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»Beherrscher der Gläubigen,« fuhr Sidi Numan fort, »meine Herkunft übergehe ich, denn sie ist nicht so glänzend, daß sie irgend eine Erwähnung verdiente. Was Glücksgüter betrifft, so hatten meine Vorfahren durch ihre gute Wirtschaft mir so viel hinterlassen, als ich mir nur wünschen konnte, um als rechtschaffener Mann ohne Ansprüche und ohne jemandem zur Last zu fallen davon leben zu können.
Unter solchen Umständen war das einzige, was ich mir zur Vollendung meines Glücks noch wünschen konnte, eine liebenswürdige Frau zu finden, die meine ganze Liebe und Zärtlichkeit hätte und mich ebenso wahr und zärtlich wiederliebte. Indes es hat Gott nicht gefallen, mir eine solche zu gewähren. Im Gegenteil gab er mir eine, die gleich vom ersten Tage meiner Ehe an meine Geduld auf solche Proben zu stellen begann, daß nur solche, welche ähnliche auszustehen gehabt haben, sich einen Begriff davon machen können.
Da unserer Landessitte gemäß alle Heiraten so abgeschlossen werden, daß man diejenige, welche man heiratet, zuvor weder sieht noch kennen lernt, so wird Euer Majestät nicht unbekannt sein, daß kein Ehemann sich eben zu beklagen Ursache hat, wenn seine Anvermählte nur nicht abschreckend häßlich oder mißgestaltet ist, und wenn nur ihre guten Sitten, ihr Verstand und ihr gutes Benehmen die kleinen Unvollkommenheiten des Körpers, die sie etwa haben mag, wieder gutmacht.
Als ich meine Frau zum erstenmal mit entschleiertem Gesichte sah – damals nämlich, als sie nach den gewöhnlichen Zeremonieen soeben in mein Haus gebracht worden war –, freute ich mich, daß man mich in der Schilderung, die man mir von ihrer Schönheit gemacht, nicht getäuscht hatte; ich fand sie ganz nach meinem Geschmack, und sie gefiel mir.
Den Tag nach unserer Hochzeit trug man uns eine Mittagsmahlzeit von mehreren Speisen auf. Ich begab mich in das Zimmer, wo die Tafel gedeckt war, und da ich meine Frau daselbst nicht fand, so ließ ich sie rufen. Nachdem sie mich lange Zeit hatte warten lassen, kam sie endlich. Ich verbarg meine Ungeduld, und wir setzten uns zu Tische.
Ich aß zuerst von dem Reis, den ich wie gewöhnlich mit einem Löffel nahm. Meine Frau dagegen, anstatt sich wie andre Leute eines Löffels zu bedienen, zog aus einem kleinen Besteck, das sie in der Tasche bei sich trug, eine Art von kleinem Ohrlöffelchen heraus, womit sie anfing, Reis zuzulangen und ihn in einzelnen Körnchen – denn mehr konnte sie nicht darin fassen – zum Munde zu führen.
Über diese Art zu essen erstaunt, sagte ich zu ihr: »Amine« – denn so hieß sie – »hast du in deiner Familie den Reis auf diese Weise essen gelernt? Tust du es etwa darum, weil du keine große Esserin bist, oder willst du die Körner zählen, um nicht das eine Mal mehr als das andere zu essen? Wenn du bloß aus Sparsamkeit so tust und um mich zu lehren, daß ich kein Verschwender sein soll, so hast du von dieser Seite nichts zu fürchten, und ich kann dich versichern, daß wir uns dadurch nie zugrunde richten werden. Wir haben, Gott sei Dank, so viel, um davon bequem leben zu können, ohne uns das Nötige zu versagen. Tue dir also keinen Zwang an, meine teure Amine, und iß so, wie du mich essen siehest.«
Um der freundlichen Art und Weise willen, womit ich ihr diese Vorstellungen machte, hoffte ich von ihr eine artige Antwort zu erhalten; allein ohne ein Wort zu erwidern, fuhr sie fort, auf diese Art zu essen, und um mich noch mehr zu ärgern, aß sie von dem Reis nur noch in langen Zwischenpausen, und anstatt auch von den übrigen Speisen mit mir zu genießen, begnügte sie sich, von Zeit zu Zeit etwas zerkrümeltes Brot in ihren Mund zu tun, etwa so viel, als ein Sperling ausgepickt haben würde.
Ihre Hartnäckigkeit ärgerte mich. Indes, um ihr Vergnügen zu machen und sie zu entschuldigen, bildete ich mir ein, sie sei nicht daran gewöhnt, mit Männern zusammen zu speisen, und noch weniger mit einem Ehemanne, in dessen Gegenwart man sie vielleicht eine Zurückhaltung zu beobachten gelehrt hatte, die sie aus Einfalt zu weit trieb. Auch glaubte ich, daß sie vielleicht schon gefrühstückt haben möge, oder, wenn sie es noch nicht getan, daß sie sich noch etwas Eßlust übrig ließe, um dann für sich allein nach Belieben speisen zu können. Diese Betrachtungen hielten mich ab, ihr irgend etwas weiter zu sagen, was sie hätte abschrecken können, oder ihr irgend ein Zeichen des Mißvergnügens zu geben. Nach dem Mittagsmahl verließ ich sie ganz ebenso freundlich, als ob sie mir nicht den mindesten Anlaß zur Unzufriedenheit mit ihrem seltsamen Betragen gegeben hätte, und ließ sie allein.
