einer Zwischenzeit die Figur, damit ich sie näher betrachten könne. Begierig, die Grenze des mir Erlaubten zu erkunden, fühlte ich der Göttergestalt auf den Zahn, worauf mit einer plötzlichen Bewegung derjenige, der die Figur trug, sie meine Hand verschlingen ließ. Natürlicherweise zog ich überrascht die Hand schnell zurück – und sie erhoben ein unmäßiges Gelächter.

 

Die Bräuche, die ich noch gesehen, werden auf diesen Inseln nicht mehr vollführt, und die Sprache der Liturgie soll verhallen. Keiner hat wohl daran gedacht, zu erforschen und der Vergessenheit zu entziehen, was dazu beitragen könnte, das Verständnis der Äußerlichkeiten des Gesetzes dieses Volkes zu eröffnen, Licht in seine Geschichte – vielleicht in die Geschichte der Menschen – zu bringen und die großen Rätsel, die uns Polynesien darbietet, aufzulösen. Wahrlich, es hätte durch die Romanzowsche Expedition Preiswürdiges für die Wissenschaft gewonnen werden können, wenn sie einem geradsinnigen, eifrigen Forscher einen Aufenthalt von einem Jahre auf diesen Inseln gegönnt hätte. Aber man fährt wie eine abgeschossene Kanonenkugel über die Erde dahin, und wenn man heimkommt, soll man rings ihre Höhen und Tiefen erkundet haben. Als ich gegen den Kapitän mich erbot, bis zu der Rückkunft des »Rurik« hierzubleiben, erhielt ich zur Antwort: er wolle mich nicht halten; es stehe bei mir, von der Expedition abzutreten, wann es mir gefiele.

 

Am 4. Dezember veranstaltete Kareimoku für uns ein Hurrahurra oder Tanzspiel und ein zweites am 6. Dezember. Wahrlich, seit ich wiederholt die widrigen Verrenkungen anzuschauen mir Gewalt angetan habe, die wir unter dem Namen Ballettanz an unseren Tänzerinnen bewundern, erscheint mir, was ich in meinen »Bemerkungen und Ansichten« von der Heiterkeit und Herrlichkeit jenes Schauspieles gesagt habe, blaß und dem Gegenstande nicht entsprechend. Wir Barbaren! Wir nennen jene mit Schönheitssinn begabten Menschen »Wilde«, und wir lassen das Ballett den beschämten Dichter und den trauernden Mimen aus den Hallen verdrängen, die wir der Kunst geweiht zu haben uns rühmen.

Ich habe es immer bedauert und muß hier mein Bedauern wiederholt ausdrücken, daß nicht ein guter Genius einmal einen Maler, einen zum Künstler Berufenen, nicht nur so einen Zeichner von Profession, auf diese Inseln geführt. Es wird nun schon zu spät. Auf O-Taheiti, auf O-Waihi verhüllen Missionshemden die schönen Leiber, alles Kunstspiel verstummt, und der Tabu des Sabbats senkt sich still und traurig über die Kinder der Freude.

Ein Zeichen muß ich geben, daß ich unbestochen rede. Am 4. tanzten drei Männer; am 6. eine Schar von Mädchen, darunter viele von ausnehmender Schönheit. Nicht diese haben auf mich den bleibenden Eindruck gemacht, nein, die Männer, die kunstreicher waren und von denen doch der erste nicht einmal schön unter den Seinen zu nennen war.

So hingerissen und freudetrunken, wie die O-Waihier von diesem Schauspiel waren, habe ich wohl nie bei einem anderen Feste ein anderes Publikum gesehen. Sie warfen den Tänzern Geschenke, Zeuge, Juwelen zu.

Ich werde hier Geringfügiges berichten, doch tritt in dem Kinde der Charakter des Volkes hervor. Bei dem Tanz der Männer unter den Kokospalmen war mir ein Knabe sehr hinderlich, der vor mir stand und mir auf die Füße trat. Ich schob ihn unsanft von mir; er sah sich grimmig nach mir um, und ich las auf seinem verfinsterten Gesicht, daß ich einer Menschenseele weh getan habe. Ich entgegnete ihm mit einem erbosten Gesicht und der Pantomime des Wurfspießschwingens, als habe ich ihn zum Gegner und ziele nach ihm. Da war der Junge versöhnt und lachte mich an; hielt ich ihn für waffenfähig und mir gewachsen, so war es gut; aber sich stoßen und treten lassen, das wollte er nicht.

Ein anderes Schauspiel war uns verheißen – das Schauspiel volkstümlicher Waffenübungen von Fürsten und Edeln, einer Scheinschlacht, die, nicht ohne Gefahr, bei der raschen Leidenschaftlichkeit dieses Volkes leicht zu einer wirklichen werden kann. Die Waffe ist, wie man weiß, der Wurfspieß, der nicht mit erhobenem Arm, wie von den Griechen, sondern mit gesenktem, längs der Erde, den Rücken der Hand einwärts, den Daumen nach hinten, geschwungen und von unten auf geschleudert wird. Die Fürsten tragen bei diesem Waffenspiel den Federmantel.

Dieses Schauspiel versäumt zu haben ist meinem Leben ein unersetzlicher Verlust. Es sollte am 7. stattfinden und ward ausgesetzt. Am 8. unternahm der Kapitän nach der Gegend von Pearl River eine Jagdpartie, auf welcher er zwei Tage zubringen sollte. Ich benutzte diese Zeit zu einer Exkursion quer durch die Insel nach der Nordküste derselben. Kareimoku hatte mir zwei seiner Leute mitgegeben und mir in den Orten, wo ich einkehren sollte, einen gastlichen Empfang bereitet. Ich erstieg durch das Tal, welches hinter Hana-ruru liegt, den Kamm des Gebirges, da wo er sich zu dem niedrigsten Col senkt. Den steil der Nordküste zugekehrten Absturz kletterte ich, wie man schon in der Schweiz tun lernt, mit nackten Füßen hinab. Ich übernachtete unten und kam über einen westlichen, viel höheren Bergpaß und durch ein anderes Tal am Abend des 9. nach Hana-ruru zurück. Da war das Waffenspiel, das an diesem Tage stattgefunden, bereits zu Ende.

Manuja hatte eifrig, pünktlich und liebevoll die Aufträge seines Herrn befolgt, das Holzfällen und Heranbringen besorgt und so weiter. Er wurde hinwiederum beauftragt, dem Könige, was noch für ihn bestimmt war, zurückzubringen. Er selber wurde reichlich beschenkt.

 

Am 13. Dezember waren wir reisefertig. Ich bemerke beiläufig, daß die Europäer auf den Sandwich-Inseln die Zeitrechnung von West in Ost über Kanton erhalten haben, so daß wir, die wir die Zeit von Ost in West mitbrachten, einen Tag gegen sie im Rückstand waren, wie in Kamtschatka und den russischen Ansiedlungen der Fall gewesen war. Derselbe Unterschied fand zwischen Nachbarn, San Francisco und Port Bodega, statt. Wenn man sich mit dem alten und dem neuen Kalender, der Zeitrechnung von Osten her und von Westen her, der Zeit von Greenwich und der von dem Schiffe, der mittleren und der wirklichen Zeit, der Sonnenzeit und der Sternenzeit, dem astronomischen Tag und so weiter abzufinden hat: so ist es nicht leicht zu sagen, was es an der Zeit ist. Ich rechne bis zu der Vollendung des Kreises die Längengrade West von Greenwich und die Tage nach dem neuen Kalender und nach fortlaufender Schiffsrechnung.

Am 14. Dezember 1816, morgens um 6 Uhr, forderten wir durch einen Kanonenschuß den Lotsen, der mit etlichen Doppelkanus herbeikam. Wir wurden aus dem Hafen herausbugsiert. Kareimoku kam an Bord. Wir salutierten die königlich O-Waihische Flagge, die über dem Fort wehte, mit sieben Schüssen, die das Fort Schuß für Schuß erwiderte. Sodann salutierte uns das königliche Wachtschiff, die »Kahumanu«, mit sieben Schüssen, die wir wiederum mit gleicher Anzahl erwiderten. Um 8 Uhr waren wir aus dem Hafen. Kareimoku und seine Begleiter nahmen von uns zärtlichen Abschied. Als sie sich in ihre Kanus wieder eingeschifft und von uns abstießen, salutierten sie uns mit einem dreimaligen Hurra, das wir gleicherweise erwiderten.

 

Am 14. Dezember 1816 aus dem Hafen von Hana-ruru ausgesegelt, hatten wir drei Tage lang schwache, spielende Winde und Windstille. Walfische wurden in der Ferne gesehen; am 16. ward eine Seeschwalbe auf dem Schiffe gefangen.

Der Wind stellte sich am 17. ein und brachte uns schnell vorwärts. Am 19. hatten wir Regen. Am 21. und 22. suchten wir vergeblich unter dem 17. Grad nördlicher Breite Inseln, die vom Kapitän Johnstone im Jahre 1807 gesehen worden; Pelikane und Fregatten umschwärmten uns in großer Menge.

Wir setzten unseren Kurs nach Südwesten fort. Wir fuhren vor dem Winde bei sehr lästigem Schwanken des Schiffes und schnellem Lauf. Die Seevögel begleiteten uns. Der Horizont hatte nicht seine gewöhnliche Klarheit. Wir suchten vom 26. bis zum 28. unter dem 11. Grad nördlicher Breite die Insel San Pedro (der Marquesas-Gruppe), ohne dieselbe zu entdecken. Zeichen von Land vermochten uns, die Nacht zu lavieren.

Am 29. sahen wir Delphine, fliegende Fische, Treibholz. Die Zahl der Vögel verringerte sich. Vom 28. an steuerten wir westwärts zwischen 9 Grad und 10 Grad nördlicher Breite, um die Mulgraves-Inseln (Gruppe der Marshall-Inseln) aufzusuchen; wir lavierten meist während der Nacht. In der Nacht vom 30. zum 31. stellte sich ein Landregen ein, welcher den ganzen Tag anhielt. Ein Stück Holz, worauf sich eine Schnepfe niedergelassen hatte, trieb am Morgen am Schiffe vorbei. Man hatte schon zu Nacht Schnepfen gehört. Der Wind war viel gemäßigter geworden.

Am 1. Januar 1817 hatten wir bereits einen nördlicheren Kurs genommen, um die im vorigen Jahre gesehenen Inselgruppen aufzusuchen, als in den Nachmittagsstunden Land gesehen ward.

In dieser Zeit der Reise hatten sich die Lichtschaben (Blatta germanica) auf eine furchtbare Weise auf dem »Rurik« vermehrt und vergegenwärtigten uns eine der ägyptischen Plagen. Es hat etwas Unheimliches, etwas Wundergleiches, wenn die Natur einer solchen untergeordneten Art, deren Individuum als ein unmächtiges Nichts erscheint, durch die überwuchernde Anzahl derselben, durch das Gedeihen aller Keime und durch die Verwandlung alles organischen Stoffes in sie zu einer unerwarteten Übermacht verhilft. Dem Menschen verborgen, entziehen sich seiner Einwirkung die Umstände, welche die Vermehrung und Abnahme jener Geschlechter bedingen; sie erscheinen und verschwinden. Dem Spiele der Natur sieht er ohnmächtig staunend zu. Als wir im Spätjahr 1817 zum andernmal von Unalaska südwärts steuerten, hatte sich die Blatta fast gänzlich verloren, sie nahm nie wieder überhand.

Eine andere Ungemächlichkeit des Seelebens, die wir seit Kalifornien kennengelernt, war der Gestank des faulenden Kielwassers. Auf Schiffen, die – wie der »Rurik« – kein Wasser einlassen und auf welchen die Pumpen müßig sind, leidet man mehr davon als auf solchen, wo das Eindringen und Herauspumpen des Wassers kein Stocken und Faulen desselben zuläßt. Wir mußten selber Wasser eingießen, um das stockende herauszubekommen.

Ich habe bis jetzt noch einer wohltätigen Erquickung nicht gedacht, deren wir in der heißen Zone genossen. Ich meine das Sturzbad, das Übergießen mit Seewasser, womit wir uns abends am Vorderteile des Schiffes erfrischten. Wir waren noch nicht müde und hatten noch Laune zu manchem Scherze. Einmal, während Login Andrewitsch badete, entwendete ihm Iwan Iwanowitsch sein Hemd und machte ihn glauben, der Wind habe es in die See geweht.

Login Andrewitsch schlief noch zu Nacht auf dem Verdeck, nachdem ich und der Doktor auf diesen Genuß verzichten zu müssen geglaubt. Er schob seine Matratze durch das Fenster auf das Verdeck und stieg dann selbst die Treppe hinauf, sich oben zu betten. Ich paßte einmal den Moment ab, wo er auf der Treppe war, zog schnell die Matratze in die Kajüte zurück und legte sie wieder an ihren Ort in seine Koje. Er suchte nun die verschwundene allenthalben, nur nicht, wo sie war, haderte mit allen, die er auf dem Verdecke fand, und geriet in eine gar komische Verzweiflung.

Man verzeihe mir dieses lustige Zwischenspiel. Ich komme jetzt auf Radak und die Radaker.

Die Radak-Inseln

Die Inselkette Radak liegt zwischen 6° und 12°, die von uns gesehenen Gruppen zwischen 8° und 11°30' nördlicher Breite und 188° und 191° westlicher Länge.

Am 1. Januar 1817 hatte sich das Wetter aufgeklärt und der Wind gelegt. Der noch hohe Wellengang bewies, daß kein Land über dem Wind des Schiffes lag. Boniten umschwärmten uns. Nachmittags ward Land entdeckt; es ward erst, als die Sonne unterging, vom Verdeck sichtbar. Eine kleine niedrige Insel: Mesid. Der klare Mondschein sicherte uns zu Nacht vor Gefahr.

Am Morgen des 2. näherten wir uns mit sehr schwachem Winde der Südseite der Insel. Sieben kleine Boote ohne Mast und Segelwerk, jedes mit fünf bis sechs Mann bemannt, ruderten an uns heran. Wir erkannten die Schiffsbauart und das Volk der im Mai des vorigen Jahres gesehenen Inselgruppen. Die reinlichen, zierlichen Menschen betrugen sich sittig; eingeladen, kamen sie zutraulich näher an das Schiff heran, auf dessen Verdeck sich jedoch keiner zu steigen vermaß. Wir eröffneten einen Tauschhandel, der ihrerseits mit großer Ehrlichkeit geführt ward. Wir gaben ihnen Eisen; sie hatten meist nur ihren Schmuck, ihre zierlichen Muschelkränze, uns. anzubieten.

Eine Landung zu versuchen, ließ der Kapitän die Jalik und die Baidare aussetzen. Der Leutnant Schischmarew kommandierte in der Jalik, ich folgte mit Eschscholtz und Choris in der Baidare; die Mannschaft war bewaffnet. Die das Schiff umringenden Boote folgten uns, als sie uns dem Lande zurudern sahen. Andere kamen von der Insel hinzu, in deren Nähe beiläufig achtzehn gleiche Fahrzeuge um uns einen Kreis zogen, und ich zählte deren noch sechs auf dem Strande. Eine Menge Menschen stand am Ufer, nur Männer; Weiber und Kinder zeigten sich nicht. Ich schätzte die Kopfzahl der von uns Gesehenen auf hundert, der Leutnant Schischmarew aber auf das doppelte; auf jeden Fall eine verhältnismäßig viel stärkere Bevölkerung als auf den übrigen von uns besuchten Gruppen derselben Inselkette. Bei unserer Minderzahl, welche die Insulaner zudringlicher machte, und bei der Übermacht unserer mörderischen Waffen mochte Gleb Simonowitsch das Land nicht betreten. Hatte doch schon einer unserer Leute auf einen Eingeborenen angelegt, der schwimmend ein Ruder unserer Baidare angefaßt hatte. Der Handel ward in der Nähe des Strandes fortgesetzt. Die Menschen gaben für Eisen, was sie besaßen: Kokosnüsse, Pandanusfrüchte, Matten, zierliche Muschelkränze, ein Tritonshorn, ein kurzes, zweischneidig mit Haifischzähnen besetztes, hölzernes Schwert. Sie brachten uns frisches Wasser in Kokosschalen; sie wollten uns an das Land ziehen; einer versuchte in unser Boot zu steigen. Wir ließen ihnen ziemlich viel Eisen und fuhren an das Schiff zurück.

Die Länge der Insel Mesid von Norden gegen Süden mag ungefähr zwei Meilen betragen. Wir nahten ihr auf der schmalen südlichen Seite, wo Wohnungen der Menschen sind. Die Kokospalmen – unregelmäßig verteilt – erheben sich nicht sehr hoch über den niederen Wald, dessen Hauptbestandteil der Pandanus ausmacht. Man erblickt weithin unter dem grünen Laubdach den von Dammerde entblößten weißen Korallengrund. Die Ansicht ist der von der Insel Romanzow zu vergleichen, doch ist wohl letztere minder dürftig.

 

Wir steuerten nach Westen und hatten am Abend mit schwachem Winde die Insel aus dem Gesichte verloren.

Wir sahen am 3. mehrere Schnepfen und Strandläufer, einen Walfisch und etliche Pelikane, von denen einer geschossen ward. Wir legten um und steuerten nach Südost.

Am 4. gegen Mittag, als wir im Begriff waren, das fernere Suchen aufzugeben, kamen wir auf eine Kette von Inseln, die sich unabsehbar von Osten in Westen erstreckte. Auf den begrünten Punkten, die Riff und Brandung vereinigten, erhob sich nicht der Kokosbaum, und nichts verriet die Gegenwart des Menschen. Wir erreichten am Abend die Westspitze der Gruppe und fanden uns unter dem Winde derselben in einem ruhigen Meere. Das Riff, von Land entblößt, nahm eine süd-östliche Richtung. Wir segelten längs desselben und entdeckten Lücken in ihm, die uns die Hoffnung gaben, in das innere Becken, das eine ruhige Spiegelfläche darbot, einzudringen. Während der Nacht trieb uns der Strom nach Nordwest. Am Morgen des 5. war das Land verschwunden. Wir erreichten erst gegen 9 Uhr den Punkt, wo uns die Nacht befallen hatte.

Der Leutnant Schischmarew ward ausgesandt, die Eingänge zu untersuchen, und bei dem zweiten verkündigten uns seine Signale, daß ein Tor für den »Rurik« gefunden sei. Da stieg von einer der entfernteren Inseln eine Rauchsäule auf; wir begrüßten frohlockend das Zeichen der Menschen. Kein Fahrzeug der Insulaner ließ sich erblicken.

Der Tag neigte sich schon. Das Boot wurde zurückgerufen, und, um uns die Nacht auf unserm jetzigen Standpunkt zu behaupten, ward ein Werpanker auf das Riff hinausgetragen und befestigt, dessen Tau in Empfang zu nehmen der »Rurik« unter Segel an die schäumende Brandung hinanfuhr. »So klammert sich der Schiffer endlich noch am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.« Der Nordost-Passat hielt uns um die Länge eines Taues von unserm Untergange entfernt.

Hier, um das Riff und seine Öffnungen, umringten uns Boniten, fliegende Fische und eine Unzahl Haifische, die unsere Boote bedrohlich verfolgten. Zwei wurden gefangen und verspeist.

Am 6. veränderte sich vor Tagesanbruch der Wind, und zum Osten übergehend, trieb er uns der schäumenden Brandung zu. Vom Kabeltau uns lösend, gingen wir unter Segel. Sobald die Sonne aufgegangen, kehrten wir zurück.

Um 10 Uhr morgens drangen wir, zu beiden Seiten von der Brandung umbraust, alle Segel aufgespannt, mit Wind und Strom durch die »Rurikstraße« in das innere Meer der Gruppe Otdia der Inselkette Radak hinein.

Indem das Becken mit der Ebbe Und Flut sich leert und füllt, setzt der Strom zu den Lücken seines Randes bei der Ebbe hinaus und mit wiederkehrender Flut hinein.

Mit dem Boote ausgesandt, ermittelte Leutnant Schischmarew bei der westlichsten der Inseln einen gesicherten Platz, wo der »Rurik« die Anker fallen ließ.

Ich werde nicht den Leser einzuschläfern mich bemühen mit ausführlichen Berichten unserer täglichen Versuche und Wahrnehmungen während unseres Aufenthaltes in diesem Hafen. Die Absicht war – nachdem wir (was am 7. geschah) den auf dem Riffe zurückgelassenen Werpanker wieder aufgenommen, nötig erachtete astronomische Beobachtungen gemacht und in Booten voraus rekognosziert hätten –, tiefer ostwärts in die Gruppe einzudringen, wo wir die festen Wohnsitze der Menschen zu vermuten berechtigt waren.

Einen traurigen Anblick gewährte dieser westliche Teil der Kette. Die nächsten Inseln um uns waren wüst und ohne Wasser, aber der Mensch hatte auf ihnen seine Spur zurückgelassen, und der jüngst angepflanzte Kokosbaum zeugte von seiner sorgsamen Betriebsamkeit. Es ist wahrlich schwer, alles vorauszusehen, was in einer kleinen Welt, wie die unsrige, vorfallen kann. Einmal fiel unser alberner Koch über diese Pflanzung her, um die Hoffnung künftiger Geschlechter zu einem Gerichte Gemüse für unseren Tisch zu verbrauchen. Daß es nicht wieder geschah, brauche ich nicht zu sagen.

Auf der vierten Insel (vom Westen an gerechnet) waren neben einer Wassergrube Strohdächer, die – auf niederen Pfosten ruhend – uns nur zu einem Schirm bei gelegentlichem Besuch dieser Gegend bestimmt zu sein schienen. Außer dem Kokosbaum war da auch der Brotfruchtbaum angepflanzt.

Auf dieser Insel landete am 6. ein Boot der Eingebornen und ging sodann wieder in die See, uns aus scheuer Entfernung zu betrachten. Es gelang uns nicht, die Menschen an uns zu locken, und auch vor dem Boote, worin wir ihnen entgegenruderten, ergriffen sie ängstlich die Flucht. Sie warfen uns etliche Früchte zu und luden uns an das Land; es war derselbe Auftritt wie im vorigen Jahre auf der hohen See bei Udirik.

Das Boot zeigte sich wiederum am andern Tage, und da folgten wir den Menschen auf ihre Insel. Bei unserm Nahen traten die Weiber in das Dickicht zurück. Die Männer, erst nur wenige, kamen uns zögernd mit grünen Zweigen entgegen; wir brachen auch grüne Zweige; der schon oft gehörte Friedensgruß »Eidara!« ward uns zugerufen, und wir erwiderten ihn auf gleiche Weise. Keine Waffe war gegen uns, die gefürchteten Fremden, in Bereitschaft gehalten. Nachdem wir mit den ersten Freundschaft gestiftet, kamen die andern herbei, und die Weiber wurden herbeigerufen. Die Menschen schienen uns freudig, freundlich, bescheiden, freigebig und nicht erpicht auf Gewinn. Allen Schmuck, den sie trugen, ihre zierlichen Muschel- und Blumenkränze, ihre Halsbänder und so weiter gaben uns Mann und Weib, und es schien mehr ein anmutiges Lebenszeichen zu sein denn eine Gabe.

Der Kapitän fuhr am nächsten Tage selber nach dieser Insel, fand aber unsere Freunde nicht mehr dort, die – vermutlich um frohe Botschaft von unserer friedlichen Gesinnung zu verkünden – sich fortbegeben hatten.

Von den Tieren, die wir zu O-Wahu an Bord genommen, waren noch etliche Ziegen vorhanden. Diese setzte Herr von Kotzebue auf der Insel aus, wo sie vorläufig zum Entsetzen der zurückkehrenden Insulaner gereichten. Bei der frommen Absicht, diese nutzbare Tierart auf Radak einzuführen, war unbeachtet geblieben, daß bei der kleinen Herde ein Bock sich befand (hoffentlich nicht der einzige), ein Bock sage ich, der – horribile dictu! – der ein kastrierter war. Derselbe, ob vor Scham, seinem Amte nicht gewachsen zu sein, ob an Gift oder Krankheit, starb sogleich, und dessen geschwollener Körper ward am andern Tage am Strande gefunden. Außer den Ziegen wurden auf der Insel ein Hahn und ein Huhn zurückgelassen, die alsbald Besitz von einem Hause nahmen. Wir brachten erst später in Erfahrung, daß Hühner einheimisch auf diesen Riffen sind. Endlich wurden auch etliche Wurzeln und Gewächse gepflanzt und ausgesäet. Etliche kleine Geschenke wurden in den Häusern zurückgelassen.

Chramtschenko fand am andern Tag Menschen auf der Insel, etliche Männer, andere als die, mit denen wir zuerst Freundschaft gestiftet. Die Insulaner wandern zur Ebbezeit längs dem Riffe zu entfernteren Inseln. Er ward aufs freundlichste empfangen und bewirtet. Die von uns ausgesetzten Geschenke lagen unangerührt, wo und wie wir sie hingelegt hatten. Sie erzeugten, als Chramtschenko sie verteilte, eine lebhafte Freude. Aber die Ziegen verbreiteten den größten Schrecken.

Der Leutnant Schischmarew ward am 10. Januar mit der Barkasse auf eine Rekognoszierung ausgeschickt. Der Wind setzte ihm Schwierigkeiten entgegen. Er sah nur unbewohnte Inseln und kehrte am Abend zurück.

Am 12. gingen wir unter Segel. Das Wetter war ungünstig, wir mußten bald zu unserm alten Ankerplatze zurückkehren.

Am 14. unternahm der Kapitän selber mit Offizier und Passagieren eine zweite Fahrt auf Booten längs der Inselkette.

Ein Fahrzeug der Eingebornen war auf der Ziegeninsel gelandet, und die Menschen, als wir an ihnen vorüberfuhren, riefen uns herbei und suchten mit dargehaltenen Früchten und Geschenken uns heranzulocken.

Auf der nächsten Insel nach Osten, wo wir übernachteten, erhielten wir am 15. früh den ersten Besuch von Rarik, dem Häuptling dieser Gruppe. Er kam mit zwei Booten. Auf dem größeren, auf dem er selbst fuhr, zählte Herr von Kotzebue fünfundzwanzig Mann.

