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Landgraf Ludwig IX. von Hessen hielt seine Grenadiere sehr streng, und da gab es wenig oder gar keinen Urlaub. Als er einmal in Pirmasens weilte, kam einer der Grenadiere namens Schubkehl zu ihm und bat, der Landgraf möge ihm doch erlauben, einmal nach Gersbach zu gehen, wo seine Braut wohne, er komme am folgenden Morgen wieder. Der Landgraf war gerade guter Laune und willigte ein.
Schubkehl marschierte fröhlichen Mutes die Straße entlang und trällerte ein Liedchen vor sich hin. Da hörte er plötzlich einen Wagen hinter sich herrollen. Es war gerade am letzten Tage des Monats April, am Vorabend der Walpurgisnacht, in der sich die Hexen mit dem Teufel treffen. Der Grenadier drehte sich um und sah zwei feine Herren in dem Wagen sitzen. Als sie näher kamen, fragten sie ihn: »Wohin des Weges, guter Freund?«
»Nach Gersbach, mit Verlaub«, antwortete er.
»Dann braucht Ihr Eure Beine nicht weiter anzustrengen«, erwiderten die Herren, »wir fahren auch über Gersbach; wenn Ihr wollt, könnt Ihr einsteigen.«
Das ließ sich Schubkehl nicht zweimal sagen; er dankte für die Ehre und sprang mit einem Satz in den Wagen.
»Nun weiter, Kutscher, und laßt die Pferde einmal laufen!« riefen die Herren, und da fuhr der Wagen, daß es ordentlich pfiff, er fuhr immer schneller und endlich so schnell, daß dem braven Schubkehl fast Hören und Sehen verging; der Wagen hielt auch nicht an, obgleich er den Weg nach Gersbach schon zehnmal zurückgelegt haben mußte. Als Schubkehl sich hinausbog, um zu sehen, wo er denn eigentlich sei, bemerkte er, daß der Wagen hoch durch die Luft flog und über Dörfer und Kirchturmspitzen wegfegte.
»Ach, Herr und Gott, wo sind wir!« rief er, aber in demselben Augenblick hörte er ein höllisches Gelächter, dann fuhren Baumzweige um seine Ohren und – plumps! lag er mitten in einem Wald. Er schaute sich erstaunt um, rieb seine Arme und Beine, die ihn nicht wenig schmerzten, und versuchte, ob er noch gehen könne. Das gelang ihm mit schwerer Mühe, und so schleppte er sich durch das Gehölz bis er auf freies Feld kam. Dort hütete ein Schäfer seine Schafe. Der Soldat bot ihm einen Gruß und erkundigte sich: »Guter Freund, wie weit habe ich bis Pirmasens?«
»Pirmasens?« fragte der Schäfer, »den Namen habe ich noch nie gehört. Geht einmal in das Dorf hinüber und fragt den Herrn Pfarrer, vielleicht weiß er, wo der Ort liegt.«
Das tat Schubkehl und hörte zu seinem Erstaunen von dem Pfarrer, daß Pirmasens vierzig Stunden entfernt sei. Jetzt erkannte Schubkehl, mit welchem Fuhrwerk er gefahren und daß er auf geradem Weg zum Hexentanz gewesen war. Zurückgekehrt fuhr ihn der Landgraf anfangs zwar hart an, wo er so lange geblieben sei, aber als Schubkehl ihm alles erzählte, verzieh er ihm, weil der arme Grenadier soviel Angst ausgestanden hatte.