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»Herr, der berühmte Musiker Ibrahim Abu Ishak, aus Mossul gebürtig, erzählte sehr sonderbare Abenteuer von der Vermählung eines der Kalifen, welche ich Euer Majestät mitteilen will.
»Eines Tages,« sagte er, »war ich an dem Hofe des Kalifen Almamun; wir tranken und machten Musik, kurz, wir verbrachten einen sehr angenehmen Tag. Schon begann die Nacht, als Almamun zu mir sagte:
»Abu Ishak, ich habe mich heute sehr ergötzt, und ich will, daß wir morgen zusammen frühstücken; ich gehe in meinen Harem, und du bleib hier, damit ich dich gewiß bei mir habe.«
Der Kalif entfernte sich, und ich blieb allein. Da erinnerte ich mich, daß ich eine junge Sklavin zu Hause und mir vorgenommen hatte, diese Nacht zu ihr heimzukommen. Diese Vorstellung entflammte meine Sinne, und ich brannte vor Verlangen, sie wiederzusehen. Ich entschloß mich also, nach Hause zu gehen; der Türhüter und die Bedienten hielten mich an, aber ich sagte ihnen: »Der Kalif ist in sein Frauenzimmer gegangen, und es ist also sehr unnütz, daß ich hier bleibe.«
Ich hatte schon einen Teil des Weges zurückgelegt, als ein Bedürfnis mich nötigte, vom Pferde zu steigen; von ungefähr schaute ich um mich her und erblickte einen großen Korb, der von außen und innen mit einem prächtigen persischen Stoffe bekleidet war und an seidenen Stricken hing. Ich suchte zu erraten, zu welchem Gebrauch er bestimmt wäre, und da ich berauscht war, kam ich auf den Einfall, mich drein zu setzen.
Kaum ließ das Gewicht meines Leibes sich darin spüren, so sah ich mich in die Luft emporgezogen und auf ein flaches Dach gehoben. Sogleich wurde ich von schönen Sklavinnen und Dienern umringt, welche mich mit Fackeln empfingen und sprachen: »Da ist ein Gesell!« So zogen sie vor mir her und führten mich fort. Ich stieg in einen Palast von königlicher Pracht hinab, welcher mit Geräte versehen war, wie man es nur in den Zimmern der Kalifen wiederfindet. Weiter führten sie mich in einen mit Teppichen geschmückten Saal, wie man sie nur im kaiserlichen Palaste sieht. Im Hintergrunde dieses Saales standen zwei prächtige Sofas, so schön wie diejenigen, auf welchen der Beherrscher der Gläubigen sitzt. Ich setzte mich auf das eine und dachte darüber nach, was vorginge.
Die Nacht war noch nicht weit vorgerückt, als meine Augen von dem Glanze vieler Fackeln geblendet wurden, welche Sklavinnen trugen, in deren Mitte eine junge Schöne erschien, die mit Juwelen bedeckt war, dergleichen man nur an den Frauen des Kalifen sieht; sie war umgeben von reizenden Sklavinnen, welche die Schleppe ihres Gewandes trugen. Ihre Schönheit war so hinreißend, daß ich sie für keine Sterbliche hielt.
Sobald sie erschien, erhob ich mich und blieb ehrfurchtsvoll stehen, bis sie mir befahl, mich zu setzen. Sie selber nahm ihren Platz auf dem andern Sofa und redete mich liebreich an; denn sie hatte bemerkt, daß ihre Erscheinung mich verwirrt gemacht. Hierauf ließ sie eine Tafel von königlicher Pracht bringen; wir wuschen uns die Hände, und man setzte uns Gerichte vor, dergleichen man nur bei dem Beherrscher der Gläubigen ißt. Nach beendigtem Mahle wuschen wir uns wieder die Hände mit wohlriechenden Wassern; danach brachte man eine Tafel mit silbernen Aufsätzen, die allerlei Blumen, duftende Kräuter, frische und trockene Früchte enthielten, und dazwischen standen Kristallflaschen voll der köstlichsten Weine. Zu gleicher Zeit ließ sich ein Konzert von Gesang und Saitenspiel hören, welches mich vor Entzücken ganz außer mich versetzte. Danach kosten wir miteinander, erzählten Neuigkeiten, Geschichten und sangen Lieder. Da sprach sie zu mir:
»Du bist sehr liebenswürdig, und ich habe niemals einen angenehmeren und gebildeteren Mann gesehen.«
»Was ich weiß, schöne Frau,« antwortete ich ihr, »verdanke ich einem meiner Vettern, der noch weit gebildeter und liebenswürdiger ist als ich.«
Ich brachte bei ihr eine der schönsten Nächte meines Lebens zu.