Rarik, seine übrigen Mannen auf den Schiffen lassend, kam mit dreien an das Land und brachte dem Machthaber des fremden Volkes seine Geschenke, vielleicht seine Huldigung dar. So gingen einst die Fürsten Europas dem entgegen, der Macht hatte über sie. Rarik stand aber vor keinem Eroberer und fand Freundschaft und nicht Demütigung. Der junge Mann hatte bei dieser ersten, für ihn so ernsten Zusammenkunft einen musterhaften Anstand, und seine zaghaften Begleiter schienen mehr für ihn zu fürchten als er selbst. Wir haben bei den Fürsten immer mehr Selbstvertrauen, mehr Mut und Edelmut gefunden als bei dem Volke. Es liegt, der Wesenheit der Dinge nach, in den Verhältnissen: so unterscheidet sich auch in der Levante der Türke von dem Rajah. Rarik, der später mein sehr vertrauter Freund wurde, zeichnete sich besonders durch Sanftmut und Gutmütigkeit aus, nicht aber durch besondere Geistesgaben.

Kotzebue und er setzten sich einander gegenüber, und um die zwei bildeten wir und die anderen Radaker einen Kreis. Der junge Fürst gab mit lautem Zuruf den auf den Schiffen Zurückgebliebenen Kunde von allem, was seine Aufmerksamkeit fesselte und für ihn eine neue Erfahrung war. »Irio! Irio!« – der Ausruf der Verwunderung ward oft erhoben und widerhallte langgedehnt aus aller Munde. Wir suchten wechselseitig zuerst unsere Namen zu erforschen. Kotzebue, Rarik, wir alle waren genannt. Wir fragten nach dem Namen des Radakers, der dem Häuptling zur Linken saß. »Jeridili?« sprach dieser fragend, indem er sich nach jenem umsah. Wir faßten das Wort auf, und der Jüngling ließ es für seinen Namen gelten, so wie wir es nahmen; noch jetzt heißt er für uns Jeridili. Das Gelächter, das sich da erhob, verstanden wir erst in der Folgezeit, als uns Kadu belehrte, »jeridili« bedeute »links« und sei keines Menschen Name.

Ich glaubte, daß es schon bei dieser ersten Zusammenkunft war, wo Rarik unserm Kapitän den freundschaftlichen Namensaustausch anbot. Bei einer späteren Gelegenheit bot Jeridili diesen seinen Namen dem Doktor Eschscholtz an gegen den seinen, den er noch nicht wußte und nach dem er fragte. Eschscholtz verstand ihn nicht, und ich trat verdolmetschend zwischen beide: »Dein Name?« rief ich dem Freunde zu. – »Deinnam«, wiederholte der Radaker. – »Ja, Deinnam«, beteuerte der Doktor; und so tauschten die zwei unverschämt ihre falschen Münzen gegeneinander.

Unsere Freunde hatten sich für uns ihres ganzen Schmuckes beraubt. Nun ließ der Kapitän Eisen, Messer, Scheren und andere Kleinigkeiten aus den Booten holen. Eisen! Eisen! »Mäl! Mäl!« Da mochte man den wirklichen Wert dieses köstlichen Metalls einsehen lernen. »Mäl! Mäl!« Selbst die auf den Schiffen zurückgelassen worden, widerstanden dem Zuge nicht; die Ordnung war gebrochen, alle strömten herbei, nur um das Eisen, die Schätze anzuschauen, unsern überschwenglichen Reichtum! Aber kein roher Ausbruch der Begehrlichkeit, keine Verletzung der Sitte!

Während unseres langen Aufenthaltes auf Radak sind nur ein paar Diebstahlsversuche an uns begangen worden. Wahrlich, wenn Fremde unbesorgt so viel Gold der Habsucht unseres Pöbels aussetzten, würden sie den Europäern kein so gutes Zeugnis der Ehrlichkeit zu sprechen haben, als wir diesem Volke.

Alle wurden reichlich beschenkt. Herr von Kotzebue machte dem Rarik begreiflich, daß er seinen Wohnort aufsuche, und lud ihn ein, in unser Boot zu steigen und uns dahin zu lotsen. Rarik verstand ihn wohl und stieg auch mutig in unser Boot; aber die Meinung seiner Begleiter, bei denen noch nicht alle Besorgnis beseitigt war, schien solchem Wagnis entgegen zu sein, und auch ihn schien ein mächtiger Reiz anderwärts zu ziehen: jene Tiere, von denen er gehört, die wunderbaren langbärtigen, die zu sehen auch ein Zweck seiner Reise war. Endlich gab er der Versuchung nach; er sprang ins Wasser und schwamm zu seinen Schiffen, mit denen er den Kurs nach der Ziegeninsel nahm.

 

Wir übernachteten am 15. auf der neunten Insel, wo wir nur verlassene Häuser fanden. Sie war reicher an Humus als die Ziegeninsel, und die Vegetation war auf ihr üppiger.

Am 16. hielten wir zu Mittag auf der dreizehnten Insel und hatten vom Schiffe her erst neun Meilen zurückgelegt. Hier erhielten wir den zweiten Besuch von Rarik, der, mit Begleitern längs dem Riffe wandernd, zu uns kam und sich mit uns freute. Seine Schiffe kamen ihm – gegen den Wind segelnd – bald nach und legten bei unsern Booten an. Nun lud er den Kapitän ein, in sein Schiff zu steigen und mit ihm nach seiner Insel zu fahren. Wir versprachen, ihm zu folgen, und er schiffte sich ein.

Wir fuhren nachmittags noch anderthalb Meilen zu der vierzehnten Insel, der hochbewaldeten, die ich in meinen »Bemerkungen und Ansichten« besonders erwähnt habe. Von da erstreckte sich das Riff nach Nordosten, mehrere Meilen weit landentblößt; die nächste Insel war kaum am Horizonte zu sehen. Ein Schiff konnte bei der Insel, wo wir waren, ankern. Der Kapitän ließ Segel aufspannen, und bei frischem Wind erreichten wir noch am selben Abend den »Rurik«.

 

Am 18. Januar ging früh am Morgen der »Rurik« unter Segel. Der Wind war günstig und zwang uns erst am Nachmittag zu lavieren; das Wetter war klar, und die helle Sonne, welche die Untiefen beschien, machte das Senkblei entbehrlich.

Um 4 Uhr warfen wir Anker vor Oromed, der siebzehnten Insel vom Westen an gerechnet, die – von der westlichsten beiläufig zwanzig Meilen entfernt – den nördlichen Winkel der Gruppe einnimmt. Wir übersahen von diesem wohlgeschützten Ankerplatze den nordöstlichen Teil der Gruppe, den mit kleineren Inseln dichtbesetzten Wall, der in Nordostrichtung dem herrschenden Winde entgegensteht. Wir waren in dem bewohnteren Teile der Gruppe.

Ein Boot, worauf wir einen der Begleiter Rariks erkannten, brachte uns ein Geschenk von Früchten. Aber die Furcht war noch nicht bezwungen, und auf das Schiff zu steigen vermaß sich keiner.

Auf Oromed, der fruchtbarsten der Inseln dieses Riffes, auf welcher jedoch der Kokosbaum den Wald noch nicht überragt, empfing uns ein hochbejahrter würdiger Greis, der Häuptling Laergaß. Großherzig und uneigennützig war er vor allen Menschen, die ich gekannt. Er mochte nur geben, schenken, und tat es zu der Zeit, wo kein Gegengeschenk mehr zu erwarten war. Durch diesen Charakterzug unterschied er sich sehr von Rarik, dem diese Tugenden abgingen.

Die Bevölkerung der Insel schien aus ungefähr dreißig Menschen zu bestehen. Ihre festen Wohnsitze unterschieden sich nicht von den Dächern, die wir auf den westlicheren Inseln gesehen.

Als wir uns eben der Gastfreundschaft des alten Häuptlings erfreuten und mit dem Schmucke schmückten, den die Töchter der Insel uns dargereicht, störte ein Schrecknis die behagliche Stimmung: Unser kleiner Valet kam, seiner Furchtbarkeit unbewußt, munter herbeigesprungen; und wie von dem nie gesehenen Ungeheuer alles floh und er gar zu blaffen anfing, hatten wir keine geringe Mühe, das Zutrauen wiederherzustellen.

Die Radaker, die kein anderes Säugetier als die Ratte gekannt, trugen vor unsern Tieren, Hund, Schwein und Ziege, eine gar schwer zu überwindende Scheu. Aber vor allen furchtbar war ihnen der kleine Valet, der lustig und behend allen nachlief und zuweilen bellte. Der große Valet, den der Kapitän aus der Beringstraße mitgebracht, war kein solches Ungetüm; er machte sich mit keinem zu schaffen. Er krepierte während unseres Aufenthalts auf Radak, auf der Gruppe Aur. Vermutlich wurde ihm das heiße Klima verderblich.

 

Wir verließen am 20. Januar diesen Ankerplatz, und längs des Riffes segelnd, kamen wir nach kurzer Fahrt vor Otdia, die Hauptinsel der Gruppe gleichen Namens, welche – die größte im Umfang – den äußersten Osten des Umkreises einnimmt. Wir fanden unter dem Schutze der Insel guten Ankergrund und lagen sicher wie im besten Hafen. Das Riff biegt sich über Otdia hinaus nach Südsüdwest und dann landentblößt nach West und der Rurikstraße hin. Die Länge der Gruppe von Westen nach Osten beträgt an dreißig Meilen, ihre größte Breite von Norden nach Süden zwölf Meilen. Herr von Kotzebue zählte fünfundsechzig Inseln in ihrem Umkreis.

Otdia war, wie man uns zu Oromed angedeutet, der Wohnsitz von Rarik. Ich ward zuerst ans Land geschickt; bald aber bestieg er, auf das zierlichste geschmückt, sein Boot, kam an das Schiff und stieg, der erste der Radaker, furchtlos auf dasselbe.

Diese sinnreichen Schiffer, deren Kunst unsere Bewunderung erzwingt, schenkten natürlich dem Riesenbau unseres Schiffes die gespannteste Aufmerksamkeit. Alles ward betrachtet, untersucht, gemessen. Ein leichtes war es, die Masten hinan bis zu der Flaggenstange zu klettern, die Rahe, die Segel, alles da oben zu besichtigen und sich jubelnd im luftigen Netze des Tauwerks zu schaukeln. Aber ein anderes war es, sich dort durch das enge Loch hinunterzulassen und dem rätselhaften Fremden aus dem heiteren Luftreich in die dunkle Tiefe, in die grauenerregende Heimlichkeit seiner gezimmerten Welt zu folgen. Das vermochten nur zuerst die Tapfersten, in der Regel die Fürsten; ich glaube, der gute Rarik schickte einen seiner Mannen voran.

Wie könnte man doch einen dieser Insulaner oder einen O-Waihier – gewohnt, in der schönen freien Natur unter dem Baldachin seiner Kokospalmen der Herrlichkeit seiner Festspiele sich zu freuen – in die dunklen, bei Tagesscheine halb und düster von Lampen erhellten Irrgänge eines unserer Schauspielhäuser hineinlocken und ihn bereden, in diesem unheimlichen, mördergrubenähnlichen Aufenthalt werde ein Fest bereitet!

Da unten in der Kajüte war der große Spiegel – ein Zauberinstrument, das wir gewohnt geworden sind und welches doch noch in der Märchen- und Zauberwelt seine Unheimlichkeit behält. Der Spiegel versetzte unsere Freunde in der Regel nach dem ersten Erstaunen in die ausgelassenste Lustigkeit. Doch fand sich auch einer, der sich davor entsetzte, schweigend hinausging und nicht wieder daran zu bringen war.

Zu Hamburg kam ich einmal unvorbereitet in ein Haus, auf dessen langem Flur zu beiden Seiten blanke Silberbarren mannshoch aufgespeichert waren. Mich ergriff seltsam die darin schlummernde Macht, und es war mir, als schritte ich durch ein überfülltes Pulvermagazin. Natürlich mußte Ähnliches in unseren Freunden vorgehen, wenn sie unsere eisernen Kanonen und Anker betrachteten.

Die Schätze unserer Freunde bestanden in etlichen Eisenstücken und wenigen harten, zum Schleifen des Eisens brauchbaren Steinen, die das Meer auf ihre Riffe ausgeworfen; jene auf Schiffstrümmern, diese im Wurzelgeflechte ausgerissener Bäume. Ihre Schiffe, ihr Schmuck und ihre Trommel – das war ihr Besitztum.

Nirgends ist der Himmel schöner, die Temperatur gleichmäßiger als auf den niederen Inseln. Luft und Wasser beiläufig 22° R mit Schwankungen von kaum einem Grade. Das Meer und der wehende Wind halten die Waage, und schnell vorübergehende Regenschauer ermangeln nicht, den Wald in üppigem, grünem Glänze zu erhalten. Man taucht in die dunkle Flut mit Lust, sich abzukühlen, wann man von der scheitelrechten Sonne durchglühet ward, und taucht in dieselbe mit Lust, sich zu erwärmen, wann nach einer im Freien durchbrachten Nacht man die Kühlung des Morgens fühlt. Warum muß, denen die Sonne so mild ist, die Erde so stiefmütterlich sein? Der Pandanus, dessen süßen, würzigen Saft sie saugen, dient auf anderen Inseln nur zu einem wohlriechenden Schmucke. Die Nahrung scheint Bienen mehr als Menschen angemessen. Zum Anbau nahrhafter Wurzeln und Pflanzen, worauf sie sehr bedacht sind, eignet sich fast nirgends der Grund; aber überall um ihre Wohnungen angepflanzt, zeugt ein schön und wohlriechend blühendes Liliengewächs von ihrer Arbeitsamkeit und von ihrem Schönheitssinn.

Sie könnten vielleicht aus dem Fischfange ergiebigere Nahrung ziehen und dem Haifische nachstellen, der die Zugänge ihrer Riffe belagert. Wir haben sie nur sehr kleine Fische essen sehen und nur sehr kleine Fischangeln von ihnen erhalten.

Wir haben uns mit Fleiß und Liebe bemüht, ihnen neue Nahrungszweige zu eröffnen. Nach Herrn von Kotzebues zweiter Reise scheint von den Tieren und Pflanzen, die wir ihnen gebracht, wenigstens die Ignamwurzel (Yamswurzel) sich erhalten zu haben und unsere fromme Absicht nicht ganz getäuscht worden zu sein.

 

Aber ich muß, ohne mich ängstlich an die Zeitfolge zu binden, einiges von unsern Freunden erzählen, mit denen wir, nachdem sie die erste Scheu überwunden, auf dem vertrautesten Fuße lebten.

Auf der Insel Otdia, die über zwei Meilen lang ist, hatten ungefähr sechzig Menschen ihre gewöhnlichen Wohnsitze, aber häufige Wanderungen fanden statt, und unsere Gegenwart zog Gäste aus den entfernteren Teilen der Gruppe herbei. Wir durchschweiften täglich einzeln die Insel, schlössen uns jeder Familie an und schliefen unbesorgt unter ihren Dächern. Sie kamen gleich gern gesehen an das Schiff, und die Häuptlinge und Angesehensten wurden an unsere Tafel gezogen, wo sie mit leichtem und gutem Anstand sich in unsere Bräuche zu fügen wußten.

Unter den Bewohnern von Otdia machte sich bald ein Mann bemerkbar, der – nicht von adligem Stamme – sich durch Geist und Verstand, durch schnelle Auffassung und leichte Darstellungsgabe vor allen andern auszeichnete: Lagediak, der Mann unseres Vertrauens, von dem wir am mehrsten lernten und durch den wir unsern Lehren Eingang im Volke zu verschaffen Hoffnung faßten, tauschte später mit mir seinen Namen. Herr von Kotzebue erhielt zuerst von Lagediak wichtige Aufschlüsse über die Geographie von Radak. Durch ihn erhielt er Kunde von den schiffbaren Furten, die im südlichen Riffe von Otdiä befindlich sind, von der Nachbargruppe Erigup, von den übrigen Gruppen, aus welchen die Inselkette besteht. Lagediak zeichnete seine Karte mit Steinen auf den Strand, mit dem Griffel auf die Schiefertafel und zeigte die Richtungen an, die nach dem Kompaß verzeichnet werden konnten. Mit ihm legte Herr von Kotzebue den Grundstein zu der interessanten Arbeit, die er über Radak und die westlichere Inselkette Ralik geliefert hat. Der erste Schritt war getan; es galt nur weiterzugehen.

Lagediak begriff gar wohl die Absicht, die wir hatten, die Arten hier noch unbekannter, nutzbarer Gewächse zum Besten des Volkes einzuführen, einen Garten anzubauen und Sämereien auszuteilen. Am 22. ward mit der Anlage des Gartens der Anfang gemacht, der Grund gesäubert, die Erde durchwühlt, Ignamwurzeln gelegt, Melonen und Wassermelonen ausgesäet. Unsere Freunde waren um uns versammelt und schauten teilnehmend und aufmerksam unserm Werke zu; Lagediak erläuterte unser Beginnen und war unablässig bemüht, die von uns erhaltenen Lehren zu verbreiten und einzuprägen. Wir teilten Sämereien aus, nach welchen erfreuliche Nachfrage war, und wir hatten die Freude, in den nächsten Tagen mehrere Privatgärten nach dem Vorbild des unseren entstehen zu sehen.

Bei der erwähnten Gartenarbeit am 22. ereignete sich, was ich hier, um einen Charakterzug unserer liebenswerten Freunde zu zeichnen, erzählen will. Als ich eben die Zuschauer ansah, ward ich auf mehreren Gesichtern zugleich ein schmerzliches Zucken gewahr. Ich wandte mich zu dem Matrosen, der, um Raum zu gewinnen, das Gesträuch ausreutete und den Wald lichtete; er hatte eben die Axt an einen schönen Schößling des hier so seltenen und so wertvollen Brotfruchtbaumes gelegt. Das Unglück war geschehen, der junge Baum war gefällt. Wenngleich der Mann unwissend gesündigt hatte, mußte doch der Befehlshaber die Verantwortlichkeit für die Tat offenkundig von sich abwälzen; und so fuhr der Kapitän zürnend den Matrosen an, der die Axt abgeben und sich zurückziehen mußte. Da traten die guten Radaker begütigend und fürsprechend dazwischen, und einige gingen dem Matrosen nach, den sie liebkosend zu trösten suchten und dem sie Geschenke aufdrangen.

Die Ratten, die auf diesen Inseln in gar unerhörter Menge sind, hatten am andern Tage bereits vieles zerstört und die meisten Sämereien aus der Erde geholt. Doch war, als wir Otdia verließen, unser Garten in blühendem Zustande. Bei unserem zweiten Besuch auf Radak im nächsten Spätjahr ließen wir Katzen auf dieser Insel zurück. Herr von Kotzebue auf seiner zweiten Reise im Jahre 1824 fand sie verwildert und vermehrt, ohne daß die Anzahl der Ratten abgenommen.

Die Schmiede ward am 24. Januar auf dem Lande aufgestellt. Sie blieb mit dem überschwenglichen Reichtum an Eisen unter der Obhut eines einzigen Matrosen, der dabei schlief. An einem der folgenden Tage wollte sich einmal ein alter Mann eines Stückes Eisen gewaltsam bemächtigen, in welchem Unterfangen er von seinen entrüsteten Landsleuten auch mit Gewalt verhindert ward – das ist kein Diebstahl zu nennen. Aber auch da, wo wirklicher Diebstahl begangen wurde, ward stets von seiten der Radaker der größte Unwille an den Tag gelegt und die lauteste Mißbilligung ausgesprochen.

Einleuchtend ist, welch ein anziehendes Schauspiel für unsere Freunde die von ihnen nicht geahnte Behandlung des kostbaren Eisens im Feuer und unter dem Hammer sein mußte. Die Schmiede versammelte um sich die ganze Bevölkerung. Freund Lagediak war einer der aufmerksamsten und mutigsten dabei; denn Mut erfordert es wohl, das unbekannte Spiel des Blasebalges und das Sprühen der Funken in der Nähe zu betrachten. Für ihn ward auch zuerst eine Harpune geschmiedet, dann eine zweite für Rarik und etliche Kleinigkeiten für andere, bevor die Arbeiten für den »Rurik« vorgenommen wurden.

Wir hatten noch ein paar O-Waihische Schweine, Männchen und Weibchen, worüber verfügt werden konnte und die wir unseren Freunden bestimmt hatten. Wir hatten Sorge getragen, alle, die uns auf dem »Rurik« besuchten, an den Anblick dieser Tiere zu gewöhnen und ihnen einzuprägen, daß ihr Fleisch es sei, welches uns zur Nahrung diene und welches viele an unserm Tische gekostet und wohlschmeckend gefunden hatten. Die Schweine wurden am 26. ans Land gebracht und in einer Umzäunung verwahrt, die für sie in der Nähe von Rariks Hause vorbereitet worden. Ein Matrose wurde der Pflege der noch gefürchteten Tiere vorgesetzt. Auf den verständigen Lagediak, der von der Wichtigkeit unseres Geschenkes durchdrungen war, wurde am mehrsten bei dem gutgemeinten Versuche gerechnet, welcher doch am Ende, wie zu erwarten war, mißglückte. Die verwahrlosten Tiere wurden später in Freiheit gesetzt und kamen doch bald nach unserer Abreise um.

Ein paar Hühner, unsere letzten, hatten wir noch dem Lagediak geschenkt.

 

In süßer Gewöhnung mit den Radakern lebend, studierte ich mit allem Fleiß die Beschaffenheit ihrer neptunischen Wohnsitze und hoffte, zu der besseren Kenntnis der Korallen-Riffe und -Inseln nicht verwerfliche Zeugnisse zu sammeln. Die Korallen selbst und Madreporen hätten zu ihrem Studium ein eigenes ganzes Menschenleben erfordert. Die gebleichten Skelette, die man von ihnen in den Sammlungen aufbewahrt, sind nur geringen Wertes, doch wollte ich sie sammeln und mitbringen. Eschscholtz hatte beim Baden alle vorkommenden Formen und Arten vollständig zusammenzubringen sich bemüht, auserwählte kleine Exemplare von denselben auf das Schiff gebracht und sie zum Bleichen und Austrocknen in den leeren Hühnerkasten untergebracht. Es ist wahr, daß Polypenstöcke in diesem Zustande keinen angenehmen Geruch verbreiten. Als er sich eines Morgens nach seinen Korallen umsehen wollte, waren sie samt und sonders über Bord geworfen worden.

Am südlichen Ende von Otdia, wo Lücken in den oberen Steinlagern des Riffes Becken bilden, in welchen man in ruhigem Wasser des Bades genießen und dabei unter blühenden Korallengärten den Rätseln dieser Bildungen behaglich nachforschen und nachsinnen mag, hatte ich mir im Kalksande des Strandes einen Raum abgegrenzt, in welchem ich Korallen, Seeigel und alles der Art, was ich aufbewahren wollte, der dörrenden Sonne aussetzte. Ich hatte in meinem Hag einen Stab eingepflanzt und daran einen Büschel Pandanusblätter, das Zeichen des Eigentums, gebunden. Unter diesem Schirme war meine Anstalt den guten Radakern, auf deren Wege sie lag, heilig geblieben, und kein spielender Knabe hatte je das geringste in dem bezeichneten Bezirke angerührt. Aber wer kann alles vorhersehen? Unsere Matrosen erhielten an einem Sonntage Urlaub, sich am Lande zu ergehen, und unternahmen eine Wanderung um den Umkreis der Insel. Sie entdeckten meinen Trockenplatz, zerstörten von Grund aus meine zusammengebrachte Sammlung und suchten mich dann gutmütig auf, mir Kunde von ihrer Entdeckung und Bruchstücke von meinen zerschlagenen Korallen zu geben.

Ich habe doch noch eine hübsche Sammlung von den Madreporen von Radak zusammengebracht und sie, die eine große Kiste füllte, dem Berliner Museum geschenkt. Aber ein böses Schicksal scheint über diesem Teile meiner Bemühungen obgewaltet zu haben. Meine radakischen Lithophyten sind – mit Ausnahme der Millepora caerulea und der Tubipora Chamissonis Ehrenb. – in der königlichen Sammlung entweder ohne Zettel oder gar nicht aufgestellt und mit andern Dubletten zu Gelde gemacht worden, so daß Ehrenberg in seiner Denkschrift über die Korallentiere nur von den zwei benannten Arten den interessanten Standpunkt anführen gekonnt.

Rarik begleitete mich einmal auf einer Wanderung nach meinem Badeplatz und Korallengarten. Daselbst angelangt, bedeutete ich ihm, daß ich baden wolle, und fing an, mich auszuziehen. Bei der Bewunderung, welche die Weiße unserer Haut unsern braunen Freunden einflößte, dachte ich mir, weniger zartfühlend als er, die Gelegenheit werde ihm erwünscht sein, eine sehr natürliche Neugierde zu befriedigen. Als ich aber, ins Bad zu steigen bereit, mich nach ihm umsah, war er verschwunden, und ich glaubte mich von ihm verlassen. Ich badete mich, beobachtete, untersuchte, stieg aus dem Wasser, zog mich wieder an, durchmusterte meine Trockenanstalt und wollte eben den Heimweg einschlagen: da teilte sich das Gebüsch, und aus dem grünen Laube lächelte mir das gutmütige Gesicht meines Begleiters entgegen. Er hatte sich derweil das Haar mit den Blumen der Scaevola auf das zierlichste geschmückt und hatte auch für mich einen Blumenkranz bereitet, den er mir darreichte. Wir kehrten Arm in Arm nach seiner Wohnung zurück.

Eine gleiche schonende Schamhaftigkeit war unter den Radakern allgemein. Nie hat uns einer im Bade belauscht.

Es war verabredet, daß ich diese Nacht auf dem Lande zubringen würde, die Menschen in ihrer Häuslichkeit zu beobachten. Als wir anlangten, war schon der Kapitän in seinem Boote an das Schiff zurückgekehrt, und es erschien allen ganz natürlich, daß ich mich der Familie als Gast anschloß. Man war mit der Bereitung des Mogan, des Pandanusteiges, beschäftigt. Wir brachten den Abend unter den Kokosbäumen am Strande des inneren Meeres zu. Der Mond war im ersten Viertel, es brannte kein Feuer, und ich konnte keines bekommen, meine Pfeife anzuzünden. Es wurde gegessen und gesprochen; das Gespräch, dessen Gegenstand unsere Herrlichkeiten waren, wurde munter und in langen Sätzen geführt. Meine lieblichen Freunde beeiferten sich, den fremden Gast zu unterhalten, indem sie Lieder vortrugen, die sie selbst zur höchsten Freude begeisterten. Soll man den Rhythmus dieses Vortrages Gesang, die schönen naturgemäßen Bewegungen (im Sitzen) einen Tanz nennen?