Bei dem Abendessen ging es wieder so, und auch den folgenden Tag und überhaupt, sooft wir miteinander speisten, betrug sie sich ganz auf dieselbe Weise. Ich sah wohl, es sei nicht möglich, daß eine Frau von so wenig Nahrung, als sie zu sich nahm, leben könne, und es müsse also dahinter irgend ein mir unbekanntes Geheimnis stecken. Dies bewog mich denn zu dem Entschluß, mich zu verstellen. Ich tat demnach, als ob ich auf ihre Handlungen gar nicht acht gäbe, in der Hoffnung, daß sie sich mit der Zeit gewöhnen würde, mit mir zu leben, wie ich es wünschte; allein meine Hoffnung war fruchtlos, wie ich mich sehr bald überzeugen sollte.
In der einen Nacht, wo Amine mich im tiefsten Schlafe glaubte, stand sie ganz leise auf, und ich bemerkte, daß sie sich mit großer Behutsamkeit, um kein Geräusch zu machen und mich nicht zu wecken, ankleidete. Ich konnte gar nicht begreifen, zu welchem Zwecke sie sich so in ihrer Ruhe störte, und die Neugier, zu erfahren, was sie vorhabe, bewog mich, mich fest schlummernd zu stellen. Sie kleidete sich völlig an und ging darauf ganz leise aus dem Zimmer.
Sobald sie hinausgegangen war, stand ich auf und warf mir ein Kleid um. Durch ein Fenster, welches nach dem Hofe hinausging, vermochte ich wahrzunehmen, daß sie die Tür nach der Straße hin öffnete und hinausging.
Ich eilte sogleich nach der Tür, die sie halb offen gelassen hatte, und folgte ihr im Mondschein nach, bis ich sie in einen Begräbnisplatz, der in der Nähe unseres Hauses lag, hineingehen sah. Sogleich schwang ich mich nun auf eine Mauer, die an den Begräbnisplatz stieß, und nachdem ich mich gehörig vorgesehen hatte, daß mich niemand bemerken konnte, erblickte ich Aminen mit einer Gule.
Euer Majestät wird wissen, daß die Gulen beiderlei Geschlechts böse Geister sind, die auf den Feldern umherschweifen. Sie bewohnen gewöhnlich altes verfallenes Gemäuer, von wo aus sie die Wanderer überfallen, sie töten und das Fleisch derselben verzehren. Treffen sie keine Wanderer an, so begeben sie sich des Nachts auf Begräbnisplätze, wo sie das Fleisch der Leichen fressen, die sie da aufwühlen.
Ich geriet in das größte Entsetzen, als ich meine Frau mit dieser Gule gehen sah. Sie wühlten eine Leiche auf, die man denselben Tag beerdigt hatte, und die Gule schnitt zu wiederholten Malen Stücke Fleisch davon ab, welche sie, auf dem Rande des Grabes sitzend, miteinander verzehrten. Während sie ein so greuliches und unmenschliches Mahl einnahmen, unterhielten sie sich ganz ruhig miteinander; doch ich war zu weit entfernt, als daß es mir möglich gewesen wäre, etwas von ihrem Gespräch zu verstehen, welches ebenso seltsam gewesen sein mag als ihre Mahlzeit, an welche ich noch jetzt nicht ohne Schauder zurückdenken kann.
Als sie die gräßliche Mahlzeit zu sich genommen hatten, warfen sie die Leiche wieder in das Grab hinein, welches sie mit der aufgewühlten Erde wieder zufüllten. Ich ließ sie machen und suchte eilig mein Haus wieder zu erreichen. Beim Hereintreten ließ ich die Tür nach der Straße zu halb offen, und nachdem ich mich in mein Schlafzimmer begeben, legte ich mich wieder nieder und tat, als schliefe ich.
Amine kam bald darauf ganz leise zur Tür herein, kleidete sich aus und legte sich wieder nieder, voll Freude – wie es mir vorkam –, daß alles so gut abgelaufen war, ohne daß ich etwas bemerkt hatte.
Voll von dem Gedanken an eine so unmenschliche und abscheuliche Handlung, wie die war, von welcher ich soeben Augenzeuge gewesen, und zugleich voll Widerwillen, in der Nähe derjenigen zu liegen, welche diese Handlung begangen hatte, dauerte es sehr lange, ehe ich einschlafen konnte. Endlich schlief ich doch ein, aber nur so leicht, daß die erste Stimme, die sich hören ließ, um zum öffentlichen Gebete bei Tagesanbruch zu rufen, mich aufweckte. Ich kleidete mich an und begab mich in die Moschee.
Nach dem Gebete ging ich aus der Stadt hinaus und brachte den Morgen mit Spaziergängen in den Gärten und mit Betrachtungen zu, welchen Entschluß ich wohl fassen solle, um meine Frau zu einer Änderung ihrer Lebensweise zu vermögen. Ich verschmähte alle gewaltsamen Wege, die sich meinem Geiste darboten, und entschloß mich, bloß gelinde Mittel anzuwenden, um sie von ihrer unglücklichen Neigung abzuziehen. Unter diesen Betrachtungen war ich unvermerkt bis an meine Wohnung gelangt, in die ich gerade um die Mittagsstunde wieder eintrat.
