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(1848.)
Ach fern, ach fernhin wart ihr fortgeflogen –
Nun kam die Stunde, da ihr heimwärts zieht!
Verbannte Lieder, naht auf stolzen Wogen,
Fürchtet euch nicht, singt euer Liebeslied!
Der Sonne Strahl zerriss den Wolkenschleier,
Wir lauschen still – o tönt aus voller Brust!
Dem Vogel gleich, erklingt in süßer Feier …
Singt, singt, o singt ein Lied von Liebeslust!
Steigt, steigt empor zu unsrer niedern Kammer,
Wo unter Blumen unser Gram verhallt,
Und wo die Nätherin der Armuth Jammer
Im Sang vergisst, dass froh ihr Busen wallt!
Redet zu uns mit liebendem Erbarmen,
Senkt Muth und Hoffnung ein in unsre Brust,
Und, dass der Himmel segne selbst die Armen,
Singt, singt, o singt ein Lied von Liebeslust!
Pocht, pocht im Zorne an das Schloss des Reichen,
Sagt, dass wir arm – euch wird Gehör man leihn!
Vom Bettler singt, dem Herz und Wangen bleichen,
Und Thür und Haus wird euch geöffnet sein!
Sagt: »Aus der Gabe, die man uns gegeben,
Keimt neu der Liebe Saat in unsrer Brust!
Wer gerne giebt, Dem wird auch gern gegeben« …
Singt, singt, o singt ein Lied von Liebeslust!
Emile Barateau.
(24. Februar 1848.)
Gegrüßt, gegrüßt! für die ich hingegeben
All' meiner Jahre feindliches Geschick;
Ich sah dich lächelnd jeden Traum umschweben,
Nun kamst du doch, o heil'ge Republik!
Das Reich des Friedens gilt es zu erwerben,
Ob auch durch Wolken unsre Sonne bricht.
Gegrüßt, gegrüßt! nun kann ich ruhig sterben –
O Republik, ich sah dein Angesicht!
Die Glocke klang – und stolze Barrikaden
Erstiegen rings, die kühn das Volk erschuf;
Trotz Säbelblitz und trotz den Füsilladen
Erschien die Republik bei unserm Ruf!
Wie Glas zerbrach ein alter Thron in Scherben,
Die Königsbürde drückt uns länger nicht!
Gegrüßt, gegrüßt! nun kann ich ruhig sterben –
O Republik, ich sah dein Angesicht!
Was wir begehren von der Zukunft Fernen?
Dass Brot und Arbeit uns gerüstet stehn,
Dass unsre Kinder in der Schule lernen,
Dass unsre Greise nicht mehr betteln gehn.
Von Dreiundneunzig sind wir noch die Erben,
Doch fortgeschritten in des Friedens Licht!
Gegrüßt, gegrüßt! nun kann ich ruhig sterben –
O Republik, ich sah dein Angesicht!
Verbrennt den Thron, auf dem die Schmach gesessen,
Auf dem Verrath erschlug den Julikampf!
Verbrennt den Thron! Und, das der Fürst vergessen,
Lasst uns erhöhn: das Recht! im Opferdampf.
Mag Seid' und Holz im Feuerbrand verderben:
Das Königthum erwärmt uns anders nicht!
Gegrüßt, gegrüßt! nun kann ich ruhig sterben –
O Republik, ich sah dein Angesicht!
Kein Härmen mehr! vom Auge fort die Thränen,
Ob blutig auch des Kampfes Sonne schien;
Lasst stolz die Brust den Heldentod ersehnen,
Und kein Bedauern soll das Herz durchziehn!
Wenn Freiheitsküsse Wang' und Stirne färben,
Ist ein Verräther, wer von Milde spricht.
Gegrüßt, gegrüßt! nun kann ich ruhig sterben –
O Republik, ich sah dein Angesicht!
Kein Hassen mehr! Die Schlachtengötter fliehen
Hinweg aus unsres Friedens Tempelhaus;
Dies alte Schloss, genannt die Tuilerien,
Es statte künftig unsre Kinder aus!
Hier magst du, Greis, den stillen Tod erwerben,
Wenn dir im Traume sanft das Auge bricht!
Gegrüßt, gegrüßt! nun kann ich ruhig sterben –
O Republik, ich sah dein Angesicht!
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
(25. Februar 1848.)
Wie viel der Schmerzen trug in dumpfem Grollen
Ein edles Volk, gebeugt die stolze Kraft;
Doch es erwachte bei des Donners Rollen,
Und schüttelt sich in seiner Eisenhaft.
Zusammen brach der Thron, in Staub zersplittert,
Der Ruf der Freiheit drang in unser Ohr!
Ihr stolzen Herrn, der Himmel selbst gewittert –
Werdet nur bleich! … Die Sonne stieg empor!
O, wie ist groß in seines Zornes Brande
Dies heil'ge Volk im Kampf um Gut und Hab'!
Es sprengt die Welt, dem Frühling gleich, die Bande,
Zum Königsscepter wird der Bettelstab!
Die Gleichheit bringt uns ihren Bruderstempel,
Und Liebe glänzt aus blut'ger Saat hervor,
Die Menschlichkeit erbaut sich neu den Tempel –
Singen wir laut: Die Sonne stieg empor!
Seit lange schlief, in Grabeshaft gefangen,
Der Freiheit Stern, der unsre Nacht erhellt;
Nun ist ein Leuchten durch die Welt gegangen,
In rother Pracht erglomm das Himmelszelt.
Die Völker all', sie werden sich begegnen,
Den Bau zu gründen, den das Licht erkor;
Der Himmel wird die Bürgerkrone segnen …
Brüder, gegrüßt! Die Sonne stieg empor!
Groß oder klein – die Fürsten sind Verräther;
Tod dem Verräther, der sein Volk verlässt!
Was Sklav und Herr! Frei ist des Volkes Äther –
Sieger von gestern, steht auch morgen fest!
Auf, schließt den Reihn, zerschmettert rings die Grenzen!
Die Welt ist frei – zerschlagt das letzte Thor!
Der Freiheit Leuchten wird das All durchglänzen …
Beugen wir uns! Die Sonne stieg empor!
Vorbei der Sturm! Doch trauernd denkt die Seele
Der todten Brüder unterm Rasengrund;
Dass seinem Licht der Himmel euch vermähle,
Trug er euch fort vom schönen Erdenrund.
Schlaft, Brüder, wohl in eures Grabes Feier!
Aus eurem Kampf hob sich der Tag hervor,
Ihr webtet Sterne in des Himmels Schleier …
Brüder, lebt wohl! – Die Sonne stieg empor!
Alexandre Guérin,
Handlungskommis.
(26. Februar 1848.)
Zurück, zurück! ihr sollt den Platz verlassen –
Als Tod zu finden, kamt ihr nicht herbei;
Doch heute drängt ihr euch in unsre Massen,
Und ruft als Prahler: »Sterben oder frei!«
Ein Ämtchen ist der Sinn von eurem Schrei.
Auf Säulen ruht die Republik, auf festern,
Ihr könnt euch nicht von eurer Schmach befrein –
Zurück! ihr wart die Helden nicht von gestern,
Und sollt von morgen nicht die Wächter sein!
Des Landes Gold erkaufte rings Heloten,
Des Landes Gold zerbrach der Herzen Kraft,
Des Landes Gold erschuf uns nur Despoten –
Das Elend ist's, das uns zu Siegern schafft,
Der Armuth Groll zerschlug die Eisenhaft!
Vergaßt ihr schon bei Wein und Vogelnestern,
Dass unser Blut gefärbt den Pflasterstein? –
Zurück! ihr wart die Kämpfer nicht von gestern,
Und sollt von morgen nicht die Prahler sein!
Ein General
Der Marschall Bugeaud. beut uns zum Kampf den Degen –
Doch seht, er troff von Bürgerblute schon!
Du magst das Schwert zu deinem Lorber legen,
Wir hassen dich, uns klingt dein Wort wie Hohn –
Was willst du uns, nachdem dein Herr entflohn?
Der gegen unsre Brüder stritt und Schwestern,
Soll nicht als Mörder unsern Bund entweihn –
Zurück! denn wer Verräther war von gestern,
Wird auch von morgen leicht Verräther sein!
Vertreter dort! verleugnend euren Glauben,
Sahn wir euch zittern vor des Kampfes Erz;
Ihr mochtet Nichts, als ferner Worte klauben,
Wohl, eure Sterne sinken niederwärts –
Die Frucht ist gut, doch schlecht und faul das Herz!
Ach, euer Name wird die Zukunft lästern,
Drum wird die Urne sich von ihm befrein –
Zurück! denn wer der Heuchler war von gestern,
Wird auch von morgen nur der Feigling sein!
Schließt unsre Reihn! Wir Alle sind die Krieger,
Und kämpften für der Freiheit Götterkind!
Verstoßt die Schar der gleißenden Betrieger,
Der Freunde, deren Rath Verderben spinnt,
Und die es wissen, dass sie Feinde sind!
Als Wachen steht an ihren Räubernestern,
Durchleuchtet sie mit eurer Fackeln Schein –
Wir Alle sind die Schwerter noch von gestern,
Lasst uns von morgen auch die Schwerter sein!
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
(Anfangs März 1848.)
Nun will die Freiheit ihre Schwing' entfalten
In diesem Reich, wo ihre Wiege stand;
Treu hat zu ihr das arme Volk gehalten –
Der Kön'ge Blindheit nur hat sie verbannt!
Bei ihrem Ruf wird Frankreich neu erwachen,
Der Söhne Herz erglüht in Heldenmuth;
Der Zwingherr floh, und ewig wird bewachen
Die Freiheit unser Banner, Haus und Gut!
Des Volkes Kraftgebärde
Scheucht jeden Feind zurück.
Hoch Frankreich, hoch die Heimaterde!
Vereinigt euch zu Ruhm und Glück!
»Brüderlichkeit!« soll unser Wahlspruch heißen,
Der Sieger und Besiegten Losung sein.
Schmach Jedem, der das Bündnis will zerreißen,
Dem wir zu Frieden uns und Wohlstand weihn!
Vergangnes sei vergessen und vergeben,
Der Heimat Glück sei unser einz'ges Ziel;
Reich wird das Land, die Sorgen all' entschweben,
Wo Fleiß und Freude schafft im Wechselspiel.
Des Volkes Kraftgebärde
Scheucht jeden Feind zurück.
Hoch Frankreich, hoch die Heimaterde!
Vereinigt euch zu Ruhm und Glück!
Dem Handel Ruhm, dem Fleiß des Kunstverstandes,
Der Bildung Ruhm, dem Genius, dem Geschick!
Sie alle sind der Stolz des Vaterlandes,
All' ihre Söhne ehrt die Republik.
Arbeiter ihr in wüsten Flachgeländen,
Zum Paradies sei euer Feld verkehrt!
Der Ackerbau in unerschrocknen Händen
Ist stets des Reichthums segensvoller Herd.
Des Volkes Kraftgebärde
Scheucht jeden Feind zurück.
Hoch Frankreich, hoch die Heimaterde!
Vereinigt euch zu Ruhm und Glück!
Wittwen und Waisen in der trüben Zelle
Sei eure Wohlthat, Glückliche, geweiht!
Die Gleichheit ist die reiche Freudenquelle,
Die ihre Fluth dem Strom der Wälder leiht!
Sorgt, dass ein nützlich Thun dem Armen werde,
Er kommt zu euch, wenn ihr zu ihm euch müht;
Und du, o Volk, leih deiner Muttererde
Den Arm, und schirme sie, von Kraft durchglüht!
Des Volkes Kraftgebärde
Scheucht jeden Feind zurück.
Hoch Frankreich, hoch die Heimaterde!
Vereinigt euch zu Ruhm und Glück!
Soldaten ihr, Beschirmer unsres Strandes,
Lebend'ger Wall wider die Fremdlingsschar:
Bedroht der Feind die Flur des Vaterlandes,
So zählt auf uns zur Stunde der Gefahr!
Dem Gießbach gleich, ins Blachgefild ergossen,
Wird unser Heer mit euch zum Kampfe gehn,
Und, fest an eure Heldenreihn geschlossen,
Zu siegen wissen und dem Tod zu stehn!
Des Volkes Kraftgebärde
Scheucht jeden Feind zurück.
Hoch Frankreich, hoch die Heimaterde!
Vereinigt euch zu Ruhm und Glück!
J. Martin (von Angers).
(1848.)
Ja, ich bin arm; und arm aus Lieb' und Wollen,
Nicht haschen mocht' ich nach des Ruhmes Schaum;
Arbeit, Taback, den Becher noch, den vollen –
Und keinem Herrscher neid' ich seinen Traum,
Der lebt und stirbt – warum? er weiß es kaum.