Als die radakische Trommel verstummt war, forderte mich Rarik auf, hinwiederum ein russisches Lied vorzutragen. Ich durfte meinen Freunden diese einfache Bitte nicht verweigern und sollte nun – mit, unter uns, verrufener Stimme – als ein Muster europäischer Singekunst auftreten. Ich fand mich in diese Neckerei des Schicksals, stand auf und deklamierte getrost, indem ich Silbenmaß und Reim stark klingen ließ, ein deutsches Gedicht, und zwar das Goethesche Lied: »Lasset heut im edlen Kreis«. Verzeihe mir unser verewigter deutscher Altmeister – das gab der Franzos auf Radak für russischen Gesang und Tanz aus! Sie hörten mir mit der größten Aufmerksamkeit zu, ahmten mir, als ich geendet hatte, auf das ergötzlichste nach, und ich freute mich, sie – obwohl mit entstellter Aussprache – die Worte wiederholen zu hören:

»Und im Ganzen, Vollen, Schönen
Resolut zu leben!«

Ich schlief zu Nacht an der Seite Rariks im Hängeboden seines großen Hauses; Männer und Weiber lagen oben und unten, und öfters wechselte Gespräch mit dem Schlafe ab.

Ich fuhr am Morgen an das Schiff zurück, um sogleich wieder an das Land zurückzukehren.

Ich habe einen meiner Tage auf Radak beschrieben; sie flossen sanft mit geringer Abwechselung dahin, es möge an dem gegebenen Bilde genügen. Der Zartsinn, die Zierlichkeit der Sitten, die ausnehmende Reinlichkeit dieses Volkes drückte sich in jedem geringfügigsten Zuge aus, von denen die wenigsten geeignet sind, aufgezeichnet zu werden. Läßt sich das Benehmen einer Familie erzählen, in welcher in unserm Beisein einmal ein Kind sich unanständig aufführte? Die Art, wie der Delinquent entfernt wurde und wie bei der Entrüstung, die der Vorfall hervorbrachte, zugleich die Ehrerbietung für die vornehmen Fremden gerettet und das Kind zu besserer Lebensart angeleitet wurde?

Es wirkt sehr natürlich unsere Volkserziehung dahin, und Volkssagen, Märchen und Lehren vereinigen sich, um uns eine große Ehrfurcht für die liebe Gottesgabe, das Brot, einzuprägen, welche hintenanzusetzen eine große Versündigung sei. Das geringste Stück Brot an die Erde zu werfen war in meiner Kindheit eine Sünde, worauf unbarmherzig, unerläßlich die Rute stand. Beim dürftigen Volke von Radak läßt sich ein ähnliches Gefühl in Hinsicht der Früchte, worauf seine Volksnahrung beruht, erwarten. Einer unserer Freunde hatte einen Kokos dem Kapitän zum Trunke gereicht; dieser warf die Schale mit dem ihr noch anklebenden eßbaren Kerne weg. Der Radaker machte ihn ängstlich auf die verschmähte Nahrung aufmerksam. Sein Gefühl schien verletzt zu sein, und in mir selber regten sich die alten, von der Kinderfrau eingepeitschten Lehren.

Ich bemerke beiläufig, daß unsere Freunde erst in den letzten Tagen unseres Aufenthaltes auf Otdia die Wirkung unserer Waffen kennenlernten, indem der Kapitän einen Vogel im Beisein von Rarik und Lagediak schoß. Daß der Schuß sie gewaltig erschreckte, versteht sich von selbst; daß Rarik seither den Kapitän flehentlich bat, wenn er ihn mit der Flinte sah, nicht zu schießen, lag in seinem Charakter.

 

Das Riff trägt im Süden von Otdia außer mehreren kleineren und öden nur zwei fruchtbare und bewohnte Inseln. Die erste, Egmedio, unterscheidet sich dadurch von allen andern, daß der Kokosbaum sich nur auf ihr hoch über den Wald erhebt und nur auf ihr Wurzelstöcke ausgestorbener Bäume vorhanden sind. Sie war der Aufenthalt von dem Häuptling Langien, dessen Besuch wir auf dem »Rurik« schon empfangen, da er uns ein Geschenk von Kokosnüssen gebracht und uns eingeladen, ihn auf seiner Insel zu besuchen. Die andere Insel nimmt den südöstlichen Winkel des Riffes ein, das von da westwärts nur noch geringe unbewohnbare Inseln trägt.

Am 28. Januar ward in zwei Booten eine Fahrt unternommen, um die von Lagediak uns angegebenen Furten zu untersuchen. Wir legten auf Egmedio an, wohin uns Langien (der sich zur Zeit auf Otdia aufhielt) vorausgeeilt war, uns als Wirt in seiner Heimat freundlich zu empfangen; und er war ein gastfreier, herzlicher Mann, dem unser Besuch eine große Freude machte. Die Insel schien nur von ihm, seiner Frau und ein paar Menschen bewohnt zu werden. Ich erfreute ihn mit der Anlage eines kleinen Gartens.

Wir hatten am selben Tage eines der Tore, die »Lagediak-Straße«, untersucht; der »Rurik« hätte diese Furt nicht ohne Gefahr befahren können. Des ungünstigen Wetters wegen verzichteten wir darauf, die nächste Straße zu erreichen, und suchten ein Unterkommen für diese Nacht. Dazu eigneten sich die nächsten, wüsten Inseln nicht; wir mußten bis zu der zurückgehen, die den Winkel der Gruppe einnimmt. Hier trat uns erfreulich, unerwartet ein alter Freund entgegen: der fröhliche Labigar bewillkommnete uns auf seinem Grund und Boden und brachte uns Kokosnüsse und Pandanusfrüchte dar. Hier wohnte er allein mit seiner Familie. Wir hatten auf der Insel Otdia die ganze Bevölkerung der Gruppe kennengelernt. Ich legte auch dem gastfreien, freundlichen Mann einen kleinen Garten an (ich hatte wohl zu dieser Zeit keinen anderen Samen mehr als Wassermelonen). Wir hatten unser Biwak am Strande aufgeschlagen; als wir uns am Morgen dem Schlaf entrangen, saßen Labigar und die Seinen um uns, still und geduldig unser Erwachen erwartend, um uns den Kokos zum Frühtrunk darzureichen.

Wir erreichten an diesem Morgen (29. Januar) das Schiff. Die andere Furt ward später (am 3. Februar) von Gleb Simonowitsch in der Barkasse rekognosziert und nach ihm »Schischmarew-Straße« benannt. Zu derselben kann jedes Schiff bequem, sicher und ohne umzulegen, mit dem wehenden Passat ein- und ausfahren.

Am 30. Januar ward ein Eimer mit einem eisernen Reif von unsern Leuten vermißt, die teils nach Wasser, teils nach Holz ausgeschickt waren, einem Artikel, womit wir uns hier auf die ganze Dauer unserer Fahrt nach Norden versehen mußten. Rarik ward ernstlich angehalten, das gestohlene Gut wieder herbeizuschaffen; aber bei dem Ereignis, worüber alle andern ihre Mißbilligung laut ausdrückten, ward er von einer Lässigkeit befunden, die einen Schatten über seinen Charakter warf. Erst am andern Morgen, nachdem wiederholt auf Erstattung gedrungen worden, brachte nach einem langen Gespräch mit dem Häuptling einer seiner Leute den Eimer aus dem Dickicht des Waldes hervor. Darauf wurde bekanntgemacht, jeder spätere Diebstahlsversuch würde unsererseits streng bestraft werden.

Unsere Absicht, Otdia zu verlassen, um Erigup, Kaben und andere Gruppen zu besuchen, war verkündigt, und wir wünschten und erwarteten, daß uns der eine oder der andere von unsern hiesigen Freunden auf diesem Zuge begleiten würde. Rarik baute an einem neuen Schiffe, worauf er die Reise mit uns zugleich zu machen versprach; aber die Arbeit nahm kein Ende. Lagediak wollte auf dem »Rurik« mit uns fahren, ließ sich aber durch Rariks Schiffsbau davon abhalten. Rarik, Langien und Labigar wollten uns auf einem anderen Schiffe begleiten, aber auch der Plan ward aufgegeben. Wir mußten auf die vorgefaßte Hoffnung verzichten.

Wir lichteten am 7. Februar 1817 mit Tagesanbruch die Anker; unsere Freunde standen am Strande, doch keiner kam an das Schiff. Nur ein Boot kam unter Segel von Oromed uns nach – vermutlich der Greis Laergaß. Er hatte uns noch etliche Tage zuvor besucht; er war erkenntlich für unsere Geschenke und liebevoll wie keiner; er wollte wohl den letzten Abschied von uns nehmen. Wir verloren das Boot aus dem Gesicht, als wir außerhalb der Straße die Segel vor dem günstigen Winde verdoppelten.

 

Schon beim Ausfahren aus Otdia ward von dem Masthaupt das Land Erigup gesehen. Wir vollendeten am 7. und 8. Februar die Aufnahme dieser ärmlichen, spärlich begrünten Gruppe, die nur von drei Menschen bewohnt sein soll. Wir sahen nicht mehrere am Strande der einzigen Insel, auf welcher sich Kokosbäume zeigten, aber nicht über den Wald erhoben. Unter dem Winde der Gruppe ward eine Furt untersucht, die wohl nicht ohne Gefahr befahren werden konnte.

Wir verließen Erigup, um Kaben aufzusuchen. Wir hatten gegen den Wind, der ausnehmend frisch wehte, anzukämpfen. Am 10. nachmittags sahen wir Kaben. Die Gruppe ist beiläufig 45 Meilen von Otdia entfernt, und Lagediak hatte ihre Lage ziemlich richtig angegeben.

Am 11. morgens waren wir vor der Furt, die unter dem Winde der Gruppe ihrem Nordwestwinkel am nächsten gelegen ist. Der Wind war heftig. Zwei Boote kamen aus dem Tore uns entgegen und beobachteten uns von fern. Von einem Windstoß erfaßt, schlug das eine Fahrzeug um. Das andere kümmerte sich nicht um den Unfall; da sind die Schiffer sich selber genug. Wir sahen sie bald teils auf dem Kiele sitzen, teils an Leinen gespannt schwimmend das Schiff dem Lande zu bugsieren, von dem sie doch über eine halbe Meile entfernt waren. Drei andere Boote kamen von der großen Insel im Nordwesten zu uns her und luden uns an das Land.

Das Tor ist breit, aber seicht der Kanal, in welchem wir bei der Einfahrt zwischen Korallenbänken wenden mußten. Wir führten schnell und glücklich das kühne Manöver aus. Die Durchsichtigkeit des Wassers ließ unsere Blicke in die geheimnisreichen Korallengärten des Grundes hinabreichen. – Wir warfen die Anker vor einer der geringsten und ärmsten Inseln der Gruppe.

Kaben hat ungefähr die Größe und die längliche Gestalt von Otdia, aber von Nordwest nach Südost kehrt sie eine ihrer längeren Seiten dem Passatwinde zu, und das Hauptland, die Insel Kaben, nimmt die Nordwestspitze der Gruppe ein. Das Riff ist auf der Windseite mit fruchtbaren Inseln reichlich gekrönt. Herr von Kotzebue zählte deren im ganzen Umkreis 64. Hochstämmig erhebt sich über den mehrsten die Kokospalme. Der Brotfruchtbaum ist gemein. Drei Arten Arum werden angebaut, die jedoch nur einen spärlichen Ertrag gewähren können; und wir haben die erst eingeführte Bananenpflanze auf einer der Inseln angetroffen. Die Bevölkerung ist der größeren Fruchtbarkeit des Bodens angemessen. Die Menschen erschienen uns wohlhabender, selbstvertrauender, zutraulicher als auf Otdia; und durch unsere Gegenwart belebt, durchkreuzten ihre Boote, deren sie viele besaßen, zu allen Zeiten und in allen Richtungen das innere Meer, das einem verkehrsreichen Hafen glich.

Wir haben auf Kaben flüchtigere Berührungen mit mehreren Menschen gehabt, und die Bilder der freundlichen Gestalten verwirren sich schon in meinem Gedächtnisse; doch leuchten aus dem allgemeinen etliche noch besonders hervor, und das freundliche, fröhliche, lebensfrische, mutvolle Fürstenkind auf Airik ist mir unvergeßlich.

Wir fanden auf der Insel, vor der wir lagen, nur junge Kokospflanzungen und verlassene Häuser. Am 12. kamen von Osten her zwei große Boote und näherten sich uns. Wir riefen ihnen den Friedensgruß zu; sie erwiderten unseren Gruß und kamen furchtlos heran; wir warfen ihnen ein Tau zu, woran sie ihre Fahrzeuge befestigten, und ein Häuptling bestieg, von einem einzigen Mann begleitet, das Verdeck. Er suchte sogleich unsern Chef auf, reichte ihm eine Kokosnuß dar und setzte ihm seinen Blumenkranz auf das Haupt. Wir konnten uns gut mit den staunenden Menschen verständigen, und kein Mißtrauen waltete zwischen uns ob.

Herr von Kotzebue, der bereits seinen Namen an Rarik verloren hatte, bot ihn hier dem entzückten Labadini, Herrn auf Torua (einer östlicheren Insel der Gruppe), zum Tausche wieder an. Der Freundschaftsbund war geschlossen.

Der Häuptling übernachtete auf der nächsten Insel. Die Nacht war Sturm; wir konnten am 13. weder unter Segel gehen noch ans Land fahren.

Am 14. verließen wir unsern Ankerplatz und drangen lavierend tiefer ostwärts in das Innere der Gruppe hinein. Unser Freund folgte uns auf seinem Boote, hielt schärfer bei dem Winde als wir und segelte nicht viel langsamer. Nachmittags warfen wir vor einer kleinen, von luftigen Palmen reichbeschatteten Insel die Anker; Labadini kam an Bord. Auch diese Insel, Tian geheißen, gehörte ihm; sie war aber nicht sein gewöhnlicher Aufenthalt, und er drang in uns, ihm nach Torua zu folgen, was wir am morgenden Tage zu tun versprachen. Wir fuhren gemeinschaftlich ans Land, und beim Landen trug er den Kapitän durch das Wasser.

Auf dieser Insel, vor welcher das widrige Wetter uns noch am 15. zurückhielt, freuten wir uns der behaglicheren Wohlhabenheit des anmutigen Volkes; wir wurden unter jedes Dach gastlich eingeladen, von jeder Familie freundlich empfangen. Etliche Pflanzungen und Gruppen von Fruchtbäumen diente anstatt der Mauern eine um dieselben gezogene Schnur von Kokosbast zur Befriedigung. Wir sahen den weißen Reiher mit gelähmtem Flügel gezähmt und etliche zahme Hühner. Labadini bewirtete den Kapitän mit einem reinlich bereiteten Mahle von Fischen und gebackenen Brotfrüchten. Wir fuhren auf seinem Boote unbesorgt wie auf den unsern, und es ward uns an beiden Tagen, als wir an das Schiff zurückfuhren, eine solche Menge Kokosnüsse gebracht, daß sie für die ganze Mannschaft auf mehrere Tage ausreichten; wir ließen dagegen Eisen verteilen. Wir haben Kokosnüsse von Kaben bis nach Unalaska gebracht.

 

Wir gingen am 16. Februar wieder unter Segel, und der Kette der Insel folgend, die eine südlichere Richtung nahm, überschauten wir ihre ganze Bevölkerung, die das wunderbare Schauspiel des fremden Riesenschiffes unter Segel an den Strand herbeizog.

Aus einer größeren Insel, die – wie wir später erfuhren – Olot geheißen, stieß ein großes Boot ab, auf dem zwanzig bis dreißig Menschen sein mochten. Sie zeigten uns Kokosnüsse und schrien und winkten uns herbei. Wir segelten weiter, und das Fahrzeug folgte uns nach. Auch Labadinis Boot, das uns nachkam, erschien in der Ferne.

Eine große Insel, von welcher aus die Kette ihre Richtung nach Süden nimmt, bot uns einen geschützten Hafen, wo wir die Anker fallen ließen. Es war Torua, Wohnsitz von Labadini. Das Boot aus Olot legte sich an unsere Seite, und der Herr dieser Insel, der junge Häuptling Langediu, stieg sogleich auf den »Rurik«. Er war reicher tatuiert und zierlicher geschmückt als Labadini. Er trug Herrn von Kotzebue einen Namenstausch an, den dieser – der immer das behielt, was er hingab – unbedenklich annahm. Das Verfahren war geeignet, Zwist unter den Führern zu erregen. Labadini, der bald eintraf, wandte sich beleidigt von uns ab, und hier, auf seiner Insel, verkehrten wir allein mit Langediu. Mit dem lebhaften, geistreichen und sittigen Jünglinge wiederholte der Kapitän seine Geographie von Radak und vervollständigte sie.

Torua, in gerader Linie 24 Meilen von Kaben entfernt, ist doppelt so groß und verhältnismäßig weniger bevölkert als Tian. Wir wurden hier mit dem unschmackhaften Gerichte bewirtet, das die Radaker aus geraspeltem Kokosholz bereiten. Hier oder auf Tian ward uns auch der aus der Brotfrucht bereitete Sauerteig gereicht, der aus Beschreibungen von Reisen nach O-Taheiti genugsam bekannt ist und den Europäern nicht munden will. Wir blieben drei Tage auf unserm Ankerplatz, verschafften uns viele Kokosnüsse und teilten viel Eisen aus. Der Matrose, der das Eisen verausgabte, stand bei den Eingebornen in besonderem Ansehen, und ihm wurde von allen geschmeichelt.

Wir lichteten am 19. die Anker und steuerten südwärts längs des Riffes, das hier einen grünen Kranz von sehr kleinen Felsen trägt. Nach einer Strecke von zehn Meilen ändert sich seine Richtung, und das innere Meer verlängert sich nach Südost sackartig in einen Vorsprung, worin die Gruppe endigt. Eine größere Insel im Hintergrunde dieser Bucht des inneren Meeres zog unsere Aufmerksamkeit auf sich, und wir richteten dahin unseren Kurs. Bevor wir sie erreicht, ward vom Masthaupt jenseits des Riffes Land im Süden entdeckt; es war die Gruppe Aur. Wir gingen vor Airik, jener großen Insel, vor Anker.

Wir fuhren ans Land, während der Kapitän noch auf dem Schiffe beschäftigt zurückblieb. Ein Boot aus Airik hatte uns bereits vor Torua besucht. Wir wurden mit zuvorkommender. Herzlichkeit empfangen; man reichte uns Kokosnüsse dar, und wir schienen alte, lang erwartete Freunde zu sein.

Diese Insel ist die volkreichste und fruchtbarste von allen, die wir gesehen haben. Sie besitzt allein sechs bis sieben große Boote. Ein Jüngling oder Knabe, der noch nicht mit dem Männerschmucke der Tatuierung angetan war und dem das Volk mehr Ehrfurcht zu zollen schien, als wir andern Häuptlingen hatten erweisen sehen, galt uns erst für den Herrn der Insel. Aber gleicher Ehren war ein junges, ebenfalls noch untatuiertes Mädchen (seine Schwester?) teilhaftig, und über beide schien ein Weib (ihre Mutter?) erhaben zu sein, welche sich in einen Nimbus der Vornehmigkeit hüllte, von dem ich auf Radak kein zweites Beispiel gesehen habe. Es ist auch der einzige Fall, wo ich ein Weib der Autorität genießen sah. Daß die verschiedene Würde und Macht der Häuptlinge nicht allein von ihrem Reichtum und Besitzstand abhing, war anschaulich; doch habe ich mir über diese Ungleichheit keine Auskunft verschaffen können.

Der Jüngling, der sich herzig an mich schmiegte, kam sogleich mit mir auf das Schiff; ein älterer Mann, dessen Obhut er anbefohlen zu sein schien, begleitete ihn. Freudig, freundlich, lebhaft, wißbegierig, geistreich, tapfer und voller Anstand; ich habe nicht leicht eine anmutigere Erscheinung gesehen. So gefiel er auch dem Kapitän, dem er sich gleich vorstellte. Er maß mit seinem Begleiter das Schiff aus und die Höhen der Masten; die Schnur, die dazu gedient, ward sorgfältig aufbewahrt. Ihm ein Schauspiel zu geben, holte ich meine Rapiere hervor und focht einen Gang mit Eschscholtz. Da erglühte er vor Lust; das Spiel mußte er auch spielen. Er begehrte mit sittiger Art ein Rapier, und freudig, voller Anstand, sich und mir vertrauend, stellte er sich mir entgegen und bot dem blanken, kalten Eisen des weißen Fremden seine bloße Brust. – Bedenket es – es war schön!

Wir fuhren nachmittags wieder ans Land, und der Jüngling führte den Kapitän zu seiner Mutter. Sie empfing schweigend den vornehmen Gast und seine Geschenke und ließ ihm dagegen zwei Rollen Mogan und Kokosnüsse reichen. Mogan, das Wertvollste, was ein Radaker geben kann, ist selbst gegen Eisen nicht zu erhandeln.

Sie gingen sodann zu der Schwester, die um sich eine Schar von Mädchen hatte, von denen sie jedoch abgesondert saß. Hier herrschte Fröhlichkeit und wurde gesungen. Während dieser Besuche und überall auf der Insel bildete sich um die Fürsten und ihre hohen Gäste in weitem Umkreis ein dichter Kranz von Zuschauern.

Der »Rurik« war zu allen Stunden von Booten der Eingebornen umringt und von Besuchern überfüllt. Die Insulaner waren hier in Überzahl, und ihre Zutraulichkeit ward lästig und beunruhigend.

Am 20. kam von Westen her ein großes Boot, worauf zweiundzwanzig Menschen gezählt wurden. Es war Labeloa, der Häuptling von Kaben, der uns hierher gefolgt war und dem Kapitän eine Rolle Mogan überreichte. Er erzählte uns, er sei es gewesen, der mit seinem Boote vor dem Eingang der Gruppe umgeschlagen sei.

Ein Kommando war nach Wasser geschickt worden; abends, als es dunkelte, schrie der Unteroffizier vom Lande her, daß ein Matrose vermißt werde. Der Kapitän ließ eine Kanone abfeuern und eine Rakete steigen. Der Mann, den die Insulaner nicht aus feindlicher Absicht zurückgehalten, fand sich wieder ein, und unser Boot ruderte heran.

Am 21. war der gestrige Schreckschuß allgemeiner Gegenstand der Nachfrage, und wir fanden unter den Leuten mehr Ehrfurcht und Zurückhaltung. Wir unsererseits blieben uns in unserm Betragen gleich. Eschscholtz bedeutete ganz gleichgültig den Forschenden, unser Kapitän sei nach oben gefahren, aber er sei schon wieder da.

Wir besuchten unsere hiesigen Freunde zum letztenmal. Der Zutritt zu der alten Fürstin war dem Kapitän verwehrt. Wir bekamen auf dieser Insel eine Unzahl von Kokosnüssen.

Wir verließen Airik am 21. Februar und steuerten nach Olot, der Insel von Langediu, den zu besuchen der Kapitän versprochen hatte. Labeloa, der uns nach Aur begleiten wollte, folgte uns in seinem Boote; er nahm, als er uns vor Olot anlegen sah, den Kurs nach Kaben, kam uns aber nach Aur nach.

Olot steht an Bevölkerung und Fruchtbarkeit den andern von uns gesehenen Inseln nach. Doch ward der Taro auf Olot gebaut, und wir sahen nur hier die Banane. Wie ich auf allen Inseln von Kaben, auf denen wir gelandet, bei der regsten Teilnahme der Insulaner die Wassermelone selber gesäet und deren Samen den Häuptlingen ausgeteilt, also tat ich auch hier. Bei dem Geschäfte wurde mir ein Messer entwendet. Ich sprach deshalb und nicht vergeblich Langedius Autorität an; mein Eigentum ward mir sogleich wiedergegeben. Labadini war hier bei Langediu, und es schien das gute Vernehmen wiederhergestellt zu sein. Beide Häuptlinge wurden reichlich beschenkt.

Wir verließen am 23. Februar 1817 Olot und die Inselgruppe Kaben, aus welcher wir zu derselben Straße hinausfuhren, zu welcher wir hereingekommen waren.

Wir steuerten nach Aur, in dessen Gehege wir zu einer engen Furt, geschickt zwischen Korallenbänken steuernd, mit vollen Segeln einfuhren. Die Gruppe, geringeren Umfangs, war vom innern Meere zu übersehen. Sie ist 13 Meilen lang, 6 breit und besteht aus 32 Inseln. Um 5 Uhr nachmittags ließen wir vor der Hauptinsel, welche die Südostspitze der Gruppe bildet, deren Namen sie führt, die Anker fallen.

Es umringten uns sogleich mehrere Boote der Eingebornen. Wir riefen ihnen »Eidara!« zu, und sogleich stiegen die Fürsten zutraulich an Bord und mit ihnen die Fremden aus Ulea: Kadu und sein Schicksalsgefährte Edok. – Mein Freund Kadu!– Ich überlese, was ich in der Denkschrift »Über meine Kenntnis der ersten Provinz des großen Ozeans«, auf die ich euch verweisen muß, von diesem Manne gesagt habe, und die Erinnerung erwärmt mein Herz und befeuchtet meine Augen.

Die Radaker entsetzten sich ob des schnell gefaßten Entschlusses Kadus, bei den weißen Männern auf dem Riesenschiffe zu bleiben. Sie ließen nichts unversucht, ihn zurückzuhalten; sein Freund Edok, tief bewegt, versuchte selbst mit Gewalt, ihn in das Boot herabzuziehen; Kadu aber, zu Tränen gerührt, erwehrte sich seiner und stieß ihn, Abschied von ihm nehmend, zurück.

Der hiesige Ankerplatz hatte Nachteile, die den Kapitän bewogen, einen besseren im Schutze der Insel Tabual zu suchen, die, acht Meilen von Aur entfernt, die Nordostspitze der Gruppe einnimmt. Diesen Entschluß hatte er den Häuptlingen angezeigt, und sie folgten uns dahin mit fünf großen Booten am 24. Februar früh. Die Bevölkerung war stärker als selbst auf Kaben und die Anzahl der großen Boote beträchtlicher.