Sobald Amine mich erblickte, ließ sie das Essen auftragen, und wir setzten uns zu Tische. Da ich sah, daß sie noch immer dabei blieb, den Reis körnchenweise zu essen, so sagte ich zu ihr mit aller nur möglichen Mäßigung: »Amine, du weißt, wie sehr ich Ursache hatte, den Tag nach unserer Hochzeit mich darüber zu wundern, als ich sah, daß du bloß von dem Reis aßest, und zwar so wenig und auf eine solche Art und Weise, daß jeder andere Ehemann sich dadurch beleidigt gefühlt hätte; du weißt ferner, daß ich mich begnügte, dir den Verdruß anzudeuten, den ich darüber empfand, und dich bloß bat, doch auch von den übrigen Fleischspeisen zu essen, die uns vorgesetzt und die auf die verschiedenartigste Weise zubereitet werden, um wo möglich deinem Geschmack zu behagen. Seit jener Zeit hast du unsere Tafel immer auf dieselbe Weise besetzt gesehen, bloß mit einigen Abwechselungen in den Speisen, damit wir nicht immer dasselbe essen dürfen. Meine Erinnerungen sind indes fruchtlos geblieben, und bis auf diesen Tag hast du nicht aufgehört, immerfort so zu handeln und mir denselben Verdruß zu machen. Ich habe geschwiegen, weil ich dir nicht Zwang antun wollte, und es würde mir leid tun, wenn das, was ich dir gegenwärtig sage, dich im mindesten kränken sollte; indes, Amine, sage mir, ich beschwöre dich deshalb, ist das Fleisch, das man uns hier vorsetzt, denn nicht besser als Totenfleisch?«
Ich hatte kaum diese letzten Worte gesprochen, als Amine, welche recht gut merkte, daß ich sie in der Nacht beobachtet hatte, in eine Wut geriet, die alle Begriffe übersteigt; ihr Gesicht erglühte, ihre Augen traten ihr fast aus dem Kopfe heraus, und sie schäumte vor Wut.
Dieser gräßliche Zustand, in dem ich sie sah, erfüllte mich mit Entsetzen; ich erstarrte und war ganz außerstande, mich gegen die schreckliche Bosheit zu schützen, die sie gegen mich im Schilde führte, und worüber Euer Majestät erstaunen wird. In ihrer heftigen Aufwallung nahm sie hierauf ein Wasserbecken, das ihr zur Hand war, tauchte ihre Fingerspitzen hinein, murmelte zwischen den Zähnen einige Worte, die ich nicht verstand, spritzte mir etwas von diesem Wasser ins Gesicht und rief mir in einem wütenden Tone zu:
»Unglücklicher, empfange die Strafe deiner Neugierde und werde ein Hund!«
Kaum hatte Amine, die ich noch gar nicht als Zauberin kennen gelernt hatte, diese teuflischen Worte ausgestoßen, als ich mich auf einmal in einen Hund verwandelt sah. Das Staunen und die Überraschung, worein ich über diese plötzliche Veränderung geriet, hinderte mich, gleich anfangs auf meine Flucht zu denken, und so hatte sie denn Zeit, einen Stock zu ergreifen und mich zu mißhandeln. In der Tat, sie versetzte mir damit so gewaltige Schläge, daß ich nicht begreife, warum ich nicht auf der Stelle tot liegen blieb. Ich glaubte ihrer Wut zu entgehen, wenn ich mich in den Hof flüchtete, doch auch dahin verfolgte sie mich mit derselben Wut, und mit welcher Gewandtheit ich auch immer von einer Seite zur andern schlüpfte, um den Schlägen auszuweichen, so war ich doch nicht gewandt genug, um mich dagegen zu schützen, und ich mußte noch viele andere aushalten. Als sie endlich müde geworden war, mich zu schlagen und zu verfolgen, und voll Verzweiflung darüber, daß sie nicht, wie sie es gewollt, mich hatte totschlagen können, ersann sie ein neues Mittel, um dies zustande zu bringen. Sie öffnete nämlich die Tür nach der Straße zu ein wenig, um in dem Augenblick, wo ich durch dieselbe zu schlüpfen versuchen würde, mich zu zerquetschen. So sehr ich auch zum Hunde geworden war, so merkte ich doch sehr bald ihren verderblichen Plan, und da die Gefahr des Augenblicks uns oft Verstand eingibt, um uns zu retten, so paßte ich meine Zeit so gut ab, indem ich ihre ganze Haltung und ihre Gebärden beobachtete, daß ich ihre Wachsamkeit täuschte und schnell hindurchschlüpfte, um mein Leben zu retten und ihre boshafte Absicht zu vereiteln. Ich kam auch wirklich noch so ohne Schaden davon, außer daß mir das Ende meines Schweifes etwas eingeklemmt wurde.
Vor Schmerz darüber schrie und bellte ich die ganze Straße entlang, was mir denn einige andere Hunde auf den Hals zog, die mich bissen. Um ihren Verfolgungen zu entgehen, sprang ich in den Laden eines Mannes, der gekochte Köpfe, Zungen und Füße von Hammeln verkaufte, wo ich denn auch sicher war.