Nur Jene hass' ich, die die Arbeit hassen,
Und sich bereichern, wenn bei Kerzenlicht
In schnöder Ruh' das Ass die Buben sticht –
's ist unser Schweiß, den sie beim Spiel verprassen …
Seht, darum liebt mein Herz die Reichen nicht.
Ich hasse sie, doch nicht weil sie die Reichen,
Nein, weil das Gold die Seele bringt zu Fall,
Weil sie frisiert den Pudelhündchen gleichen,
Und weil sie lüstern auf dem Opernball
Den Kankan tanzen bei Trompetenschall.
Des Armen Kind vertraut sich ihrem Kosen,
Erst schändet sie, dann stößt sie fort der Wicht,
Und wenn der Vater von Vergeltung spricht: –
Des Armen Ehr' erkaufen ja die Großen! …
Seht, darum liebt mein Herz die Reichen nicht.
Hat ihnen dann ein Kind das Weib geboren:
Sie lieben's nicht in ihrem goldnen Haus,
Sie haben längst die Elterntreu' verloren –
Des Armen Kind gehört ins Findelhaus,
Da löscht die Schande bald sein Hoffen aus.
Der Reue fern, in Pracht umhergetrieben,
Vergessen sie das bleiche Angesicht,
Das, Fleisch von ihrem Fleisch, sein Lallen spricht –
Ein schlechtes Herz wird nie die Kinder lieben …
Seht, darum liebt mein Herz die Reichen nicht.
Sie helfen wohl der Armuth trübem Jammer,
Doch rings behangen mit des Goldes Fluch;
Die Peitsche knallt – so fahren sie zur Kammer
Des Armen, der die Blicke niederschlug –
Ach, wie viel Brot gilt solch ein Wagenzug!
Ein Freund ist krank – dem Winterfrost entgegen
Hebt, dass sein Brot er mit dem Andern bricht,
Der Arme rasch der Schuhe Holzgewicht –
Was fragt die Menschlichkeit nach Koth und Regen? …
Seht, darum liebt mein Herz die Reichen nicht.
Dann bei den Wahlen – Arglist ohne Gleichen!
Der schwatzt von Freiheit ohne Unterlass,
Und Jener sagt: »Ich mach' euch All' zu Reichen,
Im Kerker, seht! ward meine Wange blass,
Mich wählt, denn ich gelob' euch Dies und Das!«
Sein Name, siegt – er trinkt den Saft der Trauben,
Und wir bezahlen, wenn er Schoppen sticht;
Besteuert wird sogar das Fensterlicht –
Sie stehlen noch dem Armen Treu' und Glauben …
Seht, darum liebt mein Herz die Reichen nicht.
Vergesst auch nicht den Sänger in der Blouse,
Dess Lied als Schwert im Lebenskampfe blitzt!
Die Reichen, ach! sie haben unsre Muse
Mit ihrem Geifer täglich angespritzt –
Sie glauben toll, dass Geist in Kleidern sitzt!
Ist gut der Rock, das Linnen weiß im Schranke,
So meinen sie, dass klug auch das Gesicht;
Ob wohl der Geist aus Hut und Mantel spricht?
Nein, aus dem Herzen sprudelt der Gedanke …
Seht, darum liebt mein Herz die Reichen nicht.
Bis in den Tod verfolgt uns ihr Verschwenden,
Ein Sarg – ihr hängt noch euer Silber dran!
O dass am Grab wir doch Versöhnung fänden –
Wie mögt ihr glauben, dass der arme Mann
Solch einen Todtenschrein bezahlen kann?
Das Kind des Reichen lässt dem Gram die Zügel
In stolzer Gruft, wo es Gebete spricht;
Das Kind des Armen irrt im Dämmerlicht,
Und sucht – vergebens! – nach der Mutter Hügel …
Seht, darum liebt mein Herz die Reichen nicht.
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
Sie sind vorbei, des Zweifels bange Stunden,
Heil, Frankreich, dir, das neuen Ruhm gewann!
Am Himmel ward ein neuer Weg gefunden –
Zu helfen gilt's dem kühnen Schiffersmann!
Der uns gezeigt der Menschheit Sonnenwende:
Darf sein Talent vermodern in der Gruft? …
Mann aus dem Volk, gieb deine Freiheitsspende!
Dem Vogel gleich, durchkreuzen wir die Luft.
Pétin! genähert hast du alle Fernen,
Verhundertfacht den menschlichen Verkehr;
Es schlingt der Geist, beflügelt zu den Sternen,
Ein einig Band um alle Völker her.
Kein Windesgott, der
uns Verderben sende,
Wenn er dem Schiff aufwühlt die Meereskluft! …
Mann aus dem Volk, gieb deine Freiheitsspende!
Dem Vogel gleich, durchkreuzen wir die Luft.
Die Elemente hat der Mensch bezwungen,
Es knirscht die Welt in seiner Fessel schon;
Ihn sieht der Aar zu seinem Horst gedrungen,
Und »König« grüßt er ihn vom Wolkenthron.
Er schweift – tief unter ihm die Felsenwände –
Ein stolzer Segler, über Berg und Schluft …
Mann aus dem Volk, gieb deine Freiheitsspende!
Dem Vogel gleich, durchkreuzen wir die Luft.
Unsterblich wird die Bruderliebe glänzen,
Wenn jenes hehre Götterwerk vollbracht.
Kein Sklave mehr, kein Flüchtling, keine Grenzen,
Der Krieg versinkt auf ewig in die Nacht.
Hernieder flammt, wie lichte Fackelbrände,
Ein Wort, das uns zur Weltversöhnung ruft …
Mann aus dem Volk, gieb deine Freiheitsspende!
Dem Vogel gleich, durchkreuzen wir die Luft.
So lasst empor uns aus dem Dunkel schweben,
Das lang' in Schlaf die Menschenseele band;
Vermag uns Flügel das Talent zu geben:
Auf, streckt entgegen ihm die Bruderhand!
Den Ruf erklingen lasst zum Weltenende:
Ein Stern erglänzt durch Nacht und Nebelduft! …
Mann aus dem Volk, gieb deine Freiheitsspende!
Dem Vogel gleich, durchkreuzen wir die Luft.
A. Bourgeois.
(Juni 1848.)
Wenn überm Strom im Abendschweigen
Das Rad der Mühlen stille steht,
Wenn, statt sich seiner Last zu neigen,
Des Müllers Esel weiden geht –
Dann schleicht, der Wölfin gleich an Grimme,
Die Noth ins Haus den langen Tag,
Und himmelan mit lauter Stimme
Erschallt ihr Ruf wie Donnerschlag:
Man hält nicht von den Marmorstufen
Das Volk zurück mit seiner Noth!
Denn die Natur gebeut zu rufen:
Brot thut uns noth! Wir fordern Brot!
Der Hunger tritt in unsre Massen,
Das Dorf, die Stadt, das Thal entlang.
Wohlan, versperrt uns nur die Gassen
Bei eurer Trommeln Grabesklang –
Trotz Schwert und Strang, trotz Kugelblitzen
Durchfliegt er sie mit Windeslauf,
Und auf den höchsten Thurmesspitzen
Pflanzt er sein schwarzes Banner auf!
Man hält nicht von den Marmorstufen
Das Volk zurück mit seiner Noth!
Denn die Natur gebeut zu rufen:
Brot thut uns noth! Wir fordern Brot!
Was sollen eure Söldner schaffen?
Der Hunger spendet unserm Tross
In offnem Feld geraubte Waffen,
Auf Tenn' und Flur, in Hütt' und Schloss!
Hie Sens' und Sichel, Schaufeln, Hacken!
Beim Klang der Sturmesglocke trägt
Selbst unsrer Töchter zarter Nacken
Das Mordgewehr, von Hass erregt!
Man hält nicht von den Marmorstufen
Das Volk zurück mit seiner Noth!
Denn die Natur gebeut zu rufen:
Brot thut uns noth! Wir fordern Brot!
Auf! arretiert die Pöbelmasse,
Die Sensen nur und Schaufeln hat!
Errichtet selbst auf offner Gasse
Schafott und Galgen, Kreuz und Rad!
Nachdem das blanke Beil des Rächers
Beim Starren der betroffnen Brut
Vergoss das Blut des armen Schächers,
Steigt zürnend auf ein Schrei der Wuth:
Man hält nicht von den Marmorstufen
Das Volk zurück mit seiner Noth!
Denn die Natur gebeut zu rufen:
Brot thut uns noth! Wir fordern Brot!
Denn nöthig ist das Brot zum Leben,
Wie Luft und Wasser, wie die Gluth;
Nichts könnt ihr ohne Brot erstreben –
Das Brot ist Gottes Schuld Und Gut.
Doch Gott hat seine Schuld bezahlet –
Verschloss er uns der Erde Schrein?
Das Licht, das uns zu Häupten strahlet,
Reift unser Korn und unsern Wein.
Man hält nicht von den Marmorstufen
Das Volk zurück mit seiner Noth!
Denn die Natur gebeut zu rufen:
Brot thut uns noth! Wir fordern Brot!
Bebautet ihr denn schon die Lande?
Es müsste ja der Saaten Gold
Färben die Flur vom Alpenrande,
Bis wo des Ganges Woge rollt!
O wühlt empor den Schoß der Erden,
Und lasst des Krieges blutig Schwert
Der Liebe stilles Rüstzeug werden,
Das seiner Kinder Zahl ernährt!
Man hält nicht von den Marmorstufen
Das Volk zurück mit seiner Noth!
Denn die Natur gebeut zu rufen:
Brot thut uns noth! Wir fordern Brot!
Was nützen uns die eitlen Klagen,
Der Königsschergen Stolz und Wuth?
Sich für der Fürsten Hass zu schlagen,
Ist unser Arm zu stark und gut!
Noch heut kann sich das Volk erheben,
Euch jähem Untergang zu weihn –
Ihr sollt dem Pflug die Erde geben,
Und Brot wird rings auf Erden sein!
Man hält nicht von den Marmorstufen
Das Volk zurück mit seiner Noth!
Denn die Natur gebeut zu rufen:
Brot thut uns noth! Wir fordern Brot!
Pierre Dupont.
(27. Juni 1848.)
Betäubt noch vom Donner die Stirne
Der Salven, die gestern gekracht,
Sah heut ich im kranken Gehirne,
Als Alles fröhlich gelacht,
Soldaten ziehn in die Schlacht.
Das waren kühne Gestalten:
Zum Kampfe sah ich ja gehn
Die Soldaten der Verzweiflung –
Wie waren sie schön zu sehn!
Es war von diesen Soldaten
Ein jeder ein Proletar,
Die arm aus der Hütte traten,
Zerrissen, der Schuhe bar,
Deren Obdach ein Boden war!
Es tragen russige Kleider
Und Hüte von schlechter Form
Die Soldaten der Verzweiflung,
In Lumpen als Uniform!
Sie lagerten sich auf Steinen,
Und redeten Worte von Erz …
Was Furcht! sie fürchten Keinen –
Sie haben ja Alle ein Herz,
Das lenkt sie in Jammer und Schmerz.
Und quält sie das ferne Gebrause,
So fliehe schnell der Despot
Die Soldaten der Verzweiflung,
Vom Hunger geführt in den Tod!
Weh, gestern zogen die Krieger
Zum Bürgerkampf in den Tod!
Ich wette, dass manchem der Sieger,
Weil er die Brüder bedroht,
Als Lohn ein Kreuzchen man bot.
Doch nach dem blutigen Jagen
Hat Keiner wohl auf der Brust
Des Soldaten der Verzweiflung
Ein Kreuz zu finden gewusst!
Verbannung – schreckliche Kunde!
Sie sprachen, als Kampf uns kam:
»Wir sterben lieber zur Stunde
Durchs Blei, als durch Hunger und Gram
Oder bettelnd demüthig und zahm!«
Du, das die Kugel zerfleischte –
Du gabst, o schönes Paris,
Dem Soldaten der Verzweiflung
Nichts, als ein Grabesverließ!
Ihr nennet »Mörder« die Masse,
Die winselnd am Boden liegt!
Wie, hätten
sie wohl im Hasse,
Wenn sie im Kampfe gesiegt,
Zerschmetterte noch bekriegt?
Sie hätten den Brüdern vergeben,
Weil liebesgluthen-entfacht
Die Soldaten der Verzweiflung
An eure Mütter gedacht!
Gold häuft ihr und Silber zusammen,
Dass uns das Urtheil ihr sprecht –
Doch diese Schar zu verdammen,
Habt nimmer ihr Stolzen ein Recht,
Und euer Handeln ist schlecht.
Nach glücklichem Kampfe drückt man,
Wie Dem mit dem Ordensband,
Dem Soldaten der Verzweiflung
Die harte, schwielige Hand!