Nach Herrn von Kotzebue waren die hohen Häupter des Volkes, mit denen wir hier verkehrten, die, Zutrauen fassend, ihn in ihren Rat zogen und ihn bestürmten, mit der Übermacht unserer Waffen einzugreifen in den waltenden Krieg, von dem sie uns die erste Kunde gaben, folgende: Tigedien, ein Mann mit schneeweißem Bart und Haupthaar und vom Alter gebeugt, der Herr der Gruppe Aur, der Schutzherr von Kadu und in Abwesenheit des Königs Lamari der erste der Fürsten; der zweite nach ihm Lebeuliet, ein Greis, der Herr der Gruppe Kaben, wo die Insel Airik sein gewöhnlicher Wohnsitz war, der Gatte jener Fürstin, der Vater jener Kinder, die wir dort kennengelernt; der dritte, jüngste und rüstigste Tiuraur, der Herr der Gruppe Otdia, der Vater von Rarik.

Lamari war von Aur an König über den ganzen Norden von Radak. König über die drei südlichen Gruppen Meduro, Arno und Mille war Lathete, und zwischen beiden war Krieg. Lamari bereiste jetzt die ihm untertänigen Inseln, seine Mannen und seine Kriegsgeschwader nach Aur zu berufen, um von hier aus einen Kriegszug gegen seinen Feind zu unternehmen.

Man vergleiche meinen Aufsatz über Radak. Ich will hier nur wiederholen, weil Herr von Kotzebue, schlecht berichtet, es anders aufgezeichnet hat, daß bei diesen Kriegen die überfallenen Inseln aller Früchte beraubt, aber die Bäume selbst nicht beschädigt werden.

Herr von Kotzebue gab dem Tigedien Waffen! – Lanzen und Enterhaken. Tigedien hatte ihm ein Geschenk von etlichen Rollen Mogan gebracht. Die Umstände und der bevorstehende Krieg mögen zu dem hohen Werte, der auf Mogan gelegt wurde, und zu der Schwierigkeit, die wir fanden, uns welchen zu verschaffen, beigetragen haben. Dieser wohlschmeckende süße Konfekt ist der einzige Mundvorrat, der auf längeren Reisen eingeschifft werden kann, ist der Zwieback dieser Seefahrer.

Als unsere Boote vom Lande nach dem Schiffe zurückkehrten, wurden sie mit so vielen Kokosnüssen beschwert, als sie tragen konnten.

Vor Tabual erbat sich Kadu vom Kapitän Urlaub, an das Land zu fahren, von wo er an das Schiff zurückkommen werde. Wir selber durchschweiften an diesem Tage die Insel, die reicher ist an Humus als die fruchtbarsten der Gruppe Kaben. Wie wir von unserer Wanderung zurückkehrten, fanden wir unsern Kadu von einem weiten Kreise von Radakern umringt, lebhaft, beseelt, tiefbewegt redend, indem alle um ihn gespannt, ergriffen, gerührt dem Vortrage zuhörten und mehrere in Tränen ausbrachen. Kadu ward auf Radak geliebt, wie er unter uns geliebt worden ist.

Verschiedene Fahrzeuge von der Gruppe Kaben trafen ein, das eine von Airik, andere, zwei oder drei, mit Labeloa von der Insel Kaben, und diese zwar bei sehr heftigem Winde. Von unserm Ankerplatz war vom Masthaupt das Land von Kaben zu sehen.

Ich machte auf Tabual einen letzten Versuch, die Tatuierung zu erlangen. Ich hätte damals gern das schöne Kleid mit allen den Schmerzen, die es bekanntlich kostet, erkauft. Ich brachte die Nacht in dem Hause des Häuptlings zu, der versprochen zu haben schien, die Operation am anderen Morgen vorzunehmen. Am anderen Morgen wurde jedoch die Operation nicht vorgenommen, und Rechenschaft über die stillschweigende Verweigerung konnte ich erst später aus Kadus Aussagen entnehmen.

Unerachtet des zwischen dem Süden und dem Norden von Radak waltenden Krieges und des leidenschaftlichen Hasses, der oft bei Erwähnung dieser unglücklichen Verhältnisse zum Ausbruch kam, lebte ungefährdet, liebgehegt und geehrt ein Häuptling von Arno auf Tabual.

Am 26. gingen wir zum letzten Male ans Land auf Tabual und nahmen Abschied von unsern Freunden. Die Nacht über erschollen die radakische Trommel und das Lied unter den Palmen am Strande des innern Meeres.

 

Am 27. Februar 1817 liefen wir am frühen Morgen aus dem Meerbecken von Aur zu eben dem Tore hinaus, zu dem wir eingefahren waren. Wir steuerten nach Norden, den Tag unter dem Winde von Kaben, am 28. über dem Winde von Otdia, und hatten noch vor Nacht Kenntnis von der Gruppe Eilu, die uns über dem Winde lag. Kadu erkannte die Gruppe. Er war bereits auf derselben und ebenfalls auf Udirik gewesen, und wohlbewandert in der Geographie von Radak, gab er uns die Richtungen an, in welchen Temo und Ligiep lagen.

Wir waren am Morgen des 1. März 1817 bei der Südspitze von Eilu, welche von der Insel gleichen Namens gebildet wird. Wir folgten der Süd- und Ostseite des Umkreises, wo das Riff von Land entblößt ist, und suchten einen Durchbruch desselben zur Einfahrt. Drei Boote kamen uns in das offene Meer entgegen, und unser Genosse Kadu pflog ein lebhaftes Gespräch mit seinen staunenden alten Bekannten. Diese wiesen uns mehr im Norden die breiteren Tore ihres Riffwalles. Von dreien schien das eine nur fahrbar für den »Rurik« zu sein. Der Abend dunkelte schon.

Am 2. März suchten wir das Tor wieder auf, von welchem uns der Strom westwärts entführt hatte. Der Wind blies uns aus dem engen Kanal entgegen, und da hineinzudringen schien kaum möglich zu sein. Der Leutnant Schischmarew untersuchte das Fahrwasser. Zwischen zwei senkrechten Mauern hatte die Straße fünfzig Faden Breite und eine hinreichende Tiefe. Das Schiff mußte in der Straße gewendet und gleichzeitig von dem stark einsetzenden Strom hineingeführt werden; gehorchte es nur träge dem Steuerruder, so galt es, an der Korallenwand zerschellt zu werden. Schnell ward und glücklich das kühne Manöver ausgeführt; es war ein schöner Moment. Alle Segel waren dem Winde ausgespannt; tiefes Schweigen herrschte auf dem »Rurik«, wo dem Kommandoworte gelauscht wurde; zu beiden Seiten brauste die Brandung. Das Wort erschallt – und wir sind im innern Meer. – In der Furt selbst hatte sich eine Bonite an der Angel gefangen; so hatten wir Torzoll genommen.

Die Gruppe Eilu ist von Norden in Süden 15 Meilen lang und nur 5 Meilen breit. Alles Land ist auf der Windseite; es ist spärlich begrünt, die Kokospalme erhebt sich nur auf Eilu im Süden und auf Kapeniur im Norden über den Wald. Das innere Meer ist seicht und mit Korallenbänken und Untiefen angefüllt, welche uns Gefahr drohten. Wir gingen gegen Mittag in der Nähe von Eilu vor Anker.

Drei Boote umringten uns alsobald, und Kadu hatte für sich und für uns genug zu reden. Lamari, den wir hier zu treffen hofften, war bereits auf Udirik, und der Häuptling von Eilu – Langemui – wohnte auf Kapeniur. Kadu fuhr mit den Radakern ans Land, wohin wir ihm später folgten. Wir haben hier den Pandanus noch ganz grün essen sehen, und die Brotfrucht fehlte ganz. Ein paar Pflanzen von der einen der auf Kaben angebauten Taro-Arten bezeugten den Fleiß der Menschen und die Unwilligkeit der Natur. Die guten, dürftigen Leute schenkten uns Kokosnüsse, woran wir viel reicher waren als sie. Sie erwarteten dafür keinen Lohn. Wir teilten Eisen aus, und ich säete Kerne der Wassermelone, wie ich es überall auf den anderen Gruppen getan hatte.

Wir gingen am 4. mit Tagesanbruch unter Segel und kamen nach einer beschwerlichen Fahrt erst spät vor Kapeniur, wo wir Anker fallen ließen. Wir lagen sicher und bequem in der Nähe des Landes, das uns vor dem Winde schirmte; und es wurde beschlossen, etliche Tage hier zu verweilen, um Segel und Tauwerk für die uns bevorstehende Nordfahrt instand zu setzen.

Uns besuchte zuerst am Bord Langemui und brachte dem Kapitän etliche Kokosnüsse dar. Er war ein hochbejahrter, hagerer Greis von heiterem, lebendigem Geiste, wie überhaupt auf diesen Inseln das Alter ein jugendliches Gemüt behält. Er mochte nach unserer mutmaßlichen, unzuverlässigen Schätzung achtzig Jahre alt sein. An seinem Körper trug er etliche Narben. Diese, als er nach denselben befragt wurde, veranlaßten ihn, uns die erste Kunde von Ralik zu geben, der westlicher gelegenen Inselkette, deren Geographie jedem Weibe, jedem Kinde auf Radak geläufig ist.

Es ist mit den Menschen wie mit der Natur: was man schon weiß, kann man sich leicht zu allen Stunden wiederholen lassen; aber an den Tag zu fördern, was man nicht weiß, dazu gehört Geschick, dazu gehört Glück. Nach Langemui, der auf Ralik seine Wunden erhalten hatte, entwarf Herr von Kotzebue die Karte dieser Inseln. Bei Udirik hatte er einen zweiten Punkt, von dem aus er sich die Richtung der nördlichen Gruppen angeben ließ, und er hatte im Spätherbst auf Otdia Gelegenheit, seine Arbeit zu prüfen und zu berichtigen.

Ralik gehört zu derselben Welt der Gesittung als Radak und schien zur Zeit, wie Radak, in zwei einander feindliche Reiche geteilt zu sein.

 

Der Wind drehte sich am 7. Februar über Norden nach Westen, und ein anhaltender Regen unterbrach die Arbeiten auf dem »Rurik«. Der 9. und 10. waren gleich regnichte Tage. Am 11. ward das begonnene Werk schnell vollendet. Wir waren segelfertig.

Von den Wassermelonen, die ich auf Kapeniur gesäet hatte, waren trotz der Verwüstung, welche die Ratten angerichtet, mehrere Pflanzen im erfreulichsten Wuchs, und deren Fortgang schien gesichert.

Ich habe, um nur von dieser einen Pflanzenart zu reden, eine unerhörte Menge von Wassermelonenkernen auf den Riffen von Radak an geeigneten Stellen sorgfältig der Erde anvertraut. Der ganze Samenertrag aller Wassermelonen, die in Kalifornien und auf den Sandwich-Inseln auf dem »Rurik« verzehrt worden, ist – entweder von mir ausgesäet oder den Händen betriebsamer Eingeborenen anvertraut – auf Radak geblieben. Ich habe bei unserm zweiten Besuch auf Radak eine zweite Aussaat auf Otdia besorgt und einen anderen beträchtlichen Samenvorrat der liebenden Sorgsamkeit von Kadu überlassen. Nach Herrn von Kotzebues letzter Reise und dem letzten Besuch auf Otdia im Jahre 1824 scheint doch diese willigste der Pflanzen – die, wo nur eine milde Sonne nicht fehlt, den Europäern gefolgt ist – sich auf Radak nicht erhalten zu haben. Wahrlich, es ist leichter, Böses zu tun als Gutes!

Im Innern der Gruppe Eilu wurden vom Schiffe an verschiedenen Tagen zwei Haifische geangelt. Man berichtete mir von dem einen, er habe drei lebendige Junge im Leibe gehabt, jedes drei Spannen lang; zwei in einem Ei, das dritte allein. Man wird sonst in den Becken, welche Korallenriffe umhegen, von Haifischen nicht befährdet.

Das Wasser dieser Binnenmeere war wenig leuchtend.

Als der gute Langemui unsere Absicht erfuhr, Eilu am anderen Tage zu verlassen, ward er betrübt. Wir sahen in der Nacht Lichter längs dem Riffe sich bewegen; am frühsten Morgen kam unser Freund an das Schiff und brachte uns ein letztes Geschenk: fliegende Fische, die er beim Feuerscheine hatte fangen lassen, und Kokosnüsse.

Wir verließen Eilu den 12. März 1817. Der Wind, der uns zum Auslaufen günstig war, erlaubte uns, zu einem nördlicher gelegenen, engeren Tore hinauszufahren. Ein Haifisch ward in der Furt selbst gefangen. Wir hatten um 3 Uhr nachmittags Ansicht von Udirik und Tegi, welche – wie wir es bereits mit Zuversicht erkannt hatten – die im vorigen Jahre von uns gesehenen Gruppen waren. Die anbrechende Nacht zwang uns, die Nähe des Landes zu vermeiden. Wir fanden uns am Morgen des 13. acht Meilen westwärts getrieben. Wir erreichten bald den Kanal, welcher beide Gruppen trennt, fuhren hindurch und befanden uns vor Mittag in ruhigem Wasser unter dem Winde von Udirik. Kein Tor im Riffgehege war dem »Rurik« zum Eingang in das Innere der Gruppe gerecht. Lamari mußte hier sein, und es lag uns daran, den gewaltigen Machthaber dieses neptunischen Reiches kennenzulernen, der – von seiner Wiege, der Gruppe Arno, ausgehend – den Norden von Radak kraft des Faustrechtes unter seine Alleinherrschaft vereinigt hatte.

Mehrere Segel ließen sich blicken und kamen, das Riff durchkreuzend, in das freie Meer hinaus. Zwei Boote nahten sich zuerst dem »Rurik«; die darauf fuhren, erkannten alsbald unsern Freund und riefen ihn laut beim Namen, mit vorgesetzter Vorschlagsilbe: »La Kadu!« Alle Scheu war bezwungen; sie kamen heran; sie stiegen auf das Verdeck. Unter diesen Männern befand sich der Schicksalsgefährte Kadus, dessen ich in meinen »Bemerkungen und Ansichten« erwähnt habe, der greise Häuptling aus Eap, der sogleich den Vorsatz faßte, bei uns zu bleiben, und fast nur mit Gewalt davon abzubringen war. Kadu trug zu diesem Manne, der ihn doch vom »Rurik« verdrängen wollte, ein sanft Erbarmen und beschäftigte sich noch später mit dem Gedanken, Nachricht von ihm und seinen jetzigen Aufenthalte nach Eap gelangen zu lassen.

Ich stieg mit Kadu auf eines der Boote der Eingeborenen, in der Absicht, auf der Insel zu landen. Bald nachdem wir vom Schiffe abgestoßen, langte bei demselben Lamari auf einem andern Boote an und stieg sogleich auf das Verdeck. Ein stattlicher, dicker Herr mit einem schwarzen langen Barte und mit einem größeren und einem kleineren Auge. Von seinen Genossen sollen keine äußerlichen Unterwürfigkeitsbezeigungen gegen ihn stattgefunden haben.

Wir indes lavierten vor dem Riffe, über welches bei hohem Wasser zu fahren sich auch diese Boote nicht zu getrauen schienen. Wir nahten uns endlich der Insel, zu welcher zwei Mann durch die Brandung hinüberschwammen. Hier kam uns Lamari nach und unterhielt sich mit uns. Ich sah von allen Booten nur ein einziges zu dieser Stunde von dem freien Meer in das innere Becken hineindringen, da doch alle leicht hinausgesegelt waren. Dasjenige, worauf ich stand, war neu repariert; es trug vierzehn Menschen, ohne zu den größten gerechnet werden zu können. Wir kehrten mit etlichen Kokosnüssen an das Schiff zurück. Es war Nachmittag.

Kadu, dem noch einmal ernst vorgestellt wurde, daß wir jetzt Radak verließen, um nicht wieder dahin zurückzukehren, beharrte unerschütterlich bei seinem Entschlüsse. Er verteilte seine letzte Habe unter seine Gastfreunde. Wir warteten nicht auf das, was uns diese Insulaner noch an Früchten versprachen. Wir nahmen unsern Kurs nach Bigar.

Das unbewohnte Riff Bigar, das – wüst und ohne süßes Wasser – nach der Aussage der Radaker im Nordosten von Udirik liegt und von ihren Seefahrern von dieser Gruppe aus des Vogel- und Schildkrötenfanges wegen besucht wird, war für uns unerreichbar. Wir kämpften zwei Tage lang gegen den Wind an. Die im Norden von Radak ausnehmend starke westliche Strömung des Meeres brachte uns am 14. März 26 Meilen, am 15. 20 Meilen von unserer Rechnung nach Westen zurück; wir verloren gegen den Wind, anstatt zu gewinnen, und gaben – von diesen Seefahrern, die wir »Wilde« nennen, in unserer eigenen Kunst überwunden – das fernere Aufsuchen von Bigar auf. Auf jeden Fall setzt die Reise hinüber und herüber eine hinreichende Kenntnis der Strömung und eine zuverlässige Schätzung ihrer Wirkung voraus.

Wir nahmen unsern Kurs nach den von Kapitän Johnstone auf der Fregatte »Cornwallis« im Jahre 1807 gesehenen Inseln. Häufige Seevögel, deren Flug Kadu am Abend beobachtete, schienen uns dahin zu leiten. Wir sahen diese Inseln am 19. März 1817. Die sichelförmige, öde Gruppe hat von Nord in Süd eine Länge von 13 1/2 Meilen. Herr von Kotzebue setzt auf seiner Karte die Mitte derselben in 14° 40' nördlicher Breite, 190° 57' westlicher Länge. Der Leutnant Schischmarew, auf einem Boot ausgesandt, fand kein Tor in dem wallartigen, nackten Riffe, das sie unter dem Winde begrenzt.

Ein Haifisch von außerordentlicher Größe biß indessen an der Angel. Angeregt durch die Hoffnung, uns die ansehnliche Beute zu sichern, zog sich Kadu aus, bereit, hilfebringend in die See zu springen. Das Untier riß sich mit der Angel los und entkam uns. – Wir setzten unsere Fahrt nach Norden fort.

Noch einmal quer durch die Inselwelt der Südsee

Am 18. August 1817 aus dem Hafen von Unalaska ausgelaufen, suchten wir wiederum den Kanal zwischen Unimak und Akun zu erreichen, als die bequemste Furt, um aus dem Kamtschatkischen Meer südwärts durch die Kette der Aleutischen Inseln in den Großen Ozean zu gelangen. Windstille und widrige Winde hielten uns auf, wir bewirkten erst am 20. unsere Durchfahrt. Zwei Walfische der Art Aliomoch kamen sehr nahe an das Schiff. Am 21. morgens lagen wir in Windstille und schauten zum letzten Male zurück nach Norden auf die vulkanische Gebirgskette, welche die Aleutischen Inseln bildet. Am Abend frischte der Wind und führte uns dem Süden zu; der trübe, regnichte Himmel dieses Meerstriches schloß sich über uns.

Wir aber waren müde. Die Hoffnungen unserer Reise lagen als Erinnerungen hinter uns. Wir gingen keinen neuen Hoffnungen entgegen; wir hatten nur noch etliche der bekannten Kapitel scheidend zu überlesen, und die Heimat war das Ziel der langwierigen Fahrt. Die Kränklichkeit des Kapitäns und die reizbare Stimmung, in die sie ihn versetzte, beraubte gar oft die kleine Welt um ihn her der Heiterkeit des Lebens.

Vom 23. August bis 10. September rangen wir gegen vorherrschende, oft stürmische Südwinde an, ohne die Sonne zu sehen. Die Temperatur ward allmählich milder, und wir hatten zu heizen aufgehört, was zu Unalaska unausgesetzt geschehen mußte. Ein Delphin von einer ausgezeichneten Art, die wir noch nicht gesehen hatten und die unsern Aleuten als einheimisch in ihrem Meeren wohlbekannt war, wurde gegen den 44.° nördlicher Breite harpuniert. Den Schädel hat, wie die aller Delphine, die wir gefangen haben, das Zootomische Museum zu Berlin. Etwas südlicher wurden bei starkem Winde und unruhigem Meere viel spiegelglatte Wasserstellen bemerkt, die unter Windstille zu liegen schienen. Unser vielerfahrener Aleut Afzenikow deutete diese Erscheinung auf den Tran eines im Meeresgrunde verwesenden Walfisches, womit meine eigene Vermutung übereinstimmte.

Am 10. September ging der Wind nach Norden über, und das Wetter klärte sich auf. Wir waren am Mittag im 40.° 10' nördlicher Breite, 147.° westlicher Länge, und der Strom hatte uns in 18 Tagen 5 Grad östlich von unserer Rechnung abgeführt. Wir hatten wechselnde und oft wiederkehrende Windstillen bis zum 23., wo sich der Passat einstellte (26° 41' nördlicher Breite, 152° 32' westlicher Länge). Zwei Tage früher, beiläufig einen Grad nördlicher, hatten Schnepfen das Schiff umflattert.

Am 25. September erwarteten wir O-Waihi zu sehen; ein dunstiger Schleier lag davor. Am Morgen des 26. zeigte sich Mauna-kea, erst durch die Wolken und sodann über denselben. Wir kamen erst bei Nacht in die Nähe des Landes. Ein dickes Stratum von Wolken ruhte über den Höhen der Insel und selbst über Mauna-Puoray. Eine Reihe von Signalfeuern ward angezündet und erstreckte sich von dem Puoray gegen Mauna-kea. Wir umschifften in der Nacht die Nordwestspitze der Insel.

Die Wolken lösten sich auf; am Morgen des 27. war das heiterste Wetter. Wir hatten nun Windstille und schwache, spielende Winde. Es ruderten nur zwei Kanus an uns heran. Wir erfuhren nur, daß Tameiameia auf O-Waihi sei. Der Kapitän beschäftigte sich wiederholt mit der Höhenmessung der Berge.

Wir segelten am Morgen des 28. an dem Fuße des Wororay vorüber, als uns um 10 Uhr Herr Elliot de Castro in seinem Kanu nachfuhr und einholte. Wir hatten bereits Powarua, den Ort, wo sich eben der König aufhielt und mit dem Bonitenfang ergötzte, hinter uns gelassen. Herr Elliot nahm den Kapitän und uns Passagiere des »Rurik«, wozu auch Kadu gehörte, in sein Kanu auf, und wir ruderten dem Lande zu.

Kadu, dessen Neugierde durch alles, was er sah und hörte, auf das höchste gespannt wurde, hat uns hier zuerst, und überhaupt auch nur das eine Mal, einem Mächtigeren als wir Ehrfurcht bezeugen sehen, und dieser Gewaltige war ein Mann von seinem Stamm und seiner Farbe. Er wurde dem Könige vorgestellt, der ihm Aufmerksamkeit schenkte und sich von den Inseln, von wo aus er uns gefolgt, erzählen ließ. Unser Freund war bei dieser Gelegenheit schüchtern, jedoch mit Anstand und guter Haltung. Die O-Waihier waren gegen ihn liebreich und zuvorkommend, und er mischte sich fröhlich unter das Volk.

Powarua liegt am Fuße des Wororay mitten auf dem Lavastrom, den der Berg zuletzt ausgeworfen hat. Nackt und unbenarbt ist rings der glasige, schimmernde Grund. Seitab am Strande haben nur ein paar Sträucher der rotblütigen Cordia Sebestena Fuß gefaßt. Alles, was zu dem Lebensunterhalt gehört, muß fernher herbeigebracht werden.

Als wir landeten, war der König vom Bonitenfang noch nicht heimgekehrt. Dieser Fischfang ist hier, wie bei uns die hohe Jagd, ein königliches Vergnügen. Er ist oft beschrieben worden. Ein Kanu wird mit größter Gewalt der Ruder in dem schnellsten Lauf erhalten. Am Hinterteile desselben sitzt der Fischer und hält die Perlmutterangel schwebend über dem Meere und bespritzt sie zugleich mit Wasser. Der Fisch muß getäuscht werden und selbst aus dem Wasser auftauchen, um den Haken, der ihm lebendig scheint, zu verschlingen.

Wir besuchten die Königinnen, die unter einem leinenen Schirm lagerten und etliche Wassermelonen mit uns teilten. Die auf das Essen bezüglichen Tabus erstrecken sich nicht auf das Essen von Früchten, welches dem Trinken gleich geachtet wird.

Der König kam, nackt bis auf das Maro. Er bewillkommnete uns wie alte Bekannte mit Herzlichkeit. Die neuesten Ereignisse auf Atuai und O-Wahu, von denen uns auf letzterer Insel mehr erzählt ward, hatten den Stand der Dinge zu unseren Gunsten verändert.

Zwei Boniten wurden dem König nachgetragen; er gab mit feiner Sitte dem Kapitän den Fisch, den er selbst geangelt hatte, ganz wie bei uns ein Jäger das Wild verschenkt, das er geschossen hat. Er kleidete sich in die rote Weste, wie wir ihn im vorigen Jahre gesehen hatten, frühstückte und unterhielt sich mit dem Kapitän. Herr Elliot war der Dolmetscher.

Tameiameia gab uns wie im vorigen Jahre einen Edlen mit. Sein Name war Kareimoku. Man denke dabei nicht an den mächtigen Kareimoku, Stellvertreter des Königs auf O-Wahu. Hier gilt zwar die Geburt, und man könnte wohl von Familien sprechen; aber Familiennamen gibt es noch nicht. Auch bei uns findet sich der Name spät zu dem Schilde, und dieses, das Familienzeichen, ist späteren Ursprunges als die Familie selbst. Kareimoku war Überbringer des königlichen Befehles: man solle uns so wie im vorigen Jahre empfangen und uns ebensoviel an Lebensmitteln liefern als im vorigen Jahre. – Der König erbat sich von uns nur Eisen, das er zum Schiffbau brauchte.

 

Wir kamen am Abend des 28. September wieder an das Schiff und nahmen wie das vorige Mal unsern Weg nach O-Wahu südlich längs der schönen Inselkette. Wir hatten Windstille unter Ranai. Wir sahen am 1. Oktober mit Tagesanbruch O-Wahu. Eine amerikanische Brigg kam vom Norden zwischen Worotai und O-Wahu und segelte mit uns dem Hafen zu. Viele Kanus ruderten uns entgegen. Wir warfen um 5 Uhr nachmittags die Anker außerhalb des Hafens, und der Kapitän fuhr ans Land, wohin ihm unser Geleitsmann vorangegangen war.

