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Die Frau zwischen den Säulen

Von Ruth Margarete Roellig

Abigail war ein Traum in Rosenblätter eingehüllt ...

– Vor zwei Jahren hatte Fürst Irmo sie von ihrem Vater zur Gemahlin gefordert, sie, die noch ein Kind war mit ihren sechzehn Jahren. Er liebte den Frühling, der alte, lebenskundige Irmo, und ihre Jugend deuchte ihn köstlicher als alle seine Juwelen. Und seine Augen weideten sich an ihrer süßen Schönheit – – –

Ihr Haar war glänzend schwarz und hing ihr in langen Flechten über den Rücken, und mit leicht geneigten Schultern schleppte sie die schwere Pracht ihrer kostbaren Gewänder durch die weißen Säulenhallen, die sich um den Palast herumzogen.

Noch niemals war sie hinausgekommen aus der Welt, die sie hier umschloß – ganz von fern nur leuchtete ihr die Sonne in das Dasein ... Rings um die Gelände des fürstlichen Wohnsitzes breiteten sich Gärten aus von Rosen. In ganzen Plantagen wuchsen sie, knospeten, entfalteten sich in allen Farben und Arten, weiß, gelb, rosa bis zum satten, tiefen Rot.

Und in den lauen Juninächten, wenn Abigail mit blassem Antlitz dastand, beide Arme um eine der Marmorsäulen geschlungen, und hineinstarrte in die geheimnisvolle Pracht wie in ein Wunder – in jenen warmen, weichen Nächten, in denen die Nachtigallen schluchzten, ging von fern ein Hauch über sie hin, der sie seltsam erregte, ein schwerer, süß-seliger Duft aus hunderttausend flammenden Kelchen – – – Da schloß sie die entgötterten Augen wie in Verzückung, ihr dunkler Kopf lehnte matt an dem kühlen Gestein, und während ihre Wangen blasser schienen denn je, glühte ihr weicher, roter Mund gleich einer fremdartigen purpurnen Blume – –

Abigail war wie ein Traum von gläsernen Fäden umsponnen ...

Ihr Herz war nicht erwacht unter den Greisenküssen ihres kränklichen Gemahls. In dem ewigen Dämmer seiner prächtigen Gemächer wußte sie nicht einmal, daß ihre Augen leuchten konnten unter dem Widerschein beglückender Liebe. –

– Ein Abend breitete seine veilchenfarbenen Schleier über das Schloß und die Rosenfelder.

Fürst Irmo hatte sein Lager im Säulengang aufstellen lassen. Die dumpfe Luft im Schlosse erdrückte ihn fast.

Seine Stunden waren gezählt, und aus den Schatten der Einsamkeit hob sich lautlos das Geheimnis Sterben.

Tage, die längst vergangen, sangen ihm noch einmal ihr dunkles, müdes Lied, das ihm klang wie leises, wehes Weinen. So viele hatten weinen müssen – seinetwegen. Und noch einmal kehrte er zurück von der Grenze der Verwirrung. Seine langen, dünnen Finger umkrampften das schmale Handgelenk Abigails, die, in ein fast durchsichtiges Seidengewebe gehüllt, in all ihrem Reiz an seinem Lager stand. An einem weißen Bande hing die Harfe über ihrer Schulter, aber die goldenen Saiten waren verstummt. »Nun kommt die Tiefe herauf –« flüsterte er und es schauerte ihn. Sie neigte den dunklen Kopf zu seinen welken Lippen, die so viel genossen hatten in einem schwelgerischen Dasein – das Herzblut der Reben und das Herzblut der Frauen – –

Nur Abigail war nicht erwacht in seinen Armen, Abigail war noch ein Traum, schwimmend im uferlosen Lichtmeer der Phantasie ...

»Nichts war ich dir – und nun sterbe ich so schwer daran – ich wollte, daß deine weiße Herrlichkeit leuchtete im Dämmer meiner Nächte – sie blieb matt und glanzlos – nichts, nichts war ich dir, du viel zu früh Geküßte, ich, der sich tränkte am süßen Wunder deiner jungen Schönheit – –«

Abigails Hand zuckte unter der schmerzhaften Umklammerung. Nein – sie fühlte nichts für diesen Mann, der ihr wie ein finsteres Schicksal erschien, dem sie sich lautlos beugte, weil es unabwendbar war.

