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Im Mai des Jahres 1811 lockte mich der schöne Frühling in die freie, friedliche Schweiz. Nach verschiedenen Wanderungen kehrte ich eines Abends in Freiburg im Gasthofe zu Krämern ein, wo mich am andern Morgen das starke Geläute der Glocken im nahen Thurm der gothischen Stiftskirche schon früh weckte. Vor Tagesanbruch noch verließ ich mein Nachtlager, um kühle Morgenluft einzuathmen, und freute mich schon zum voraus auf das herzerhebende Schauspiel, welches ein Sonnenaufgang am Gebirge gewährt. Ich wählte den höchsten Standpunkt der Stadt, und lagerte mich neben dem auf einem hohen Hügel von Quadersteinen erbauten ehemaligen Jesuitenkollegium, dessen geräumige und ausgedehnte Gebäude, von mehreren Seiten mit hohen und dicken Mauern eingeschlossen, die ganze Stadt wie eine Citadelle beherrschen, zumal dieses Institut als das freiburgische Kapitolium angesehen werden kann. Kaum hatte ich Zeit, meine Gedanken zu sammeln, als mich die Ankunft mehrerer Menschen störte, die ich wegen der Dunkelheit nicht unterscheiden konnte. Sie verfügten sich sämmtlich in die Kirche, welche von Innen geöffnet ward. Meine angeborne Neugierde trieb mich hinein.
Nur ein Paar düster scheinende Lampen verbreiteten ein magisches Halbdunkel in den weiten Hallen dieses schönen Tempels.
Auf einem Nebenaltar brannten zwei Leuchter. Nach einigen Minuten trat ein festlich gekleideter Priester vor den Altar. Auf den Stufen desselben knieten ein schön gekleideter Mann und ein hochgeschmücktes Frauenzimmer, die beide vom gleichen Alter zwischen dreißig und vierzig Jahren zu sein schienen. Zwei Herren mit Klapphüten unter dem Arm und dem Galanteriedegen zur Seite standen links und rechts. Der Geistliche begann folgendermaßen:
»Unergründlich sind die Schlüsse der weisen, allmächtigen Vorsehung, die wir schwache Menschen weder zu ahnen noch vorher zu bestimmen vermögen. Dieses göttlichen Tempels Hallen vereinigen ein edles Paar. An den Stufen dieses Altars knieen zwei Menschen, welche das vom Allvater geleitete Schicksal sonderbar zusammenfügte, um sich lebenslänglich wechselseitig zu beglücken. Was unmöglich schien, wird hier zur Wirklichkeit.«
Nach diesem frommen Eingange, dem noch einige fromme Ausrufungen folgten, die ich wegen ihrer Alltäglichkeit wieder vergessen habe, hielt der Priester. Ich benutzte die wenigen Augenblicke, um an Rabeners Abhandlung: »Die Ehen werden im Himmel geschlossen« zu denken, die ich oft, so wie seine übrigen Schriften mit Vergnügen gelesen habe und noch lese, obschon sie nicht mehr zur Modelektüre gehören.
Der Priester fuhr fort:
»Hier kniet Herr Johann Baptiste von Parrelte von Clerval bei Besançon, aus einem alten, hochadeligen Geschlechte entsprossen; ein würdiger Enkel seiner hehren Ahnen. Dem Thron und der Kirche seiner Väter treu ergeben, ward er ein Opfer der gräßlichen revolutionären Volkswuth, welche vor geraumer Zeit sein Vaterland erschütterte und verheerte. In drückenden Fesseln, gleich einem Bösewicht, nach Brest geschleppt, schmachtete er lange in den scheußlichsten Kerkern jener Stadt, mit allen Mühseligkeiten des Lebens kämpfend. Der bittere Kelch seiner unbeschreiblichen Leiden schien sein Maß erreicht zu haben, als plötzlich ein tröstender, rettender Engel erschien. Gott verläßt seine Gerechten nie.
»Die hochadeliche Frau Ursula, geborne Schoucan von Latour, Wittwe von Pedro, von Fettan, im Hochgericht Unter Engadin in Graubündten, welche zu meinen Füßen kniet, obschon in glänzenden Umständen lebend, besuchte doch jeden Morgen aus edelm Triebe die zahlreichen Unglücklichen, welche in Brests Gefängnissen trauerten, blasse Bilder des Elendes. Vor vielen andern zogen sie Herrn von Parrette's schöne Züge, seine edle Gestalt, seine muthige Hingebung in sein herbes, unverschuldetes Schicksal, an. Sie versorgte ihn großmüthig, ohne ihn je gekannt zu haben, mit allen nöthigen Lebensbedürfnissen, und verschaffte ihm endlich seine gänzliche Freiheit durch ihren Einfluß bei den Häuptern der damaligen Regierung.
