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Johanna Sebus

Der Damm zerreißt, das Feld erbraus't,
Die Fluthen spülen, die Fläche saus't
.
»Ich trage dich, Mutter, durch die Fluth,
Noch reicht sie nicht hoch, ich wate gut.«
»Auch uns bedenke, bedrängt wie wir sind,
Die Hausgenossin, drei arme Kind!
Die schwache Frau! ... Du gehst davon!« –
Sie trägt die Mutter durchs Wasser schon.
»Zum Bühle da rettet euch! harret derweil;
Gleich kehr' ich zurück, uns allen ist Heil.
Zum Bühl' ist's noch trocken und wenige Schritt;
Doch nehmt auch mir meine Ziege mit!«

Der Damm zerschmilzt, das Feld erbraus't,
Die Fluthen wühlen, die Fläche saus't
.
Sie setzt die Mutter auf sichres Land;
Schön Suschen gleich wieder zur Fluth gewandt.
»Wohin? Wohin? Die Breite schwoll;
Des Wassers ist hüben und drüben voll.
Verwegen ins Tiefe willst du hinein!« –
»Sie sollen und müssen gerettet sein!«

Der Damm verschwindet, die Welle braus't,
Eine Meereswoge, sie schwankt und saus't
.
Schön Suschen schreitet gewohnten Steg,
Umströmt auch gleitet sie nicht vom Weg,
Erreicht den Bühl und die Nachbarin;
Doch der und den Kindern kein Gewinn!

Der Damm verschwand, ein Meer erbraust's,
Den kleinen Hügel im Kreis umsaust's
.
Da gähnet und wirbelt der schäumende Schlund
Und ziehet die Frau mit den Kindern zu Grund;
Das Horn der Ziege faßt das ein',
So sollten sie alle verloren sein!
Schön Suschen steht noch strack und gut:
Wer rettet das junge, das edelste Blut!
Schön Suschen steht noch wie ein Stern;
Doch alle Werber sind alle fern.
Rings um sie her ist Wasserbahn,
Kein Schifflein schwimmet zu ihr heran.
Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf,
Da nehmen die schmeichelnden Fluthen sie auf.

Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort
Bezeichnet ein Baum, ein Thurm den Ort
,
Bedeckt ist Alles mit Wasserschwall;
Doch Suschens Bild schwebt überall. –
Das Wasser sinkt, das Land erscheint
Und überall wird schön Suschen beweint. –
Und dem sei, wer's nicht singt und sagt,
Im Leben und Tod nicht nachgefragt!

Goethe


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