Sieben Schiffe lagen im Hafen, das achte kam mit uns zugleich an, alle Amerikaner; nur ein altes Schiff der Russisch-Amerikanischen Kompanie, der »Kadiak«, lag auf dem Strande. Erwartet wurde noch ein Schiff von Kareimoku, ein hübscher Schoner, welcher unter dem Befehle von Herrn Bekley, Kommandant der hiesigen Festung, Sandelholz aus Atuai herbeiholte. Die mehrsten Schiffe begehrten Sandelholz. Um dieses Handels willen belasten die Fürsten das Volk mit Frondiensten, welche die Agrikultur und die Industrie beeinträchtigen.

Sobald wir am 1. Oktober 1817 die Anker ausgeworfen, fuhr, wie ich sagte, der Kapitän an das Land. Wir hatten in Hana-ruru ein gutes Angedenken zurückgelassen; Kareimoku empfing ihn auf das freundlichste und ließ ihn mit drei Schüssen aus der Festung salutieren. Die amerikanischen Kauffahrer ehrten ebenfalls den Kommandanten der kaiserlich-russischen Entdeckungs-Expedition und begrüßten ihn mit ihrem Geschütze. Als die Rede war, den »Rurik« in den Hafen zu bugsieren, so boten sie dazu ihre Boote an, und sie leisteten uns wirklich am andern Morgen mit Tagesanbruch diesen Dienst. Im Hafen angelangt, wechselten wir mit dem Fort Salutschüsse, empfingen mit drei Schüssen Kareimoku, der an Bord kam und uns Früchte, Wurzeln und ein Schwein brachte. Die gestern empfangenen Artigkeiten wurden erwidert.

Die Amerikaner erwiesen sich uns überhaupt dienstfertig mit zuvorkommender Höflichkeit. Wir erhielten von ihnen manches, was sie uns von ihrem eigenen Vorrat ohne Gewinn abließen: englisches Bier, Zwieback von einem am 6. aus Sitka einlaufenden Schiffe und anderes. Dennoch wurde eine unangenehme Reibung nicht vermieden. Wo mehrere Kauffahrteischiffe verschiedener Nationen in einem fremden Hafen vereinigt sind, pflegt der älteste Kapitän den Vorrang zu nehmen und, wo es geschehen darf, den Retraitenschuß bei Sonnenuntergang abzufeuern; wo aber unter Kauffahrern ein Kriegsschiff sich befindet, wird dem Kapitän desselben die Ehre gelassen. Nun soll der amerikanische Kapitän aus Unachtsamkeit den Retraitenschuß abgefeuert haben und die Beschwerde, die Herr von Kotzebue darüber geführt, von der Art gewesen sein, daß sie ihn zum Trotz gereizt habe. Die Sache lag übrigens außerhalb meines Kreises, und ich habe nur obenhin davon gehört.

Die fremden Kauffahrteikapitäns kamen bei Herrn Marini zusammen und hatten daselbst ihren Tisch. Ich speiste einmal zu Abend an ihrer Tafel. Zu den warmen Fleischspeisen wurde Tee anstatt Weines getrunken. Die Herren waren gegen mich ausnehmend höflich. Ein älterer Kapitän frug mich, zum wievielten Male ich jetzt diese Reise mache. Ich antwortete bescheidentlich, es sei das erstemal, und fand mich natürlich veranlaßt, dieselbe Frage an ihn zurichten. Zum zehnten Male war er auf solcher Handelsreise in der Südsee und um die Welt begriffen; aber jetzt, sagte er, sei er müde geworden und es solle seine letzte Reise gewesen sein. Er fahre jetzt nach Hause und werde sich zur Ruhe begeben. – Choris, der mit ihm näher bekannt war, fand und sprach ihn wieder in Manila und endlich noch in Portsmouth, wohin er uns vorausgeeilt war. Er hatte Briefe von Hause vorgefunden: segelfertig erwarte ihn daheim ein Schiff, mit dem er zum elften Male die Reise machen solle, aber das elfte Mal werde auch das letzte sein.

Wir pflegten jeden der kleinen Dienste, die uns die stets willigen O-Waihier leisteten – die Überfahrt zwischen Schiff und Ufer und derlei mehr –, mit einer Glasperlenschnur zu belohnen. Solche schimmernde leichte Ware wurde immer gern empfangen, ihr jedoch kein eigentlicher Geldwert beigelegt. Choris hatte unter seinem Vorrat etliche Schnüre von besonderer Art und Farbe, die er ohne Unterschied mit den andern ausgab. Gerade auf diese eigentümlich dunkelrote Farbe, gerade auf diese Perlenart legte, wie es sich später ergab, die Mode einen ganz außerordentlichen Wert. Solche, die Vancouver zuerst auf die Inseln gebracht, und seit seiner Zeit kein anderer Seefahrer, gehörten zu dem Schmuck der Königinnen. Nun waren sie wieder erschienen und etliche Schnüre davon in Umlauf gekommen. Man forschte der Quelle nach und kam bald auf Choris, dem reiche Häuptlinge mehrere Schweine für eine Schnur anboten; die amerikanischen Kaufleute machten ihm ihrerseits ansehnliche Anerbietungen – alles zu spät: Freund Login Andrewitsch, ein sonst bedächtiger und den Gewinn nicht verschmähender Handelsmann, hatte dieses Mal seine Dublonen für Maravedis ausgegeben.

Bei der Anwesenheit so vieler Schiffe nahm der Geschäftsverkehr Herrn Marinis Betriebsamkeit und Zeit in Anspruch, und ich konnte mich nur wenig seines belehrenden Umganges erfreuen. Er hatte mir vor einem Jahre versprochen, manches für mich aufzuschreiben, und hatte die Muße dazu nicht erübrigt. Jetzt war das Versäumte nachzuholen nicht mehr Zeit.

Ich verbrachte meist meine Tage auf botanischen Wanderungen im Gebirge, während Eschscholtz, wenigstens während der ersten Tage durch einen wunden Fuß zurückgehalten, auf dem Schiffe blieb und für die eingelegten Pflanzen Sorge trug. Schildwacht zu stehen bei den an der Sonne ausgelegten Pflanzenbündeln war ein zeitraubendes und verdrießliches Geschäft, was dennoch nicht zu umgehen war. Eschscholtz vermißte einmal eines seiner eigenen Pakete, die er auf dem Verdecke gehabt hatte, und unterhielt sich mit mir über den Verlust. Der Kapitän kam auf mich zu und fragte mich, was geschehen sei. Ich sagte es ihm geruhig, ohne Ahnung des Gewitters, das über mich losbrach. Er erteilte mir zornig einen überflüssigen Verweis und wiederholte mir, was ich gar gut wußte, das sei meine Sache und nicht die seiner Matrosen, die er wegen meiner Kräuter nicht werde schlagen lassen. Ich hatte nichts getan, als Eschscholtz' Klage angehört.

 

Man hatte zu Hana-ruru Zeitungen von nicht eben altem Datum, russische und englische. Ruhe, scheinbare wenigstens, war in der Geschichte. Aus Zeitungen alles herauszulesen, was interessieren kann, ist ein Geschäft, wozu man auf dem Lande keine Muße hat. Auf meinen Wanderungen durch die Insel sind mir einige Male von O-Waihiern Zeitungen angeboten worden; vermutlich alte Blätter.

Der Handel bringt auf den Sandwich-Inseln die bunteste Musterkarte aller Völker der Erde zusammen. Ich sah unter den Dienern vornehmer Frauen einen jungen Neger und einen Flachskopf der Nordwestküste Amerikas. Ich sah hier zuerst Chinesen, sah unter diesem herrlichen Himmel diese lebendigen Karikaturen in ihrer Landestracht mitten unter den schönen O-Waihiern wandeln.

Einmal auf einer fernen Wanderung, nachdem ich auf dem Schiffe deutsch und russisch, die Sprache der Karolinen-Inseln mit Kadu und mit unserm Koch zum flüchtigen Gruße dänisch geredet; nachdem ich zu Hana-ruru mit Engländern, Amerikanern, Spaniern, Franzosen, Italienern und O-Waihiern gesprochen, mit jedem in seiner Muttersprache; nachdem ich auf der Insel noch Chinesen gesehen (mit denen ich aber nicht geredet), wurde mir in einem entlegenen Tale ein Herr Landsmann vorgestellt, mit dem ich gar nicht sprechen konnte: es war ein Kadiaker – ein russischer Untertan. Ich anerkannte die Landsmannschaft, gab ihm die Hand darauf und zog meiner Straße. Das schien mir in der Ordnung und ganz natürlich. Es fiel mir erst viel später in der Erinnerung ein, diese Landsmannschaft und meine Ernsthaftigkeit dabei komisch zu finden.

Ich hatte mir vorgesetzt, den westlichen Gebirgsstock der Insel zu besuchen, Herr Marini erteilte mir seinen Rat, Kareimoku seinen Beistand; ich vollbrachte die beabsichtigte Reise in den Tagen vom 7. bis zu dem 10. Oktober 1817. Ein Kanu von Kareimoku brachte mich, meinen Führer und einen Knaben, der ihn begleitete, längs dem Korallenriffe, das den Strand umsäumt, bald innerhalb, bald außerhalb der Brandung, nach Pearl River und auf diesem Wasser landeinwärts nach dem Fuße des Gebirges, das ich bereisen wollte. Ein Schiff, als ich von Hana-ruru abstieß, lief eben in den Hafen ein.

Ich hatte bei dieser Fahrt die erwünschte Gelegenheit, die Beschaffenheit des Riffes zu untersuchen. Wir fuhren einmal ziemlich seewärts über eine Korallenuntiefe, worüber das Fahrzeug getragen werden mußte. Mehrere Kanus waren außerhalb der Brandung in einer Tiefe von beiläufig 10 bis 15 Fuß mit dem Fischfang beschäftigt. Mit langen schleppenden Netzen wurden sehr mannigfaltige Fische gefangen, besonders Chaetodonarten, die in den wunderherrlichsten Farben spielen. Hier versorgten sich meine Leute im Namen Kareimokus mit ihrem Bedarf. Sie verzehrten diese Fische roh, und – unsauber genug – noch nach drei Tagen, als sie schon angegangen und voller Insektenlarven waren.

Als wir landeinwärts wiederum über die Brandung fuhren, ward ungeschickt gesteuert, und eine Welle erfüllte das Boot. Die eben erhaltenen Fische schwammen mir um die Füße, meine Leute schwammen um das Kanu im Meere; alles kam bald wieder in Ordnung. Wir fuhren nun zwischen Brandung und Ufer bei geringerer Tiefe des Wassers; dieses färbte sich mit einem Male dunkler: wir waren im Pearl River. Ich versuchte in den Mittagsstunden die Wirkung der scheitelrechten Sonne auf meinen Arm, den ich ihr entblößt und von Seewasser benetzt eine Zeitlang ausgesetzt hielt. Der Erfolg war eine leichte Entzündung und die Erneuerung der Oberhaut.

Ich hatte einmal Grund, mit meinem Führer unzufrieden zu sein, der, wie es ins Gebirge ging und ich seiner am bedürftigsten war, mich mit dem Knaben vorangehen ließ und gar nicht nachkam, so daß ich umkehren und ihn selber holen mußte. Ein Liebesabenteuer hatte ihn aufgehalten. Ich verschoß den ganzen Köcher meines O-Waihischen Sprachschatzes zu einer zornigen Anrede, worin ich ihn an seine Pflicht mahnte und mit Kareimoku bedrohte, der mir ihn untergeordnet. Der Mann, wie das Recht eines O-Waihiers ist, lachte mich unmenschlich aus ob meiner ungefügen Rede, die er aber sehr wohl verstand; und er gab mir im Verlauf der Reise keine zweite Gelegenheit, meine Beredsamkeit auszuschütten.

Ein reichlicher Regen, eine Art Wolkenbruch, empfing uns auf den Höhen des Gebirges. Die Bastzeuge der O-Waihier verhalten sich wie ungeleimtes Papier gegen die Nässe. Ihre Kleidung zu verwahren gebrauchten meine Leute den Wipfel der Dracaena terminalis. Maro und Kapa, Schamgurt und Mantel, wurden um den Stamm dicht umgewickelt und darüber die breiten Blätter nach allen Seiten zurückgeschlagen und mit einem Ende Bindfaden befestigt. So trugen sie am Stamme dieses Bäumchens ihre Gewänder in der Form ungefähr eines Turbans. Ich selber zog meine ganz durchnäßten leichten Kleider aus, und wir stiegen vom Gebirge herab »in der Nationaltracht der Wilden». Daß die O-Waihier gegen Kälte und Regen viel empfindlicher sind als wir, ist so oft bemerkt worden und so wenig bemerkenswert, daß ich es kaum wiederholen mag. Ich will bloß erinnern, daß mir als Sammler die Umstände nicht günstig waren. Beim abermaligen Durchkreuzen des Gebirges über einen höheren Bergpaß hatte ich wiederholt Regen und durchaus keine Ansicht der Gegend.

In die bewohnte Ebene herabgestiegen und im Begriff, in das Dorf einzuziehen, wo wir übernachten sollten, machte ich mir aus zwei Schnupftüchern ein anständiges Kleid. Ein winzigeres genügte meinem Führer; sein ganzer Anzug bestand in einem Endchen Bindfaden von drei Zoll Länge.

Ich habe auf der Reise nie blecherne botanische Kapseln, sondern an deren Statt Schnupftücher gebraucht. Man breitet ein Tuch aus, legt die gesammelten Pflanzen quer auf dasselbe, preßt sie mit einer Hand zusammen und bindet mit der andern Hand und dem Münde die zwei entgegenstehenden Zipfel des Tuches zu einem Knoten; der untere Zipfel wird eben auch mit den anderen verknüpft, und der obere vierte dient zum Tragen. Auf größeren Exkursionen, wo man einen Führer und Träger hat, nimmt man ein gebundenes Buch Löschpapier mit, worin man zartere Blumen sogleich verwahrt.

Hier war mein Pflanzenvorrat vom Regen durchnäßt und Fäulnis zu besorgen. Im Quartier angelangt, wurde eine Seite des Hauses mit Tabu belegt und da die Pflanzen über Nacht ausgebreitet. Ein solches Tabu wird heiliggehalten. Aber auf dem Schiffe schützt kein Tabu, und die ganze Ernte von vier Tagen muß, gleichviel ob trocken oder durchnäßt, in der kürzesten Zeit »zum Verschwinden gebracht werden«.

Am 10. Oktober von meiner Wanderung heimgekommen, machte ich am 12. noch eine letzte Exkursion ins Gebirge, bei der mich Eschscholtz zum ersten Mal begleitete. Alles war zur Abfahrt bereit, die am 13. stattfinden sollte, aber Kareimoku, den mit den Häuptern des Adels die Feier eines Tabu auf dem Lande fesselte, bat, einen Tag länger zu bleiben, damit er Abschied von uns nehmen könne, und seiner freundlichen Bitte wurde nicht widerstanden.

 

Aber soll ich zum andern und zum letzten Male von den Sandwich-Inseln scheiden, ohne daß meiner Feder das Wort entgleitet, welches du, Leser – mit flüchtigem Finger diese Blätter umwendend – schnellen, neugierigen Blickes darinnen gesucht hast? Zu einer Parteifrage sind die Missionen geworden, die erst nach meiner Zeit auf diesen Inseln Fuß gefaßt haben, und ich gehöre keiner Partei an. Laß dir die Akten vorlegen und höre auf die nicht, die, ohne selbst geschaut zu haben, verwirrend ihre Stimmen in dem Streit erhoben. Ich selber habe sie nicht vollständig gelesen. Die Volkstümlichkeit, die vor dem aufgehenden Christentum untergehen muß, habe ich geschaut, und sie ist mir wert geworden; daß ich um sie traure, spreche ich unumwunden aus. Daß ich aber der Mann des Fortschrittes bin und höher mir der Geist des Christentums mit seinen Segnungen gilt, glaub ich in meinem Gedichte »Ein Gerichtstag auf Huaheine« an den Tag gelegt zu haben. Selbst an dem Frommen Ellis (»Polynesian researches«) habe ich zwei Dinge vermißt: er hätte, meine ich, selber O-Taheitier werden sollen, bevor er O-Taheitier umzuschaffen unternahm, und hätte sein heiliges Geschäft geistiger auffassen und betreiben können. Seefahrer, die da Weiber und Lust auf den Sandwich-Inseln gesucht, mögen dem Missionswesen abhold sein; aber – gewichtigere Beschuldigungen fallenlassend –, scheint mir doch aus allen Zeugnissen hervorzugehen, daß das Missionsgeschäft geistlos auf O-Waihi betrieben wird, wo noch kein Fortschritt in der geselligen Ordnung das Aufgehen des Geistes beurkundet hat. Die stille Feier des Sabbats und der erzwungene Besuch der Kirche und der Schule sind noch das Christentum nicht.

Dem sei, wie ihm wolle – früher oder später werden, dem Fortschritt der Geschichte angemessen, die Hauptinseln des Großen Ozeans sich der Welt unserer Gesittung anschließen; und schon erscheint in Landessprache und meist von Eingebornen geschrieben eine Zeitung auf O-Taheiti! – Hört! Hört! – eine Zeitung auf O-Taheiti! Die ihr dort die Presse, die periodische Presse befördert, hört auf, euch daheim davor zu entsetzen und sie zu bekämpfen. Schlagt euch nicht gegen die Luft, eure Streiche verwunden sie nicht. Preßfreiheit ist in Europa! – Der Tory Walter Scott sagt im »Leben Napoleons«: »Deutschland verdankt von jeher der politischen Zerstückelung seines Gebietes die Wohltat der Preßfreiheit.« – Was er von Deutschland sagt, gilt von der Welt. Die Presse ist nur ein Nachhall, selbst machtlos, wo sie das nicht ist. Die öffentliche Meinung, das ist die Macht, die groß geworden. Dankt der Presse und lernt von ihr.

Aber diese Trivialitäten sind hier nicht am Ort. Im Begriffe, unter Segel zu gehen, bemerkte ich, daß nach einem zweimaligen Aufenthalt und häufigem Verkehr mit den Eingeborenen ich noch kein Hundefleisch zu kosten bekommen hatte; denn der Europäer wird auf O-Waihi seinen Sitten und Vorurteilen gemäß empfangen und bewirtet, und für den fremden Gast wird ein Schwein, das er zu schätzen weiß, nicht aber ein Hund, den er verschmäht, in der Backgrube bereitet. Da erfuhr ich, als es schon zu spät war, daß ich die weit gesuchte Gelegenheit täglich am Bord versäumt hatte, wo unser königlicher Geleitsmann einen gebackenen Hund zu verspeisen gepflegt.

Am 14. Oktober 1817 lichteten wir mit Tagesanbruch die Anker, und die Boote der amerikanischen Schiffe bugsierten uns aus dem Hafen. Kareimoku kam aus dem Morai zu uns und brachte uns Fische und Früchte mit. Wir wechselten übliche Salutschüsse mit der Festung, wir nahmen herzlichen Abschied von unseren Freunden und entfalteten die Segel dem Winde.

 

Am 14. Oktober 1817 lagen die Inseln des O-Waihischen Reiches hinter uns, und vorwärts mit den Wimpeln waren Gedanken und Gemüt den Radakischen Inseln zugewandt. Wir hatten uns ganz besonders ausgerüstet, Geschenke bleibenden Wertes unsern liebewerten Freunden darzubringen. Mit dem letzten Abschied von ihnen sollten wir auch Abschied von der Fremde nehmen, die, als sie fern vor uns lag, uns mit so mächtigem Reiz angezogen und jetzt noch reizend zurückhielt. Über Radak hinaus lagen nur noch bekannte europäische Kolonien verzögernd auf unserm Heimweg.

Wir hatten den Passat und segelten vor dem Winde. Am 20. Oktober sahen wir am Morgen viele Schnepfen und viele Seevögel. Um zwei Uhr nachmittags zeigten sich die dem Seefahrer Gefahr drohenden nackten Klippen, die von Kapitän Johnstone in der Fregatte »Cornwallis« im Jahre 1807 zuerst gesehen worden und die wir im vorigen Jahre vergeblich aufgesucht hatten. Der höchste, sichtbarste Punkt derselben liegt, nach Herrn von Kotzebue, 16°45'36" nördlicher Breite, 169° 39' 21" westlicher Länge. Überflossene Riffe erstrecken sich weit umher.

Schnepfen und Seevögel wurden oft während dieser Überfahrt gesehen. Am 21. zog ein Flug Enten gegen Südost. Am 24. setzte sich eine Schnepfe auf das Schiff. Wir fanden im Norden von Radak den uns bekannten starken Weststrom.

Wir hatten am 30. Ansicht von Otdia, und wie wir die Schischmarew-Straße aufsuchen wollten, befiel uns ein Sturm aus Südost, der in der Nähe dieser Riffe nicht ohne Gefahr war. Der Regen floß in Strömen, und um unser Schiff erging sich ein kleiner Physeter.

Der Wind, der wieder zum Osten überging, wehte in der Nacht noch heftig, und wir lavierten in Ansicht des Landes.

Wir fuhren am 31. Oktober 1817 morgens 10 Uhr in Otdia ein. Ein Segel kam von Westen, wir holten es ein. Wir erkannten unsern Freund Lagediak, der uns frohlockend begrüßte. Um 5 Uhr nachmittags erreichten wir unsern alten Ankerplatz von Otdia. Lagediak kam sogleich auf das Schiff und brachte uns Kokosnüsse mit. Seine Freude war unbeschreiblich; er vermochte kaum sie zu zügeln, um uns Nachricht von unsern Freunden und dem Zustande der Inseln überhaupt zu geben.

Kadu, dem als einem Naturkinde das Ferne auf dem üppigen O-Wahu fern lag, der erst in der Enge unseres kleinen Bretterhauses seine Gedanken zusammengefaßt und auf seine lieben Gastfreunde gerichtet, denen wir ihn zuführten – Kadu, von dem Momente an, wo er die Riffe von Otdia erschaut und erkannt, der Gegenwart angehörend und mächtig sie erfassend, war ganz ein Radaker unter den Radakern. Geschenke, Geschichten, Märchen, Freude brachte er ihnen und jubelte mit ihnen vor Entzücken und Lust. Aber besonnen, wo es zu handeln galt, war er unablässig tätig und hatte schon Hand angelegt, wo andere noch zögerten. Er tat's aus eigenem Herzen in unserm Geiste. Er war unsere Hand unter den Radakern und bis an den letzten Tag ohne Nebengedanken einer der Unsern.

Ich selbst, nachdem ich mit redlichem Bemühen Kadu über Radak zu reden veranlaßt, seine Aussagen zusammengetragen, verglichen und studiert und mir nur die abstrakteren Kapitel der Glaubenslehre, der Sprachlehre und so weiter abzuhandeln übrigblieben, nachdem ich mit den Sitten und Bräuchen und mit den Zuständen dieses Volkes vertrauter geworden war, hatte jetzt einen klaren Blick über dasselbe gewonnen und konnte übersichtlich lesen, wo ich sonst nur mit Mühe buchstabiert hatte.

Auch die Radaker standen uns dieses Mal um vieles näher. Kadus Genossenschaft mit ihnen und mit uns war das Band, das uns vereinigte. Unser Freund war in Hinsicht unser leichter und schneller für sie, was er in Hinsicht ihrer für uns gewesen war. Wir waren jetzt nur eine Familie.

Aber wir sollten nur drei Tage auf Radak zubringen, und es galt zu schaffen und zu wirken, nicht aber müßig zu studieren.

Der größte Teil von der Bevölkerung der Gruppe war mit dem Kriegsgeschwader von Lamari weggezogen. Von unsern Freunden waren nur Lagediak und der Greis von Oromed, Laergaß, zurückgeblieben; letzterer der einzige Häuptling und zur Zeit Machthaber auf Otdia. Es waren überhaupt nur zwölf Mann und mehrere Weiber und Kinder anwesend. Kurz nach unserer Abreise war aus Aur der Häuptling Labeuliet hierhergekommen und hatte sich einen Teil des von uns geschenkten Eisens abliefern lassen. Drei Ziegen lebten zu der Zeit noch; die hatte er ebenfalls mitgenommen. Später war Lamari eingetroffen und hatte den Rest unseres Eisens und unserer Geschenke sich herausgeben lassen. Er war einige Zeit geblieben, die Bereitung von Mogan zu betreiben, und hatte bei seiner Abfahrt nur wenige Früchte zur kümmerlichen Erhaltung der Zurückbleibenden übriggelassen. Etliche Yamswurzeln, die in unserm Garten noch gegrünt, hatte er ausgegraben und mitgenommen, um sie nach Aur zu verpflanzen.

Am 1. November 1817 gingen wir zuerst ans Land. Einen niederschlagenden Anblick gewährte der wüste Fleck, den wir einst bebaut. Nicht ein armes Unkraut, nicht die Vogelmiere war zurückgeblieben, Zeugnis von uns und unserer frommen Absicht abzulegen. Wir schritten rüstig an das Werk, nicht deshalb entmutigt, weil – nicht unvorhergesehenerweise – unsere ersten Bemühungen fruchtlos geblieben. Der Garten ward erneuert und reichlicher besetzt; aber von allen Setzlingen und von allen Sämereien ward ein Teil zurückgelegt, um auch auf Oromed einen gleichen Versuch anzustellen; manche, die in größerem Vorrat vorhanden waren, wurden auch unter die Freunde verteilt. Kadu, den Spaten in der Hand, redete gar eindringlich die Umstehenden an und unterrichtete sie und schärfte ihnen nützliche Lehren ein.

Wir speisten und schliefen zu Nacht auf dem Lande. Wir hatten noch ein paar Wassermelonen auf diesen Tag gespart; sie wurden nebst etlichen Wurzeln, die der Kapitän zubereiten lassen, unter die Radaker ausgeteilt und dienten den Reden Kadus zum Belege.

Am Abend sangen uns die Freunde mehrere Lieder vor, die unsere Namen und das Andenken unseres Zuges aufzubewahren gedichtet worden.

Am 2. wurden die Hunde und die Katzen ans Land gebracht; diese zogen zu Walde, während sich jene an die Menschen anschlössen; aber auch sie warfen sich sogleich auf die Ratten und verzehrten ihrer etliche; und ich sah beruhigt ihre Unterhaltung auf Unkosten eines zu bekämpfenden lästigen Parasiten gerichtet.