Froh reiste Herr von Parrette nach seiner Heimat, mit Empfehlungsschreiben und Reisegeld reichlich von ihr versehen, die ihm zur Wiedererlangung seiner verlornen, beträchtlichen Güter wohl zu Statten kamen, obschon während seiner langen Gefangenschaft humanere Herrscher an's morsche Ruder des zerrütteten Staates getreten waren. Er verdankte seiner edlen Retterin nicht nur des Lebens Bestes, seine Freiheit, sondern auch seine Reichthümer. Unerlöschlicher Dank erfüllte sein ganzes Herz gegen sie.«
»Wer hätte es ahnen können, auch dieser edle, uneigennützige Engel mußte geprüft werden, um mit neuem Glänze hervorzugehen. Die Gräuel verabscheuend, welche die gewaltsame Staatsumwälzung Frankreichs nach sich zog; erbittert über die blutdürstigen Ungeheuer, ein Auswurf der Hölle vom Himmel zur Strafe der sündigen Menschen gesandt, die an der Spitze aller Verwaltungen standen, um zu morden und die heiligsten Rechte der Menschheit mit Füßen zu treten, verband sich die edle Wittwe von Pedro mit noch andern gutdenkenden angesehenen Leuten der Stadt Brest zu Lieferungen an die Engländer, in der Hoffnung, ihnen Mittel an die Hand zu geben, das niedergeschmetterte Reich von seinem gänzlichen Umsturz zu retten. Wie eitel sind der Menschen Entwürfe! – Eine verruchte Kreatur entdeckte das löbliche Unternehmen, Die tugendhafte Dulderin ward ergriffen, mißhandelt, und in einen finstern Kerker geworfen, wo nichts als die größten Qualen ihrer warteten. Um ihre Verbündeten nicht in das Verderben zu stürzen, nannte sich diese Hochherzige freiwillig als die einzige Schuldige. Wenig fehlte, so hätte des Henkers Beil ihr edles Leben auf der Guillotine geendet. Doch durch die Allmacht der göttlichen Vorsehung entkam sie diesem gräulichen Schicksal. Sie ward nach Tours geführt, wo sie in einem engen Gefängnisse mehrere mühevolle Jahre in äußerster Nothdurft zubrachte. Ganz ihren Empfindungen überlassen, überdachte sie das Schreckliche ihrer peinlichen Lage. Sie wog das Vergangene mit der Gegenwart und Zukunft. Ein himmlischer Strahl des göttlichen Lichts hellte ihre dunkeln Begriffe auf. Sie erkannte die Nichtigkeit ihrer ersten reformirten Religionslehren, und von einem wackern Geistlichen unterstützt, dem es einige Mal gelang, die Gefangenen mit Worten voll geistlicher Salbung zu trösten, entsagte sie ihren Irrthümern, und bekannte sich zur römischen, allein seligmachenden Religion, Nach einigen kummervollen Jahren ward sie, von Allem entblößt, freigelassen. Ohne Hülfsmittel verlebte sie einige Zeit in Deutschland, weil sie nicht zu ihren Verwandten in Graubünden Zuflucht nehmen wollte, die sie wegen ihrer Abtrünnigkeit von ihrer Irrlehre verachtet und verstoßen hatten. Sie kam hieher, wo sie mehrere Monate zubrachte, von gottesfürchtigen Personen unterstützt, und wo sie endlich Herr von Parrette fand, der sie aller Orten aufsuchte, sobald er von ihrem Unglück unterrichtet worden war. Er bot ihr seine Hand und seine Reichthümer an, als eine billige Vergeltung der ihm erwiesenen unschätzbaren Wohlthaten!«
Hier endete der Priester das Geschichtliche dieser merkwürdigen, wohlgestellten Rede. Während der feierlichen Stille, die darauf folgte, vergossen alle Zuhörer Thränen der innigsten Rührung und Theilnahme. Nach den gewöhnlichen Formen und Zeremonien schritt der Geistliche zur Trauung.