Schleppt nur zu Gefängnis und Frohne
Den Mann mit trotzigem Blick –
Doch denkt: es bleibt in dem Sohne
Ein Rächer dem Vater zurück …
Das ist sein Recht und sein Glück!
Die Waisen werden euch fluchen,
Und groß wird einstens der Spross
Des Soldaten der Verzweiflung –
Dann zittert in eurem Schloss!
Nichts habt ihr dem Armen gelassen,
Zerschlagen den Freiheitsbaum –
Doch nehmt ihr ihm immer das Hassen,
Seiner Nächte süßesten Traum! –
Vorwärts! der Geschichte Raum!
O Himmel, erhöre sein Flehen,
Und schirme den heiligen Strauß
Des Soldaten der Verzweiflung
Für sein verödetes Haus!
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
(Juli 1848.)
Wenn der ersehnte Tag, die Stunde einst geschlagen,
Wo jedem Frevel wird sein Lohn,
Und wir ein schuldiges Geschlecht ergrimmt verjagen
Im Sturm der Revolution:
Dann werden Alle, die bethränt von Milde sprechen,
Und die erschreckt der Blutbescheid,
Für die nur »Schwäche« heißt und »Unglück« das Verbrechen,
Und »Rache« die Gerechtigkeit –
Sie Alle werden schrein, dass ruchlos sei die Sühne,
Nicht strafen solle man, – verzeihn;
Und fordert Blut für Blut der Richtergeist, der kühne,
So wird man faseln von »Bereun«.
Du Göttin, die Vorzeit in starken, rauhen Tagen
Zu rächen jeden Mord gelehrt,
O heil'ge Nemesis, sieh unser marklos Zagen,
Zur Kinderruthe ward dein Schwert!
Ihr Phrasenhelden all', von falscher Lieb' entglommen,
Die ihr dem feigen Mörder weiht
Den Blick voll Mitleid, mög' auf eure Häupter kommen
Der Opfer Blut für alle Zeit!
Was Gnade? Lasst uns an der Brüder Tod gedenken,
An so viel' Frevel, wehevoll,
Und ihr Gedächtnis mög' uns in die Seele senken,
Statt des Erbarmens, tiefen Groll!
Gedenken lasst uns an die Zeit voll Blut und Raube,
Wo der Kanonen ehrner Mund
Die Antwort gab dem Volk, das hungernd schrie im Staube,
Und wo von Blut gedampft der Grund!
An die Entehrung denkt, der armen Jungfrau Schrecken,
Die kämpft und ihrer Schönheit flucht,
Wenn vor dem Lockungsruf der Wollust zu verstecken
Umsonst sie ihre Reize sucht!
An die Besiegten denkt, die wehrlos sanken nieder,
Gefällt vom mörderischen Blei;
In Strömen überfloss das Blut die kalten Glieder,
Rings Mordgeheul und Sterbeschrei!
Die Leichen fielen bei der Weiber Beifallwinken
Aufs Pflaster hin zu Tausenden,
Und als am dritten Tag – müd, länger Blut zu trinken –
Ihr Werk die Mörder endigten,
Da kränzte man ihr Haupt, und eure stolzen Frauen
– Im Wahn, das blut'ge Heer zu sehn,
Das ihre Mütter einst geliebt, trotz Schreck und Grauen –
Sie ließen ihre Tücher wehn.
Und dann der Morgen, der gefolgt dem schnöden Siege:
Die schändliche Angeberei,
Der Wunsch, dass jedes Recht dem Lug und Trug erliege
Nach jener wilden Meuchelei;
Die Kerker ohne Luft, in deren Pestrotunden
Der Sterbeschrei kein Echo fand,
Und wo die Henker von der Gegner frischen Wunden
Abrissen höhnisch den Verband! …
Geheiligt ist durch
sie fortan der Rache Lodern!
Sorgt, dass ihr nicht ihr Thun vergesst,
Gedenkt der Todten, denkt, dass unsre Brüder fodern
Ein großes Sühn- und Opferfest!
An uns nun kommt die Reih'! Ihr Schurken und Verräther,
Die längst das Volk der Schande zieh,
Die ihr gebilligt feig den Mord, ihr Volksvertreter:
Weh den Besiegten! auf die Knie!
Der Sühne Tag ist da, hoch schwillt des Zornes Welle!
Ja, nicht Gebet, noch Reue kann
Euch mehr davon befrein, zu küssen jede Stelle,
Wo einst das Blut der Opfer rann.
Du blindes Werkzeug, das missbraucht die Frevler hatten,
Leb fort, du bist dem Tod zu schlecht!
Wenn sich an deinem Pfühl des todten Bruders Schatten
Erhebt, so ist das Volk gerächt.
Ihr, die, aus unsern Reihn entsprungen, uns verrathen,
Der Völker ew'ge Geißeln ihr,
Bezahlte Söldlinge der blut'gen Potentaten,
Mordknechte, sklavisches Gethier;
Und ihr, o Schachrer, die in dieser Zeit voll Sünden,
– Ein hündisch kriechendes Geschlecht, –
Berauscht von Gold und Wein, ihr stets euch zu verbünden
Den Kehlabschneidern euch erfrecht:
Fort aus dem Lande! ihr besudelt unsre Erde!
Furchtbar und drohend schon ersteht
Das Volk; o flieht hinweg, damit vergessen werde,
Dass Blut nach Blut gen Himmel fleht!
Wenn jemals ich ersehnt den Herrscherstab der Welten,
So wär' es um das Glück allein:
Das Schwert zu führen, das, zu strafen und vergelten,
Die Rachegötter uns verleihn.
Gleich sollte immer sein die Strafe dem Verbrechen.
Die That ist schnell, die Reue säumt;
Den Mörder sehen oft wir seine Fessel brechen,
Indess im Grab das Opfer träumt.
Der Leichnam sollte selbst mich lehren alle Qualen;
Denn nach der Sühne Richterspruch
Muss Aug' um Aug' und Zahn um Zahn der Frevler zahlen,
So steht's in der Vergeltung Buch.
Beschwören würd' ich auch ans Licht den Schmerz, das Ringen
Vergessner Zeit, verweht im Wind,
Und allen Todten wollt' ich endlich Sühne bringen,
Die heut noch ungerochen sind.
Denn groß und heilig ist das hehre Werk der Sühne,
Und wie ein Vorwurf allezeit
Klagt himmelan empor von dieser Erdenbühne
Ein jedes ungerochne Leid.
Aus Furcht, dass unerhört man jemals könnte wähnen
Der Opfer letzten Sühneschrei,
Hat man geglaubt, dass Gott, den Himmel zu versöhnen,
Am Kreuze selbst gestorben sei.
Louis Ménard.
(August 1848.)
Die Freiheit altert in den Finsternissen,
Denn himmelan erglänzt der Kön'ge Pracht;
Doch du beweinst, in Gram und Noth gerissen,
Gefangnes Volk! der Kinder Schmerzensnacht.
Arm und erschöpft, geschmiegt an deine Kette,
Trägst du das Joch, und deine Kraft entwich …
Wie Christus, wandle zu der Schädelstätte –
Der Himmel wird sich öffnen auch für dich!
Im Februar – ob tausendfach betrogen –
Hast du gesiegt, und du zerschlugst das Beil!
Ein Jeder rief vor deinen stolzen Wogen:
»Das Volk ist Herr!« »Hut ab!« »Dem Volke Heil!«
Doch heut? – Man speit vor deinem Schmerzensbette,
Und sagt, dass über Nacht dein Stern erblich …
Wie Christus, wandle zu der Schädelstätte –
Der Himmel wird sich öffnen auch für dich!
Ach, du verfolgtest eines großen Traumes
Erhabnes Ziel, vom Himmel selbst gesandt;
Dein Blut befruchtete den Saft des Baumes,
Den in den Grund einsenkte deine Hand.
Verwaistes Volk! dir blieben Dorn und Klette,
Wenn deine Sichel durch die Garben strich …
Wie Christus, wandle zu der Schädelstätte –
Der Himmel wird sich öffnen auch für dich!
Dein edles Herz, es darf sich nicht verhehlen:
Verleumder wohnen unter deinem Zelt;
Verräther gar und schlechte Feiglingsseelen,
Die über dich den Richterspruch gefällt.
Doch ernst und streng, dass sie dein Elend rette,
Rüstet zum Spruch die Weltgeschichte sich …
Wie Christus, wandle zu der Schädelstätte –
Der Himmel wird sich öffnen auch für dich!
Um deinen Durst, den brennenden, zu stillen,
Trink aus den Essigschwamm, den man dir bot,
Lass um dein Haupt die Dornenkrone quillen,
Und stirb als Schächer selbst den Kreuzestod!
Drei Tage ruhst du kaum im Grabesbette:
Dann beugt die Welt dem Auferstandnen sich …
Wie Christus, wandle zu der Schädelstätte –
Heut öffnet sich der Himmel noch für dich!
Alexandre Guérin, Handlungskommis.
(August 1848.)
Warum, o Dichter, reizt mit eurem Singen
Ihr ewig neu der Sieger alten Groll?
Ach, reiner lasst der Saiten Gold erklingen,
Wenn euer Lied das Volk umschweben soll!
Was hilft's, den Speer in unsre Brust zu stechen?
So lenkt man nicht uns in der Tugend Gleis –
O, lehrt das Volk mit seinem Dichter sprechen:
»Besiegten Gnade, und dem Sieger Preis!«
Ich hab's verziehn, wenn auf des Kampfes Bühne
Das Schwert in waffenlose Streiter hieb,
Ich hab's verziehn, gedenkend, dass die Sühne
Allüberall das Recht Zertretner blieb.
Doch heute soll sich auf die Masse senken,
Versöhnung predigend, das Friedensreis,
Heut soll die Menschlichkeit das Banner lenken –
Besiegten Gnade, und dem Sieger Preis!
Ich seh' den Hohn aus eurem Liede blitzen,
Weil jüngst das Volk des Landes König war;
Wie mögt ihr nun des Spottes Pfeile schnitzen,
Weil euch im Sieg geliebt der Proletar?
Er griff in seine Brust mit Friedenstönen,
Und sprach, das Herz von Liebesgluthen heiß:
»Der Mutter Zähren sollst du nicht verhöhnen –
Besiegten Gnade, und dem Sieger Preis!
O seht, wie stets sie mit dem Winde laufen,
Wie heut sie Dies und morgen Das geschmählt,
Bereit, um Gold die Herzen zu verkaufen,
Wenn sie das Volk in seine Kammer wählt.
Herunter reißt die Maske jetzt den Feigen,
Die nur die Thaler zu verdoppeln weiß!
Der Republik soll ihre Stirn sich neigen –
Besiegten Gnade, und dem Sieger Preis!
Dem Sieger Preis! Erzittert auf den Thronen,
Rings strömt das Volk in eure Burg hinein!
Herab von eurer Stirn die Königskronen,
Die wir zerschmettern auf dem Pflasterstein!
Brutus war groß und wusste groß zu hassen,
Doch wir sind größer noch im Heldenkreis:
Wir haben euch des Lebens Gut gelassen –
Besiegten Gnade, und dem Sieger Preis!
O glaubt es uns: vorüber ging das Scherzen,
Das Volk ist ernst auf seiner stillen Wacht;
Es spottet nicht mit seiner Armuth Schmerzen,
Und seine Zukunft glüht in Friedenspracht.
Beruhigt euch mit eurer bleichen Miene:
Wir wagen nicht uns auf des Schreckens Eis,
Des Herzens Ruf zerbricht die Guillotine –
Besiegten Gnade, und dem Sieger Preis!
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
Hans Traubensaft in grauer Rinde
Hat trüb den Winter zugebracht;
Nun blüht er auf in dunkler Pracht,
Und fürchtet weder Frost, noch Winde.
Pausbäckig ist er, roth und weiß,
Und strahlend, wie das Licht der Sonnen,
Ergießt er bald sich in die Tonnen,
Von Kraft und Jugendfeuer heiß.
Im Namen goldner Bergesfluthen,
Bestimmt, durch alle Welt zu gluthen:
Platz, Platz da für Hans Traubensaft!
Hans Traubensaft zerbrach die Haft,
Er glüht als Wein in neuer Kraft –
Passieren lasst Hans Traubensaft!
Ein Held, gereift im Sonnenfeuer,
Der frei auf Berges Gipfel stand –
So braust er fort durch alles Land,
Trotzend dem Zehnten und der Steuer.
Vergessend Noth und Sklavenhaft,
Umthürmt von Flaschen und von Bechern,
Singt eine Jubelschar von Zechern
Die Wunder von Hans Traubensaft.
Im Namen goldner Bergesfluthen,
Bestimmt, durch alle Welt zu gluthen:
Platz, Platz da für Hans Traubensaft!
Hans Traubensaft zerbrach die Haft,
Er glüht als Wein in neuer Kraft –
Passieren lasst Hans Traubensaft!