Ziegen und Schweine sollten, von unseren Pflanzungen entfernt, auf eine andere Insel gebracht werden. Da zagten noch die Radaker, sich mit den ihnen unheimlichen Tieren zu befassen. Kadu übernahm und vollbrachte sogleich das Geschäft. Er sollte von jener Insel weiter nach Oromed überfahren, die dortige Gartenanlage zu besorgen. Er begegnete, sowie er den Kurs dorthin genommen, dem kommenden Laergaß und kam mit ihm an das Schiff zurück. Der alte Freund, liebevoll und freigebig, brachte uns Brotfrüchte und Kokosnüsse und beklagte sich, daß wir nicht vor seiner Insel die Anker geworfen.

Nach kurzem Aufenthalte gingen beide Boote nach Oromed unter Segel. Ich entschloß mich schnell, mitzufahren, und stieg auf das Boot des Alten. Kadu, der erst auf Otdia anlegte, kam uns nach. Ich pflanzte an diesem selben Abend das Zuckerrohr, das schon von der Dürre gelitten hatte, und fing die Gartenarbeiten an. Kadu langte an.

Der eine Tag, den ich auf Oromed unter diesen anmutigen Kindern, ganz ihren Sitten gemäß – ohne Rückhalt, ohne fremde Einmischung – zugebracht habe, hat mir die heiterste frischeste Erinnerung hinterlassen, die ich von meiner ganzen Reise zurückgebracht. Die Bevölkerung der Insel, drei Männer, zahlreiche Frauen und Kinder, waren mit uns am Strande um ein gesellig loderndes Feuer versammelt. Kadu erzählte seine Begebenheiten, denen er schalkhaft unterhaltende Märchen einwob; die Mädchen sangen uns freudig die Lieder vor, die zahllos auf uns entstanden waren. Die älteren zogen sich zurück und begaben sich zur Ruhe. Wir zogen weiter abwärts, und es ward abwechselnd verständiges Gespräch gepflogen und lustig gesungen bis spät in die Nacht hinein.

Ich habe von Unschuld der Sitten und Zwanglosigkeit der Verhältnisse, von zarter Schamhaftigkeit und sittigem Anstande gesprochen. Hier ein geringfügiger Zug von den Sitten von Radak. Ich saß im Kreise neben einem jungen Mädchen, auf deren Arm ich die zierlich tatuierte Zeichnung betrachtete, die, wie dem Auge durch die dunkelblaue Farbe, so dem Tasten durch leises Anschwellen der feinen Haut wahrnehmbar zu sein schien; und ich ließ mich zu dem Versuche hinreißen, indem ich sanft die Hand darüber gleiten ließ. Das hätte nun nicht sein sollen, wie aber konnte das junge Mädchen den nicht gar arg gemeinten Fehl an dem doch werten und lieben Gaste rügen, der nur fremd der Sitte war und überdies die Sprache nicht gut verstand? Wie konnte sie dem Einhalt tun und sich davor schützen? Ich merkte anfangs nicht, daß mein Betragen unsittig gewesen sei; als aber das Lied, das eben gesungen wurde, zu Ende war, stand das Mädchen auf, machte sich anderswo zu schaffen und setzte sich, als sie wiederkam, gleich freundlich und fröhlich, nicht wieder an ihren alten Platz neben mir, sondern an einen anderen unter ihren Gespielinnen.

Am anderen Morgen wurden Pflanzungen und Aussaat beschickt, wobei Kadu die größte Tätigkeit entwickelte. Ich entdeckte bei dieser Gelegenheit auf Oromed den Taro und die Rhizophora gymnorrhiza, von denen ich einzeln angebaute Pflanzen sogar auf dem dürftigen Riffe Eilu angetroffen und die mir bis jetzt auf der Gruppe Otdia noch nicht vorgekommen waren. Sobald das Werk vollbracht war, rief Kadu: »Zu Schiffe!« Wir trennten uns von unsern Freunden und entfalteten das Segel dem Winde.

 

Am 4. November 1817 liefen wir aus dem Riffe von Otdia zu der Schischmarew-Straße aus. Das Wetter war heiter, der Wind schwach.

Wir fuhren an Erigup vorüber und steuerten nach der Anweisung von Lagediak und den anderen Freunden, um Ligiep aufzusuchen.

Wir waren am 5. vormittags in Ansicht dieser Gruppe, in deren Nähe der Wind uns gänzlich gebrach. Endlich zog uns ein schwacher Hauch aus Norden aus einer peinlich werdenden Lage. Ein Boot kam uns entgegen und beobachtete uns vorsichtig von weitem. Wir nannten uns: da war alle Scheu von den Menschen gewichen; sie kamen heran, befestigten das Boot an das Schiff und stiegen zutraulich auf das Verdeck. Lamari hatte uns ein gutes Zeugnis gesprochen. Sie brachten uns die üblichen Geschenke dar, Kokosnüsse und ihre zierlichen Muschelkränze, und verkehrten ohne Arg und Rückhalt mit den alten wohlbekannten Freunden ihres Volkes. Sie luden uns dringend ein auf ihre Inseln und rühmten uns die Schönheit der Töchter von Ligiep. Dieses ist auf Radak das einzige Mal, daß ein solches Wort unser Ohr getroffen hat. Ihre Geschenke blieben nicht unerwidert; sie erstaunten ob unserer Freigebigkeit und unseres Reichtums an Eisen. Wir gaben ihnen, so gut es gehen wollte, Nachrichten von Otdia und ihren Freunden.

Ohne Kadu war es uns auf Radak noch schwer, uns zu verständigen, und so haben wir wenig von den Insulanern von Ligiep erfahren. Die Radaker sind wie die Engländer im Verstehen, ich möchte sagen: ungefällig. Sie erkennen die Wörter ihrer Sprache nicht, die wir ihnen vorzusagen uns bemühen. Ihre Art ist dann, zu wiederholen, was sie von uns hören, und so täuschen sie uns, die wir uns nicht erwehren können, solche Wiederholung für eine Bejahung anzunehmen.

Wir sahen nur den dürftigeren Teil der Gruppe; die reicheren Inseln, über welchen die Kokospalme hochstämmig ihre Krone wiegt, sah Herr von Kotzebue erst im Jahre 1824. Die Durchbrüche des Riffes scheinen selbst größeren Schiffen bequeme Tore zu verheißen, zu denen sie beim herrschenden Passat aus- und einfahren können. Die Menschen schienen uns wohlgenährter und wohlhabender als auf anderen Gruppen von Radak, und wir waren darauf vorbereitet, sie so zu finden.

Herr von Kotzebue hatte auf Otdia mit Lagediak, der, wie es sich ergab, öfters selbst auf Ralik gewesen, die Geographie dieser andern Inselkette wiederholt durchgenommen. Hier – am Ausgangspunkt der Seefahrer von Radak, die dahin fahren – ließ er sich wiederum die Richtung der zu jener Kette gehörigen Gruppe Kwadelen andeuten, und sie ward ihm, gleichlautend mit den früheren Angaben, nach Westen gezeigt.

Am Abend frischte der Wind, wir trennten uns von unsern Freunden und steuerten nach Westen. Es war uns aber nicht vorbehalten, diese oder eine andere Gruppe von Ralik zu entdecken. Im Jahre 1825 hat Herr von Kotzebue im Westen und in der Breite von Udirik, da, wo den Angaben nach die nördlichsten Riffe von Ralik liegen sollen, drei verschiedene Inselgruppen entdeckt, die wohl mit hohen Kokospalmen bewachsen, aber unbewohnt waren.

 

Wir hatten am 5. November 1817 Ligiep, die letzte Inselgruppe von Radak, aus dem Gesicht verloren. Der Kapitän hatte auf Guajan (Marianen-Inseln) anzulegen beschlossen. Wir hatten Ansicht erst von Sarpane oder Rota und sodann von Guajan am 23. November. – Ich behalte die spanische Rechtschreibung »Guajan« bei; man findet sonst den Namen Guaham, Guam und anders geschrieben. – Das bloß verneinende Resultat dieser Fahrt, auf welcher wir die Kette Ralik und den Meerstrich durchfahren haben, den die Karolinen-Inseln auf einigen Karten einnehmen, ist in hydrographischer Hinsicht nicht ohne Wichtigkeit.

Herr von Kotzebue bemerkt, daß das Meer im Westen von Radak und in dem Striche, wo die Karolinen-Inseln gesucht werden (zwischen dem 9. und 10. und in den letzten drei Tagen bis zu dem 11. Grad nördlicher Breite), blasser bläulich gefärbt war, einen größeren Salzgehalt und in der Tiefe eine auffallend niedrigere Temperatur hatte als sonst unter gleicher Breite im Großen Ozean, und schließt daraus, daß es da weniger tief sein möchte. Als wir, Guajan zu erreichen, nördlicher steuerten (am 20. November 11°42' nördlicher Breite, 209° 51' westlicher Länge), nahm das Meer seine gewöhnliche dunkelblaue Farbe, seinen gewöhnlichen Salzgehalt und in der Tiefe seine gewöhnliche Temperatur wieder an.

Wir hatten bis dahin häufige Windstillen gehabt und einmal ein Nachtgewitter mit heftigen Windstößen. Ein Delphin wurde harpuniert.

Ein fabelhafter Vorfall ergötzte ungemein unsere Mannschaft. Einer unserer Matrosen trug eine alte Mütze von Seehundsfell, die – vor Teer, Tran und Alter schier unkenntlich – ein Gegenstand der Verhöhnung geworden war. Überdrüssig warf er sie eines Morgens in die See. Ein Haifisch ward am selbigen Tage gefangen, in dessen Magen sich die Schicksalsmütze noch wohlbehalten vorfand.

Wir hatten uns am Nachmittag des 23. November der Nordspitze von Guajan genähert. Wir konnten uns nach einer Karte richten, und die Stadt Agana war uns nur aus unzulänglichen Beschreibungen bekannt. Wir entfernten uns vom Lande. Am 24. suchten wir das Land wieder auf und verfolgten dessen Westküste nach Süden, um Stadt und Ankerplatz aufzusuchen.

 

Der Passat blies mit ausnehmender Stärke. Nachdem wir die Nordspitze der Insel umfahren hatten, fanden wir unter dem Winde derselben ein ruhiges Meer, und ein leichter Windzug, der noch unsere Segel schwellte, wehte uns vom schönbewaldeten Ufer Wohlgerüche zu, wie ich sie in der Nähe keines anderen Landes empfunden habe. Ein Garten der Wollust schien diese grüne, duftende Insel zu sein – aber sie war die Wüste. Kein freudiges Volk belebte den Strand, kein Fahrzeug kam von der »Isla de las velas latinas« uns entgegen. Die römischen Missionare haben hier ihr Kreuz aufgepflanzt; dem sind 44 000 Menschen geopfert worden, und deren Reste, vermischt mit den Tagalen, die man von Luzon herübergesiedelt hat, sind ein stilles, trauriges, unterwürfiges Völklein geworden, das die Mutter Erde sonder Mühe ernährt und sich zu vermehren einladet. Darüber habe ich in meinen »Bemerkungen und Ansichten« die Spanier selbst berichten lassen.

Wir waren bemerkt worden. Als wir uns eben in den reizend umgrünten Buchten nach einem Ankerplatz umsahen, kam uns der Pilot des Gouverneurs, Herr Robert Wilson, in einem europäischen Boote entgegen, um uns in den Hafen zu führen. Im Angesichte der Stadt kam der Artillerieleutnant Don Ignacio Martinez, uns zu rekognoszieren. Er fuhr in einer »Proa« heran, einem den Fahrzeugen der Radaker gleichen Boote, wie sie – ehedem auf diesen Inseln üblich – ihnen den ersten Namen erwarben, bei welchem sie die Europäer benannt haben.

Der Hafen La Caldera de Apra, von einem Korallenriffe gebildet, ist ausnehmend sicher, aber von schwerem Zugange. Wir hatten die Anker noch nicht geworfen, als wir eine Botschaft des Gouverneurs erhielten, der uns nach Agaña einlud und uns für den beiläufig vier Meilen langen Landweg Pferde und Maultiere entgegengeschickt hatte. Das Schiff ward unter den Befehl des Leutnants Schischmarew gestellt, und wir fuhren mit Herrn Wilson ans Land. Im Hafen lag nur die kleine Brigg des Gouverneurs, die Herr Wilson zu fahren den Auftrag hatte. Wir hatten bis zu dem Dorfe Massu, wo uns die Pferde erwarteten und auf das wir der Untiefen wegen nicht in grader Richtung steuern konnten, beiläufig zwei Meilen zu rudern. Die Nacht brach ein, als wir landeten. Die Tagalen haben die Bauart der Philippinen hier herübergebracht. Die Häuser des Volkes sind auf Pfosten getragene, niedliche Käfige von Bambusrohr mit einer Bedachung von Palmenblättern.

Der Weg, auf welchem uns der Mond leuchtete, führte uns durch anmutige Gegend: Palmengebüsch und Wälder, die Hügel zu unserer Rechten, das Meer zu unserer Linken. Wir stiegen in Agaña bei Herrn Wilson ab und stellten uns sodann dem Kapitän-General der Marianen-Inseln vor. Don José de Medinilla y Pineda empfing uns in voller Montierung mit aller Förmlichkeit, aber auch auf das gastlichste. Der Kapitän und ich wohnten bei ihm, die anderen Herren wurden bei andern Spaniern untergebracht. Seine Tafel war zu mehreren Mahlzeiten des Tages mit einer Unzahl von Fleischgerichten verschwenderisch besetzt; aber von den Früchten, den grünen Erzeugnissen der Erde, nach denen der Seemann, der ans Land tritt, besonders begierig ist, ward nichts aufgetragen, und nur ein Apfelsinentrank, der eine Zwischenmahlzeit bildete, erinnerte an das duftig grüne Land. Brot ward nur dem Wirte und den fremden Gästen gereicht; die Spanier erhielten an dessen Statt Maistorten.

An Früchten, woran ich in Agaña Mangel litt, herrschte indes auf dem »Rurik« der größte Überfluß. Der Gouverneur ließ das Schiff mit frischem Fleische und mit allem, was die Erde an Wurzeln und Früchten hervorbringt, verschwenderisch versorgen. Außerdem durften die Matrosen, die einmal ans Land geschickt worden, so viele Apfelsinen und Limonen aus dem Walde heimbringen, als sie zu pflücken und mit sich zu schleppen vermochten. Dieser Boden, diese Fruchtbäume haben ja sonst ein starkes, blühendes Volk ernährt; die geringe Anzahl der jetzigen Bewohner steht in keinem Verhältnis zu den reichen Gaben der willigen Erde.

Man mochte fragen, wie diese Kost unsern nordischen Ichthyophagen mundete. Die Apfelsinen schmeckten ihnen besser als Walfischspeck. Wahrlich, es ist eine solche Lust, Aleuten Apfelsinen essen zu sehen, daß wir auf der Überfahrt nach Manila die letzten, die uns vom Vorrat übrigblieben, lieber von ihnen verschlucken sahen, als daß wir sie selber gegessen hätten. Wenigstens überließ Eschscholtz die ihm zugeteilten seinem aleutischen Sprachlehrer.

Ich habe in meinen »Bemerkungen und Ansichten« von Don Luis de Torres gesprochen, mit dem eine gleiche Gesinnung mich schnell und innig verband. Ich gedenke seiner mit herzlicher Liebe und aufrichtiger Dankbarkeit. Don Luis de Torres – der auf Ulea selbst Sitten und Bräuche, Geschichte und Sagen dieser lieblichen Menschen kennengelernt, sich von ihren erfahrensten Seefahrern, mit denen er in vertrautem Umgange gelebt, die Karte ihrer neptunischen Welt vorzeichnen lassen und der durch die Handelsflotte von Lamurek, die jährlich nach Guajan kommt, in ununterbrochener Verbindung mit seinen dortigen Freunden geblieben war – Don Luis de Torres eröffnete mir die Schätze seiner Kenntnisse, legte mir jene Karte vor und sprach gerne und mit Liebe zu mir von seinen Gastfreunden und jenem Volke, zu dem ich durch meinen Freund Kadu eine große Vorliebe gefaßt hatte. Alle meine Momente auf Agaña waren dem lehrreichen und herzlichen Umgange des liebenswerten Don Luis de Torres gewidmet. Herr von Kotzebue, dem ich die Ergebnisse meiner Studien mitteilte, kam meinem Wunsch zuvor und gab zu den zwei Tagen, die er auf Guajan zu bleiben sich vorgesetzt hatte, einen dritten Tag hinzu, ein Opfer, wofür ich ihm dankbarlichst verpflichtet bin. Während er selbst zwischen dem Hafen und der Stadt seine Zeit teilte, blieb ich in Agaña und verfolgte mein Ziel, Ich habe von einem Paar rüstiger Eheleute auf Guajan gesprochen, Stammeltern der sechsten gleichzeitig lebenden Generation. Von ihnen war Don Luis de Torres ein Enkel, selber Großvater; zu dem sechsten Gliede stieg eine andre Linie herab.

Don José de Medinilla y Pineda hatte in Peru, von wo er auf diese Inseln gekommen, Alexander von Humboldt gekannt und war stolz darauf, ihm einmal seinen eigenen Hut geliehen zu haben, als jener einen gesucht, um an dem Hofe des Vizekönigs zu erscheinen. Wir haben später zu Manila, welche Hauptstadt der Philippinen von jeher mit der Neuen Welt in lebendigem Verkehr gestanden hat, oft den weltberühmten Namen unseres Landsmannes mit Verehrung nennen hören und mehrere, besonders geistliche Herren angetroffen, die ihn gesehen oder gekannt zu haben sich rühmten.

Ich habe beiläufig erzählt, daß Don José de Medinilla y Pineda unserm Kapitän, der Verlangen trug, die volkstümlichen Tänze und Festspiele der Eingebornen zu sehen, ein Opernballett bei Fackelschein aufführen ließ. – Ich hörte ihn in diesem schwierigen Falle, wo von ihm verlangt wurde, daß er zeigen sollte, was nicht da war, sich mit andern beraten und ihrem Gutachten wiederholt die Worte entgegnen: »Aber er will einen Tanz sehen!« – So ward uns denn ein Tanz gezeigt.

Choris, der ein besonderes Talent hatte, schnell und leicht ein wohlgetroffenes Porträt mit Wasserfarben hinzuwerfen, erbot sich eines Morgens, das Porträt des Gouverneurs zu machen. Dieser ging sogleich, sich in vollen Anzug zu werfen, und kam in Gala zurück mit seidenen Strümpfen, Schuhen und Schnallen. Choris machte ein bloßes Brustbild, worauf nur die Epauletten aufgenommen werden konnten. Eben diese Epauletten waren die Zielscheibe böser Zungen, die zu verstehen gaben, Don José werde das damit verzierte Bild seinen Angehörigen, für die es bestimmt war, nicht schicken dürfen, da er dieselben zu tragen nur von sich selber die Berechtigung habe.

Der 28. November, wo wir uns wieder einschiffen sollten, war herangekommen. Dem Spanier, der mich im Hause des Gouverneurs bedient hatte, wollte ich beim Abschied etliche Piaster darreichen, fand aber einen Mann, der, in unsern Sitten fremd, gar nicht zu verstehen schien, was mir in den Sinn gekommen sein möchte. In der Furcht, ihn beleidigt zu haben, sagte ich ihm, es sei »para los muchachos« (für die niedere Dienerschaft), und so nahm er das Geld an. Weder der Kapitän noch ein anderer von den Herren hatte ein Trinkgeld anbringen können. Irgendeine Ware, ein buntes Tuch, wie sie welche um den Kopf tragen, oder ähnliches würde mit großem Danke angenommen worden sein. Für Piaster kann man hier nur das bekommen, was der alleinige Handelsmann, der Gouverneur, dafür geben mag.

Ich war Zeuge eines peinlich-komischen Auftritts zwischen dem Gouverneur und unserm Kapitän. Der erstere hatte großartig gastfrei für die Verproviantierung des »Rurik« Zahlung anzunehmen sich geweigert. Der Kapitän hatte zu Geschenken etliche Exemplare einer russischen Medaille mitgenommen, die er auszugeben pflegte, als sei dieselbe auf die gegenwärtige Expedition des »Rurik« geprägt. Man liest zu Agaña und an manchen anderen Orten das Russische nicht geläufig. Diese Medaille wollte er unserm edlen Wirte mit der bräuchlichen Redensart »des alleinigen Wertes der Erinnerung« und so weiter verehren. Don José de Medinilla y Pineda mißverstand die Sache auf das vollständigste; was er sich aber einbilden mochte, weiß ich nicht; kurz, er schob die dargehaltene Medaille zurück und setzte eine hartnäckige Weigerung, dieselbe anzunehmen, dem entrüsteten Kapitän entgegen. Ich bewog ihn endlich mit vieler Mühe, das Ding, das er für ein gefährliches anzusehen schien, anzunehmen, und die Schlacht wurde noch unsererseits gewonnen.

Ich hatte hier zuerst den Trepang kennengelernt. Der Gouverneur, der für den Markt von Kanton diese kostbare Ware sammeln und bereiten läßt, hatte mir über die verschiedenen Arten Holothurien, die in den Handel kommen, ihr Vorkommen, ihre Bereitung und über den wichtigen Handel selbst, dessen Gegenstand sie sind, die Notizen mitgeteilt, die ich teils in meinen »Bemerkungen«, teils in den Verhandlungen der Akademie der Naturforscher niedergelegt habe. Er hatte mir einige dieser Tiere verschafft; die abzureichen waren; lebendig; andere geräuchert und in dem Zustande, worin sie zu Markt gebracht werden. (Sie sind nun sämtlich in dem Berliner Zoologischen Garten zu sehen.) Er hatte die ausnehmende Artigkeit, auch meinem Wunsche zu willfahren und diese von den chinesischen Lüstlingen so begehrte Speise für uns bereiten zu lassen. Es ging mir aber damit wie jenem deutschen Gelehrten, der in einer Bildergalerie gelehrte Notizen aus dem Munde des Cicerone sammelte und emsig niederschrieb, zu Hause aber sein Notatenbuch überlas und sich von seinem Reisegefährten nachträglich sagen ließ, wie die Bilder eigentlich ausgesehen hätten.

Der Trepang muß zweimal vierundzwanzig Stunden bei gelindem Feuer langsam kochen; demnach ward der Genuß desselben auf die letzte Mahlzeit aufgespart, die Don José de Medinilla y Pineda uns vor dem Scheiden aus Agana gab. Aber ich hatte bei Tagesschein den grünen, duftigen Wald von Guajan noch nur von weitem gesehen und wollte doch wenigstens einen flüchtigen Blick auf diese Flora werfen. Ich verzichtete auf das Mittagsmahl und benutzte die Zeit, den Weg nach dem Hafen zu Fuß botanisierend zurückzulegen, wobei mich noch Don Luis begleitete. (Was das Sammeln von Pflanzen anbetrifft, konnte sich wohl Eschscholtz auf mich verlassen, ich aber nicht auf ihn.)

Mit unserer Schiffsgesellschaft trafen am Abend des 28. November die meisten spanischen Offiziere an Bord des »Rurik« ein. Wir verlebten noch frohe Stunden zusammen, und sie blieben zu Nacht bei uns. Was ich von kurzer Ware, Glasperlen und ähnlichem noch übrig hatte, übergab ich Don Luis de Torres und ließ ihn, den Freund der Indianer, meinen Erben sein. Ich kaufte noch von Choris große Messer, die er abzusetzen keine Gelegenheit gehabt, und bestimmte sie, als Geschenke von Kadu seinen Freunden und Angehörigen auf Ulea verteilt zu werden.

Am Morgen des 29. November 1817 kam Don José de Medinilla y Pineda und übergab unserm Kapitän Depeschen für den Gouverneur von Manila. Wir nahmen Abschied von unsern Freunden, salutierten den Kapitän-General, als er unsern Bord verließ, mit fünf Kanonenschüssen und dreimaligem »Hurra!« und entfalteten die Segel dem Winde.

Am 29. November 1817 aus dem Hafen von Guajan ausgefahren, richteten wir unsern Kurs nach dem Norden von Luzon, um zwischen den dort liegenden vulkanischen Inseln und Felsen in das Chinesische Meer einzudringen.

Die Karolineninseln

Der scharfsinnige Pedro Fernández de Quirós 1605 wollte südwärts nach der Mutter so vieler Inseln forschen (en demanda de la madre de tantas Islas), die man schon damals im Großen Ozean entdeckt hatte. Wir haben diese Mutter in dem Kontinent erkannt, in dessen Osten man sie antrifft, wie man die Seevögel über dem Winde der Klippen antrifft, die ihr Mutterland sind und zu welchem sie abends mit der sinkenden Sonne nach ihren Nestern zurückkehren.

Dieses Bild, welches besonders treffend auf die Inseln der ersten Provinz paßt, hat sich uns wieder aufgedrungen, als wir von dem östlich entfernten Radak auf die westlicheren Karolinen, von dem sich verlierenden Kinde zu den Kindern im Schoße der Mutter zurückgekehrt. Uns empfängt eine reichere Natur, und dasselbe Volk ist bei gleicher Lieblichkeit gebildeter.

Der Meerstrich, den die Karolinen einnehmen, ist heftigen Stürmen unterworfen, die meist den Wechsel der Monsuns bezeichnen. Diese Orkane, welche die Spanier auf den Philippinen- und Marianeninseln mit dem tagalischen Wort Bagyo nennen, verwüsten zuweilen auf den Niedern Inseln alle Früchte, so daß die Menschen eine Zeitlang sich von dem Fischfang allein zu ernähren gezwungen sind. Sie befährden die Inseln selbst, gegen die sie das Meer empören. Kadu hat auf Mogemug einen Orkan erlebt, während dem das Meer eine zwar unbewohnte, jedoch mit Kokospalmen und Brotfruchtbäumen bewachsene Insel wegspülte.