Ich verließ die Kirche, um die Sonne in ihrem Purpurkleide aus der Dämmerung hervortreten zu sehen, und um mich an ihrem herrlichen Anblick zu laben und zu stärken. Während ich dieß schöne Schauspiel, das kein menschliches erreichen kann, ganz hingegeben anschaute, traten die Hochzeitgäste, unter denen sich viele ansehnliche Herren und Damen befanden, aus der Kirche, und begleiteten die Neuvermählten nach ihrer Wohnung, wo sie ein gut bestelltes Frühstück freudig verzehrten.
Den ganzen Tag hindurch war diese Hochzeit, auf die ich so unvermuthet gestoßen war, das Thema zu allen meinen geheimen Unterhaltungen. Schade ist's, daß Christian Friederich Henrici, Picander genannt, nicht mehr lebt, der bekanntlich drei Oktavbände Hochzeitgedichte schrieb; die heutige hätte ihm reichhaltend Stoff dazu gegeben, an welchem es dem guten Dichter gewiß oft gefehlt haben mag. –
Was ferner von der Geschichte folgt, habe ich zwar nicht mit eigenen Augen gesehen, aber von zuverlässigen Freunden und Bekannten erfahren, deren Aussagen vollgültig sind.
Nach beendigtem Frühstück reiste Herr von Parrette mit seiner Gemahlin, in Gesellschaft einiger Herren und Damen, nach Peterlingen (Payerne), wo sie zu Mittag speisten. Als sie am Nachtisch saßen und um die Runde Gesundheiten tranken, hörte man Kutschen auf dem Pflaster des Städtchens rasseln, die vor einem gegenüberstehenden Gasthofe hielten, und aus welchen einige schöne, schlanke Mädchen stiegen, die daselbst einkehrten. Ein etwas ungestümer aber gutmüthiger Jüngling, der mit dem Herrn von Parrette vertrauliche Freundschaft geschlossen hatte, sprang sogleich vom Tische, um sich nach den hübschen Mädchen zu erkundigen. In einem Hui war er wieder zurück, und raunte dem letztern, etwas zu laut, ins Ohr: » Des Demoiselles de Lyon et de Genève qui vont a Berne.«
Nach einiger Zeit verließen beide, unter dem Vorwande, fernere Reiseanstalten zu treffen, den Tisch. Frau von Parrette ward darüber unruhig und ging ans Fenster. Zu ihrer größten Bestürzung sah sie ihren eben erst angetrauten Ehemann mit seinem Freunde in das Gasthaus schleichen, wo die schlanken Mädchen, die sehr frech aussahen und locker gekleidet waren, sich befanden. Nun fing sie schrecklich an zu jammern und zu klagen, daß sie mit einem solchen Wüstling, der ihr so viel von Tugend vorgeschwatzt habe, unauflöslich verbunden sei; wenn sie das vorher nur hätte ahnen können, so wäre sie lieber in ihrer Dürftigkeit geblieben; von dem reichen Sünder habe sie doch kein Glück zu hoffen. Sie vergoß unter herzzerreißendem Schluchzen und Stöhnen einen Strom von Thränen. Mit vieler Mühe konnte man sie einigermaßen beruhigen, als Herr von Parrette wieder in das Gastzimmer trat, und sobald er von der Ursache ihrer rothgeweinten Augen unterrichtet wurde, sie mit vieler Beredtsamkeit seiner Unschuld versicherte. Er habe nur, sagte er, die Tugend seines Freundes prüfen wollen, um ihn noch mehr schätzen zu lernen; er müsse ihm aber nun hier ein ruhmvolles öffentliches Zeugniß geben; denn gegen alle verführerischen Lockungen und Künste der schlauen, gefälligen Mädchen habe derselbe mit männlicher Kraft glorreich gekämpft und die Feuerprobe glücklich bestanden. – Mit Enthusiasmus redete er zum beschämten Jüngling: »Du bist tugendhaft und meiner Liebe und Freundschaft werth; empfange die Weihe durch einen brüderlichen Kuß, und bleibe dir und mir treu!«
Mehr bedurfte es nicht, um die tief bekümmerte Frau zu trösten, die am Halse ihres Gatten wegen unzeitiger Eifersucht und ungerechten Zweifels an seiner Tugend um Verzeihung bat, welche er ihr auch mit einem herzlichen Kusse zusicherte.
Nach dieser Trauerscene trank man Kaffe und Liqueur. Die Stunde der Trennung schlug. Herrn von Parrette's Begleiter wollten die Zeche bezahlen, allein er war ihnen schon zuvorgekommen. Nach vielen Für- und Gegenreden ließ er es sich endlich gefallen, daß sie die fremden Weine, den Kaffe und die Liqueurs auf ihre Rechnung nehmen dürften. Mit vieler Theilnahme schied man von einander, nachdem Herr von Parrette versprochen hatte, nach Beendigung seiner Geschäfte in der Heimat sogleich wieder zu kommen, um einige glückliche Tage im Kreise seiner guten Freunde zu leben.