Mit Ros' und Rebenlaub umwunden,
Der Lüge fern, ein froher Gast –
So lässt von jeder Schmerzenslast
Er neu das kranke Herz gesunden.
Die Könige zu böser Frist
Einforderten von ihm die Batzen,
Dann fälschten ihn die Kellerratzen,
Die Zöllner und der Wirthe List.
Im Namen goldner Bergesfluthen,
Bestimmt, durch alle Welt zu gluthen:
Platz, Platz da für Hans Traubensaft!
Hans Traubensaft zerbrach die Haft,
Er glüht als Wein in neuer Kraft –
Passieren lasst Hans Traubensaft!
Im Februar, in trotz'gen Reihen,
Begeistert von der Liebe Gluth,
Beschloss das Volk, aus seiner Hut
Den lust'gen Bruder zu befreien.
Es sang mit lustentflammtem Blick
An jenem Tag in Siegeswonnen
Den alten Wein, die frischen Tonnen,
Die Reben und die Republik!
Im Namen goldner Bergesfluthen,
Bestimmt, durch alle Welt zu gluthen:
Platz, Platz da für Hans Traubensaft!
Hans Traubensaft zerbrach die Haft,
Er glüht als Wein in neuer Kraft –
Passieren lasst Hans Traubensaft!
Doch weh, der Jubel ging zu Ende!
Es kam ein ander Parlament,
Das schmähend ihn »Rebellen« nennt,
Und ihm geknebelt Füß' und Hände.
Der arme Klausner flehte bang,
Still lag er schlummernd wie ein Todter,
Man klagt' ihn an: »Du bist ein Rother!« …
Und nimmermehr die Menge sang.
Im Namen goldner Bergesfluthen,
Bestimmt, durch alle Welt zu gluthen:
Platz, Platz da für Hans Traubensaft!
Hans Traubensaft zerbrach die Haft,
Er glüht als Wein in neuer Kraft –
Passieren lasst Hans Traubensaft!
Es gährt und braust in seinem Fasse,
Der heute still gefangen liegt;
Der Rauch in leichtem Spiel entfliegt,
Und bricht sich durch den Schlot die Gasse.
Ach, besser schlüget ihr in Haft
Das Holz, mit dem sie ihn entfärben,
Das Gift, mit dem sie ihn verderben:
Den lust'gen Bruder Traubensaft!
Im Namen goldner Bergesfluthen,
Bestimmt, durch alle Welt zu gluthen:
Platz, Platz da für Hans Traubensaft!
Hans Traubensaft zerbrach die Haft,
Er glüht als Wein in neuer Kraft –
Passieren lasst Hans Traubensaft!
Tragt nur herbei mit kind'schem Lallen
Die Nägel, Holz und Lanzenschaft,
Und schlagt ans Kreuz Hans Traubensaft –
Der Teufel wetzt sich drob die Krallen!
Wie Gottes eingeborner Sohn:
So wird, der Welt zurückgegeben,
Hans Traubensaft dem Grab entschweben
Zur großen Völkerkommunion.
Im Namen goldner Bergesfluthen,
Bestimmt, durch alle Welt zu gluthen:
Platz, Platz da für Hans Traubensaft!
Hans Traubensaft zerbrach die Haft,
Er glüht als Wein in neuer Kraft –
Passieren lasst Hans Traubensaft!
Gustave Mathieu.
Studenten, auf zum frohen Bunde,
Jünglinge ihr der freien That!
Dem Volke lauscht und seiner Kunde,
Pfeift Malthus aus mit seinem Rath!
Auf ihrer Stirn der Freiheit Stempel,
Bahnt sich den Weg die junge Schar;
Zwei Säulen hat der Zukunft Tempel –
Es sind: Student und Proletar!
Marschiert ohne Trommeln und Pfeifen,
Zu erobern die neue Welt,
Und lasst in die Brust euch das Todesblei greifen,
Wie gethan Robert Blum, der prächtige Held!
Ist nicht die Arbeit Quell des Strebens,
Das uns zum Lichte kämpfen lehrt,
Das Brot, das karge Pfund des Lebens,
Das Buch, die Kleidung und der Herd?
O dass doch stets die strenge Muse
Nach rechts und links bei Seite schweift!
Es schlägt ein Herz auch in der Blouse,
Das froh nach Kunst und Wissen greift!
Marschiert ohne Trommeln und Pfeifen,
Zu erobern die neue Welt,
Und lasst in die Brust euch das Todesblei greifen,
Wie gethan Robert Blum, der prächtige Held!
Mag auch das Licht der Sonne blenden
Den trüben Blick der Eulenschar:
Uns lasst marschieren, Hand in Händen,
Studenten hie, hie Proletar!
Die heut noch unser Ende träumen,
Erleuchten lasst uns ihren Geist,
Und lasst den Wein der Liebe schäumen,
Der uns des Lichtes Sieg verheißt!
Marschiert ohne Trommeln und Pfeifen,
Zu erobern die neue Welt,
Und lasst in die Brust euch das Todesblei greifen,
Wie gethan Robert Blum, der prächtige Held!
Nicht mehr soll Bier und Tanz uns rauben
Der Muße Zeit in nicht'gem Spiel,
Und nicht allein Cytherens Lauben
Sind unsrer Herzenswünsche Ziel.
Die Wissenschaft ist unsre Liebe,
Ist unsre junge Republik …
Hernach – o glaubt uns! – Amor bliebe
Nicht aus mit seinem Silberblick!
Marschiert ohne Trommeln und Pfeifen,
Zu erobern die neue Welt,
Und lasst in die Brust euch das Todesblei greifen,
Wie gethan Robert Blum, der prächtige Held!
Weh uns, man hat zu blut'gen Pfaden
Gelenkt die Revolution!
Es öffnen sich den Kanonaden
Der Städte weite Gassen schon.
Ankeuchen hört ihr schon die Rosse –
Es sank der Stern des Februar!
Und hochauf blitzen die Geschosse …
Bald naht auch die Kosakenschar!
Marschiert ohne Trommeln und Pfeifen,
Zu erobern die neue Welt,
Und lasst in die Brust euch das Todesblei greifen,
Wie gethan Robert Blum, der prächtige Held!
Hurrah, ihr wackern Jünglingsherzen
Von Wien, Berlin, vom Seinestrand!
Allüberall Studentenkerzen,
Und jubeln sollte
frei das Land!
Zurück, ihr Feinde unsers Strebens!
Wir sind die Fackeln einer Welt –
Euch aber hat der Herr des Lebens
Als seine Geißeln hingestellt!
Marschiert ohne Trommeln und Pfeifen,
Zu erobern die neue Welt,
Und lasst in die Brust euch das Todesblei greifen,
Wie gethan Robert Blum, der prächtige Held!
Pierre Dupont.
(September 1848.)
Mein Vöglein, komm, du meine weiße Taube,
Und trag dies Blättchen freundlich mir empor!
Seht, Jäger, seht, sie ruht in jenem Laube,
Lenkt ab von ihr das mörderische Rohr!
Bis zu dem Grabe wird sie heut entschweben,
Das unsre Gatten, unsern Sohn umhegt …
O schonet mild der armen Taube Leben,
Die unsern Gruß zu den Verbannten trägt!
Zerstöret nicht die Hoffnung unsrer Waisen –
Wozu denn Tod, wenn ihr nicht tödten musst?
Ihr wisst ja nicht, wie oft den Hals, den weißen,
Der Mutter und der Kindlein Mund geküsst.
Darf selbst kein Gruß sich zum Verbannten heben
Aus einer Brust, die treu dem Vater schlägt? …
O schonet mild der armen Taube Leben,
Die unsern Gruß zu den Verbannten trägt!
Denk, Jäger, an die Mütter heut, die armen –
Wirst du nicht weinen, wenn die deine stirbt?
Mit unsern Thränen hab ein mild Erbarmen,
Dass einst dein Herz dir süßen Lohn erwirbt!
Was könnt ihr Schönres wohl der Mutter geben,
Als Kindesgruß, wenn ihre Stunde schlägt? …
O schonet mild der armen Taube Leben,
Die unsern Gruß zu den Verbannten trägt!
Ach, das Exil wird euren Bau zerschlagen,
Verbannung ist ein Gift für Herz und Haupt;
Ein böser Krebs, wird sie die Brust zernagen,
Ein Hauch der Noth – und ihr seid hingeraubt!
Für eure Lieben solltet ihr auch beben,
Wenn sich der Gram um unsre Hoffnung legt …
O schonet mild der armen Taube Leben,
Die unsern Gruß zu den Verbannten trägt!
Ha, dort ein Aar! er weist ihr seine Krallen –
Mein armes Täubchen, haste deinen Flug!
Es knackt ein Hahn – ach, du wirst niederfallen,
Die unsern Gruß zum fernen Strande trug!
Doch nein! verblutend sinkt der Aar zum Staube,
Erbarmen hat das Todesblei gehegt …
Dank, Jäger, Dank! du rettetest die Taube,
Die unsern Gruß zu den Verbannten trägt!
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
(Herbst 1848.)
Das ist der Kön'ge letztes Beten!
Europa glüht im Kriegesschein!
Soldaten, lasst zum Volk uns treten,
Und länger nicht Gendarmen sein!
O seht, die Länder alle rufen
Zu Frankreichs Namen hoffend auf –
Lasst Hügel sein der Alpen Stufen
Für Ross, Geschütz und Streiterhauf!
Zum Kampf, wo Siegesgötter thronen!
Wir richten jeden Henkersmann,
Der Freie that in Haft und Bann,
Und dessen Stirne Frevel sann!
Denn Brüder sind uns die Nationen,
Und Feind ein jeglicher Tyrann!
Süß ist dem Krieger wohl die Palme,
Wenn sie ein edler Strauß ihm flicht –
Doch nimmer die Cypressenhalme,
Wo Bruder gegen Bruder ficht!
Wie! Brüder zu der Richtstatt schleifen,
Dem Opfer gleich, mit blut'ger Hand,
Heißt ja den Kranz vom Haupte streifen,
Heißt schmähen ja das Vaterland!
Zum Kampf, wo Siegesgötter thronen!
Wir richten jeden Henkersmann,
Der Freie that in Haft und Bann,
Und dessen Stirne Frevel sann!
Denn Brüder sind uns die Nationen,
Und Feind ein jeglicher Tyrann!
Wie lange hat in Schimpf getragen
Die Welt das Joch der Politik!
Wir glaubten, dass zu bessern Tagen
Uns eingeführt die Republik!
Wir haben sie mit dir geschaffen,
O Volk, im Sturm des Februar;
Wir ließen dich den Lorber raffen,
Und gingen selbst des Kranzes bar!
Zum Kampf, wo Siegesgötter thronen!
Wir richten jeden Henkersmann,
Der Freie that in Haft und Bann,
Und dessen Stirne Frevel sann!
Denn Brüder sind uns die Nationen,
Und Feind ein jeglicher Tyrann!
Des Tigers denken wir im Norden,
Um dessen Haupt die Krone glüht;
Es heißt sein Sprung: ein Volk ermorden,
Und Blutbegier sein Auge sprüht.
Beim Schlag der Moskowiterknuten
Wird bald im ganzen Abendland
Des Lebens heißer Puls verbluten,
Wenn uns der Knechtschaft Fessel band!
Zum Kampf, wo Siegesgötter thronen!
Wir richten jeden Henkersmann,
Der Freie that in Haft und Bann,
Und dessen Stirne Frevel sann!
Denn Brüder sind uns die Nationen,
Und Feind ein jeglicher Tyrann!
Es würde hoch die Luft durchzucken
Der Scheiterhaufen helle Gluth;
Baschkiren würden und Kalmucken
Im Fluge sätt'gen ihre Wuth,
An Gold und Wein, an Kind und Frauen;
Im Rausch und über Trümmern her –
So würden ihren Zug wir schauen,
Und Stadt und Dorf ein Flammenmeer!
Zum Kampf, wo Siegesgötter thronen!
Wir richten jeden Henkersmann,
Der Freie that in Haft und Bann,
Und dessen Stirne Frevel sann!
Denn Brüder sind uns die Nationen,
Und Feind ein jeglicher Tyrann!
Soldaten, lasst auf diese Horden
Des Schwertes Strahl herniederlohn,
Die, lauernd an der Donau Borden,
Die Zukunft zu vernichten drohn!
Kanonen, lasst die Schlünde blitzen!
Trompeten, schmettert wild darein!
Und mit der Bajonette Spitzen
Lasst uns dem Geist Erretter sein!
Zum Kampf, wo Siegesgötter thronen!
Wir richten jeden Henkersmann,
Der Freie that in Haft und Bann,
Und dessen Stirne Frevel sann!
Denn Brüder sind uns die Nationen,
Und Feind ein jeglicher Tyrann!