Sobald die Morgenröte erschien, beurlaubte ich mich von den schönen Mädchen: sie geleiteten mich wieder auf das flache Dach, von wo ich vermittelst desselben Korbes wieder auf die Straße hinabstieg. Von hier ging ich nach Hause, wo ich einen Augenblick verweilte, dann kehrte ich eilig zu Almamun zurück, welchen ich sehr aufgebracht gegen mich antraf.
»Abu Ishak,« sagte er zu mir, »ich hatte dir befohlen, den Palast nicht zu verlassen; was ist denn so Dringendes vorgefallen, daß es dich nötigte, wegzugehen?«
»Fürst der Gläubigen,« antwortete ich ihm, »als du mich verlassen hattest und ich hier allein blieb, erinnerte ich mich, daß eine junge Sklavin mich zu Hause erwartete, und beschloß, sie zu besuchen: ich habe mich nicht enthalten können, mich bei ihr zu vergessen. Der Rausch und die Leidenschaft haben mich zu dieser Schönen hingerissen.«
Hierauf setzten wir uns und tranken wieder den ganzen Tag.
Als es Nacht ward, ging der Kalif in sein Frauenzimmer und sagte beim Herausgehen wieder zu mir: »Geh nicht weg, damit wir zusammen frühstücken.«
Sobald er fort war, konnte ich mich nicht mehr halten, und ich fühlte dasselbe Verlangen, welches mich den vorigen Abend gequält hatte; ich wollte also hinweggehen, als die Leute des Kalifen sich widersetzten mit den Worten: »Du bist schuld, daß der Fürst auf uns gegrollt hat.« Aber das Geld, welches ich unter sie verteilte, machte sie willfähriger, und sie ließen mich gehen.
Ich nahm wieder meinen Weg nach dem Orte, wo ich den gefälligen Korb wieder einladend hangen sah. Ich setzte mich hinein: sobald man das Gewicht meines Leibes darin spürte, zog man mich empor, und als die Sklaven mich erblickten, sagten sie: »Das ist unser gestriger Gesell.«
»Ja,« antwortete ich ihnen.
»Wartet,« fuhren sie fort, »bis wir sie befragt haben; denn es ist nicht ihre Gewohnheit, jemand wieder aufzunehmen, den sie schon einmal aufgenommen hat.«
Man ging also hin, sie davon zu benachrichtigen, und kam bald zurück mit der Erlaubnis, mich aussteigen zu lassen. Man führte mich wieder in den Saal mit den beiden Sofas. Alsbald erschien die Herrin mit demselben Gefolge, setzte sich, erkundigte sich nach meinem Befinden und was ich, seit ich sie verlassen, gemacht hätte, und bezeigte mir so viel Vergnügen, mich wiederzusehen, daß ich ganz verwirrt wurde; hierauf kamen Speisen und Weine wie gestern. Wir aßen und tranken uns satt, und unsere Unterhaltung war noch belebter als die vorige Nacht.
