Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Das Kino

(in "Semmering 1912", Berlin 1913)

Ich schleudere hiermit meinen Bannfluch gegen alle jene, die in »bestgemeinter Absicht« oder aus Geschäftsinteresse, sich in neuerer Zeit gegen die Kinotheater wenden! Es ist die beste, einfachste, vom öden Ich ablenkendste Erziehung, besser jedenfalls, tausendmal besser als die bereits als »freche Gaunerei« entlarvte »Kunstdarbietung«, ausgeheckt in ehrgeizigen, verdrehten Gehirnen und präpariert für den »seelischen Poker-Bluff«; infame Düpierung einfach-gerader Menschenseelen! Im Kino erlebe ich die Welt, und selbst die erfundenen Sketches sind schon, der Natur der Sache nach, auf edel-primitive Wirkung hin gearbeitet, Seelenkonflikte à la »3 und 2 macht 5«, nicht aber absichtlich 6 oder 7! Das Volk soll sich erheben für die Kinotheater und sich nicht neuerdings in kleinsten und belanglosesten Angelegenheiten beschwatzen und betören lassen von den »psychologischen Clowns« der Literatur! Meine zarte 15jährige Freundin und ich, 52jähriger, haben bei dem Natursketch: »Unter dem Sternenhimmel«, in dem ein armer französischer Schiffzieher seine tote Braut flußaufwärts zieht, schwer und langsam, durch blühende Gelände, heiß geweint! Wehe euch, deren »trockenen Geist« wir »trockenen Herzens« angeblich begeistert genießen müssen! Wir müssen und wollen nicht!

Ein »berühmter Schriftsteller« sagte zu mir: »Wir sind jetzt unter uns, was finden Sie eigentlich Besonderes an den Kinovorstellungen?!?«

»Nein,« sagte ich, »wir sind nicht unter uns, sondern Sie sind unter mir!«

 


 


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