Weh, wenn das Vaterland vergäße,
Dass wir von Kampfbegierde glühn!
Nein, lasst beim Klang der Marseillaise
Des Kampfes rothe Rosen blühn!
Lasst helle Siegesklänge dichten
Des Schwertes sprühnden Flammenblick!
Und lasst den letzten König richten
Die
eine Völkerrepublik!
Zum Kampf, wo Siegesgötter thronen!
Wir richten jeden Henkersmann,
Der Freie that in Haft und Bann,
Und dessen Stirne Frevel sann!
Denn Brüder sind uns die Nationen,
Und Feind ein jeglicher Tyrann!
Pierre Dupont.
(1849.)
Dank, Engel, der in diesen kalten Mauern
Sechs Monde lang ob meinem Leben wacht,
Der ohne Schmerz die Jugend sieht vertrauern,
Und nie an seinen Opfermuth gedacht!
Ach, wenn die Tugend, die in unserm Treiben
Zur Schande ward, das Herz gen Himmel hebt:
Du wahrtest dir die Ehre, gut zu bleiben –
Dank, Liebesengel, der mein Haupt umschwebt!
Wenn mir der Schmerz die Brust zum Hass entfachte,
Theilst du mir heil'ge Liebesklänge mit,
Und wenn ich weinend an mein Leid gedachte,
Sprichst du von Jenem, der für Alle litt.
Wenn ich geflucht, dass sie mit Schwertesschlägen
Gelohnt, als wir in heil'gem Kampf gebebt,
Redest du sanft von meiner Mutter Segen –
Dank, Liebesengel, der mein Haupt umschwebt!
Wie liebt' ich sie! Nun ruht sie unterm Hügel,
Ach, ihre Züge trägt dein Angesicht!
Dem Knaben sprach man einst: »Auf goldnem Flügel
Trug sie ein Engel zu des Friedens Licht.«
Ob manch ein Herz, erfüllt von Gluth und Lieben,
Mich auch verließ und nun im Himmel lebt:
Es sind noch Engel auf der Erde blieben –
Dank, Liebesengel, der mein Haupt umschwebt!
Gedenkst du noch, wie lächelnd du verbunden
Am Schlachtentag in Kämpfen und Gefahr
Den Proletar, bedeckt mit seinen Wunden?
Ich, theure Schwester, bin der Proletar!
Du sprachst: »Zum Feinde geh mit Friedenstönen,
Und ›Bruder!‹ sprich, dass ihr die Hand euch gebt,
Die Kugel wird den Krieger nicht versöhnen« –
Dank, Liebesengel, der mein Haupt umschwebt!
Seit jener Stunde liebt dich meine Seele,
Das Herz erbebt, wenn mich dein Auge trifft …
O, fürchte Nichts! die Lieb' ist ohne Fehle,
Zu brechen wusst' ich sie … ich habe Gift …
Was wirst du bleich? Vergieb den Erdenmängeln,
Da rein die Liebe sich gen Himmel hebt;
Man liebt ja nicht, man betet nur zu Engeln –
Dank, Liebesengel, der mein Haupt umschwebt!
Sieh, morgen wird der Todeskampf beginnen,
Wenn still die Schwester bei dem Armen kniet;
Sie betet leis, ich seh' die Thräne rinnen,
Und trocknen wird die Hand das Augenlid.
Wenn Todesküsse meine Wang' entfärben
Und überm Aug' die matte Wimper bebt,
Soll noch die Lippe flüstern dir im Sterben:
Dank, Liebesengel, der mein Haupt umschwebt!
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
(1849.)
Vor meinem Fenster stieg entlang
Ein wunderschöner Pappelbaum,
Und in des höchsten Wipfels Raum
Sein Minnelied ein Vöglein sang,
Das leicht und fröhlich wie im Traum
In meiner Seele wiederklang.
In Reisig will ihn nun das Erz
Entblättern,
Zu meines Pappelbaumes Schmerz;
Es klirrt das Eisen niederwärts,
Zu schmettern
In meines Pappelbaumes Herz.
Bevor er hier am Markte stand,
Und auf die Trümmer von Paris
Die grünen Zweige wallen ließ,
Hat er sich einst am Tiberstrand
Gewiegt, wo ihn willkommen hieß
Ein schönrer Lenz vom Alpenrand.
In Reisig will ihn nun das Erz
Entblättern,
Zu meines Pappelbaumes Schmerz;
Es klirrt das Eisen niederwärts,
Zu schmettern
In meines Pappelbaumes Herz.
Ihn pflanzte zu der Freiheit Zier
In fremden Grund der Februar,
Als eine Weltensonne klar
Herabgeleuchtet dort und hier.
Warum denn heut zerschlagt ihr gar
Der Hoffnung fröhliches Panier?
In Reisig will ihn nun das Erz
Entblättern,
Zu meines Pappelbaumes Schmerz;
Es klirrt das Eisen niederwärts,
Zu schmettern
In meines Pappelbaumes Herz.
Ach, besser fühlt' ich, reiner mich,
Wenn aus der Abendlüfte Reich
In seinem Laub, dem Haare gleich,
Ein Fächeln durch die Zweige strich.
O gebet mir ein Reis sogleich,
Eh' seine Lebenskraft entwich!
In Reisig will ihn nun das Erz
Entblättern,
Zu meines Pappelbaumes Schmerz;
Es klirrt das Eisen niederwärts,
Zu schmettern
In meines Pappelbaumes Herz.
Das Reis im Grunde senk' ich ein
Zu meiner Blumen Gartenflor,
Die mir ein treuer Schwesternchor,
Und du, du sollst mein Bruder sein;
An Baumes Statt, den ich verlor,
Folgst du mir einst zum Todtenhain.
In Reisig will ihn nun das Erz
Entblättern,
Zu meines Pappelbaumes Schmerz;
Es klirrt das Eisen niederwärts,
Zu schmettern
In meines Pappelbaumes Herz.
Pierre Dupont.
(1849.)
Der Winter naht! Verloren Gut und Habe,
Uns drückt ein Weh, das auch der Heimat droht;
So lasst uns gehn – es ist die letzte Gabe,
Die unser Leiden dem Jahrhundert bot!
So lasst uns gehn … hinweg zum Klippenrande …
Um Felsen lasst uns fliehn der Heimat Zier –
Ein Lebewohl dem theuren Vaterlande,
Zu Schiffe, Kolonisten von Algier!
Geliebtes Land, nimm unser letztes Flehen,
Hast für die Kinder nicht mehr Brot genug!
Wir sahen schon des Hungers Fahne wehen,
Die schwarz der Tod durch grüne Felder trug.
Als Opfer sinken wir im Wüstensande,
Indess in Gold erglühn die Säle hier –
Ein Lebewohl dem theuren Vaterlande,
Zu Schiffe, Kolonisten von Algier!
Heimat, leb wohl! Du müsstest ja erröthen,
Wenn du die Kinder schautest betteln gehn!
Den Künstler wird fortan das Elend tödten,
Er muss für dich am Wall als Schanzer stehn.
Von dir zerrissen sind die Liebesbande,
Wir lassen dich und jede Lust mit dir –
Ein Lebewohl dem theuren Vaterlande,
Zu Schiffe, Kolonisten von Algier!
O sprich: warum die Opfer stets erneuen?
Warum die Einen reich, wenn Andre arm?
Du könntest Alle ja mit Lust erfreuen,
Und stößt uns fort zu Noth und Seelenharm!
Du siehst uns ziehn im härenen Gewande …
Du rufst uns nicht … o Gott! so scheiden wir –
Ein Lebewohl dem theuren Vaterlande,
Zu Schiffe, Kolonisten von Algier!
Die Brise weht, die Segel rasch zu füllen,
Der Tag erlischt und jedes Hoffen flieht,
Die Sterne blinken aus den Wolkenhüllen,
Der letzte Vogel sang sein Abendlied.
Das Ufer weicht … ein Leuchten noch vom Strande …
Dann Alles Nacht, wie in der Seele hier –
Ein Lebewohl dem theuren Vaterlande
Entklang den Kolonisten von Algier.
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
Die Zeit, mein Sohn, geht schwanger mit Gewittern,
Weil man der Freiheit goldnen Bau zerbrach;
Sie zu beschirmen, darfst du nie erzittern …
Sieh, du bist jung, und ich bin alt und schwach!
Die Büchse, noch geschwärzt vom Pulverdampfe
Der letzten Schlacht, entsinkt den Händen schon;
Junger Soldat, zieh hin zum Völkerkampfe –
Nimm dies Gewehr, und führ es gut, mein Sohn!
Die Fürsten hasse! Denn in Hass verflochten
Hat ihre Gaukelkunst der Völker Schar.
Ich habe zweimal gegen sie gefochten –
Der Julikämpfer stritt im Februar!
O, sie sind schlecht! sie können nur versprechen,
Und halten Nichts auf ihrem goldnen Thron;
Siehst du sie neu der Völker Glück zerbrechen –
Nimm dies Gewehr, und führ es gut, mein Sohn!
Oft schon, durch seiner Wächter Trug verrathen,
Erlag das Vaterland der Fremden Joch. –
Wenn wieder einst der Feind auf unsre Saaten
Die Tritte lenkt, der Rosse wild Gepoch;
Und wenn vielleicht Gefahren uns umkreisen,
Wenn Noth und Tod dem Heimatlande drohn:
Dann magst du kühn die Brust der Kugel weisen –
Nimm dies Gewehr, und führ es gut, mein Sohn!
Ich sah des Volkes sturmgepeitschte Wellen
Vergeblich branden an dem Damm der Macht
Und himmelan in heißem Zorne schwellen –
Als Kämpfer stand ich in der Junischlacht!
Ob durch die Straßen floss des Blutes Lache,
Ob sich gesättigt auch der Sieger Hohn:
Heilig, mein Kind, ist stets des Volkes Sache –
Nimm dies Gewehr, und führ es gut, mein Sohn!
Um ruhig einst dem Tod ins Aug' zu blicken –
Nimm dies Gewehr, das ich so treu geliebt!
Und mag der Himmel gnädig dir es schicken,
Dass nicht zu bald es Kampf und Fehde giebt!
Doch wollt' ein
Herr die Völker neu zerklauben,
Und zwäng' uns gar zu Dienst und Sklavenfrohn:
Dann – treu dem Recht und treu des Vaters Glauben –
Nimm dies Gewehr, und führ es gut, mein Sohn!
Hippolyte Demanet.
(1849.)
Da Themis ernsten Augs mein Lied bewacht,
Erweck' ich nicht des Hasses Sturmgeläute.
Napoleon … doch scheid' ich mit Bedacht
Den von Sankt Helena und Den von heute!
Gern folg' ich jenes großen Namens Spur,
Den nicht der Hass umstrahlt mit blut'gem Scheine,
Und kühn betret' ich der Paläste Flur;
Denn wisst: in allen Liedern nur
Ist es der Große, den ich meine.
Als er, ein junger Held, von Frankreichs Glück
Geträumt, das hehr sich seinem Aug' entrollte,
Ahnt' er wohl nicht, dass einst die Republik,
Der Freiheit Werk, sein Arm zerstören sollte.
Ein schlechter Bürger freilich war er doch,
Wer ist, der seine Frevel nicht beweine?
Er zwang die Welt in seiner Herrschaft Joch,
Doch that er manches Gute noch –
Es ist der Große, den ich meine.
Als in des Papstthums ruchlos schnödem Bann
Italien schmerzvoll drohte zu verenden,
Wies er ihm seinen Theil der Freiheit an,
Nicht, um noch schlimmre Knechtschaft ihm zu spenden.
Und wenn er auch aus manchem Tiberschloss
Entführte Bilder, Gold und Marmelsteine:
Hört' ich doch nie, dass er die Stadt beschoss,
Ein heuchlerischer Bundsgenoss –
Es ist der Große, den ich meine.
Gesetze gab er uns, die im Gebraus
Der Zeiten heut noch unser Ruhm und Sehnen;
Er theilte Namen, Titel, Würden aus
Für Thaten, die wir ohne Scham erwähnen.
Nachdem gebebt vor seiner Siegesmacht
Die Fürsten all' von Moskau bis zum Rheine:
Hätt' er in Straßburg nicht mit Unbedacht
Zu Falle seinen Ruhm gebracht –
Es ist der Große, den ich meine.
Wie zu Boulogne Revue gehalten ward,
Hab' ich, o Thiers, in deinem Buch gelesen;
Ein Kreuz dort lohnte manchen Knasterbart,
Der kühn und tapfer in der Schlacht gewesen.
»Ein Sporn zu neuen großen Thaten sei,«
So sprach der Held, »das Ehrenkreuz, das reine!«
Er hätte nicht in frevler Meuterei
Entsandt ein brudermördrisch Blei –
Es ist der Große, den ich meine.