Nach mehreren Monaten traf Herr von Parrette mit seiner Gattin wirklich wieder in Freiburg ein. Er hatte während seiner Anwesenheit in Clerval einige seiner minderbeträchtlichen Güter veräußert, die Bezahlung derselben aber in Wechseln genommen, weil er kein baares Geld aus Frankreich mit sich führen durfte. Nun wünschte er sie zu Gelde zu machen. Der Banquier, dem er sie antrug, kannte das Haus nicht, auf welches sie gestellt waren, und verlangte eine Bürgschaft. Die leistete Parrette's junger Freund sogleich, weil er mit den häuslichen Angelegenheiten desselben sehr bekannt war. Herr von Parrette hatte nämlich vor seiner ehelichen Verbindung mit der Wittwe von Pedro einen Heirathskontrakt in Freiburg geschlossen, worin er ihr, falls er vor ihr ohne Kinder stürbe, 100.000 Fr. zusicherte. Nebstdem erhielt ihre Tochter noch, als Zeichen seiner Zufriedenheit, mit einer so ansehnlichen adelichen Familie verbunden zu werden, in Jahresfrist schon 50.000. Als bei der Stipulation der Notar fragte, ob er französische oder Schweizerfranken schreiben solle, sagte Herr von Parrette nach einigem Besinnen: »Da wir jetzt in der Schweiz sind, so schreiben Sie auch Alles in Schweizergeld!« Sein junger Freund war zu dieser Stipulation als Zeuge berufen worden, und da ihm Herr von Parrette zu der Hand der reichen Tochter von Pedro einige Hoffnung gegeben hatte, trug er kein Bedenken, diesen sehr begüterten Mann bei dem Wechsler um eine beträchtliche Summe zu verbürgen, worauf ihm dieser das Geld auszahlen ließ.
Nachdem Herr von Parrette noch verschiedene Sachen von Werth eingekauft hatte, die er bei seiner nahen Zurückkunft zu berichtigen versprach, reiste er nach Chur in Graubünden, um das ebenfalls bedeutende Vermögen seiner Gemahlin, das durch eine unvermuthete Erbschaft noch vermehrt worden war, einzuziehen.
In der Hauptstadt Graubündens verweilte Parrette nicht lange, sondern miethete sich auf unbestimmte Zeit im schönen Marktflecken Malans ein, wo er nun die sehr anmuthige Amalia von Pedro, seine Stieftochter, aufführte, die wegen ihrer außerordentlichen Schönheit aller Männer Blicke fesselte. Da der Ruf ihres Reichthums durch die Heirath ihrer Mutter mit dem Herrn von Parrette auch bis in Graubündens Thäler erschollen war, wozu die hundertzüngige Fama ohne Zweifel das Ihrige reichlich beigetragen hatte, fehlte es auch wohl nicht an Anbetern, welche die holde Amalia wie Schmetterlinge umflatterten. Zudem gesellte Herr von Parrette noch Schmausereien, so daß er bald der Bekannten und Freunde genug hatte, die entweder mit der freundlichen Tochter koseten, oder sich mit der geschwätzigen Mutter unterhielten, und zur Abwechselung mit dem zutraulichen heitern Wirthe zechten, der ihnen seine erstaunenswürdigen Abentheuer erzählte.
Mittlerweile hatte Herr von Parrette neue Wechsel von verkauften Gütern in Clerval erhalten, die er sogleich einlösen wollte. Da dieselben aber in Chur nicht ohne Kaution angenommen wurden, so verstanden sich sogleich einige Herren dazu, dem Vater zu Gefallen.
Dringende Geschäfte nöthigten Herrn von Parrette, mit seiner Familie nach Mailand zu gehen. Höchstens in ein Paar Wochen versprach er zurück zu sein. Am meisten vermißte man seine liebenswürdige Tochter, deren Abreise um so mehr schmerzte, da sie viele Verehrer gefunden und einigen auch Hoffnung auf ihre Hand gegeben hatte.
Es verstrichen einige Monate, man hörte Nichts von Herrn von Parrette; seine Wechsel kamen mit Protest zurück, die Bürgen mußten sie nun honoriren, denn in Mailand konnte er nicht ausfindig gemacht werden. – Die Papiere, welche Parrette in Freiburg versilbert hatte, hatten das nämliche Schicksal.