Herr Wilson gewährt uns einen Blick über die Natur der Pelewinseln und deren Erzeugnisse. Eap, das andere westliche hohe Land der Karolinen, erscheint uns, obgleich ohne hohe Gipfel, als der Sitz vulkanischer Kräfte. Die Erdbeben sind häufig und stark, es werden sogar die leicht gebauten Häuser der Eingeborenen davon umgestürzt. Die Korallenriffe von Mogemug und Ulea werden, wenn auf Eap die Erde bebt, erschüttert, jedoch mit minderer Gewalt. Kadu hat dasselbe von Feis nicht erfahren. Nach seiner Bemerkung sind auf Eap die Nächte bei gleich warmen Tagen viel kühler als auf Ulea. – Eap bringt Schleifsteine hervor, welche die östlicheren Niedern Inseln von daher beziehen. Sie sind ein freundlicheres Geschenk der Natur als das Silber, welches Cantova dieser Insel auf Zeugnis des dort gebornen Cayal zuschreibt. Kadu erklärt uns diese Sage. Ein weißer Stein wird in den Bergen von Eap gefunden, worauf die Häuptlinge ein ausschließliches Recht haben. Ihre Ehrensitze sind davon gemacht. Ein Block bildet den Sitz, ein anderer die Rücklehne; Kadu hat diesen Stein gesehen, es ist nicht Silber, nicht Metall. Ein gelber Stein hat auf Pelli (die Pelewinseln) gleiche Würde. Man erinnere sich aus Wilson des als Kriegstrophäe entführten Sitzes eines Häuptlings. Ein Töpferton wird auf Eap wie auf Pelli benutzt, es werden längliche Gefäße daraus gebrannt. Die Kunst kann auf den Niedern Inseln ohne das Material nicht bestehen.

Die verschiedenen nutzbaren Palmen der Philippinen (Palma brava, Palma de Cabello negro), die unter den Gewächsen der Pelewinseln angeführt werden, lassen uns den Reichtum ihrer Flora ermessen. Eap genießt mit Pelew die Vorrechte eines hohen Landes; wir finden unter den Erzeugnissen von Eap die Arekapalme (Areca Catechu), den Bambus, drei in den Bergen wachsende Baumarten, aus deren Holz man Boote baut, wozu auf den Niedern Inseln nur der Brotfruchtbaum gebraucht wird; die Aleurites triloba, der Würznelkenbaum (Caryophyllus aromatica), der nicht bloß nicht geachtet, sondern noch verachtet wird und nebst zwei andern Bäumen, die nutzlos und bittern Geschmackes sind, der Schlechtigkeit und Häßlichkeit zur Vergleichung dient; den Orangenbaum, das Zuckerrohr und endlich den Curcuma, der freilich auch auf Ulea und den Niedern Inseln vorkömmt, aber in größerem Reichtum auf Eap. Kadu erkannte auf den Sandwichinseln und unter den auf die Riffe von Radak ausgeworfenen Sämereien viele Arten, die teils auf Eap, teils auch auf den Niedern Inseln der Karolinen einheimisch sind. Feis erfreut sich unter allen Niedern Inseln des reichsten Bodens und der reichsten Flora. Der seines vielfachen Nutzens wegen aus Eap verpflanzte Bambus ist da gut fortgekommen. Die andern Inselgruppen beziehen ihren Bedarf aus Eap. – Ulea und sämtliche Niedere Inseln dieser Meere bringen viele Pflanzenarten hervor, die auf Radak nicht sind, und haben eine bei weitem üppigere Natur. Don Luis de Torres hat sogar Pflanzen von Ulea nach Guajan überbracht, die der Flora dieses hohen Landes fremd waren.

Alle diese Inseln sind reich an Brotfruchtbäumen, Wurzeln, Bananen. Die Volksnahrung scheint auf den Niedern Inseln auf dem Brotfruchtbaum zu beruhen, von dem verschiedene großfrüchtige Abarten unter verschiedenen Namen kultiviert werden. Die Wurzeln machen auf den hohen Landen die Volksnahrung aus. Die süße Kartoffel (Camotes), die nebst dem Samen anderer nutzbarer Pflanzen Cayal, drei seiner Brüder und sein Vater Corr von den Bisayas (Philippineninseln), wohin sie verschlagen worden, nach Eap zurückbrachten, und von wo sie sich auf andere Inseln verbreitet hat (s. Cantova), kommt nach Kadu auf Ulea nicht fort. Die Wurzel der Arumarten erreicht nur auf dem hohen Lande und allenfalls auf Feis ihr volles Wachstum. Auf den Pelewinseln werden verschiedene Varietäten der einen Art angebaut, von denen etliche zu einer außerordentlichen Größe gelangen. – Der Pandanus wächst auf allen Karolinen, ohne daß seine Frucht gegessen oder nur zum Schmuck benutzt würde. Es kommt keine der veredelten Abarten vor. Die Agrikultur von Eap muß unvergleichlich sein. Schwimmende Arumgärten werden da auf den Wässern, auf Holz- und Bambusflößen künstlich angelegt.

Der Pisang wird nicht sowohl der Frucht als seiner Fasern wegen kultiviert, aus welchen die Weiber zierliche mattenähnliche Zeuge oder zeugähnliche Matten zu weben oder zu flechten verstehen. Die Stücke dieser Zeuge sind in Gestalt eines türkischen Schals, eine Elle breit und etliche Ellen lang. Eingeschlagene schwarze Fäden bilden zierlich durchwirkte Muster an beiden Enden, und die Fäden des Aufzuges hängen als Fransen heraus. Diese Zeuge werden zuweilen mit Curcuma gefärbt. In der Reisebeschreibung des Kapitäns James Wilson werden diese Zeuge beschrieben und die Kunst, sie zu verfertigen, ohne allen Grund der Belehrung der spanischen Missionare zugeschrieben. Die Bananenpflanze wird nach Kadu meist, bevor sie Früchte getragen, zur Gewinnung der Fasern abgeschnitten.

Eine andere Pflanze, eine Malvacea, liefert einen Bast, der ebenfalls auf einigen Inseln zu ähnlichen Zeugen verarbeitet wird.

Der Papier-Maulbeerbaum und die Bastzeuge von O-Waihi waren Kadu gleich unbekannt. Die Curcumawurzel wird zu einem Pulver geraspelt, welches einen beträchtlichen Handelszweig von Eap ausmacht. Sich die Haut mit diesem Pulver zu färben ist von Tuch im Osten bis Pelli eine allgemeine Sitte, die auf den südwestlich von den Pelewiiiseln gelegenen Gruppen nicht herrscht und auch auf den Marianeninseln nicht herrschte. So schmücken sich die Weiber jederzeit und die Männer bei Festen oder, wo Krieg herrscht, zum Kampf; so werden die Leichen zur Bestattung geschmückt. – Die Sitte, den Betel zu kauen und die Zähne schwarz zu färben, ist ausschließlich auf Pelli, Ngoli, Eap und die Marianeninseln, wo sie ursprünglich auch war, beschränkt. Süßer Sirup wird aus dem Safte der Kokospalme nur auf den Pelewinseln gewonnen. Das Trinken des Kawa und der Gebrauch des Salzes sind allen diesen Inseln gleich fremd.

Es finden sich auf keiner der Inseln der ersten Provinz des Großen Ozeans andere Haustiere als die, so die Europäer da hingebracht. – Nach Kadu ist vor langer, langer Zeit ein großes Schiff auf Mogemug gekommen, welches daselbst Katzen zurückgelassen hat. Die Art dieser Tiere hat sich von Mogemug aus nach Westen bis Pelli, nach Osten bis Ulea verbreitet. Sie werden auf diesen Inseln mit dem spanischen Namen Gato benannt. Von einem sehr bejahrten Greise haben Menschen aus Eap und aus Ulea, hat Kadu selbst in der Sprache jener Fremden von eins bis zehn zählen gelernt. So weit zählt er wirklich auf spanisch mit Geläufigkeit und reiner Aussprache. Er hat ferner auf Mogemug zwei große irdene Gefäße (drei bis vier Fuß hoch) gesehen, die von jenem Schiffe herrühren.

Wir haben sonst von der Mission Cantova auf Mogemug kein anderes Andenken aufgespürt. Von dem auf der Insel Falalep zurückgebliebenen Geschütz hat Kadu nichts vernommen.

Der Trichechus Dugong kommt in den Gewässern der Pelewinseln wie in denen der Philippineninseln vor.

Cantova erwähnt der Jagd, welche die Bewohner der Niedern Inseln auf den Walfisch machen. Es möchte vielleicht, was er davon berichtet, auf die Delphinenjagd zu beziehen sein. Es kommen drei Arten Delphinen mit weißen, roten, schwarzen Bäuchen in diesem Meerstriche vor. Wenn die von Ulea diese Tiere gewahr werden, so gehen kleine Boote, gegen 80 an der Zahl, in die See, umzingeln die Herde, treiben selbige gegen das Land, und wenn sie sich dem hinreichend genähert, belästigen sie die Tiere mit Steinwürfen, bis sich auf den Strand werfen. So wird man ihrer in großer Anzahl habhaft. Ihr Fleisch wird gern gegessen. Bei dem Zerschneiden sind kunstgerechte Schnitte zu beobachten. Ein falscher Schnitt entfernt die Tiere auf eine gewisse Zeit von der Insel. Zu Iviligk, wo das Riff nur einen schmalen Eingang hat, werden die Tiere in die Laguna getrieben, und es wird keines getötet, bis sie sich in gehöriger Anzahl (gegen ein halbes Hundert) eingefangen haben. Auf den zu Ulea gehörigen Inseln wird diese Treibjagd mit besonderem Erfolg ausgeübt. Man versteht auf anderen die Kunst nicht so gut. Die Delphine steigen zuweilen in die Flüsse von Eap hinauf, man versperrt ihnen dann die Rückkehr mit Netzen, und sie werden harpuniert.

Das Huhn findet sich auf allen Karolineninseln, ohne daß man daraus besonderen Nutzen zu ziehen verstände. Wir müssen gegen Cantova, der uns Berichte von Eingeborenen von Eap selbst mitteilt und sagt, daß eine Art von Krokodilen daselbst angebetet oder verehrt werde, das Zeugnis von Kadu ausführlich anführen.

Auf Pelli (den Pelewinseln) kommt eine Art Krokodil vor, Ga-ut genannt (Ye-use nach Wilson). Der Ga-ut hält sich beständig im Wasser auf und hat einen zusammengedrückten Schwanz. Die Kinderstimmen ähnlichen Töne, die dieses gefährliche Tier hervorbringt, möchten Unkundige verlocken. Der Ga-ut von Pelli wird auf Eap nicht angetroffen. Es hat sich nur einmal einer da gezeigt und ist getötet worden, nachdem er ein Weib verschlungen hatte.

Eine große Art Eidechse; Kaluv genannt, kommt auf Pelli und Eap vor, und zwar ausschließlich auf diesen Inseln und namentlich nicht auf Feis. Der Kaluv ist viel kleiner als der Ga-ut, und sein Schwanz ist rund. Er geht zwar in das Wasser, wo er Menschen gefährlich werden kann, und frißt Fische, er hält sich aber meist auf dem Lande auf und kriecht auf die Bäume, wo er während der Tageshitze schläft. Das Fleisch dieses Tieres gilt auf Eap für giftig und wird nicht gegessen. Die Eingebornen meinen, man stürbe davon; sie töten aber das Tier, wo sie können. Boele, der angenommene Sohn des Häuptlings und Priester des Gebietes Kattepar, und seine Gefährten (unmaßgeblich Europäer) aßen das Fleisch ohne Ärgernis wie ohne böse Folgen.

Unter den Insekten von Eap, die auf andern Inseln nicht vorkommen, führt Kadu einen sehr großen Skorpion an, dessen angeblich tödlicher Stich durch den Saft von Kräutern geheilt wird, und eine kleine Art Lampyris, die nur in etlichen Gebieten angetroffen wird. Der Floh war Kadu, bevor er zu uns kam, völlig unbekannt.

Eisen wird von ausgeworfenen Schiffstrümmern auf Ulea, Eap und andern Inseln in reicherer Menge als auf Radak gewonnen. Es soll auf den Inseln im Südwesten von Pelligar nicht vorkommen. Das Treibholz wird überall vernachlässigt.

Cantova erwähnt einer Mischung verschiedener Menschenrassen auf den Karolinen, von der unsere Nachrichten schweigen. Wohl möchten Papuas aus den südlichen Landen durch irgendeinen Zufall und etliche Europäer, Martin Lopez und seine Gefährten, oder andere auf andern Wegen auf diese Inseln gelangt sein, wie seit der Zeit es häufiger geschehen ist. Die Rasse der Eingebornen ist aber die, so auf allen Inseln des Großen Ozeans verbreitet ist. Ihr Haar scheint krauserlockig zu sein als das der Radaker. Alle lassen es lang wachsen und legen auf diese natürliche Zierde einen besondern Wert. Es wird nur auf Eap den Kindern abgeschnitten.

Nach Kadus Bemerkung sind die Einwohner des Gebietes Summagi auf Eap von ausnehmend kleiner Statur. Mißgeburten und natürliche Fehler sind nach demselben auf dieser Insel merkwürdig häufig. Er führte uns als Beispiele an: einen Mann ohne Arme, dessen Kopf außerordentlich groß ist, einen ohne Hände, einen andern ohne Daumen, einen Menschen mit nur einem Bein, Hasenscharten und Taubstumme. Selbst minder auffallende Fälle sind auf andern Inseln viel seltener. Eine Krankheit, welche die Europäer auf den mehrsten Inseln der Südsee verbreitet haben, scheint nach Kadu auf Ulea nicht unbekannt zu sein.

Die Menschen sind im allgemeinen auf den Karolinen wohlgenährter und stärker als auf Radak. Die Tatuierung ist überall willkürlich und in keiner Beziehung mit dem religiösen Glauben. Die Häuptlinge sind mehr als das Volk tatuiert. Ein Stück Bananenzeug, ungefähr wie das Maro von O-Waihi und O-Taheiti getragen, ist das bräuchliche Kleid, nur auf Pelli gehen die Männer völlig nackt, wie es auch ehemals auf den Marianeninseln der Fall war. Der Ohrenschmuck der Radaker wird nur auf Pelli nicht getragen. Der Nasenknorpel wird zum Durchstechen wohlriechender Blumen durchbohrt. Das Armband aus dem Knochen des Trichechus Dugong, das die Häuptlinge der Pelewinseln tragen, ist aus H. Wilson bekannt. Die Häuptlinge von Eap tragen ein ähnliches breiteres Armband, das aus einer Muschel geschliffen ist.

Die Häuser sind überall groß und geschlossen. Man kann, ohne sich zu bücken, zu den Türen eingehen. Gepflasterte Wege und viereckige Plätze vor den Häusern der Häuptlinge finden sich auf Eap wie auf den Pelewinseln, wo wir sie durch H. Wilson kennengelernt.

Wir müssen dieses mutige Schiffervolk zuerst auf seinen Booten betrachten.

Von gleicher Bauart mit den Booten von Ulea sind nach Kadu die von Nugor und Tuch, deren Völker durch ihre Sprachen abgesondert sind, und die von den gleichredenden Niedern Inseln bis Ulea, Feis und Mogemug. Die anders redenden Einwohner von Savonnemusoch zwischen Nugor und Tuch unternehmen keine weiten Seereisen und möchten andere Boote haben. Die Vergleichung, welche Cantova zwischen den Booten der Karolinen und denen der Marianen anstellt, läßt uns auf diese zurückschließen. Die Boote der Marianen waren ähnlich denen von Ulea, jedoch vorzüglicher und bessere Segler.

Die Bauart der Boote von Eap und Ngoli weicht wenig von der von Ulea ab. Die Eingeborenen von Eap gebrauchen aber gern Boote aus Ulea, die sie sich auf dem Wege des Handels verschaffen. Pelli hat eine eigene Bauart und die Niedern Inseln im Südosten von Pelli wieder eine andere. Pelli und diese Inseln stehen in der Schiffahrt nach, und ihre Boote besuchen die östlicheren Inseln nicht.

Die kühnsten Seefahrer sind die Eingebornen von Ulea und den umliegenden Inseln, die auch Cantova für gesitteter als die übrigen hält. Das Triebrad der Schiffahrt ist der Handel. Die Hauptgegenstände des Handels sind: Eisen, Boote, Zeuge und Curcumapulver. – Wir haben an anderem Orte von dem Handel mit Guajan gesprochen, woselbst die von Ulea hauptsächlich Boote gegen Eisen verkaufen. Die von Feis, Eap und Mogemug holen Boote in Ulea gegen Curcumapulver. Die von den östlicheren Inseln haben den Brotfruchtbaum im Überfluß und bauen alle ihre Boote selbst; die von Nugor und Tuch holen in Ulea Eisen gegen Zeuge. Die von Ulea fahren auch gegen Tuch und Nugor; die von Savonnemusoch werden auf diesen Reisen besucht, ohne selbst andere Inseln zu besuchen. In Pelli wird das Eisen, welches die Europäer dorthin bringen, gegen Curcuma eingehandelt. Auf den südwestlichem Inselgruppen werden Zeuge gegen Eisen, welches ihnen fehlt, eingetauscht. Ein Geschwader von zehn Segeln, fünf aus Mogemug und fünf aus Eap, vollbrachte diese Reise; die Seefahrer selbst hat Kadu auf Eap persönlich gekannt.

Ihrer Schiffahrt dient zur Leiterin die Kenntnis des gestirnten Himmels, den sie in verschiedene Konstellationen einteilen, deren jede ihren besonderen Namen hat.

Sie scheinen auf jeder Fahrt den Auf- oder Niedergang eines andern Gestirns zu beobachten. Ein mißgedeuteter Ausdruck von Cantova hat ihnen irrig die Kenntnis der Magnetnadel zuschreiben lassen. Cantova meint nur die Einteilung des Gesichtskreises in zwölf Punkte, wie wir sie nebst andern Benennungen der Rumben und Winde in unserm Vokabularium nach Don Luis de Torres und Kadu mitgeteilt haben. Der Steuermann eines Bootes legt, nach Don Luis, ein Stückchen Holz, einen kleinen Stab, flach vor sich hin und glaubt von demselben geleitet zu werden, wie wir von dem Kompaß. Es ist uns nicht unbegreiflich, daß dieser Stab, im« Moment der Beobachtung gestellt, im Gebiete sehr beständiger Winde den gegen den Wind zu haltenden Kurs zu versinnlichen dienen könne.

Man zählt auf den Karolineninseln Tage und Monde und teilt das Jahr nach der Wiederkehr und dem Verschwinden der Gestirne in seine Jahreszeiten ein. Niemand aber zählt die Jahre. Das Vergangene ist ja vergangen, das Lied nennet die Namen, die der Aufbewahrung wert geschienen, und sorglos wallet man den Strom hinab.

Kadu wußte ebensowenig sein eignes Alter als jeder Insulaner des östlicheren Polynesiens. – Das Leben dieser Insulaner, unbedächtlich, entschlossen und dem Moment gehörend, ist vieler der Qualen bar, die das unsere untergraben. Als wir Kadu von dem unter uns nicht beispiellosen Selbstmorde erzählten, glaubte er sich verhört zu haben, und es blieb für ihn eins der lächerlichsten Dinge, die er von uns vernommen. Aber sie sind, und aus denselben Gründen, fremder planmäßiger Bedrückung unduldsam, und die Geschichte hat den Selbstmord des Volkes der Marianen unter den Spaniern (den Boten des Evangelii?) in ihr Buch aufgezeichnet.

Es werden auf allen Karolineninseln nur unsichtbare himmlische Götter geglaubt. – Nirgends werden Figuren der Götter gemacht, nirgends Menschenwerke oder körperliche Sachen verehrt. Kadu war in der Theosophie seines Volkes wenig bewandert. Was wir ihm hier nacherzählen, läßt vieles zu wünschen übrig und bedarf vielleicht der Kritik.

Der Gott (Tautup) von Ulea, Mogemug, Eap und Ngoli heißt Engalap, der von Feis: Rongala, der von Elath und Lamureck: Fuss, der von der wüsten Insel Fayo: Lagé. –

Menschen haben Engalap nie gesehen. Die Väter haben die Kunde von ihm den Kindern überliefert. – Er besucht abwechselnd die Inseln, wo er anerkannt wird. Die Zeit seiner Gegenwart scheint die der Fruchtbarkeit zu sein. Er ist mit Rongola, dem Gott von Feis, durch Freundschaft verbunden; sie besuchen gastfreundlich einander. Mit Fuss, dem Gott von Lamureck, scheint er in keinem Verhältnis zu stehen.

Es gibt auf Ulea und den östlicheren Inseln (Lamureck usw.) weder Tempel noch Priester, und es finden da keine feierlichen Opfer statt. Auf Mogemug, Eap und Ngoli sind eigene Tempel erbaut, Opfer werden dargebracht, und es gibt einen religiösen Dienst.

Kadu hat uns berichtet, wie er es auf Eap, wo er sich lange aufgehalten, befunden hat, und er behauptet, daß es auf den beiden nächsten Gruppen sich ebenso verhält. Es haben beide Geschlechter andere Tempel und andere Opferzeiten. Bei den Opfern der Weiber ist kein Mann gegenwärtig. Bei den Opfern der Männer ist der Häuptling der Opfernde. Er weihet dem Gott durch Emporhalten und Anrufen eine Frucht jeglicher Art und einen Fisch. Die Formel ist: Wareganam gure Tautup; das Volk wiederholt das letzte Wort. Die geopferten Früchte werden nicht verzehrt, sondern in dem Tempel weggelegt. Die Menschen bleiben zu diesen Opfern einen Monat lang im Tempel versammelt und abgeschieden, wo sie ihre Nahrung von außen her erhalten. Jeder weihet von allen Früchten oder Fischen, die er während der Zeit verzehrt, den ersten Bissen nach obigem Brauche ein und wirft dann solchen ungenossen weg. Gesänge oder Tänze finden in den Tempeln nicht statt.

Diese Feierlichkeit wird abwechselnd einen Monat in einem Gebiete, den folgenden in einem andern gehalten. Kadu hat, als ein Fremder, der Feier im Tempel nicht beigewohnt. Er ist in denselben nie eingetreten. Der ist außer den Opferzeiten jedem andern als dem Häuptling und Priester verboten.

Rongala hat zu Feis keine Tempel. Es gibt aber Zeiten, wo er auf die Insel herabsteigt und unsichtbar im Walde gegenwärtig ist. Dann dürfen die Menschen nicht laut sprechen oder gehen, dann nähern sie sich dem Walde nur mit Curcuma gefärbt und festlich geschmückt.

Wir teilen die Götterlehre von Ulea nach Don Luis de Torres getreu und ausführlich mit. Angebetet werden drei Personen im Himmel, Aluelap, Lugeleng und Olifat. Der Ursprung aller Dinge ist aber wie folgt. Vor allen Zeiten war ein Götterweib, Ligopup geheißen. Diese wird für die Erschafferin der Welt gehalten. Sie gebar Aluelap, den Herrn alles Wissens, den Herrn der Herrlichkeit, den Vater von Lugeleng. Wer aber Lugelengs Mutter und wie dessen Geburt gewesen, weiß man nicht. Lugeleng hatte zwei Weiber, eine im Himmel und eine auf Erden. Die himmlische hieß Hamulul, die irdische Tarisso, die an Schönheit und andern natürlichen Gaben sondergleichen war.

Tarisso gebar Olifat nach vier Tagen Schwangerschaft aus ihrem Scheitel. Olifat entlief sogleich nach seiner Geburt, und man folgte ihm nach, um ihn von dem Blute zu reinigen. Er aber sagte: er wolle es selber tun, und litt nicht, daß man ihn berühre. Er reinigte sich an dem Stamme der Palmbäume, an denen er vorbeilief, daher sie ihre rötliche Farbe behalten. Man rief ihm zu und verfolgte ihn, um ihm die Nabelschnur abzuschneiden. Er aber biß sie sich selber ab; er sagte, er wolle selber für sich sorgen, und ließ sich von keinem Sterblichen berühren. Er gedachte, wie es Brauch sei, den Neugebornen die Milch der jungen Kokosnuß trinken zu lassen, und kam zu seiner Mutter, die ihm den Kokos zu trinken reichte. Er trank und wandte die Augen gegen den Himmel, worin er seinen Vater Lugeleng gewahrte, welcher nach ihm rief. Da folgte er dem Rufe seines Vaters und seine Mutter mit ihm. Also schieden beide von der Welt. Wie Olifat in dem Himmel angelangt war, begegnete er daselbst etlichen Kindern, die mit einem Haifische spielten, welchem sie eine Schnur um den Schwanz gebunden hatten. Er stellte sich, um unerkannt zu bleiben, aussätzig an. Da hielten ihn die Kinder fern von sich und berührten ihn nicht. Er begehrte von ihnen den Fisch, um auch damit zu spielen, und sie verweigerten ihm denselben. Einer jedoch erbarmte sich seiner und reichte ihm die Schnur, woran der Fisch gebunden war. Er spielte eine Weile damit und gab ihn sodann den Kindern wieder, sie ermahnend, sich nicht zu fürchten, sondern fortzuspielen; der Fisch werde ihnen nichts tun. Er biß aber alle bis auf den, der sich dem Olifat gefällig erwiesen. Olifat hatte dem Haifisch, der zuvor keine Zähne gehabt und unschädlich gewesen, geflucht. Also ging er fürder durch den Himmel, seinen Fluch bei ähnlichen Gelegenheiten allen Kreaturen erteilend, weil man ihn in der Herrlichkeit reizte. Da keiner ihn kannte und er zu seinem Vater noch nicht gekommen, der allein ihn erkennen konnte, stellte man seinem Leben nach. Er kam an einen Ort, da ein großes Haus gebaut wurde; er begehrte von den Arbeitern ein Messer, um Kokosblätter für das Dach schneiden zu helfen; sie schlugen es ihm aber ab; einer jedoch reichte es ihm, und er schnitt sich eine Last Blätter; aber er verfluchte alle Arbeiter bis auf den, der ihm behilflich gewesen, daß sie regungslos zu Bildsäulen erstarrten. Lugeleng aber, der Herr des Baues, erkundigte sich nach seinen Arbeitern, und es wurde ihm berichtet, wasmaßen dieselben regungslos wie Bildsäulen erstarrt seien. Daran erkannten Lugeleng und Aluelap, daß Olifat im Himmel wandelte. Sie fragten den Mann, der noch bei der Arbeit geschäftig Kokosblätter zu dem Bau trug, ob er nichts umher gesehen, und er antwortete: er habe nichts gesehen denn einen Kanduru (eine Art Uferläufer), in welchen Vogel sich Olifat verwandelt hatte. Sie schickten den Mann aus, den Kanduru zu rufen; als er es aber tat, erschrak der Vogel ob der Stimme und flog davon. – Der Mann berichtete das, und die Götter fragten ihn, was er denn dem Vogel entboten. Er antwortete: er habe ihn kommen heißen. Sie schickten ihn abermals aus und unterwiesen ihn, den Vogel sich entfernen zu heißen, weil er den Häuptern hinderlich sei. Er tat es also, und der Vogel kam alsbald herbei. Er verbot ihm ferner, hineinzugehen und sich in Gegenwart der Häupter zu setzen, und der Vogel tat alsbald, was ihm verboten ward. Sobald derselbe sich gesetzt hatte, befahl Lugeleng, die Arbeiter, welche im Walde erstarrt geblieben, zusammenzurufen, und diese kamen alsbald zur Bewunderung der Umstehenden; denn Aluelap und Lugeleng wußten allein, daß jener Olifat war.