Als im Zenith er seines Glanzes stand,
Drückt' ihn zu Boden das Gewicht des Ruhmes;
Nach Elba sah er schmählich sich verbannt –
O trübe Nemesis des Heldenthumes!
Allein er kam zurück in Siegerpracht,
Sein Stern erblitzt' aufs Neu' in goldnem Scheine,
Als Kaiser trat er aus des Kerkers Nacht,
Und nicht vermummt in Maurertracht –
Es ist der Große, den ich meine.
Dem Zufall nur erlag sein großes Herz,
Ihr kennt von Waterloo die trübe Mähre!
Er ward besiegt – doch bleibt ihm allerwärts
Des Helden Ruhm, des Weltbesiegers Ehre.
Zu arglos schritt er in des Feindes Kahn,
Auf Großmuth hoffend – ach, es ward ihm keine!
Doch er, dess Stern erlosch im Ocean,
Beschloss im Tollhaus nicht die Bahn –
Es ist der Große, den ich meine.
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
(1849.)
Nein, Bruder, glaube mir: du schlägst dich nicht!
O müde sind wir längst das Blutgericht!
So theuer eingekauft, erscheint als Schmach die Ehre,
Indess die wahre Ehr' für dich Verzeihung wäre;
Des Nächsten Mord verbeut die junge Völkerlehre –
Bruder, du schlägst dich nicht!
Nein, Bruder, glaube mir: du schlägst dich nicht!
Die Ehre flieht, wo man von Rache spricht.
Was! überzeugen soll der Geist, wenn er entschlafen?
Heut mag vielleicht dein Arm den schlechten Raufer strafen,
Doch morgen tödtest du mit gleichem Schwert den Braven –
Bruder, du schlägst dich nicht!
Nein, Bruder, glaube mir: du schlägst dich nicht!
Warum uns opfern, eh' der Tod uns bricht?
Mein Weib vermochtest du zur Schande zu verleiten,
Nun muss ich um mein Recht mit Schwertesgründen streiten;
Du schändest mich, und dann willst du mir Tod bereiten? –
Wahrlich, du schlägst dich nicht!
Nein, Bruder, glaube mir: du schlägst dich nicht!
Dein Arm soll schaffen, dass er Segen spricht.
Wie leicht, dass du im Kampf des Gegners Haupt erschlagen;
Die armen Kinder, o! sie werden dich verklagen,
Und weinend und verhärmt dich nach dem Vater fragen –
Bruder, du schlägst dich nicht!
Nein, Bruder, glaube mir: du schlägst dich nicht!
Kein Prahler sei, der scherzend Degen bricht!
Der Ruhm ist feig und schlecht, den Raufer sich erwerben,
Verachten sollst du ihn, er kann dich nur verderben;
Doch ewig sei bereit, für Recht und Licht zu sterben –
Bruder, du schlägst dich nicht!
Nein, Bruder, glaube mir: du schlägst dich nicht!
Wer sich geweiht der Zukunft Morgenlicht,
Hat nimmer Recht, wenn er dem Wahn sich hingegeben,
Und keine Palme wird des Todten Haupt umschweben;
Der Freiheitskämpfer darf nicht scherzen mit dem Leben –
Bruder, du schlägst dich nicht!
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
(Herbst 1849.)
Wenn an des Meeres tiefster Stelle
Der Haifisch oder Kachelot,
Der riesige Pirat der Welle,
Die Fischbrut zu verschlingen droht:
Beweinen wir in diesen Tagen,
Gefesselt an den fremden Strand,
Dahin der Sturm uns jüngst verschlagen,
Die Freiheit und das Vaterland.
Doch wird für dich ein Jeder freudig sterben,
Ob heut auch durch dein schwarzes Brot genährt,
O heil'ge Republik, die uns verklärt!
Und wird noch ohne Gram verderben –
Wir schwören dir's, der Zukunft Erben,
Bei Saint-Méry und unserm Schwert!
Die Möve mit betäubtem Flügel,
Des Meeres Schwalbe, lehrt die Brut,
Wenn sich die schwarzen Wasserhügel
Gelegt, den luft'gen Weg der Fluth –
Doch unsre Brut verlor zur Stunde
Des Vaters Arm, der Jugend Lust,
Und schmerzlich weist dem durst'gen Munde
Der Mutter Hand die dürre Brust.
Doch wird für dich ein Jeder freudig sterben,
Ob heut auch durch dein schwarzes Brot genährt,
O heil'ge Republik, die uns verklärt!
Und wird noch, ohne Gram verderben –
Wir schwören dir's, der Zukunft Erben,
Bei Saint-Méry und unserm Schwert!
Wenn unsre Schar in fremdem Raume
Den langen Tag am Ufer liegt,
Und sich in einem süßen Traume
Von Republik und Liebe wiegt –
Dann trägt zu unserm düstern Strande
Der Wellen Sturmeslied herbei
Als bittern Gruß vom Heimatlande
Kettengeklirr und Sterbeschrei!
Doch wird für dich ein Jeder freudig sterben,
Ob heut auch durch dein schwarzes Brot genährt,
O heil'ge Republik, die uns verklärt!
Und wird noch ohne Gram verderben –
Wir schwören dir's, der Zukunft Erben,
Bei Saint-Méry und unserm Schwert!
Du rothes Schwert der Magyaren,
O sprich, wer deine Kraft zerbrach?
Dich gab Verrath der Hand des Zaren,
Und deine Heldenschar erlag.
Kossuth und Bem, sie haben knieend
Des Sultans milde Hand umfasst,
Als Görgey, zu dem Feind entfliehend,
Daheim der Schande Lohn verprasst.
Doch wird für dich ein Jeder freudig sterben,
Ob heut auch durch dein schwarzes Brot genährt,
O heil'ge Republik, die uns verklärt!
Und wird noch ohne Gram verderben –
Wir schwören dir's, der Zukunft Erben,
Bei Saint-Méry und unserm Schwert!
Venedig ward durchs Schwert zerbrochen,
Es floh Manin der Fremde zu;
Verzeiht uns Roma's Unterjochen,
Mazzini, Garibaldi du!
Wenn Christus einst zu Petrus sagte:
»Das Schwert soll in der Scheide ruhn« –
Wie kommt's, dass sein Vertreter wagte,
Mit Blut es zu beflecken nun?
Doch wird für dich ein Jeder freudig sterben,
Ob heut auch durch dein schwarzes Brot genährt,
O heil'ge Republik, die uns verklärt!
Und wird noch ohne Gram verderben –
Wir schwören dir's, der Zukunft Erben,
Bei Saint-Méry und unserm Schwert!
Herüber tönt zu uns von Baden,
Von Arad, vom Brigittenhain
Täglich der Knall der Füsilladen,
Täglich der Todten Racheschrein.
Bei Türken sucht man und bei Heiden
Ein gastlich Haus an fremdem Strand,
Es liegt die Freiheit im Verscheiden –
Wo ist nun das verheißne Land? …
Doch wird für dich ein Jeder freudig sterben,
Ob heut auch durch dein schwarzes Brot genährt,
O heil'ge Republik, die uns verklärt!
Und wird noch ohne Gram verderben –
Wir schwören dir's, der Zukunft Erben,
Bei Saint-Méry und unserm Schwert!
Pierre Dupont.
(17. März 1849.)
Und wieder heute muss ein Opfer sinken,
O Himmel, gieb, dass es das letzte war!
Sie lassen neu das Henkerbeil erblinken –
Ein siegend Volk zerschlug's im Februar!
Schon steigt empor mit seiner blut'gen Miene
Der schwarze Bau bei Axt- und Hammerfall,
Republikaner, seht die Guillotine! …
Im Elysée ist heute Ball.
Geschminkte Damen, schellt der Kammerzofe,
Verlangt ein Kleid – das allerschönste Kleid! –
Die Schächer haben im Gefängnishofe
Den Büttel nur, der sie vom Haar befreit.
Euch fährt ein Wagen, bunt in Silberstreifen,
Zum Präsidentenfest mit Peitschenknall –
Sie wird der Karren zu der Richtstatt schleifen …
Im Elysée ist heute Ball.
Lacht, Damen, lacht! Mit Girandolen streitet
Der Blitz von eurer Diamantenschar –
Auch die Verdammten sind zum Fest bereitet:
Der Henker bot den Sterbekittel dar.
Die mit dem Kreuz und mit der Ordenskette
Umkreisen euch – o seht, sie flüstern All'! –
Henker und Pfaff bringt
Die zur Schädelstätte …
Im Elysée ist heute Ball.
Strauß wird für euch die schönsten Walzer streichen,
Tanzt, Damen, tanzt! Der Melodieen Chor,
Sein herrlich Spiel wird euer Herz beschleichen,
Und neid'sche Seufzer quellen süß empor; –
Die haben, wenn sich wild die Fäuste ballten,
Als Musik der Verzweiflung Wiederhall,
Das Schwert des Henkers grinst aus seinen Falten …
Im Elysée ist heute Ball.
Tanzt, walzt! lasst eurer Reize Zauber scheinen!
Tanzt, walzt für sechsmalhunderttausend Franks!
Da drunten seht zwei arme Wittwen weinen:
Die Opfer wimmern dort des Fürstendanks!
Ein Blumenstrauß, ein Tuch mit weißem Blinken
Entfällt aus eurer Hand – o seltner Fall! –
Der Henker lässt zwei Menschenhäupter sinken …
Im Elysée ist heute Ball.
Welch stolzer Ball! – Welch Bild, mit Nacht zu decken!
Verzweiflung dort – und hier der Freude Wehn!
Der Präsident tritt ein zum Ball – o Schrecken,
Die haben jetzt das Henkerbeil gesehn!
Die Klinge fällt – beiseite geht zur Dirne
Der Fürst – hoch sprang das Blut bei Schwertesschall!
Und blutig färbt es Bonaparte's Stirne! …
Im Elysée ist heute Ball.
Gustave Leroy,
Nähkastenarbeiter.
(1849.)
Verruchte Schurken, die ihr Priester seid
Des goldnen Kalbs in der Familie Namen:
Verbergt doch besser in dem tugendsamen
Gewand des Frömmlers die Verworfenheit!
Sonst zeigen wir, wie des Altars Gefüge
Ein giftiges Insekt zu schänden wagt,
Und schreiben auf das Holz, vom Wurm zernagt:
»Pah! die Familie ist Lüge!«
Familie! Weiß der Arme wohl von ihr,
Wenn ihm der Dolch des Hungers Leib wie Seele
Durchbohrt und ihn in seiner niedern Höhle
Bei Tag und Nacht verfolgt mit wilder Gier?
Wenn dort ein Wesen, das vergebens früge
Nach seinem Vater, an des Weibes Brust,
Der ausgedörrten, saugt in durst'ger Lust! –
Pah! die Familie ist Lüge!
Und wenn, zu retten, ach! das Leben bloß
Des bleichen Kinds, das sie gebar in Schmerzen,
Die arme Mutter mit zerrissnem Herzen
Ins Findelhaus es trägt zu besserm Loos!
Wenn sich die Jungfrau, deren sanfte Züge
Den reichen Lüstling locken, stürzt in Schmach,
Sich Brot zu schaffen für den nächsten Tag! –
Pah! die Familie ist Lüge!
Ja, Lüge ist's, ihr schlechten Heuchler all',
Wenn hier ein Weib, das Pracht und Glanz umquillet,
Mit einer Fremden Milch ihr Kindlein stillet,
Das ihr im Wege steht bei Spiel und Ball!
Und wenn dies Kind, das schon in seiner Wiege
Verlassen war, des Edlern nicht belehrt,
In schlechten Kneipen später sich entehrt! –
Pah! die Familie ist Lüge!
Ja, Lüge, freche Lüge ist es auch,
Wenn unsre Nabobs, die mit Tugend prahlen,
Durch Heimlichkeit sich schützen vor Skandalen,
Befleckt von ihrer schmutz'gen Liebe Hauch.
Und wenn ihr Name, taub für jede Rüge,
Ein Schwamm, in schlechter Thaten Pfuhl getränkt,
Verwünschung nur und Flüche auf sich lenkt! –
Pah! die Familie ist Lüge!
So schweigt, ihr Müßiggänger, und entweiht
Die Welt durch euren Fetisch nicht, den bleichen!
Denn die Familie heißt ja für den Reichen
Nicht »Liebe« mehr, sie heißt ihm »Erblichkeit.«
Dass er durch Gold sich um sein Glück betrüge!
Dem Armen aber ohne Herd und Haus,
Den überall verfolgt des Elends Graus:
Pah! ihm ist die Familie Lüge!
O, möchte künftig doch ein Friedensmahl
Der Menschheit irrender Familie winken,
Und jeder Gast den Kelch der Freude trinken,
Entflammt von heil'ger Bruderliebe Strahl!
