Peter Altenberg
Prosaskizzen
InhaltInhalt
- Peter Altenberg
- Selbstbiographie
- Ort Altenberg
- Siebzehn bis dreißig
- Fünfundzwanzig
- Fünf-Kreuzer-Tanz
- Der Abend
- Absinth »Schönheit«
- Alm
- An Lande
- Apollotheater
- At Home
- Die Auffassung
- Baden bei Wien
- Baden bei Wien im Frühling
- Beja Flor
- Berühmtheit
- Der Besuch
- Besuch
- Blumen-Korso
- Die Bonne
- Der Brand
- Ein Brief aus Akkra (Westküste, Goldküste)
- Aus der »Briefsammlung P. A.«
- Britische Tänzerinnen
- Bei Buffalo Bill
- Café de L'Opéra (im Prater)
- Café Capua
- Café-Chantant
- Locale Chronik
- Costüme-Ball im Wiener Künstler-Hause
- Dienstboten
- (in "Märchen des Lebens", Berlin 1911)
- Über das »Drahn«
- Eisenhandlung. Wien
- Onkel Emmerich
- Brief einer englischen Tänzerin aus Rom an Peter
- Episode
- Ereignis
- Erinnerung
- Erinnerung (2)
- Erinnerungen
- Erlebnis
- Erlebnis (2)
- Erlebnis (3)
- Erlebnis (4)
- Fahrt
- Meine Films
- Kabarett »Fledermaus«
- Kabarett »Fledermaus« (2)
- Kabarett »Fledermaus« (3)
- Fleiß
- Fluch der Schönheit
- Forellenfang
- Der Fortschritt
- Gartentheater in der »Kunstschau«
- Die »Gelsen«
- Akolés Gesang, Akolés süßes Lied
- Ein Geschäft
- Gespräch
- Die Glücklichsten
- Sommerabend in Gmunden
- Mein Gmunden
- Grammophonplatte
- Mein grauer Hut
- Gregory-Truppe
- Yvette Guilbert
- Heimat
- Heldin
- Herbst am Semmering
- Herbstabend
- Herrensitz in U.
- Gussy Holl
- Moderne Hotelleitung
- Das Hotelzimmer
- Die Hütten (abends)
- Wiens Hygiene
- Meine Ideale
- Idylle
- Infektion
- Im Jänner, auf dem Semmering
- Japanisches Papier, Pflanzerfaser
- Jause
- Journalistik
- Kaffeehaus
- Amerikanische Keulenwerfer
- Die Kinderzeit
- Die Kindheit
- Kinematograph-Theater
- Das Kino
- Preisklettern
- Knofeleben
- Der »Koberer« (Kuppler)
- Die Königswiese in der Vorderbrühl
- PA-Kollier
- Konditorei im Seestädtchen
- Die Kontrolle
- Meine Korrespondenz
- Kriegshymnen
- Künstlerfest
- Die Kundschaft
- Landeindrücke
- Landgasthaus
- Landpartie
- Landpartie (2)
- Landpartie und die Liebe
- Der Landungssteg
- La Zarina
- Lift
- Luci-fer, Licht-Bringer
- Luftveränderung
- Wirkliches Märchen
- Wie einst im Mai
- Die Mama
- Die Maus
- Onkel Max
- Cleo de Mérode
- Mitzi von der Lamingson-Truppe
- Die Mitzi
- Brief an Mitzi von der »Lamingson-Truppe«, Dänin
- Moulin Rouge, »Venedig in Wien«
- Musterschutz
- Musik
- Myosa
- Nach dem Balle
- Nachmittag in den Badener städtischen Anlagen oberhalb des Kurparkes
- Nachtcafé
- Die Natur
- Die Post-Novize
- Variété-Nummer 15, nach 10 Uhr abends
- Nachwinter
- Unser Opernhaus
- Der Ort K. nächst Wien
- Ostermontag auf dem Semmering
- Nachtlichter
- Paradies
- Parfüm
- Das Personal
- Interessante Alpenpflanzen
- Pleite
- Sonnenuntergang im Prater
- Verzauberte Prinzessin
- Restaurant Prodromos
- In einem Wiener »Puff«
- Quartett-Soireé
- Der Tag des Reichtums
- Die Reifen-Künstler
- Angenehme Reise-Eindrücke
- Das Reisen
- Reminiszenzen
- Reporter und Dichter
- Rheingold
- Romantik der Namen
- Ronacher, Variétébesprechung
- Etablissement Ronacher
- Rückkehr vom Lande
- Artistische Rundschau, Wien
- Große Prater-Schaukel
- Der Schloßherr
- Über Schreibfedern
- Das Schreibmaschin-Fräulein
- Schubert
- Seelöwen
- See-Ufer 1903
- Semmering
- Winter auf dem Semmering
- Semmering-Photogravüren
- So sollte es immer sein
- Der Sommer
- Sommernacht in Wien