Die Arbeiter fuhren nun mit dem Bau fort und gruben tiefe Löcher in den Boden, um die Pfosten darin aufzurichten. Dies schien ihnen, die damit umgingen, den Olifat zu töten, wegen des vielen Unheils, das er gestiftet, eine gute Gelegenheit zu sein. Olifat erkannte aber ihren Vorsatz und führte bei sich versteckt gefärbte Erde, Kohlen und die Rippe eines Palmblättchens. So grub er nun in der Grube und machte unten eine Seitenhöhle, sich darin zu verbergen. Sie aber glaubten, es sei nun die Zeit gekommen, warfen den Pfosten hinein und Erde um dessen Fuß und wollten ihn so zerquetschen. Er aber rettete sich in die Seitenhöhle, spie die gefärbte Erde aus, und sie meinten, es sei sein Blut. Er spie die Kohlen aus, und sie meinten, es sei die Galle. Sie glaubten, er sei nun tot. Mit der Kokosrippe machte Olifat durch die Mitte des Pfostens sich einen Weg und entwich. Er legte sich als ein Balken quer über den Pfosten, aus dem er herausgekommen, und wurde nicht bemerkt. Als nun das Tagewerk vollendet war, setzten sich die Arbeitsleute zum Mahl. Olifat schickte eine Ameise hin, ihm ein Bißlein Kokos zu holen. Sie brachte ihm ein Bröckelchen davon nach ihren Kräften. Er ergänzte selbiges nach seiner Macht zu einer ganzen Nuß. Er rief sodann laut: »Gebet acht da unten, ich will meinen Kokos spalten.« Sie wurden ihn bei dem Ausruf gewahr und wunderten sich sehr, daß er am Leben geblieben sei. Sie hielten ihn für Alus, den bösen Geist. Sie beharrten bei ihrem Vorsatz, ihn umzubringen, und sagten ihm, er solle nur seine Mahlzeit beendigen, sie würden nachher ihm einen Auftrag geben. Sie schickten ihn nach dem Hause des Donners, demselben sein Essen zu bringen. Olifat nahm ein Rohr zu sich und ging getrost hin. Er kam zu dem Donner ins Haus und sagte ihm roh und herrisch: »Ich habe mich ermüdet, dir die Nahrung deines mißgestalteten Mundes zu bringen.« Er gab das Essen ab und ging. Der Donner wollte über ihn herfallen, er aber versteckte sich in sein Rohr. Der Donner konnte ihn nicht finden und ließ ab, ihn zu verfolgen. Olifat kam wieder hervor und erregte, da er aus dieser Prüfung ohne Unheil zurückgekehrt, desto größere Bewunderung. Die Werkleute schickten ihn abermals aus, dem Fische Fela sein Essen zu bringen. Dies ist ein Fisch, dessen obere Kinnlade um vieles kürzer ist als die untere. Olifat trat ein in des Fisches Fela Haus, und da dieser selbst nicht zugegen war, so warf er denen, die da waren, das Essen hin, indem er sagte: »Nehmet hin für euch«, und ging. Als der Fisch nach Hause kam, so fragte er nach dem, der das Essen gebracht. Die Familie erzählte ihm: einer hätte ihnen das Essen zugeworfen, sie wüßten aber nicht, wer er sei, noch wohin er gegangen. Der Fisch fing nun an, eine Angel an einer langen Leine nach allen Winden auszuwerfen, und wie er zuletzt die Angel nach Norden auswarf, so zog er den Olifat heraus. Da gab er ihm den Tod. Nachdem vier bis fünf Tage verstrichen, ohne daß Olifat wieder erschienen, so trösteten sich die, welche ihm im Himmel nachstellten, und meinten, er sei nun tot. Aber Lugeleng suchte seinen Sohn und fand ihn endlich entseelt und voller Würmer. Er hob ihn in seinen Armen empor und weckte ihn wieder auf. Er fragte ihn, wer ihn getötet. Olifat antwortete, er wäre nicht tot gewesen, sondern hätte geschlafen. Lugeleng rief den Fisch Fela zu sich und schlug ihn mit einem Stocke über den Kopf und zerbrach ihm die obere Kinnlade. Daher die Gestalt, die er nun hat. Aluelap, Lugeleng und Olifat gingen nun in die Herrlichkeit ein, wo sie die Gerechtigkeit auszuüben sich beschäftigten.

Andere bringen die Zahl der Himmlischen auf sieben, als da sind: Ligopup, Hautal, Aluelap, Litef eo, Hulaguf, Lugeleng und Olifat.

Auf die Frage, ob andere Inseln einen anderen Glauben hätten, antworteten etliche: dieses sei der Glaube der ganzen Welt, und die Welt würde untergehen, wenn es Aluelap verhänge.

Obgleich zu Olea kein öffentlicher Dienst der Götter oder der Gottheit stattfindet, sind doch nach Don Luis de Torres die Menschen nicht ohne frommen Sinn. Der einzelne legt zuweilen Früchte als Opfer den Unsichtbaren hin, und es wird niemanden verarget, dieses Opfer aufzunehmen und zu verzehren.

Cantova erwähnt einer eigenen Weise, das Los zu befragen. Das Verfahren dabei ist folgendes. Man reißet aus einem Kokosblättchen von jeder Seite der Rippe zwei Streifen, indem man die Silbe pué, pué, pué rasch hintereinander hersagt, knüpfet sodann hastig und ohne zu zählen Knoten in jeglichen Streifen, indem man die Frage, die man dem Schicksal vorzulegen hat, mit vernehmbaren Worten wiederholt. Der erste Streifen wird zwischen dem kleinen und dem Ringfinger mit vier Knoten nach dem Innern der Hand genommen, der zweite zwischen dem Ring- und mittleren Finger mit drei Knoten nach dem Innern der Hand sowie die andern mit abnehmender Knotenzahl zwischen dem mittleren und Zeigefinger und zwischen Zeigefinger und Daumen. – Nachdem die Zahl der nach dem Rücken der Hand heraushängenden Knoten mit den Zahlen der Finger eins, zwei, drei und vier zusammentrifft oder davon abweicht, spricht sich das Los günstig oder ungünstig aus.

Es werden zu Ulea, wie unter allen Völkern, der gläubigen Gebräuche viel beobachtet, und auch manche Beschwörungen sind im Schwange. Wir haben das Zerschneiden des Delphins erwähnt. Es wird ein kleiner Fisch häufig gefangen, mit welchem Kinder nicht spielen dürfen. Geschähe es, daß wer einen dieser Fische bei dem Schwänze anfaßte und aufhöbe, so daß der Kopf nach unten hinge, würden bei dem nächsten Fischfänge alle Fische ebenso mit dem Kopf nach unten die Tiefe suchen, und es könnte keiner gefangen werden. Es dürfen nicht mehrere Menschen Früchte von derselben Bananentraube genießen. Wer eine der Bananen gegessen hat, nur der darf die andern verzehren.

Auf der wüsten Insel Fayo wird, wie auf Bygar, das süße Wasser in den Wassergruben besprochen.

Es gibt eine schwarze Vogelart, die auf dieser Insel in heiligem Schutze steht und die nicht getötet werden darf.

Die von Eap sind ihrer Zauberkünste wegen berüchtigt. Sie verstehen den Wind zu besprechen, den Sturm zu beschwören, daß er schweige, und bei der Stille den Wind aus dem günstigen Rumbe hervorzurufen. – Sie verstehen, indem sie mit Beschwörungen ein Kraut ins Meer werfen, die Wellen aufzuwiegeln und unendliche Stürme zu erregen. Dem wird der Untergang vieler Fahrzeuge aus Mogemug und Feis zugeschrieben, ja die allmähliche Entvölkerung dieser Insel. In einem süßen Wasser des Gebietes Sütemil befinden sich zwei Fische, nur spannenlang, aber uralt; sie halten sich beständig in einer Linie mit dem Kopfe gegeneinander gekehrt. Wenn man den einen etwa mit einer Gerte berührt, daß er sich vorwärts bewege und beide sich kreuzen, so wird die Insel in ihrer Grundfeste erschüttert, und es ist des Erdbebens nicht Ruhe, bis beide ihre gewohnte Stellung wieder angenommen. Über diesen Fischen und dem Wasser, worin sie sich befinden, ist ein Haus erbaut, und darüber wachen die Häuptlinge, bei deren Tode manchmal ein Erdbeben veranstaltet wird.

Ein gewisser Eonopei (er ist jetzt tot, sein Sohn Tamanagack ist ein Häuptling des Gebietes Eleal) zeigte einst unserem Freunde Kadu ein merkwürdiges Probestück seiner Kunst. Eonopei bereitete aus Taroteig einen runden flachen Kuchen. Es war Nacht und Vollmondschein. Er begann unter Beschwörungen von seinem Kuchen zu essen. In dem Maße, als er dessen Scheibe antastete und davon einen Einschnitt aß, ward die erst volle Scheibe des Mondes angegriffen und mehr und mehr sichelförmig ausgeschweift. Als er so eine Zeitlang magisch an dem Monde gezehrt hatte, änderte er sein Verfahren und seine Beschwörungen. Er hub an, den übriggebliebenen weichen Teig seines Kuchens wiederum in die Form einer vollen Scheibe zu kneten, wobei denn die Mondsichel sich gleichmäßig wieder füllte und zuletzt der Mond wieder voll erschien. Kadu saß indes dicht neben dem Beschwörer, betrachtete alles, den Mond und den Kuchen, mit der größten Aufmerksamkeit und bewunderte, wie die Rundung beider gleichmäßig erst verletzt und dann wieder ergänzt wurde. Wir lassen die uns unverdächtige Aussage unseres kindergleichen Freundes auf sich beruhen, es aufgeklärten Auslegern überlassend, dieselbe auf eine Mondfinsternis zu deuten, welche jedoch auf Eap vor Erfindung der Schrift nicht wohl als vorausberechnet angenommen werden darf.

Feste und Gelage, die bei verschiedenen Gelegenheiten, dem Durchbohren der Ohren der Kinder, dem Abschneiden ihres Haares auf Eap, dem Tatuieren u.a.m., stattfinden, scheinen nichts Religiöses zu haben.

Gesang und Tanz, meist unzertrennlich, machen überall die Hauptvergötzung, die Hauptlustbarkeiten aus. Es gibt verschiedene Arten Festspiele, die von den verschiedenen Geschlechtern oder von beiden vereint aufgeführt werden, und jede derselben hat einen andern Charakter und einen eigenen Namen. Diese Gesänge werden aber von keinem musikalischen Instrument begleitet, und selbst die Trommel ist auf den Karolineninseln unbekannt.

Die Häuptlinge scheinen nach einer Art Lehnssystem einander untergeordnet zu sein. Die Meinung erhebt sie hoch über das niedere Volk, und es werden ihnen außerordentliche Ehrfurchtsbezeugungen gezollt, die uns aus Cantovas Briefen und (für Pelli) aus dem Account of the Pelew Island bekannt sind. Man bückt sich vor ihnen zur Erde und kriecht nur zu ihnen hin. Im Angesicht der Insel Mogemug, Wohnsitz des Oberhauptes der Gruppe dieses Namens, lassen die Boote ihre Segel herab. Diese Verehrung der adligen, vielleicht göttlichen Abstammung scheint in rein menschliche Verhältnisse nicht einzugreifen, welche unbeschadet der Rangverhältnisse, denen ihr Recht geschieht, zwischen Häuptling und Mann stattfinden. Die Oberhäupter haben eine große Autorität und verwalten die strafende Gerechtigkeit nach dem Grundsatze der strengen Wiedervergeltung. Aug um Aug, Zahn um Zahn.

Die Verbrecher werden nach Cantova nur durch Verbannung gestraft. Wir erzählen unserm Freunde Kadu eine Geschichte nach, worin es sichtbar wird, wie mit großer Milde das Verbrechen weniger gesühnt als unterdrückt werden soll. Wir wähnen »Fin voleur«, das volkstümliche Märchen, aus dem Munde unserer Ammen zu vernehmen.

Auf einer Insel von Mogemug wurden die Bäume regelmäßig ihrer besten Früchte beraubt, ohne daß die Menschen, die aufmerksam einander bewachten, eine lange Zeit hindurch den Täter zu entdecken vermochten. Sie wurden endlich inne, daß ein anscheinlich frommer Knabe allnächtlich aufstand und den Diebstahl verübte. Sie züchtigten ihn und gaben auf ihn acht. Er aber belog ihre Wachsamkeit und ließ von seiner Sitte nicht ab. Sie sperrten ihn während der Nacht ein, sie banden ihm die Hände auf den Rücken, aber der schlaue Dieb verstand alle ihre Vorsicht zu vereiteln, und es geschah nach wie vor. Sie brachten ihn auf eine entlegene, unbewohnte Insel der Gruppe, die kärglich zu der Nahrung eines Menschen genügen konnte. Sie ließen ihn da allein. Sie bemerkten aber bald, daß solches nichts gefruchtet, und ihre Bäume wurden nach wie vor beraubt. Etliche fuhren nach der wüsten Insel hinüber und fanden den jungen Menschen in großem Überfluß von den Früchten ihres Eigentums schmausend. Ein Baumstamm diente ihm zu einem Boot, und er fuhr allnächtlich auf seine Ernte aus. Sie zerstörten dieses Fahrzeug und überließen ihn, unschädlich gemacht, seiner Einsamkeit. Sie hatten nun Ruhe. Sie wollten nach einiger Zeit wissen, wie es ihm ginge, und etliche fuhren wiederum nach der Insel. Sie sahen und hörten nichts von ihm. Nachdem sie vergeblich im Walde nach ihm gerufen und gesucht, kehrten sie nach dem Strande zurück und fanden nun ihr Boot nicht mehr. Der schlaue Dieb war damit in die See gegangen. Er segelte nach Sorol über. Er ließ auf dieser Gruppe von seiner Tücke nicht ab, sondern sann auf größere Unternehmungen. Er vermochte den Häuptling von Sorol zu einem Anschlage gegen Mogemug. Er sollte bei einem nächtlichen Überfall die Häuptlinge töten und sich die Obergewalt anmaßen. Die Verschwornen kamen bei Tage in Ansicht von Mogemug. Sie ließen die Segel nieder, die Nacht auf hoher See zu erwarten. Das Boot war dennoch bemerkt worden, und sie wurden, sowie sie landeten, umringt. Der Aufwiegler ward getötet. Die von Sorol zogen frei nach ihrer Insel zurück.

Die Erbfolge geht zu Ulea und Eap, wie auf Radak, erst auf die Brüder, sodann auf die Söhne des Erstgebornen.

Nach Kadu sollen die Häuptlinge ihrem Erstgebornen den Namen ihres Vaters, dem zweiten Sohn den Namen des Vaters ihrer Frau, dem dritten wieder den Namen ihres Vaters und so fort, die Leute aus dem Volke hingegen ihrem Erstgebornen den Namen des Vaters ihrer Frau und den andern Kindern andre Namen geben, und so soll es auch auf Radak beobachtet werden. Nach Don Luis de Torres liegt in den Namen die Andeutung der Sippschaft, und es läßt sich daran erkennen, wessen Sohn und Enkel einer sei.

Der freundliche Namentausch, eine allgemeine Sitte des östlichen Polynesiens, ist auf den Karolinen unbekannt, und Kadu leugnete anfangs, daß er auf Radak gebräuchlich sei, ob er gleich selbst in der Folge Beispiele davon aufführte. – Die Ehen werden ohne Feierlichkeit geschlossen. Der Mann macht dem Vater des Mädchens, das er heimführt, ein Geschenk von Früchten, Fischen und ähnlichen Dingen. Die Ansehnlichkeit dieser Gift richtet sich nach dem Range des Brautvaters; denn Ehen finden auch zwischen Ungleichgebornen statt. Ist nur der Vater oder nur die Mutter aus der Klasse der Häuptlinge, so werden die Kinder dieser Klasse auch zugezählt. Im ersten Fall erweiset der Mann und Vater seinem Weibe und seinen von ihr gezeugten Kindern die äußerlichen Ehrfurchtsbezeugungen, die ihrem Range zukommen. Die Mehrheit der Weiber ist zugelassen. Die Ehen werden ohne Förmlichkeit getrennt, wie sie ohne Förmlichkeit geschlossen werden. Der Mann schickt seine Frau ihrem Vater zurück. Die Männer wohnen ihren Weibern auch bei, wenn sie gesegneten Leibes sind, nicht aber, wenn sie ein Kind an der Brust haben. Das letztere geschieht nur auf Radak; das erstere wird, gegen Wilsons Zeugnis, ausdrücklich von Pelli behauptet. Dort läßt ein Häuptling, der gewöhnlich mehrere Weiber hat, seine Stelle bei der seiner Frauen, die in diesem Falle ist, von einem ausgesuchten Manne vertreten. – Wir werden von den Sitten von Pelli besonders reden. – Ehefrauen sind auf den übrigen Inseln allein ihren Männern ergeben. Sie sind in Pflicht genommen, und es scheint die Unverdorbenheit des Volkes ihre Tugend zu behüten. Unverheirateten gewährt die Sitte, ihre Freiheit zu genießen. Sie bringen in eigenen großen Häusern die Nächte zu. Der Kindermord ist unerhört; der Fürst würde die unnatürliche Mutter töten lassen.

Was wir von der Bestattung der Toten auf Radak berichtet, ist auch auf Ulea und den östlicher gelegenen Inseln Brauch. Auf Feis, Mogemug und Eap werden nach Kadu die Leichen aller, ohne Unterschied der Geburt, auf den Inseln beerdigt. Wir sehen jedoch auf Mogemug nach der großen Tragödie, welche die Geschichte der karolinischen Missionen beschließt, gegen die Körper der erschlagenen bedrohlichen Fremden die Bräuche von Ulea beobachten und müssen glauben, daß Kadu in Rücksicht auf Mogemug irrt. Auf Eap sind die Begräbnisse im Gebirge. Die Bergbewohner holen die Leichen der im Tale Verstorbenen ab und erhalten für dieses Amt ein Geschenk an Früchten, Wurzeln, usw. Es scheint, daß keiner der Angehörigen zu Grabe folgt.

Ein unverbrüchlicher Freundschaftsbund wird auf allen diesen Inseln ausschließlich zwischen zwei Männern geschlossen, der mit ganz besonderer Kraft die Verbündeten gegeneinander verpflichtet. Der Häuptling und der geringe Mann können auch dieses Bündnis eingehen, unbeschadet der Rangverhältnisse, denen ihr Recht fortwährend geschieht. Ob sich gleich diese Freundschaft auf allen diesen Inseln wiederfindet, ist sie doch an verschiedenen Orten mit verschiedenen Rechten und Pflichten verknüpft. Auf Eap muß bei jedem Handel der Freund für seinen Freund stehen, und wo ihm Unbill geschieht oder wo er gefällt wird, liegt ihm die Pflicht der Rache ob. Zu gleichen Verpflichtungen kommt auf Ulea eine neue hinzu. Wenn der Freund die Gastfreundschaft seines Freundes anspricht, so tritt ihm dieser auf die Zeit seines Besuches sein Weib ab, welches auf Feis und westlicher nicht geschieht. Wir haben gesehen, daß auf Radak die Pflicht in erster Hinsicht unverbindlicher, in anderer dieselbe ist als auf Ulea.

Die Berührung mit der Nase ist, wie auf den Inseln des östlichen Polynesiens, die bräuchliche Liebesbezeugung.

Den Krieg kennen unter den Karolinen nur Pelli, Eap, Tuch und die entlegeneren Inseln, womit Tuch in Fehde ist. Die übrigen Inseln genießen wie Ulea eines ungestörten Friedens. »Da«, wiederholte oft und gern unser gutherziger Gefährte, »da weiß man nichts von Krieg und Kampf, da tötet nicht der Mann den Mann, und wer den Krieg sieht, dem wird das Haar weiß.« Auf Eap hat nicht immer der Krieg geherrscht. Sonst erkannte die Insel die Autorität eines Oberhauptes, und es war Friede. Seit aber Gurr, der letzte Alleinherrscher, nicht mehr ist, fechten häufig die Häuptlinge der verschiedenen Gebiete ihre Fehden blutig aus. Wo eine Übertretung, eine Beleidigung geschehen, wird das Tritonshorn geblasen. Beide Parteien rücken in Waffen gegeneinander. Man unterhandelt. Wo Genugtuung verweigert wird und kein Vergleich zustande kömmt, wird gekämpft. Der Krieg dauert, bis von jeglicher Seite einer aus der Klasse der Häuptlinge gefallen ist und die der Gegenpartei von seinem blutigen Fleische gekostet haben. Ein jeder führt eben nur ein Stückchen zum Munde. Dies ist eine unerläßliche Förmlichkeit. Der Friede, wenn erst diese Bedingung erfüllt ist, tritt wieder ein, und Ehen zwischen beiden Gebieten besiegeln ihn. Der Charakter dieser Insulaner ist dennoch mild und gastfreundlich wie auf den übrigen Inselgruppen. Der Fremde auf Eap und Pelli geht unbefährdet durch die kriegführenden Parteien und genießt hier und dort gleich freundlichen Empfang.

Die von Eap werfen den Wurfspieß in Bogen mit Hilfe eines rinnenförmigen Stückes Bambus, worin das unbewaffnete Ende des Geschosses gehalten wird und beim Wurf den Anstoß erhält. Sie treffen so auf eine außerordentliche Weite. Es scheint diese Waffe mit der der Aleuten und nördlichen Eskimos im wesentlichen zusammenzutreffen. – Sie haben auch den zweispitzigen Wurfstab der Radaker. Derselbe Wurfspieß wird, wenn die Streitenden sich genähert, grad und mit der bloßen Hand geworfen. Es wird zuletzt damit Mann gegen Mann gefochten. Der Häuptling leitet mit dem Tritonshorn das Treffen. Die Kriegsmacht zieht auf Booten und Flößen von Bambus gegen das feindliche Gebiet. Der Landung sucht man zu wehren. Auf dem Lande fallen die entscheidenden Kämpfe vor.

Die von Tuch gebrauchen in der Nähe den Wurfspieß, aus der Ferne aber die Schleuder. Ihr Wurf ist weit und sicher, sie handhaben diese Waffe mit bewundernswürdiger Geschicklichkeit. Sie tragen sie auch im Frieden stets um das Haupt gebunden und gebrauchen sie, um Vögel zu töten, Früchte von den Bäumen her abzuwerfen und dergleichen. Kadu hatte auf Ulea von Eingebornen von Tuch die Schleuder brauchen gelernt, und er vertrieb sich oft unter uns die Zeit mit dieser Übung, worin er übrigens sehr ungeschickt war.

Don Luis de Torres lobte an seinen Freunden von Ulea, was an unsern Freunden von Radak zu lbben uns gefreut hat. Sie sind gut, freundlich, zierlich und schamhaft. Nie ist ein Weib an Bord der »Maria« gestiegen. Sie sind gemütlich, liebevoll, freigebig und erkenntlich. Sie haben das Gedächtnis des Herzens. Das Ding, das nützliche Werkzeug etwa, das sie als eine Gabe aus lieber Hand besitzen, erhält und trägt zum späten Angedenken unter ihnen den Namen des Freundes, der es ihnen verehrt hat. Und so wollte Kadu auf Radak den Tieren und Pflanzenarten, die wir eingeführt, unsere Namen zum ewigen Gedächtnis unser auflegen.

Von den Eingebornen der Pelewinseln (Palaos, Panlog) entwirft uns Cantova ein abschreckendes Bild. Es sind nach den Nachrichten, die er eingesammelt, feindliche Menschenfresser. Dieselben erscheinen uns sodann in den Berichten des erkenntlichen Henry Wilson, der ihrer großherzigen Gastlichkeit die Rückkehr ins Vaterland verdankte, im günstigsten Lichte, dem Farbenspiele der Liebe, mit allen Tugenden ausgestattet – und die Tat bewährt, daß sie die meisten dieser Tugenden ausgeübt. Wir leben mit Wilson unter diesem Volke, sehen mit eigenen Augen und urteilen selbst. Seit Wilson haben die Engländer, Spanier, Amerikaner die Pelewinseln unausgesetzt besucht; verschiedene Europäer haben sich dort angesiedelt, und der Trepang wird fortwährend auf deren Riffe für den Markt von Kanton gesammelt. – Kadu aus Ulea war auf den Pelewinseln, und in seinem Urteil geht eine Vergleichung beider Völker uns auf. Diese Vergleichung ist, wie das Urteil unseres Freundes, den Eingebornen von Pelli ungünstig. Kadu rügt besonders, wie er sie aller Scham entblößt befunden, so daß sie viehisch den Naturtrieb vor aller Augen befriedigten. Er erweckte in uns das Bild einer ausschweifenden Verderbtheit, wie sie auf den Sandwichinseln zu Hause ist.

Etliche Blätter, die ein Spanier, der neun Monate auf den Pelewinseln zugebracht, uns in Cavite über diese Inseln mitgeteilt, sind schmähend und nicht beurteilend abgefaßt. Er macht weniger Eindruck auf uns als unser redlicher Freund, dessen Beschuldigungen er unter andern umständlich wiederholt. »Der Mann erkennt das Weib im Angesichte aller Menschen. Alle sind bereit, für jede Kleinigkeit ihre Weiber preiszugeben« usw. Aber er gibt ihnen auch schuld, Menschenfleisch zu essen, und gönnt ihnen von Menschen kaum die Gestalt.

Wir legen seine traurige Schrift aus der Hand, nachdem wir bloß ihrer erwähnt. – Es sind wohl nicht mehr die unschuldigen, arglosen Freunde von Wilson. Was sie von uns gelernt, hat sie nicht besser gemacht.


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