Säh' er verkörpert seines Traumes Flüge,
So schleuderte der Noth enterbter Sohn
Euch nicht entgegen mehr das Wort voll Hohn:
»Pah! die Familie ist Lüge!«
(Aus dem Gefängnisse La Force in Paris.)
(Geschrieben 1849 im Gefängnisse La Force in Paris.)
Wer müht sich um geringen Sold
Bis in die Nacht vom lichten Morgen?
Wer schafft dem Mächtigen das Gold,
Und darbt daheim in Noth und Sorgen?
Der Arbeitsmann,
Mit Armen stramm;
Er stirbt,
Verdirbt,
Ein armer Mann.
Wer macht die Seide und den Sammt,
Und geht in schlechtes Tuch gekleidet?
Wer giebt, zum Hungern selbst verdammt,
Das üpp'ge Mahl, dran ihr euch weidet?
Der Arbeitsmann,
Mit Armen stramm;
Er stirbt,
Verdirbt,
Ein armer Mann.
Wer muss im Tagesgrauen schon
Zu jeder Zeit den Amboss hämmern?
Wen findet noch in später Frohn
Am Werk das letzte Abenddämmern?
Den Arbeitsmann,
Mit Armen stramm;
Er stirbt,
Verdirbt,
Ein armer Mann.
Wer schirmt das Gut der reichen Herrn,
Die uns verachten und entehren?
Wer spricht von Bruderliebe gern,
Und weiß allein dem Raub zu wehren?
Der Arbeitsmann,
Mit Armen stramm;
Er stirbt,
Verdirbt,
Ein armer Mann.
Wer reicht dem armen Freund die Hand,
Wenn Brot ihm mangelt und Gewerbe?
Wem ließ des Vaters karger Stand
Das Handwerkszeug als einzig Erbe?
Dem Arbeitsmann,
Mit Armen stramm;
Er stirbt,
Verdirbt,
Ein armer Mann.
Wenn Kampf dem Vaterlande droht,
Wer schirmt es dann in dichten Haufen?
Wer geht für Freiheit in den Tod? –
Nicht sie fürwahr, die uns verkaufen! …
Der Arbeitsmann,
Mit Armen stramm;
Er stirbt,
Verdirbt,
Ein armer Mann.
Alcide Reynard.
(1849.)
In ferner Zeit, der Kindheitszeit der Erden,
Galt als Gesetz die Bruderliebe nur;
Es lebte, vor der heut'gen Noth Beschwerden
Gesichert, frei der Mensch in Wald und Flur.
Noch hatt' er nicht, ein Leu mit blut'gen Pranken,
Den Boden rings mit beutegier'gem Schrei
Zerklaubt, umhegt mit Mauern und mit Schranken –
Das Eigenthum ist Dieberei!
Erobrer, die mit Ländern sich belehnten,
Barone, die das arme Volk bedrückt,
Baalspfaffen, die sich mit dem Gold der Zehnten
Gemästet und mit Flitterkram geschmückt;
Die Zwingherrn alle, die aus unsern Händen
Das Gut entrafft – Fürst, Junker, Klerisei –
Ein Rachefluch mög' ihr Gedächtnis schänden:
Das Eigenthum ist Dieberei!
Es hat uns von Geschlechte zu Geschlechte
Gehöhnt, gequält die Aristokratie.
Und heute wiederum hält uns als Knechte
Das räubrische Gezücht, die Bourgeoisie.
Der Producent, erdrückt vom schlechten Lohne,
Singt immer noch die alte Litanei,
Dem Kapital verdingt er sich zu Frohne –
Das Eigenthum ist Dieberei!
In seinem goldnen Haus, von Pracht umflossen,
Auf seidnem Pfühl, mit Quasten, bunt und schwer,
Von einer Phryne weichem Arm umschlossen,
Bereichert sich der Wüstling mehr und mehr.
Er weiß zu gut, wie durch des Wuchers Folter
Der Arbeit Geist uns zu entpressen sei,
Dem Gott Merkur allein die Ehre zollt er –
Das Eigenthum ist Dieberei!
Wer einen Bau von Stein und Holz erbaute,
– Ein Huhn, das stets ihm goldne Eier legt! –
Der Müßiggänger, dem vor Arbeit graute,
Streicht ein den Zins, den fremde Arbeit trägt.
Denn immer stimmte noch die Staatsbehörde
Dem Lug und Trug des reichen Schurken bei;
Viermal im Jahr verkauft er Haus und Erde –
Das Eigenthum ist Dieberei!
In seinem Kaufbazar, des Diebstahls Tempel,
Und im Komptoir, der Gaunerei Versteck,
Verfeilscht der Krämer mit gefälschtem Stempel
Und falscher Wage Schnaps und Licht und Speck.
Dem Giftinsekte gleich auf unserm Felde,
Lässt er vom Korn uns Hülsen nur und Klei';
's ist unser Schweiß, den er sich prägt zu Gelde –
Das Eigenthum ist Dieberei!
Die ihr der Menschlichkeit Gesetz entweihtet,
Senate, Kön'ge, Bank- und Handelsherrn,
Spießbürger, Krämer, die uns ausgebeutet:
Der Tag des Volksgerichts ist nicht mehr fern!
Der Arbeit gebt ihr Recht!
macht gleich die Stände!
Sonst sprengen wir die Haft mit wildem Schrei,
Und, euch zerschmetternd, schallt's zum Weltenende:
Das Eigenthum ist Dieberei!
(Aus dem Gefängnisse La Force in Paris.)
(Improvisiert bei einem Bankett der gefangenen Volkskämpfer im Gefängnisse La Force am 25. Juli 1849.)
Das war ein prächt'ger Sonnenschein
Am dreizehnten, als unsre Reihn
In den Kampf gegangen;
Aus seinen Kellern stieg empor
Das arme Volk und rückte vor
Sonder Furcht und Bangen.
Es zog zur Schlacht mit ruh'gem Trutz,
Anrufend des Gesetzes Schutz,
Das man schwer beleidigt.
Doch die Gendarmen waren dort,
Durch Salven und durch Brudermord
Ward der Thron vertheidigt.
Auf uns herab vom Boulevard
Brach Changarnier mit seiner Schar
Blutbegier'ger Krieger.
»Ihr Kehlabschneider, rückt heran!«
Ein wilder Kampf – in Fesseln dann
Schlugen uns die Sieger.
Und ob man hier uns schmachten lässt:
Republikaner, treu und fest
Stehen wir zusammen.
Wir rufen stolz: »Die Freiheit hoch!
Hoch Bruderlieb' und Gleichheit!« noch
In der Hölle Flammen.
Hennette de Kessler,
Mitredakteur des »
Bien public.«
(März 1850.)
O leide, bis du lernest hassen,
Ausharren musst du bis ans Ziel;
Bereit zum Kampfe sind die Massen,
Wenn erst des Hungers Würfel fiel.
Entgegne durch ein hehres Schweigen
Der Weltvernichter feigem Hohn;
Erwarte, aus der Gruft zu steigen,
Die Fluth der Revolution!
Die Jacquerie, von R. Bravard.
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Rings hat das Volk den Pflug verlassen,
Vereinigt zum Empörerrath,
Es stürzt sich brausend in die Gassen –
Und reifen wird der Herr die Saat!
Der Freiheit Morgenroth zu künden,
Kräht wieder laut des Westens Hahn –
Ein Funken gnügte, zu entzünden
Aufs Neu' den glimmenden Vulkan!
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Der Hunger treibt sie ins Verderben,
Der Speise braucht man – Jesus spricht's.
Das Volk will essen oder sterben,
Und wenn es klagt – ihr spendet Nichts!
Auf! Dass mit Recht man uns verfluche,
Erhebe dich, o Lumpenpack!
Dass ihn der Häscher nicht durchsuche,
Trag in das Schloss den Bettelsack!
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Kosaken schon im Kugelregen
Anfliegen wild bei Trommelschlag –
Der Himmel führt sie uns entgegen,
Wir rächen heut vergangne Schmach!
Es braucht, zu brechen ihre Flanken,
Des Armes nur im Pulverdampf!
Wann fragte je ein Sohn der Franken:
Wie viel der Feinde sind im Kampf?
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Für ewig dienen – Wort voll Schrecken
Und ewig wimmern – Pest und Tod!
O Schmach, den Tisch für Andre decken,
Wenn stets uns selber fehlt das Brot!
Wir flehten hungernd und verdrossen
– Wie oft! – vor eurer Schlösser Pracht …
Doch immer blieb das Thor verschlossen,
Dem Armen blieb es ewig Nacht!
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Nun kommen gar die schwarzen Pfaffen
In unser Dorf mit Trug und Schlich;
Uns mehr der Leiden noch zu schaffen,
Verbünden Höll' und Himmel sich.
Am Thore dräuen die Kosaken,
Die Jesuiten sind im Haus –
So nehmt die Sichel auf den Nacken!
Das Korn ist reif! … Ins Feld hinaus!
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Wohlauf zur Mahd! Der »weiße Schrecken«
Vernichtet blutig unsern Tross!
Sein Messer will zu Boden strecken
Von jedem Zweig den schönsten Spross.
Bis in die niedre Kammer drohte
Der Häscherblick und Sbirrengraus,
Man flüstert gar: wir seien … Rothe!
Für Kerker reif und Armenhaus!
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Rom ward durch unser Schwert bezwungen –
O Kossuth und Mazzini, ist
Denn jeder Schlachtenruf verklungen,
Und Alles stumm zu dieser Frist?
Was finden wir auf Feld und Auen?
Schafott und Galgen, Kerker, Blut!
Ist denn kein Freier mehr zu schauen,
Entging kein Held der Opfergluth?
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Vom Tiber feiert bis zum Rheine
Ein jedes Haus ein Todtenfest,
Von Arad zum Brigittenhaine
Hat freies Blut den Grund genässt.
Vom Kaukasus zum Themsestrande
Raucht hell der Scheiterhaufen Licht …
Fluch, Republik! o Fluch und Schande,
Dass
Schlächter nur dein Arm verficht!
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Wohlan! geöffnet sind die Bahnen
Der
Schlächterei für uns und sie!
Ihr schriebt das Wort auf eure Fahnen –
Wir schreiben's nach: »
Die Jacquerie!«
Es düngt des Auges trübe Welle
Zu schwach der Zukunft Garbenfeld –
Nun tritt das Blut an seine Stelle,
Und reifen wird im Blut die Welt!
Weg, Könige und Nachtgesellen!
Es lässt die Noth ihr Banner wehn!
Das Korn ist reif – und die Rebellen
Sind da, die Ernte abzumähn!
Raoul Bravard.
Ihr Fraun des Volkes! unser Werk zu krönen,
Begreifet wohl der Zeiten ernst Gebot:
Schafft Männer, Helden bald aus euren Söhnen –
Denn Krieger sind im heil'gen Kampfe noth!
Wenn seufzend euer Kind vom Schlaf erwachte:
In euren Arm, o, schließt es lächelnd ein;
Singt ihm ein Lied, das Mutterlieb' erdachte,
Denn Liebe soll des Armen Wächter sein.
Und wenn dem Mund, zum ersten Mal erschlossen,
Ein stammelnd Wort, ein süßer Hauch entflieht:
Nicht im Gebet, dem Priesterwahn entflossen,
Lehrt ihn die Andacht nur im Freudenlied!
Ihr Fraun des Volkes! unser Werk zu krönen,
Begreifet wohl der Zeiten ernst Gebot:
Schafft Männer, Helden bald aus euren Söhnen –
Denn Krieger sind im heil'gen Kampfe noth!
O wiegt sie ein beim Klang der Weltgeschichte,
Auf deren Pfad so Viel des Blutes floss,
Sagt ihnen schon im Jugenddämmerlichte:
Das Volk allein, das Volk ist stark und groß!
Bereitet würdig sie dem Tag der Rache,
Durch Kraft und Bildung starke Kämpferreihn,
Mit Geist und Herz getreu des Volkes Sache –
Dann wird durch sie der Fortschritt Sieger sein!
Ihr Fraun des Volkes! unser Werk zu krönen,
Begreifet wohl der Zeiten ernst Gebot:
Schafft Männer, Helden bald aus euren Söhnen –
Denn Krieger sind im heil'gen Kampfe noth!
Des Elends Bild entrollt vor ihren Blicken,
Und lasst sie glanzerhellte Schlösser sehn;
Sagt: »Um der Knechtschaft trügend Netz zu flicken,
Muss euer Bruder heut am Amboss stehn!
Der Geier, sagt, entreißt sein Brot dem Wurme,
Und Blei und Pulver übt das Henkeramt –
Doch sagt dabei, dass, leuchtend trotz dem Sturme,
Am Horizonte schon die Sonne flammt!
Ihr Fraun des Volkes! unser Werk zu krönen,
Begreifet wohl der Zeiten ernst Gebot:
Schafft Männer, Helden bald aus euren Söhnen –
Denn Krieger sind im heil'gen Kampfe noth!