»Ich lasse dich allein – aber ich will nicht, daß du eines anderen Umarmung kostest – mein bleibst du! Bis zu den Rosengärten führt dein Weg, bis dicht heran – so habe ich es angeordnet in meinem Testament – fügst du dich nicht, so bist du nackt und bloß, so arm, wie du warst, als ich dich mir nahm – –«

Sie stand ruhig mit geschlossenen Augen. Schwer und undurchdringlich lagen die breiten Lider auf den weißen Wangen – nur der heiße, rote Mund zitterte leicht.

Sein Flüstern wurde Stammeln – er hielt ihre Hände fest in den seinen.

»O Nacht, da ich dir Wein gab und die letzte Glut meiner Küsse – dich brach in der Knospe ...«

Ein Lächeln des Genusses wischte über das schöne, alte Antlitz, dann ein tiefer, langer Seufzer – und Abigail wandte sich ab. Wie von selbst löste sich ihre Hand aus den umschlingenden Fingern, die nichts mehr halten konnten – Fürst Irmo war tot. – –

*

– Abigail schleppte die schwere Pracht ihrer Gewänder über die marmornen Fliesen der Säulenhalle.

Die roten Mittagsflammen lagen auf den Kelchen der Rosen in zitterndem Glanz. Der Duft umfing ihre Sinne wie mit goldenen Fäden und preßte ihre weißen Hände schmerzhaft ineinander.

Ihre Augen, die geweitet waren vom Schimmer der Sehnsucht, tasteten suchend hinein in das Meer von Schönheit. Frei war sie – und doch gefesselt – und vor ihr lag der junge Tag.

Und plötzlich warf sie den Kopf zurück, daß die langen, tiefschwarzen Flechten aufflogen – dann streifte sie lächelnd und lässig das funkelnde Diadem von der schmalen Stirn. Es klirrte auf dem harten Gestein. Die Reifen von ihren Armen, die Fingerringe, die Juwelen aus ihren Ohrläppchen gesellten sich dazu – all das Tote, was sie bisher geschmückt, lag da, abgeworfen in einer heißen Regung.

Langsam, feierlich schreitet sie nun – zum erstenmal – die weißen Stufen hinab in den Park von blühendem Leben. Der Sang der Vögel scheint ihr gleich einem lockenden sehnsüchtig-leisen Syrinxspiel – –

Abigail war wie ein Traum in rosiger Morgenstunde ...

Ihre Hände öffnen sich, und zärtlich gleiten sie über die weichen Blumenblätter.

Wie getragen von den Duftwogen schreitet sie durch die blühenden Wirrsale, weiter, immer weiter – während hinter ihr mit dumpfem Krachen die Säulen zusammenstürzen – –

Nichts hält sie mehr auf. Nur die Dornen fordern ihren Tribut. Hier bleibt ein Endchen ihres Schleiers, dort ein Stück des Gewandes – weiter wandert sie, unbekümmert, die Pracht der schwarzen Zöpfe gelöst, in Fetzen das Kleid – an allen Zweigen hängt ein Weniges von ihr – das Alte – sie weiß es nicht und fühlt nichts – wie im Taumel gleitet sie durch all die rosige Süße die sie trinkt mit ihrem dürstenden, roten Munde – – –

Nackt und bloß ist ihre junge Schönheit – und das Sonnenrot umfängt ihren weißen Leib mit zitternden Küssen.

Da schlägt sie die heißen Augen voll auf. Die feinen Nasenflügel beben in der Inbrunst des Genießens – und berauscht von der Wonne der Lust breitet sie die Arme weit aus. Ihre schmalen Füße heben sich und sie tanzt, tanzt hinweg über die Blüten mit ihren seidenweichen Sohlen und lächelt –

Lächelt der Wunden, die die Dornen reißen, und lächelt dem Märchenduft, der ihre Sinne umkost und sie trägt – immer der Sonne zu, der purpurflammenden Glut – – –

Und Abigail ist Leben und Seligkeit ...


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