Indem sie nun an den Geschichten, welche ich ihr erzählte, und an meinen Schwänken großes Gefallen fand, rief sie aus:
»Ja, ich schwöre es bei dem Allerhöchsten, du bist ein prächtiger Mensch und unerschöpflich an lustigen und wundersamen Geschichten.«
»Was würdest du erst sagen, wenn du meinen Vetter sähest?«
»Mit dir,« erwiderte sie, »ist keiner zu vergleichen.«
»Gleichwohl, schwöre ich dir, ich bin nur ein Tropfen gegen sein Weltmeer: wenn du erlaubtest, daß ich dir ihn vorstellte, so würdest du dich von meiner Wahrhaftigkeit überzeugen.«
»Was du von mir verlangst, stimmt nicht zu der hier eingeführten Ordnung,« versetzte sie; »denn noch ist niemand, der einmal dieses Haus betreten hat, darein zurückgekehrt, ausgenommen du, weil ich an dir eine gute Erziehung und angenehme Sitten erkannt habe.« –
»Aber, Herrin, wenn Ihr meinen Vetter sähet, würdet Ihr weniger aus mir machen und würde mein Verdienst sich in Euren Augen beträchtlich verringern.« –
»Wohlan, so führe ihn mir die nächste Nacht her.«
Wir fuhren fort, uns mit andern Dingen zu unterhalten bis zum Anbruche des Tages; da nahm ich Abschied von ihr und entfernte mich auf dieselbe Weise, wie ich gekommen war.
Ich ging nach Hause, verweilte dort einige Augenblicke und kehrte dann eilig zu Almamun zurück, welcher sehr in Zorn gegen mich war. Ich begrüßte ihn, und er antwortete mir:
»Ich gebe dir deinen Gruß nicht zurück, dir, der meine Befehle und meine Gesellschaft verachtet.«
Zu gleicher Zeit rief er den Türhütern und machte ihnen sehr heftige Vorwürfe.
»Fürst der Gläubigen,« sagte ich zu ihm, »besänftige dich; denn ich habe dir eine sehr ergötzliche Geschichte zu erzählen.«
»Laß hören,« erwiderte er. Ich erzählte ihm hierauf alles, was mir begegnet war, und fügte noch hinzu:
»Ich habe von ihr ein Stelldichein für dich selber erhalten.«
Da war er auf dem Gipfel der Freude; und den ganzen Tag hindurch hatte er nichts anderes zu tun, als sich meine Erzählung wiederholen zu lassen und mich über die Schöne zu befragen, bis der Tag zu Ende ging.
Kaum war die Nacht gekommen, als er zu mir sagte: »Jetzt ist es Zeit.«
Wir standen auf und gingen zusammen hinaus, nachdem wir miteinander verabredet hatten, daß ich ihn nicht auf die gewöhnliche Weise anreden, sondern die Feierlichkeit beiseite setzen und daß er mich wie seinesgleichen und wie seinen Vetter behandeln sollte. Wir begaben uns also an den bewußten Ort und fanden dort zwei Körbe hangen: ich setzte mich in den einen, er setzte sich in den andern, und wir wurden alsbald auf das flache Dach emporgehoben; von hier stiegen wir in den Palast hinab und traten in den Saal, wo sich heute drei Sofas befanden. Ich setzte mich auf das eine, Almamun setzte sich auf das andere, so daß eins in der Mitte leer blieb.
Bald erschienen die schönen Sklavinnen mit ihrer Herrin, welche anmutig in deren Mitte einhertrat. Man brachte Speisen und Getränke wie gewöhnlich. Almamun blickte mich ganz verwundert über die Schönheit dieses Schauspiels an.
Nach der Mahlzeit fingen wir an, Geschichten zu erzählen und Lieder zu singen. Dabei trug nun Almamun durch die Überlegenheit seiner Erziehung und die Anmut seiner Sitten bei der Schönen den Sieg davon. Sie sagte zu mir:
»Ich finde deinen Vetter weit über den Lobeserhebungen, welche du mir von ihm gemacht hast, und er besitzt noch mehr schöne Gaben, als du sagtest: du bist weit unter der Wirklichkeit geblieben.«
Wir verbrachten eine bezaubernde Nacht: Almamun überließ sich ohne Rückhalt dem Vergnügen, zu essen und zu trinken, zu singen und zu spielen.
Hierauf begann eine der jungen Sklavinnen Verse von meiner Komposition zu singen, verfehlte aber mehrmals das rechte Maß. Almamun, der sie auswendig wußte, bemerkte bald, wo sie fehlte. Und jetzt, überrascht von der Gewohnheit, zu befehlen, nahm er den gebieterischen Ton des Kalifen an und sagte zu mir:
»Abu Ishak, sing du dieses Lied!«
Ich erhob mich auf diesen Befehl, indem ich sagte: »Ich gehorche, Fürst der Gläubigen.«
Hierauf befahl er mir, mich zu setzen; ich setzte mich und sang dasselbe Lied.