Sagt, dass, im Fürstendienste stumpf geworden,
Der Volkssoldat den Bruder jüngst verstieß,
Dass er die blutbefleckte Hand zum Morden
Auf unsre Stirn herniederzucken ließ.
Engel der Liebe! lehrt den Sohn begreifen,
Wie Trug und Schmähung unser Recht entweiht;
Dass er, wenn junge Schlachtentage reifen,
Das Banner schirme nur der Menschlichkeit!
Ihr Fraun des Volkes! unser Werk zu krönen,
Begreifet wohl der Zeiten ernst Gebot:
Schafft Männer, Helden bald aus euren Söhnen –
Denn Krieger sind im heil'gen Kampfe noth!
Kein Söldling mehr, in Königshaft geschlagen,
Kein Fürstenscherge, der im Gliede schwenkt!
All' diese Helden sind in unsern Tagen
Lebend'ge Puppen nur, am Draht gelenkt!
Sei unser Hass, zu lichtem Brand entzündet,
Die Fackel, dran die Kaiserburg verbrennt!
Wenn sich der Geist ein kämpfend Heer gegründet,
Stirbt ohne Freund der letzte Prätendent.
Ihr Fraun des Volkes! unser Werk zu krönen,
Begreifet wohl der Zeiten ernst Gebot:
Schafft Männer, Helden bald aus euren Söhnen –
Denn Krieger sind im heil'gen Kampfe noth!
Herbei zum Werk! Gott will es – Gott befohlen!
Vor seinem Hauch erbebt die alte Welt.
Der Freiheit Stunde naht auf raschen Sohlen,
Erschüttert schwankt des Wahnes Throngezelt.
Zerschlagt es kühn! Und siegend lasst uns bergen
I n neuer Welt der Zukunft Völkerruhm,
Dass selbst die Märtyrer in ihren Särgen
Aufjauchzend grüßen unser Heldenthum!
Ihr Fraun des Volkes! unser Werk zu krönen,
Begreifet wohl der Zeiten ernst Gebot:
Schafft Männer, Helden bald aus euren Söhnen –
Denn Krieger sind im heil'gen Kampfe noth!
Alexandre Guérin,
Handlungskommis.
(Geschrieben 1850.)
Zwei Jahre sind's, zwei kurze Jahre,
Bis neu der Hahn von Westen kräht –
O, rüstet euch in diesem Jahre,
Dass Jeder seinen Ruf versteht!
Zu Jedem spricht er, dessen Wangen
Der Armuth bleiches Lied umschwebt:
»Seht, euer Leiden ist vergangen,
Die ihr von Brot und Wasser lebt!«
Vom heil'gen Berg, wo ihre Strahlen
Die Sonne schmiedet groß und frei,
Wird niedersteigen zu den Thalen
Das Jahr Fünfzigundzwei!
Des Volkes Reich ist angebrochen,
Und gilt kein andrer Prätendent,
Seit ihr in eurer Herrschaft Pochen
Gezürnt, dass man euch Bürger nennt.
Wir kennen keinen stolzern Namen
Und keiner höhern Ehre Schein:
Als, wo zum Fest die Völker kamen,
Ein froher Gast geschart zu sein!
Vom heil'gen Berg, wo ihre Strahlen
Die Sonne schmiedet groß und frei,
Wird niedersteigen zu den Thalen
Das Jahr Fünfzigundzwei!
Der Stern der Fürsten wird versinken
Vor einer andern Sonne Gluth;
Ob sie auch neu in Golde blinken –
Es ist ja Nichts, als Ebb' und Fluth!
Es starb Napoleon vergessen,
Zerbrochen lag sein Herrscherstab,
Und Karl, der eine Welt besessen,
Verscholl in eines Klosters Grab.
Vom heil'gen Berg, wo ihre Strahlen
Die Sonne schmiedet groß und frei,
Wird niedersteigen zu den Thalen
Das Jahr Fünfzigundzwei!
Wozu mit Blut den Purpur färben,
Der lange schon verschlissen war?
O Kön'ge, stemmt euch nicht den Erben
Der Zukunft für ein kurzes Jahr!
Schnell wandeln heute die Ideen,
Und sie zermalmen euch im Flug,
Wenn ihr nicht wollt beiseite gehen,
Wo man ihr goldnes Banner trug!
Vom heil'gen Berg, wo ihre Strahlen
Die Sonne schmiedet groß und frei,
Wird niedersteigen zu den Thalen
Das Jahr Fünfzigundzwei!
Die Republik ist schon geflogen
Nach Rom und Wien vom Seinestrand –
Bald kommt sie neu dahergezogen,
Vom Licht des Morgenroths entsandt.
Und wieder von Paris gewittert
Ihr Ruf daher mit Flammenglühn,
Wie euer Schloss in Staub zersplittert,
Sobald im Sturm die Blitze sprühn!
Vom heil'gen Berg, wo ihre Strahlen
Die Sonne schmiedet groß und frei,
Wird niedersteigen zu den Thalen
Das Jahr Fünfzigundzwei!
So zieht denn, Kön'ge! eure Karten –
Ihr steht an eurer Herschaft Ziel!
Wir mögen kühn das Glück erwarten,
Denn alle Karten sind im Spiel!
Das Ass ist in des Volkes Händen –
Den König sticht's, die Buben all'!
Paris wird seinen Ruf entsenden:
»Die Republik!« mit Donnerschall.
Vom heil'gen Berg, wo ihre Strahlen
Die Sonne schmiedet groß und frei,
Wird niedersteigen zu den Thalen
Das Jahr Fünfzigundzwei!
Mit einer Binde hat umwunden
Die Zeit der Menschheit hellen Blick –
Doch seht, schon hat uns losgebunden
Mit
einem Ruck die Republik!
Es birst der Herrschaft Nebeldecke –
Das Scepter, das die Zeit euch gab,
Dient für der Zukunft Wegesstrecke
Dem Volke nun als Wanderstab!
Vom heil'gen Berg, wo ihre Strahlen
Die Sonne schmiedet groß und frei,
Wird niedersteigen zu den Thalen
Das Jahr Fünfzigundzwei!
Ihr musstet unsern schwachen Händen
Durch eurer schlechten Ränke Heer
Den letzten Heller noch entwenden –
Wir kennen keinen Bettler mehr!
Du Alter, sei zu Gast geladen,
Iss, trinke, was ein Gott beschied,
Erzähl uns deines Lebens Faden,
Und sing uns froh ein Liebeslied!
Vom heil'gen Berg, wo ihre Strahlen
Die Sonne schmiedet groß und frei,
Wird niedersteigen zu den Thalen
Das Jahr Fünfzigundzwei!
Pierre Dupont.
(1856.)
Enterbte Brüder, stolze Proletaren,
Vorkämpfer auf der Zukunft heil'gem Grund,
Der ew'gen Noth verfallne Dulderscharen:
Vereinigt euch zu einem starken Bund!
Durch eure Kraft gebt Nachdruck euren Bitten;
Bei jedem Feste setzt man euch zurück –
Sagt, dass ihr heut, wie Viel ihr auch gelitten,
Nach Freiheit dürstet, hungert noch nach Glück!
Kein Herrscher mehr und keine Sklaven!
Genug der Knechtschaft trugt ihr schon!
Platz für das Volk, Platz für die Braven!
Hoch, hoch die Revolution!
Vernehmt ihr nicht des Vaterlandes Stimme,
Das sich verblutend sträubt in Mörderhand?
Der Räuber herrscht; durch Gauner wird, durch schlimme,
Besudelt unser schönes Heimatland.
Verbündet euer Streben, euer Hassen!
Durch Einigkeit wird stark die schwache Kraft;
Alle für Einen, in geschlossnen Massen,
Rückt aus zum Kampf, zerbrecht die Kerkerhaft!
Kein Herrscher mehr und keine Sklaven!
Genug der Knechtschaft trugt ihr schon!
Platz für das Volk, Platz für die Braven!
Hoch, hoch die Revolution!
Es hat der Feind ein schmählich Spiel getrieben:
Um uns zu zügeln, macht man uns zum Thier;
Weil ohne Nahrung Leib und Geist geblieben,
Erlagen unsern Kerkermeistern wir.
Wohlauf jetzt, straft und zeichnet die Verräther,
Kein Name hindre euren Siegeslauf!
Fort Kaiser, Herrn, Despoten, Landesväter –
Pflanzt rings im All der Gleichheit Banner auf!
Kein Herrscher mehr und keine Sklaven!
Genug der Knechtschaft trugt ihr schon!
Platz für das Volk, Platz für die Braven!
Hoch, hoch die Revolution!
Ja, bis zum Tode Krieg dem Schuft, dem frechen,
Der uns zu lange schon ein Schreckbild war!
Wird je ein heilig Vorrecht das Verbrechen?
Dem Meineid Krieg, du stolze Arbeitsschar!
Zertrümmert, drauf sich des Bezwingers Tücke
Zu stützen wagt, die Primogenitur!
Auch uns verlieh ein heilig Recht zum Glücke,
Ein ew'ges, mit dem Leben die Natur.
Kein Herrscher mehr und keine Sklaven!
Genug der Knechtschaft trugt ihr schon!
Platz für das Volk, Platz für die Braven!
Hoch, hoch die Revolution!
Auf, Brüder, auf! befreit in stolzem Siege
Die Welt vom Joch der Noth und Tyrannei!
Den Räubern Tod! Es ruft zum Freiheitskriege
Die »
Marianne« ihre Schar herbei!
Bezahlt ihr auch den Sieg mit Blut und Narben:
Dass Keiner fehl' am heil'gen Schlachtentag!
Dann endlich kommt die Stunde, wo die Garben,
Der sie gesät, alleine ernten mag!
Kein Herrscher mehr und keine Sklaven!
Genug der Knechtschaft trugt ihr schon!
Platz für das Volk, Platz für die Braven!
Hoch, hoch die Revolution!
Théodore Karcher.
(1862.)
Die Jugend zählt nicht zu den Todten,
Nein, sie erhob sich zornerfüllt.
Bewacht die Thore des Despoten!
Der junge Löwe hat gebrüllt.
Ihr wähnt, er schlummre traumverloren?
O, bald erwacht aus dumpfer Haft
Er neugeboren.
Er schläft auf einem nur der Ohren,
Der Löwe der Studentenschaft!
Student! du bist der Vorhutstreiter,
Dir folgt zum Kampf der Proletar.
Noch trägst das Schwert du froh und heiter
Vom Juli und vom Februar.
Wie vor dem Heros ohne Wanken
Dereinst die Kön'ge, bleich, erschlafft,
Zum Staube sanken:
Kehrt wieder gegen euch die Pranken
Der Löwe der Studentenschaft.
Im Dunkel sucht sich zu verstecken
Der Feind, o Frankreich, der dich traf.
Du vierzehnjähr'ge Nacht voll Schrecken,
Vergieb uns, ach, den langen Schlaf!
Doch sieh, beim ersten Morgenstrahle
Springt auf mit ungebrochner Kraft
Zum blut'gen Mahle,
Dass er die Todesschuld bezahle,
Der Löwe der Studentenschaft.
Ihr Zecher dort im Kaiserschlosse,
Die ihr geschwelgt bei Spiel und Tanz:
Schon schirrt der Tag die goldnen Rosse,
Zu Ende geht der Mummenschanz.
Den Adler mit dem wilden Blicke,
Nebst seiner Brut, die frevelhaft
Trotzt dem Geschicke:
Er wird sie packen beim Genicke,
Der Löwe der Studentenschaft.
Wenn Cäsar's feile Hilfskolonne
Uns jemals frech zu höhnen wagt,
Und im Odeon, der Sorbonne
Uns knechtisch rohe Worte sagt;
Nisard, der Mord und Treubruch krönet,
About, der komödiantenhaft
Den Pfaffen fröhnet:
Sie sollen sehn, wie stolz sie höhnet
Der Löwe der Studentenschaft.
Müd eurer List und eures Truges,
Giebt heut das Volk durch unsern Mund
Dem Moniteur, dem Blatt des Luges,
Die dritte ernste Warnung kund.
Der Wahrheit Urtheil euch zu künden,
Entringt es sich aus seiner Haft
Des Elends Schlünden,
Und hetzt empört auf eure Sünden
Den Löwen der Studentenschaft.
Fünf Könige ein ganz Jahrhundert
Hindurch verschlangst du, – lange Frist!
Die sind verdaut! O Volk, wer wundert
Sich, wenn du annoch hungrig bist?
Dass Bonaparte schnell sich spute,
Eh' ihn zum letzten Mahl sich rafft
Mit zorn'gem Muthe
Er, der da lechzt nach seinem Blute,
Der Löwe der Studentenschaft!