Diese Geschichte machte gewaltiges Aufsehen. Verschiedene Umstände derselben wurden, wie dieß stets zu geschehen pflegt, verkleinert oder vergrößert; doch die vorhin angeführten Thatsachen sind zuverlässig. Was und wer die eigentlichen zwei Hauptpersonen dieser Erzählung waren, erhellt aus folgendem.
Vor der französischen Revolution reiste ein englischer Lord durch Clerval. Es brach ein Rad an seinem Wagen. Man ließ den nächsten Schmied rufen, der den Schaden eilig ausbesserte, und dadurch den ungeduldigen Britten in Stand setzte, sogleich weiter zu fahren. Dieß gefiel dem Sonderling, der dem aufgeräumten Parrette (so hieß der Schmied) den Vorschlag machte, sammt seiner Familie mit nach England zu gehen, wo er ihm eine vortheilhafte Schmiede auf einem seiner Güter zusicherte. Da sich der Schmied nicht in den besten Glücksumständen befand, packte er seine Habseligkeiten so wie seine Frau und Kinder eilfertig zusammen, und reiste mit dem Lord ab. In England bezog er sogleich die ihm versprochene Schmiede, in welcher er sich sehr wohl gefiel, weil seine Sachen gut gingen.
Sein ältester Sohn Jean-Baptiste konnte sich mit seinem muntern, offenen, freien Wesen so vortheilhaft bei dem Britten einschmeicheln, daß er ihn mit seinen Söhnen erziehen ließ. Hier bildete sich der junge Parrette; allein sein Hang zur Spitzbüberei verleitete ihn zu so vielen Schelmereien und bösen Possen, daß ihn der alte Lord endlich nach fruchtlosen Strafen in sein Vaterland zurückschickte. Hier fand er nun bei dem Ausbruch der französischen Staatsumwälzung reichlichen Stoff zu Befriedigung seiner gaunerischen Neigung; doch glückte ihm die Verfertigung falscher Assignaten nicht, die ihn auf die Galeere nach Brest brachte.
Hier machte er mit der Ursula Schoucan, von Fettan im Unter-Engadin, Bekanntschaft, die in Brest einen Pastetenbäcker, Namens Pedro, geehlicht hatte, und wegen Diebereien eingesperrt worden war. Ihr Vater, der eine elende Hütte neben einem Thurm bei Fettan in Graubünden bewohnte, nach welchem sie sich vermuthlich de la Tour heißen mochte, fristete sich das Leben mit Schuhflicken und Hausiren.
Ohne Zweifel hatten sie schon in Brest oder nachher in irgend einem Winkel Frankreichs den Plan ausgesponnen, allzugutmüthige Schweizer zu bethören; denn nicht nur durch die falschen Wechsel verschaffte sich Parette viel Geld in Freiburg und Chur, sondern erhielt im erstem Orte noch von verschiedenen Leuten bedeutende Summen Geldes durch die Prahlerei mit seinen beträchtlichen Gütern und die Bigotterieen der schlauen Ursula Schoucan, seiner Buhldirne, welche sogleich bei allen Betschwestern Unterstützung und Hülfe fand, und auch sogar Geistliche, die doch schon oft von Konvertiten betrogen worden waren, in ihr Interesse zu ziehen wußte, so daß sie mehr Kredit fand, als irgend ein ehrlicher Handwerker, dem dadurch das Glück seines ganzen Lebens begründet worden wäre.
In Freiburg hatten sie in ihrer Wohnung Effekten und mehrere verschlossene Kisten zurückgelassen; da nun dieselben auf Begehren einiger Gläubiger, gerichtlich untersucht wurden, um den Werth an die Bestrechthabenden auszuliefern, fand man nichts als schlechte alte Kleider, Amulette, Rosenkränze, aszetische Bücher, zerbrochene Flaschen und dergleichen. Die schweren Kisten, auf welche die Gläubiger ihre Hoffnung gestützt hatten, enthielten Kieselsteine.
Wie es verlautete, wurde dieses verschmitzte Paar nach einiger Zeit in Hamburg eingezogen und nach Besançon gebracht, wo es von den Gerichten den verdienten Lohn seiner Verbrechen erhalten hat.
Möge indessen diese wahre Geschichte nicht ohne Früchte bleiben, und ihren Zweck, vor Leichtgläubigkeit zu warnen, nicht verfehlen! Dieß wird für die geringe Mühe des Niederschreibens mein bester Lohn sein.