Der Mann nahm anfangs voll Mitleid meine Partei und jagte die Hunde weg, die mich verfolgten und bis in sein Haus eindringen wollten. Was mich betrifft, so war meine erste Sorge, mich in einen Winkel zu verstecken, wo ich ihrem Anblick entzogen war. Indes auch hier fand ich nicht den gehofften Schutz und Zufluchtsort. Der Mann war einer von jenen übertrieben abergläubischen Leuten, die in der Meinung, daß die Hunde unrein seien, nicht genug Wasser und Seife bekommen können, um ihre Kleider zu waschen, sobald einmal ein Hund im Vorbeistreifen sie berührt hatte. Nachdem sich also die Hunde, die mich verfolgten, entfernt hatten, bot er zu wiederholten Malen alles mögliche auf, um mich noch an demselben Tage wieder fortzujagen; aber ich war versteckt und vor seinen Nachforschungen sicher. So brachte ich denn wider seinen Willen die Nacht in seinem Laden zu, und ich hatte auch diese Ruhe wirklich nötig, um mich von der schlechten Behandlung, die mir Amine angetan, zu erholen.
Um Euer Majestät nicht mit Herzählung unbedeutender Dinge zu langweilen, will ich von den traurigen Betrachtungen schweigen, die ich damals über meine Verwandlung anstellte, und will bloß so viel bemerken, daß am folgenden Tage, als mein Wirt, der ganz früh auf frischen Einkauf ausgegangen war, mit Köpfen, Zungen und Füßen von Hammeln beladen wiederkam, seinen Laden öffnete und seine Waren auslegte, ich aus meinem Winkel herauskroch, und da ich eben mehrere Hunde aus der Nachbarschaft, die der Fleischgeruch herbeigelockt, um seinen Laden herum versammelt sah, so mischte ich mich in der Erwartung, daß er ihnen etwas zuwerfen würde, unter sie und nahm eine bittende Stellung ein.
Mein Wirt schien Rücksicht darauf zu nehmen, daß ich, seitdem ich zu ihm geflüchtet, noch nichts gegessen hatte, und zeichnete mich dadurch aus, daß er mir öfter und auch größere Stücke zuwarf als den andern Hunden. Als seine Austeilung vorbei war, wollte ich in seinen Laden zurückkehren, indem ich ihn ansah und mit dem Schweif freundlich wedelte, um ihm dadurch anzudeuten, daß ich ihn bäte, mir noch einmal diese Vergünstigung zu gewähren; doch er war unbeugsam und widersetzte sich meiner Absicht mit dem Stocke in der Hand und mit einer so unbarmherzigen Miene, daß ich genötigt war, mich zu entfernen.
Einige Häuser weiter blieb ich vor dem Laden eines Bäckers stehen, der ganz im Widerspiel mit jenem melancholischen Hammelsköpfeverkäufer mir ein heiterer und gutgelaunter Mann zu sein schien und es auch wirklich war. Er frühstückte eben, und obwohl ich ihm noch gar nicht hatte merken lassen, daß mich hungere, so unterließ er doch nicht, mir ein Stück Brot zu geben. Bevor ich nach Art anderer Hunde gierig darüber herfiel, machte ich gegen ihn ein Zeichen mit dem Kopfe und wedelte mit dem Schweif, als wollte ich ihm meine Erkenntlichkeit bezeigen. Er wußte mir für diese Art von Höflichkeit Dank und lächelte. Ich hatte keinen Hunger; indes, um ihm Vergnügen zu machen, nahm ich das Stück Brot und aß es, und zwar recht langsam, damit er annehmen konnte, ich äße bloß ihm zu Gefallen. Er bemerkte dies alles und war so gefällig, mich in der Nähe seines Ladens zu dulden. Ich blieb daher da sitzen, und zwar mit dem Gesicht nach der Straße hingekehrt, um ihm anzudeuten, daß ich für jetzt um nichts weiter als um seinen Schutz bäte. Er bewilligte mir diesen nicht bloß, sondern streichelte mich auch, so daß ich darin ein sicheres Zeichen sah, daß ich in sein Haus eintreten dürfe. Ich tat es auf eine Weise, die ihm andeutete, daß ich es bloß mit seiner Erlaubnis täte. Er nahm es nicht übel, sondern wies mir sogar noch eine Stelle an, wo ich mich hinlegen könnte, ohne ihm im Wege zu sein; und ich nahm sogleich diesen Platz ein und verließ ihn nicht, solange ich in seinem Hause war.
Ich wurde da durchaus gut behandelt, und er konnte nie frühstücken, zu Mittag oder zu Abend speisen, ohne daß ich meinen hinreichenden Anteil davon erhielt. Ich meinerseits bezeigte ihm dafür alle mögliche Anhänglichkeit und Treue, die er nur irgend von meiner Dankbarkeit verlangen konnte.
Meine Augen waren stets auf ihn gerichtet, und er tat in seinem Hause keinen Schritt, wo ich nicht hinter ihm herging. Ein Gleiches tat ich, wenn seine Zeit es ihm gestattete, seiner Geschäfte halber irgend einen Gang in die Stadt zu machen. Ich war hierin umso pünktlicher, da ich bemerkte, daß meine Aufmerksamkeit ihm gefiel, und daß er oft, wenn er Lust auszugehen hatte und ich es nicht gerade bemerkt hatte, mich bei dem Namen Rotbacke rief, den er mir gegeben hatte.
Bei diesem Ruf flog ich jedesmal von meinem Plätzchen nach der Straße hinaus, ich sprang, hüpfte und lief vor der Tür hin und her. Mit diesen Freudenbezeigungen hörte ich erst auf, wenn er herausgetreten war, und dann begleitete ich ihn treulich, indem ich hinter oder vor ihm herlief und ihn von Zeit zu Zeit ansah, um ihm meine Freude zu bezeigen.
Ich war schon einige Zeit in diesem Hause, als eines Tages eine Frau Brot zu kaufen kam. Als sie es meinem Wirt bezahlte, gab sie ihm unter anderem guten Gelde auch ein falsches Geldstück. Der Bäcker, der das falsche Stück erkannte, gab es der Frau zurück und verlangte dafür ein anderes.
Die Frau weigerte sich, es wiederzunehmen, und behauptete, es sei gut. Mein Wirt behauptete das Gegenteil und sagte im Wortwechsel unter anderem zu der Frau: »Dies Stück ist so augenscheinlich falsch, daß ich versichert bin, mein Hund, der doch bloß ein unvernünftiges Tier ist, würde sich damit nicht täuschen lassen. Komm her, Rotbacke!« fuhr er fort, indem er mich beim Namen rief. Auf seinen Ruf sprang ich behende auf den Zähltisch. Der Bäcker warf die Geldstücke vor mich hin und sagte: »Sieh einmal zu, ist darunter nicht ein falsches Stück?« Ich sah mir alle Stücke an, legte dann die Pfote auf das falsche und schob es beiseite, indem ich meinen Herrn ansah, als wollte ich es ihm zeigen.
Der Bäcker, der sich bloß beiläufig und zum Scherz auf mein Urteil berufen hatte, war nicht wenig überrascht, als er sah, daß ich es so richtig und ohne zu zaudern getroffen hatte. Die Frau, welche nun von der Falschheit ihres Geldstückes überführt war, wußte nichts weiter zu sagen und mußte dafür ein anderes gutes geben. Als sie fort war, rief mein Herr seine Nachbarn zusammen und pries vor ihnen aus eine übertriebene Weise meine Fähigkeit, indem er ihnen erzählte, was vorgefallen.
Die Nachbarn wollten sich selber davon überzeugen, und unter allen den falschen Münzen, die sie mir unter andere gute gemischt vorlegten, war auch nicht eine einzige, auf die ich nicht meine Pfote gelegt und die ich nicht von den übrigen guten abgesondert hätte.
Die Frau unterließ ihrerseits ebenfalls nicht, allen Personen ihrer Bekanntschaft, die sie unterwegs antraf, zu erzählen, was ihr begegnet sei. Das Gerücht von meiner Geschicklichkeit, das falsche Geld zu erkennen, verbreitete sich in kurzer Zeit nicht bloß in der Nachbarschaft, sondern sogar im ganzen Viertel und zuletzt allmählich in der ganzen Stadt.
Es fehlte mir nun den ganzen Tag über nicht an Beschäftigung. Ich mußte die Neugier aller derer, die bei meinem Herrn Brot kauften, befriedigen und ihnen meine Geschicklichkeit zeigen. Dies lockte nun alle Welt herbei, man kam aus den entferntesten Stadtvierteln, um meine Fähigkeit zu erproben, und mein Ruf verschaffte meinem Herrn so viele Kunden, daß er sie nicht alle befriedigen konnte. Dies dauerte lange Zeit, und mein Herr konnte sich nicht enthalten, seinen Nachbarn und Freunden zu gestehen, daß ich für ihn ein wahrer Schatz wäre.
Mein bißchen Geschicklichkeit zog ihm indes bald Neider zu. Man stellte mir nach, um mich ihm zu rauben, und er war genötigt, ein wachsames Auge auf mich zu haben. Eines Tages kam eine Frau, die wie andere durch den Reiz der Neuheit hergelockt war, und kaufte Brot. Mein gewöhnlicher Platz war auf dem Zähltische. Sie warf mir sechs Geldstücke hin und darunter auch ein falsches. Ich suchte es unter den übrigen hervor, legte die Pfote auf das falsche Geldstück und sah sie dabei an, als wollte ich sie fragen, ob es nicht das rechte sei.
»Ja,« sagte die Frau, indem sie mich ebenfalls ansah, »es ist das falsche, du hast dich nicht geirrt.«
Sie betrachtete mich dann fortwährend voll Verwunderung, während ich sie ebenfalls ansah. Hierauf bezahlte sie das Brot, welches sie gekauft hatte, und als sie wegzugehen im Begriff war, gab sie mir einen Wink, mitzukommen, ohne daß es der Bäcker merkte.
Ich war stets auf Mittel bedacht, mich von einer so seltsamen Verwandlung, als die meinige war, zu befreien. Mir war die Aufmerksamkeit nicht entgangen, womit die Frau mich ins Auge gefaßt hatte, und ich bildete mir nun ein, daß sie vielleicht etwas von meinem Mißgeschick und von meinem unglücklichen Zustande gemerkt haben möge, worin ich mich denn auch nicht täuschte. Gleichwohl ließ ich sie fortgehen und begnügte mich, ihr nachzusehen. Nachdem sie indes zwei bis drei Schritte gegangen war, drehte sie sich um, und da sie sah, daß ich ihr, ohne mich von der Stelle zu rühren, nachsah, gab sie mir nochmals einen Wink, ihr zu folgen.
Jetzt schwankte ich nicht länger, sondern, da ich sah, daß der Bäcker soeben damit beschäftigt war, seinen Backofen für ein neues Gebäck zu reinigen, und nicht auf mich achtete, so sprang ich vom Zähltische herab und lief hinter der Frau drein, die darüber sehr erfreut zu sein schien.
Nachdem sie eine Strecke gegangen war, kam sie bei ihrem Hause an, öffnete die Tür desselben, ging hinein und sagte dann zu mir: »Komm herein; es wird dich nicht gereuen, daß du mir nachgekommen bist.« Als ich hineingegangen war und sie die Tür hinter mir wieder zugemacht hatte, führte sie mich in ihr Zimmer, worin ich ein junges Mädchen von seltener Schönheit dasitzen und sticken sah. Es war die Tochter der mildtätigen Frau, die mich mit sich genommen hatte, und die, wie ich bald nachher merkte, in der Zauberkunst sehr geschickt und erfahren war.
»Meine Tochter,« sagte die Mutter zu ihr, »ich bringe dir hier den berühmten Hund des Bäckers, der so gut das falsche Geld von dem echten zu unterscheiden versteht. Du weißt, was ich dir gleich beim ersten Gerücht, das sich davon verbreitete, gesagt habe, indem ich äußerte, es könne dies wohl ein Mensch sein, der irgendwie boshafterweise in einen Hund verwandelt worden. Heute fiel es mir ein, zu dem Bäcker hinzugehen und Brot bei ihm zu kaufen. Ich überzeugte mich von der Wahrheit des Gerüchts und war so geschickt, diesen seltenen Hund, der die Bewunderung von ganz Bagdad ist, hinter mir her zu locken. Was sagst du dazu, meine Tochter? Habe ich mich in meiner Vermutung etwa getäuscht?«
»Du hast dich nicht getäuscht, liebe Mutter,« antwortete die Tochter, »und ich werde es dir sogleich zeigen.«
Das Mädchen stand auf, nahm ein Gefäß voll Wasser, tauchte die Hand hinein, bespritzte mich damit und sagte: »Wenn du von Natur ein Hund bist, so bleibe Hund; bist du aber von Geburt ein Mensch, so nimm Kraft dieses Wassers wieder menschliche Gestalt an.«
Augenblicklich war nun der Zauber gelöst; ich verlor die Gestalt eines Hundes und war wieder Mensch wie zuvor.
Durchdrungen von der Größe dieser Wohltat, warf ich mich dem Mädchen zu Füßen, und nachdem ich den Saum ihres Gewandes geküßt hatte, sagte ich zu ihr: »Meine teure Befreierin, ich fühle so tief das Übermaß Eurer beispiellosen Güte gegen einen Unbekannten, wie ich bin, daß ich Euch bitte, mir selber zu sagen, was ich für Euch tun kann, um Euch meine Dankbarkeit dafür auf eine würdige Weise an den Tag zu legen, oder vielmehr schaltet und verfügt über mich wie über einen Sklaven, der Euch mit vollem Rechte angehört. Ich gehöre nicht mehr mir an, sondern Euch; und damit Ihr denjenigen näher kennen lernet, den Ihr Euch zum Eigentum erworben, so will ich Euch meine Geschichte mit kurzen Worten erzählen.«
Hierauf sagte ich ihr, wer ich wäre, und erzählte ihr sodann von meiner Vermählung mit Amine, von meiner Gefälligkeit und Geduld, womit ich ihre Launen ertragen, ferner von ihrem seltsamen Benehmen und von der unwürdigen Art und Weise, womit sie mich aus einer unbegreiflichen Bosheit gemißhandelt habe, und ich schloß zuletzt mit einer Danksagung an die Mutter für das unaussprechliche Glück, das sie mir soeben verschafft habe.