- Sommerreise
- So wurde ich
- Spätherbst-Abend
- Spätsommer-Nachmittag
- Der Spazierstock
- Sport
- Stadtgärten
- Im Stadtpark
- Stammgäste
- Stammtisch
- Regeln für meinen Stammtisch
- Das Hotel-Stubenmädchen
- Nächtliche Szene
- Tabarin
- Tanz
- Ich trinke Tee
- Theater-Abend
- Tope
- Tramway-Szene zehn Uhr nachts Baden – Wien
- Der Trattnerhof
- Trinkgelder
- Der Trommler Belín
- Venedig in Wien
- Vergnügungslokal
- Verkehr zwischen Menschen
- Vöslau
- Im Volksgarten
- Im Volksgarten
- Volksgarten-Jungfräulichkeit
- Vor-Vorfrühling
- Wagenpartie
- Das Waldhotel
- Weshalb ich nicht aufs Land gehen kann
- Wintersport
- Wintersport (2)
- Wolfgang-See
- Zimmereinrichtung
- Es geht zu Ende
- Zwölf
Peter Altenberg
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Die Königswiese in der Vorderbrühl
(in "Märchen des Lebens", Berlin 1911)
Ganz von dunklem Wald umsäumt, wie ein riesiger Teich von hellem grünen Grase. Das wunderbare Gras, nur spärlich untermischt mit lila und rosa Blüten, ist vor dem Tritte des Wanderers beschützt. Gleichsam ein jungfräulicher Grasboden. So sind die Wiesen dort, wo noch kein Entdecker hingekommen ist, so waren die Wiesen, bevor es Menschen auf der Erde gab. Ziehende Wolken machen Teile der Wiese plötzlich dunkel, während andere Teile wieder plötzlich stärker erglänzen infolge des Windes, der die Halme legt. Verlorene Baumgruppen stehen da wie kleine Inseln, ein bißchen Schatten spendend für niemand. Um die ganze riesige Wiese herum führt ein Spazierweg, hart an dem dunklen Tannenwald an. Die Sonne extrahiert aus Wiese und Wald einen intensiven Parfüm. Man müßte ein Büchlein schreiben nur über Wiesen. Die Wiese, dort, »wo die Großstadt abrinnt, abtropft«, dicht besetzt, belegt mit Kindermädchen und Kindern, vom Staub der nahen Landstraße gemartert, und absterbend, dennoch ein wenig Erholung spendend, in späten Abendstunden vielleicht sogar Glück – – –
Die wunderbare Bodenwiese auf dem Gahns, dem Vorberge des Schneeberges, über die man zwei Stunden lang geht und die 100 Mäher vier Wochen lang abmähen. Das edle Kohlröserl blüht dort zahlreich, das sanft nach Schokolade duftet.
Dann die feuchte Wiese, durch die ein Bächlein fließt. Die trockene kurzgrasige ausgedörrte Wiese. Die Wiese, die infolge von bestimmten Halmen mehr braun aussieht. Die Wiese, die infolge bestimmter Blüten mehr weiß aussieht. Die gelbe Wiese. Die lila Wiese. Die kurzen Wiesen auf dem Hochschneeberg, belegt mit dicken grauen Schneeflecken und dichtem schwarzen Zirbelholzgestrüpp. Die wie künstlich gefärbte Wiese im Hausgärtchen, bespickt mit zarten Rosenstöckchen. Die Wiese auf dem englischen Landsitz, die erst durch dreihundertjährige Züchtung zu dem geworden ist, was sie ist, die edelrassige Wiese.
Der Essayist würde sagen: »Kehren wir nun nach dieser kurzen Abschweifung zu unserem ursprünglichen Thema zurück – – –«.
Nun gut, kehren wir dahin zurück. Wie ein riesiger Teich von hellgrünem Grase liegt die Königswiese in der Vorderbrühl, eingebettet zwischen dunklen Wäldern. Überall ringsherum sind Bänke, gleichsam Parkettsitze, um die Wiese und ihre wechselvollen Schönheiten zu bewundern. Aber selten gleitet ein träumerischer liebevoller Blick über sie hin. In Mondnächten atmet sie sogar weiße Nebel aus. Aber niemand sieht es.
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