Als ich ausgesungen hatte, fragte ich unsere Wirtin, wem sie angehörte, und von welchem Stande sie wäre. Sie antwortete, sie hieße Buran und wäre die Tochter Hassans, des Sohnes Sehels.
Bald darauf kehrten wir nach dem Palaste zurück, und am folgenden Morgen begehrte Almamun, von ihren Reizen bezaubert, sie zur Gemahlin und heiratete sie nach den Zeugnissen der Geschichtsschreiber.
Die Hochzeit wurde mit erstaunlicher Pracht gefeiert im Jahre 210 der Hedschra im Monat Ramadan.
Almamun ging seiner Gesundheit wegen von Bagdad nach Kom; er befand sich in dem Hause El-Hassans, des Sohnes Sehels. Die Hochzeit wurde gefeiert: als er nun kam, um Buran mit großem Gepränge in den Palast heimzuführen, fand er sie umgeben von Hamdonnéh, der Tochter Haruns, von Sobeïde, der Mutter Giafars, Tochter El-Emins, von ihrer väterlichen Großmutter und von ihrem Bruder El-fadhl, Sehels Sohn. Als er das Brautgemach betrat, machte die Großmutter der Buran ihrer Enkelin das Hochzeitsgeschenk, welches in einer Schnur von tausend der schönsten und vollkommensten Perlen bestand, die nur zu finden waren. Almamun setzte sich Buran gegenüber; ein von Goldfäden gewebter Teppich war ausgebreitet, und nun streute die Großmutter für ihn tausendunddreihundert große und kleine Perlen in goldene Schüsseln; Almamun, auf seinem Teppiche sitzend, betrachtete diese Perlen.
Katel-Allah sagt, daß Abu-Newas bei dieser Feierlichkeit zugegen gewesen, über welche er folgende Verse machte:
Blasen des Weines, große und kleine,
Sind ebensoviel Perlen,
Die man auf einen goldenen Boden streut.
Almamun befahl, diese Perlen aufzulesen, und schenkte sie Buran mit den Worten: »Bitte von mir, was du wünschest.«
Die Braut verharrte hierauf in der größten Bescheidenheit; ihre Großmutter aber sagte zu ihr: »Eröffne doch deinem Herrn deine Wünsche, weil er dich dazu auffordert.«
Sie bat ihn nun um die Begnadigung Ibrahims, des Sohnes Mehdis. »Sie ist schon gewährt,« antwortete er.
Sodann bat sie für Sobeïden, Giafars Mutter, um die Erlaubnis, die Wallfahrt nach Mekka zu machen, und er gewährte sie ihr. Die Mutter Giafars bekleidete Buran mit einem Unterkleide, denen gleich, welche die Ommiaden trugen, und mit Steinen und Perlen besäet.
Almamun blieb bei Al-Hassan, Sehels Sohn, siebzehn Tage, und jeden Tag versorgte Al-Hassan den Kalifen und sein Gefolge mit allem, was sie nötig hatten. Ibn Sehel beschenkte auch alle Beamten mit Ehrenkleidern, jeden nach seinem Range und seiner Verbindung mit ihm. Es wird behauptet, daß er nicht weniger als fünfzehn Millionen Silberstücke aufwendete. Man fügte hinzu, daß Al-Hassan die einzelnen Stücke seines Hausrates und aller seiner Besitztümer auf Zettel schrieb, diese im Augenblicke der Verlobung mitten unter die Hofleute warf und jeder das Gerät oder Besitztum erhielt, welches auf den ihm zugefallenen Zettel stand. Endlich heißt es, daß alles Holz, welches während dieses ganzen Festes verbrannt wurde, Sandelholz, genannt Kackeli, gewesen sei.«
Scheherasade bemerkte, daß diese Erzählung dem Sultan eben nicht sehr gefallen hatte; und weil der Tag anbrach, so versprach sie ihm für die nächste Nacht eine viel anziehendere Geschichte, welche sie dann auch also begann: