Anonymus
Der wunderbare Hund
Anonymus

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Die XII. Klasse

Erzählt, wie dem Taussäs sein guter Herr gestorben ist, die guten Tage aufgehört haben, er seinen Abschied bekommen hat und an einen Abt in ein Kloster rekommandiert worden ist.

Diese meine Glückseligkeit nahm unversehens gleichwohl ein baldiges Ende.

Denn mein guter Herr, welcher eines langen Lebens wohl wert gewesen wäre, legte sich nieder und starb, und mit ihm zugleich alle meine Wohlfahrt.

Denn sobald der Herr tot war, sobald begehrte niemand, einige Kurzweil mit dem Taussäs zu machen oder zu haben.

Und weil ich also nichts mehr taugte, so bekam ich meinen Abschied und wurde des verstorbenen Herrn Beicht-Vater überlassen, welcher mich auch mit in das Kloster nahm.

Hier ging es mir bei weitem nicht so wohl als bei meinem verstorbenen Herrn.

Der Abt, der hatte mich zwar lieb, allein ich kam aber selten zu ihm, weil er meiner Künste wenig achtete, außer wenn er vornehme Gäste hatte.

Den Prior bekam ich zeitig zum Feind, denn derselbe hudelte mich gar zu sehr, also daß ich's endlich überdrüssig wurde und ihm nicht mehr parieren wollte.

Worüber er sich so erzürnte, daß er die Karbatsche kriegte und mir das Fell jämmerlich zergerbte.

Weil er es aber gar zu braun machte, so erwischte ich ihn bei einem Bein und versetzte ihm mit meinen Zähnen ein solches Denkmal, daß er von mir ablassen und davonhinken mußte.

Wiewohl er aber dieses der Schande halber nicht sagen durfte, so war er mir doch hernach so gram, daß er mich auf alle Weise und Wege verfolgte.

Bald stieß er mich mit Füßen, bald versetzte er mir eines mit dem Stab, bald gab er mich bei dem Prälaten fälschlich an und suchte mich gar abzuschaffen.

Ja, er entzog mir auch die Nahrung, daß ich oft dachte, ich müßte Hungers sterben. Und obgleich ich auch mit Schmeicheln seine Gunst wiederum zu erwerben hoffte, so half es doch alles nichts.

Ich befand also, daß der geistliche Zorn unaufhörlich und unerträglich ist.

 

Diese Verfolgung aber diente zu meinem Besten, denn ich wurde ganz andächtig und wünschte von Herzen, meine hündische Gestalt wieder loszuwerden.

Ich ging deswegen täglich zur Messe und verrichtete mein Gebet in Ermangelung der Worte mit Seufzen.

Es kam mich auch ungefähr eine Begierde an, Gottes Wort zu hören, und ich verfügte mich deshalb einmal in die Kirche, eben zu der Zeit, da man predigte.

Der Prediger hatte sein Methodum von der Mäßigkeit und schalt so jämmerlich aufs Fressen und Saufen, daß einem die Haare hätten mögen zu Berge stehen.

Von den Säufern kam er auf die Flucher und erzählte von denselben allerhand Historien.

Und endlich kam er auch auf die Amt-Leute, die die armen Untertanen hart drücken, ihnen das ihrige öfters wegnehmen lassen, ja, so gottlos manchmal mit ihnen verfahren, daß sie sich auch nicht scheuen, die einzige Kuh, die mancher arme Bauer in seinem Vermögen noch hat, aus dem Stall wegzunehmen.

O, himmelschreiende Sünde! die Strafe des Höchsten wird für euch Amt-Leute nicht ausbleiben.

Welche Predigt mich also bewogen hat, daß mir die Zähren aus den Augen geronnen sind, weil ich eben auch dergleichen Übeltaten an meinen Untertanen, als ich noch Amts-Schösser war, verübt habe.

Ich konnte auch vor Ängsten dieser Predigt nimmer länger zuhören, sondern habe mich mit größter Wehmut davongemacht, bin auch nimmer wieder ins Kloster gekommen, weil mir das Kloster-Leben nicht anständig war, und ich ohnedies nichts anderes als lauter Verfolgung von dem Prior hätte leiden und erdulden müssen.

Muß ich gleich zu allen Zeiten
Auf der Welt Verfolgung leiden;
Lauf deshalb nur nicht davon,
Taussäs denk, es ist dein Lohn.

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