»Sidi Numan,« sagte die Tochter zu mir, »laß uns nicht weiter von der Verbindlichkeit sprechen, die du mir schuldig zu sein meinst. Das bloße Bewußtsein, einem wackern Manne, wie du bist, Vergnügen gemacht zu haben, vertritt bei mir die Stelle jedes Dankes. Laß uns lieber von deiner Frau Amine reden. Ich habe sie noch vor deiner Heirat gekannt, und so wie ich wußte, daß sie eine Zauberin sei, so war auch ihr nicht unbekannt, daß ich etwas von dieser Kunst verstände, da wir bei einer und derselben Lehrerin Unterricht darin gehabt hatten. Wir trafen uns oft im Bade. Doch da unsere Gemüter nicht miteinander stimmten, so vermied ich sorgfältig jede Gelegenheit, mit ihr irgend in Verbindung zu kommen, was mir umso leichter gelang, da sie auch ihrerseits aus demselben Grunde jeden Verkehr mit mir zu vermeiden suchte. Ich wundere mich also gar nicht über ihre Bosheit. Um indes wieder auf dich zu kommen, so ist das, was ich jetzt eben für dich getan, keineswegs schon genug; ich will, was ich angefangen habe, auch vollenden. Es ist in der Tat noch nicht genug, daß ich den Zauber, durch den du so boshafter Weise von aller menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen worden wärest, gelöst habe, du mußt sie jetzt auch noch, wie es sich gebührt, bestrafen, indem du in dein Haus zurückkehrst und darin das Ansehen, welches dir zukommt, wieder geltend machst, wozu ich dir die Mittel und Wege an die Hand geben will. Unterhalte dich jetzt einen Augenblick mit meiner Mutter, ich komme sogleich wieder.«
Meine Befreierin ging jetzt in ein kleines Nebengemach, und während sie darin verweilte, hatte ich nochmals Gelegenheit, der Mutter an den Tag zu legen, wie sehr ich ihr und der Tochter zu Dank verpflichtet sei.
»Meine Tochter,« sagte sie zu mir, »ist, wie du siehest, in der Zauberkunst nicht minder erfahren als Amine, aber sie macht einen so guten Gebrauch davon, daß du dich wundern würdest, wenn du wüßtest, wieviel Gutes sie vermöge dieser ihrer Wissenschaft schon getan hat und noch täglich tut. Darum habe ich sie von jeher immer machen lassen, und so auch jetzt noch. Wenn ich wahrnähme, daß sie ihre Kenntnis im mindesten mißbrauchte, so würde ich es nicht dulden.«
Die Mutter hatte eben angefangen, mir einige dieser wunderbaren Begebenheiten, bei denen sie selber Augenzeuge gewesen, zu erzählen, als die Tochter mit einer kleinen Flasche in der Hand wieder hereintrat.
»Sidi Numan,« sagte sie zu mir, »meine Bücher, die ich soeben nachgeschlagen, sagen mir, daß Amine in diesem Augenblick nicht bei dir zu Hause ist, aber daß sie unverzüglich nach Hause zurückkehren wird. Sie sagen mir ferner, daß die Treulose sich vor deinen Dienern so stellt, als wäre sie über deine Abwesenheit in großer Unruhe, und daß sie dieselben überredet hat, dir sei beim Mittagessen irgend ein Geschäft eingefallen, welches dich genötigt habe, unverzüglich auszugehen, beim Weggehen habest du die Tür offen gelassen, darauf sei ein Hund hereingekommen und bis in den Saal gelaufen, wo sie gegessen, den sie mit Stockschlägen habe wegjagen müssen. Kehre also, ohne Zeit zu verlieren, mit diesem kleinen Fläschchen, welches ich dir hiermit übergebe, in dein Haus zurück. Wenn man dir die Tür geöffnet haben wird, so warte in deinem Zimmer so lange, bis Amine zurückkommt; sie wird nicht lange ausbleiben. Sobald sie kommt, so gehe bis in den Hof hinunter ihr entgegen und stelle dich ihr Stirn gegen Stirn gegenüber. In der Bestürzung, dich so unerwartet wiederzusehen, wird sie dir den Rücken zuwenden, um die Flucht zu ergreifen; spritze du dann etwas von dem Wasser aus diesem Fläschchen, das du in Bereitschaft halten mußt, auf sie hin, und sage dabei ganz dreist folgende Worte:
»Empfange hiermit die Strafe für deine Bosheit!«
Weiter sage ich dir nichts; die Wirkung wirst du schon sehen.«
Nach diesen mir unvergeßlichen Worten meiner Wohltäterin nahm ich, da nichts mehr mich hinderte, von ihr und ihrer Mutter Abschied mit den Ausdrücken der vollkommensten Dankbarkeit und mit der aufrichtigen Versicherung, daß ich ewig der ihnen schuldigen Verpflichtung eingedenk sein würde, und kehrte sodann nach Hause zurück.
Alles ging so, wie die junge Zauberin es mir vorausgesagt hatte. Amine blieb nicht lange aus. Als sie sich näherte, trat ich ihr mit dem Wasser in der Hand entgegen, um sie damit zu bespritzen. Sie tat einen lauten Schrei, und als sie sich umdrehte, um die Tür wieder zu erreichen, bespritzte ich sie mit dem Wasser und sprach die Worte, welche die Zauberin mich gelehrt hatte. Sie ward sogleich in eine Stute verwandelt, und zwar in dieselbe, welche Euer Majestät gestern sah.
Augenblicklich und noch mitten in der Überraschung, in der sie sich befand, faßte ich sie bei den Kammhaaren, zog sie ungeachtet ihres Sträubens in meinen Stall, warf ihr eine Halfter über, und nachdem ich sie unter den härtesten Vorwürfen über ihr Verbrechen und ihre Bosheit angebunden, züchtigte ich sie mit Peitschenhieben so lange, bis ich vor Müdigkeit nicht mehr konnte, doch behielt ich mir für jeden der folgenden Tage eine ähnliche Züchtigung an ihr zu vollziehen vor.
Beherrscher der Gläubigen,« fuhr Sidi Numan fort, indem er seine Erzählung schloß, »ich wage zu hoffen, daß Euer Majestät mein Betragen nicht mißbilligen, sondern finden wird, daß eine so bösartige und so gefährliche Frau mit mehr Nachsicht behandelt worden ist, als sie verdiente.«
Als der Kalif sah, daß Sidi Numan nichts weiter zu sagen hatte, sagte er zu ihm: »Deine Geschichte ist einzig in ihrer Art, und die Bosheit deiner Frau ist unverzeihlich. Buch verdamme ich nicht ganz die Züchtigung, die du sie bisher hast empfinden lassen. Indes wünsche ich, daß du überlegest, welch eine große Strafe es für sie ist, zu einem Tiere erniedrigt worden zu sein, und daß du dich damit begnügest, sie in diesem Zustande büßen zu lassen. Ich würde dir sogar befehlen, dich an die junge Zauberin, welche diese Verwandlung hervorgebracht hat, zu wenden und von ihr eine Lösung dieses Zaubers zu bewirken, wenn mir nicht die Halsstarrigkeit und die nie zu bessernde Verstocktheit solcher Zauberer und Zauberinnen, die ihre Kunst mißbrauchen, bekannt wäre, und wenn ich nicht von ihrer Seite irgend eine Wirkung ihrer Rache gegen dich befürchtete, welche noch schlimmer sein könnte als die frühere.«
Der Kalif, der von Natur sanft und mitleidig gegen Leidende war, selbst wenn sie es nicht verdienten, wendete sich, nachdem er dem Sidi Numan seine Willensmeinung erklärt hatte, an den dritten von den dreien, welche der Großwesir Giafar hatte kommen lassen.
»Kodjah Hassan,« sagte er zu diesem, »als ich gestern an deinem Hause vorüberging, schien es mir so prächtig zu sein, daß ich zu wissen wünschte, wem es gehörte. Ich erfuhr, daß du es habest erbauen lassen, nachdem du früher ein Gewerbe getrieben, welches dir kaum so viel einbrachte, um davon leben zu können. Man sagte mir zugleich, daß du dich nicht verkennest, daß du einen guten Gebrauch von den Reichtümern machst, die dir Gott gegeben, und daß deine Nachbarn tausenderlei Gutes von dir erzählen. Alles dieses,« fuhr der Kalif fort, »hat mir viel Vergnügen gemacht, und ich bin überzeugt, daß die Mittel und Wege, auf welchen es der Vorsehung gefallen hat, dir ihre Gaben zufließen zu lassen, von ganz außerordentlicher Art sein müssen. Ich bin neugierig, sie aus deinem eigenen Munde zu erfahren, und mir diese Befriedigung zu verschaffen, habe ich dich kommen lassen. Rede also ganz offen mit mir, damit ich mit destomehr Vergnügen und Einsicht an deinem Glück teilnehmen kann. Damit aber dir meine Neugierde nicht Argwohn errege, und damit du nicht etwa glaubst, daß ich noch einen andern eigennützigeren Anteil an deinem Glücke nehme, so erkläre ich dir hiermit, daß ich, anstatt irgend einen Anspruch darauf zu machen, dir vielmehr meinen Schutz bewillige, um es in ungestörter Sicherheit genießen zu können.«
Nach diesen Versicherungen des Kalifen warf sich Kodjah Hassan vor dem Throne nieder, berührte mit der Stirn den Teppich, der darauf gelegt war, und sagte dann, nachdem er wieder aufgestanden: »Beherrscher der Gläubigen, jeder andere als ich, der sein Gewissen nicht so rein und unbefleckt fühlte, als ich es fühle, hätte beim Empfang des Befehls, vor dem Throne Euer Majestät zu erscheinen, erschrecken können. Doch da ich gegen Euch niemals andere Gesinnungen gehegt habe als die der Ehrfurcht und Ehrerbietung, und da ich nie etwas gegen den Euch schuldigen Gehorsam, noch gegen die Gesetze getan habe, was mir Euren Unwillen irgend hätte zuziehen können, so war das einzige, was mich bekümmerte, die Besorgnis, daß ich den Glanz Euer Majestät nicht würde ertragen können. Indes da dem allgemeinen Rufe zufolge Euer Majestät mit so viel Güte den geringsten Untertan annimmt und anhört, so habe ich mich wieder beruhigt und nicht gezweifelt, daß Ihr mir selber den Mut und die Zuversicht einflößen würdet, Euch die verlangte Auskunft zu geben. Dies hat nun Euer Majestät soeben getan, indem Ihr mir Euren mächtigen Schutz zusichert, ohne daß Ihr wisset, ob ich ihn verdiene. Gleichwohl hoffe ich, daß Ihr diese mir so werten Gesinnungen nicht zurücknehmen werdet, wenn ich, um Eurem Befehl zu genügen, von meinen Abenteuern Bericht abgestattet haben werde.«
Nach dieser höflichen Anrede, wodurch er sich das Wohlwollen und die Aufmerksamkeit des Kalifen zusichern wollte, und nachdem er sich einige Augenblicke auf das, was er sagen wollte, besonnen hatte, begann Kodjah Hassan in folgenden Worten seine Erzählung: