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Man thät eine alte Prophezeihung ausspüren
Lilli burlero bullen a – la.
Lero lero, lilli burlero, lero lero, bullen a – la. :|:
»Ein Esel und ein Hund sollt' über Irland regieren.«
Lilli burlero etc.
Und jetzo triffts ein nun; stoß an mit dem Gläsel:
Lilli burlero etc.
Denn Talbot ist der Hund und Jacob der Esel,
Lilli burlero etc.
Die Spottballade von Lilliburlero.
Der ehrwürdige Sir Alexander Tennison war ganz wider seinen Willen genöthigt in einem Aufzuge mit zu figuriren, von dem er sich um hundert Meilen entfernt wünschte. Das Gerücht vom Anzuge eines päpstlichen Gesandten hatte sich mit Blitzesschnelle über die bewegte Gegend verbreitet, und Unwille und Neugier auf ein über ein Jahrhundert nicht erblicktes Schauspiel eine ungeheure Anzahl Zuschauer herbeigelockt. Obwohl Sunderland, sobald er davon Nachricht erhalten, dem Nuncius einen Eilboten entgegen gesandt hatte, mit der dringenden Aufforderung alles Aufsehn zu vermeiden, so war doch D'Adda nicht der Mann, dessen Eitelkeit den Rücksichten des staatsklugen Ministers gewichen wäre. Im Gegentheil ließ er sein Gefolge im vorletzten Orte sich auf das prächtigste herausschmücken, und zog unter dem Schall der Trompeten dem Lager des Königs entgegen. So sehr der Dechant die gefährliche Nähe des päpstlichen Nuncius verwünschte, war es ihm doch jetzt nicht mehr möglich sich von demselben zu trennen, ohne ein Aufsehn zu verursachen dessen Folgen er nicht berechnen konnte, wozu ihm überdies die Willenskraft abging. Indessen beruhigten ihn die schmeichelhaften Versicherungen des Irländers, welcher an seinen Wagen reitend ihm so viel von dem Wohlwollen des Königs vorsprach und dessen Wunsche, auf diese Art einen römischen Abgesandten zu empfangen, daß der Dechant über die Bilder vom königlichen Wohlgefallen das eigene Misbehagen vergaß.
Daß der Irländer, was den König betraf, keine Unwahrheit gesprochen, zeigte sich bald. Mehrere Schwadronen der Gardedragoner, angeführt von jungen Edelleuten aus den Ersten des Reiches bildeten schon weit vor dem Eingange ins Lustlager ein Spalier, während mehrere Hofbeamte in prächtigen Festkleidern unter Trompeten und Posaunen den Nuncius außer demselben empfingen. Anna machte zuerst auf die Unschicklichkeit diesem ceremoniellen Zuge und zwar im Reisewagen sich anzuschließen, aufmerksam, und der Dechant hatte schon so viel Kraft gewonnen dem Kutscher zuzurufen, er solle umdrehn, möchte auch aus dieser entscheidenden That, was da wolle entspringen. Aber es war zu spät. Rechts und links hinderten Pferdeköpfe, Kürasse und Partisanen das Ausbiegen, und erst, als der ganze Zug vor dem Thore anhielt, gewann der Prälat einen Augenblick die Kutschenthüre seitwärts zu öffnen und hinauszuschlüpfen. Kaum aber daß seine Nichte und George ihm gefolgt waren, setzte sich alles wieder in Bewegung, und die leere Karosse des Dechanten Tennison begleitete den Nuncius des Papstes um von dem Monarchen der vereinigten Königreiche empfangen zu werden.
König Jacob hielt auf einem freien, etwas höher als das übrige Lager liegenden Platze. Rings um ihn in vollem Glanze sein militairischer und geistlicher Hofstaat. Aber glänzender als das Gold und Silber auf den reichgestickten Kleidern strahlte das Antlitz des Fürsten. Seinem Winke gehorchte eine Truppenmenge, unüberschaubar, wie keiner seiner Ahnen sich einer gleichen rühmen können. Gebändigt lag nicht allein die Rebellion, deren Opfer sein Vater geworden, deren Schmerzen das Leben seines Bruders vergiftet; auch der freie Geist des Volkes war gebeugt und der stolze Traum, den er ins Leben zu führen mit eiserner Beharrlichkeit gestrebt, ein Traum, den nur auszusprechen schon ein Verbrechen war, ärger als der Hochverrath, schien seiner Verwirklichung nahe. So gewannen seine herben Züge eine Freudigkeit, die aber, wer Jacob jetzt zum erstenmale sah, wenig einnehmen konnte, da eine unbändige Siegesfreude, gepaart mit unerbittlichem Stolze, daraus hervorleuchtete; wer ihn aber kannte, dem dünkte diese seltsame Mischung so furchtbar, daß er gern – aus eines Königs huldreichem Antlitz! – sich zurückzog.
Aber nicht der ganze Hof theilte die Freude des Gebieters, wie unterwürfig auch Alle auf seine Worte lauschten; eine Unterwürfigkeit, die in den Hofcirkeln seines Bruders ungewöhnlich, ja von dem zweiten Karl selbst nicht geliebt war. Nur der Vater Peter, jetzt im Geheimenrathe, mit einer Stimme, welche man die gewichtigste in England nennen mochte, überstrahlte noch die Freudigkeit seines königlichen Beichtkindes. Seine Augen lachten, und mit Recht, denn aus dem unterwürfigen Jesuiten, der, wo er sich blicken ließ, dem Tode verfallen schien, war ein Mann geworden, vor dem die Ersten des Reichs sich beugten; und von demselben, der früher als ein beschränkter Kopf gegolten, holten die Weisesten sich Rath, und die Klügsten bekannten von eingefleischten Vorurtheilen durch ihn bekehrt zu sein. In seiner Nähe stand ein Paar, welches, der Geneigtheit ungeachtet, mit welcher der König sich zu ihnen wendete, von den Uebrigen gemieden zu werden schien. General Kirk zeigte, trotz der glänzenden Staatskleider, in seinem Benehmen, daß er ein Soldat war, der von der Pike auf gedient hatte, und seine Mienen verriethen, daß er sich wohlgefällig dieses Benehmens im Gegensatz zu dem höfischen ringsum bewußt sei, wie er denn selbst wenn der König mit ihm sprach, sich kaum vor ihm neigte. Geschmeidiger zeigte sich zwar der Freund, welcher mit ihm die Frucht gleicher Blutschulden theilte, Jefferies, für seine unmenschlichen Grausamkeiten im Westen zum Pair und Kanzler des Reichs ernannt, allein ein noch furchtbarerer Dünkel leuchtete aus seinen Blicken. Wo seine lüsternen unstäten Augen aus dem rothen häßlichen Gesichte hinfielen, glaubte man die Wirkung eines Brennspiegels zu empfinden, und sein Lächeln konnte Kinder schreien machen. Er ging und stand gebeugt, aber man fürchtete, er könne sich jeden Augenblick aufrichten, um, wie die Schlange, vernichtend auf das erwählte Opfer loszufahren.
Unter den Ministern, deren Einfluß mit jedem Tage sank, bemerkte man nur einen mit heitrer Stirn. Sunderland war der erste vornehme Engländer, welcher aus Gefälligkeit für den König sich von dessen Beichtvater bekehren lassen. Immer unterwürfig, und aufmerksam horchend auf den Vater Peter, schien es in der That, als habe der geschmeidige Höfling den Trost des Lebens im Umgange mit dem Jesuiten gefunden, während die Menge der Meinung war, Sunderland beherrschte durch erheuchelte Demuth den Beichtvater und durch den Beichtvater den König. Halifax sah zu spät, daß alle Künsteleien nichts helfen, Mäßigung und Einigkeit da zu erzwingen, wo durch Parteienhaß die Grundfesten des Staates untergraben sind. Kaum noch dem Namen nach Präsident des Ministerrathes, wurde der einst so einflußreiche auch in den unbedeutendsten Angelegenheiten nicht mehr befragt. Selbst die beiden Schwäger des Königs, Graf Clarendon und der neue Graf Rochester, Söhne des großen Clarendon, der für seine reine Anhänglichkeit, von demselben Könige dem er wieder zum Thron verholfen, geächtet im Auslande gestorben war, auch diese, Erben der väterlichen Treue, büßten ihr hartnäckiges Beharren am protestantischen Glauben mit der Ungnade. Clarendon, als Vicekönig in Irland durch den blutigen Talbot, nachherigen Grafen von Tyrconnel verdrängt, berieth sich mit dem Bruder, ob sie die Dienste eines Königs verlassen sollten, für den ihre Familie sich hingeopfert hatte. Selbst die von allen Parteien anerkannte Redlichkeit des Minister Godolphin konnte ihn nicht vor dem Schicksale bewahren, welches drohend sich Allen näherte, die den ererbten Glauben nicht wollten fahren lassen. Merkwürdiger schien, daß auch drei Lords, die als Katholiken und Märtyrer ihres Glaubens der besondern Zuneigung des Monarchen sich rühmen konnten, den trüben Ernst, der auf den Stirnen der Minister lagerte, theilten. Lord Bellasis, Arundel und Powis hatten, während des papistischen Complotts im Tower schmachtend, die Macht der Volkswuth kennen gelernt und fürchteten, die unüberlegten Maasregeln des Königs, könnten jene von neuem erwecken. Zufrieden, frei ihren Glauben in dem protestantischen Lande bekennen zu dürfen, waren sie es, welche am freisten dem Könige von dem kühnen Bekehrungsplane abriethen, ohne in ihm einen willigen Zuhörer zu finden.
Nur Churchill, der von Jahr zu Jahr in Gunst und Ehren gestiegen war, zeigte noch heut jene weltmännische Unbefangenheit, die ihn in seiner Jugend Glück und Unglück, wie Spiele des Zufalls, mit gleich heiterm Sinn betrachten ließ. Wie ein gedankenloser Jüngling haschte er umher nach Zeitvertreib, und schien im Genuß, den ihm der Augenblick bot, verloren, während doch einzelne Blitze seines Auges verriethen, daß noch eine Welt vor dieser Seele liege, daß er jetzt vielleicht nur träume um aus dem Traume zum Leben zu erwachen.
»Gedenkt Ihr noch, Churchill,« sagte der König zu ihm, als der Zug sich näherte, »was Ihr mir nach dem Schiffbruch zutrankt? Wer, mit menschlicher Schwachheit, konnte damals dies voraussehn?«
»Und wer, Sir, sieht voraus, was noch kommen wird?« entgegnete der Hofmann mit schmeichelhaftem Lächeln.
»Der Herzogshut!« flüsterte Jacob. »Die Zeit mag nahe sein.«
»Majestät,« entgegnete der Lord, den Kopf in den Nacken werfend, »später, später! Der Kopf will noch wachsen; jetzt möchte er noch den freien Wuchs drücken.«
Der Zug war herangekommen, der König, die katholischen Pairs, Räthe und Officiere, hatten, ein unerhörter Anblick für den Engländer, ihr Knie vor dem Abgesandten des Papstes gebeugt, um den Segen zu empfangen. Der König erhob sich zuerst wieder, aber wie weit er umherblickte, nur eine Compagnie Irländer war niedergekniet; ringsum standen die bärtigen Grenadiere wie Mauern, und selbst Individuen, von denen er wußte, daß sie katholisch waren, hatten es nicht gewagt unter ihren Cameraden niederzufallen. »Es soll anders werden!« murmelte er zwischen den Lippen und faßte Churchill unter dem Arm, um mit ihm den Aufzug des Legaten in nähern Augenschein zu nehmen, während D'Adda mit einer anmuthigen, weniger dem römischen Prälaten als einem galanten Ritter ziemenden Leichtigkeit zu ihm vom Pferde gesprungen war.
»Was meint Ihr zu dem Schauspiel, Churchill?« fragte der König.
»Ich dachte an die alte Komödie unseres wilden Genies; wo König Johann, seeligen Andenkens, ohne Land vor dem Kardinale kniet, um die Krone Englands, die ihm doch eigenthümlich gehörte, als Präsent des Papstes zurück zuerhalten.«
Der König wandte sich unzufrieden zum Nuncius und unterhielt sich italiänisch mit ihm während der hergebrachten Begrüßungsformeln, und der ceremoniellen Vorstellung aller Edelleute, welche zur Gesandschaft gehörten oder sich derselben angeschlossen hatten. Auch der Wagen des Dechanten war jetzt vorgefahren. Er hielt zu den Füßen des Königs, der seine Verwunderung ausdrückte, daß der Insitzende nicht früher ausgestiegen sei. Die Heiducken flogen herbei, der Kutschenschlag wurde aufgerissen, aber der leere Wagen blickte den König an, ohne daß die verschüchterten Bedienten gewagt hätten, eine Erklärung über den Zusammenhang zu geben, der ihnen selbst nicht klar war. Sunderland hatte ihn indessen erfahren, oder mit scharfem Blicke errathen.
»Sir!« sagte er mit lauter Stimme, »dies ist der Staatswagen des Dechanten Alexander Tennison. Der Hochwürdige Herr, der schon so oft in Diensten der königlichen Sache seine gelehrte Feder ergriffen, hat es übernommen den Gesandten Seiner Heiligkeit zu Euer Majestät zu führen, ganz wie es einem so würdigen, königlich gesinnten Prälaten ziemt.«
Der Nuncius ermangelte nicht mit wenigen Worten die Dienste des Prälaten zu rühmen. »Aber, wo ist er denn selbst geblieben?« sagte der König, sich nach ihm umblickend. »Hat er es für genug gehalten durch seinen leeren Wagen uns seine Aufmerksamkeit zu bezeugen?«
Sunderland hatte den Prälaten und seine Nichte wohl bemerkt. Er zog ihn aus dem Winkel, wo dieser sich verbergen wollte, hervor, und die Aufmerksamkeit des versammelten Hofes fiel auf Sir Alexander, der vergebens sein bestäubtes Reisekleid vorschützte, dem ergangenen Rufe nicht Folge zu leisten, und sein schönes Mündel, das zwar eben so ungern, aber mit weniger Befangenheit in den glänzenden Kreis trat.
»Sir!« sagte Sunderland, für den in der Gegenwart der Majestät verstummenden Geistlichen, »Sir Alexander Tennison wünscht, wie er schon oft schriftlich gethan, jetzt persönlich Euer Majestät seine Glückwünsche für das frohe Ereigniß des heutigen Tages zu Füßen zu legen. Nur in dieser Absicht hat der würdige Mann seinen, so fruchtreichen Studien gewidmeten, Landsitz verlassen; ein ehrenwerthes Beispiel allen anglicanischen Geistlichen in loyaler Unterwürfigkeit gegen den Willen Seiner Majestät zu geben. Möge er viele Nachfolger zählen!«
Große Momente adeln auch schwache Seelen und leihen Männern oft eine Kraft, an der sie in andern Verhältnissen selbst gezweifelt hätten. Sir Alexander hatte im Angesicht der Majestät einen Muth gesammelt zu einer Rede, von der selbst Sunderland späterhin zu ihm bedauerte, daß kein Schnellschreiber sie zu Papier gebracht habe. Weitläufig ließ er sich aus, wie er mit dem Gesandten »des hohen Fürsten in Rom« zusammengetroffen, wie er ihm seine Dienste aus keinem christlichen und loyalen Standpunkte verweigern können, wie er immer den Dienst gegen den Gesalbten des Herrn im Auge behalten. Durch eine geschickte Wendung kam er auf den Zweck seiner Reise, und ging dabei mit möglicher Schonung gegen den päpstlichen Nuncius alle Glaubens- und liturgischen Lehren der hohen Kirche durch, nicht ohne die kontroversen mit den Sectirern und auch die, jedoch mit größerer Vorsicht, mit der römischen Kirche zu berühren. Er selbst gestand sich nachher, nie mit größerer Freiheit und zugleich eindringender diesen ernsten Gegenstand berührt zu haben, hatte aber den Schmerz nach einer viertelstündigen Rede zu erfahren, daß die erlauchte Person, an welche sie gerichtet war, vielleicht auch kein Wort vernommen hatte.
Der Hof bestand aus den feinsten Frauenkennern, deren Augen, durch die trügerischen Schneiderkünste jedes Ballkleides dringend, über die wahren Formen und wahren Reize auf den ersten Blick sich im Klaren befanden. Die Damen, welche öffentlich am Hofe erschienen, waren seit Karls Zeiten einem jeden Hofmann so genau durch eigenes Glück oder vertrauliche Freundes-Mittheilungen bei Weingelagen bekannt, daß kein Mahl, keine falsche Locke, keine Pariser Wattirung, ja selbst kein Liebeshandel Geheimniß blieb. Wo die Schönheit ein solches Gemeingut geworden war, konnte nur Witz oder Neuheit reizen, und die Erscheinung einer frischen jugendlichen Gestalt, welche im bestäubten Reisekleide unbefangen unter den Großen des Reiches stand, mußte alle Blicke fesseln, wenn man auch nicht in Miß Annens Augen jene schelmische Klugheit gelesen hätte, die hier als die bewährteste Waffe der Schönen galt. Es kam dazu, daß Lord Churchill etwas von der Geschichte ihrer Liebe zu Fletcher von Salton erfahren hatte. Die Erzählung cursirte natürlich mit den nöthigen Zusätzen sogleich unter den Anwesenden, und aller Augen wollten das beherzte Mädchen sehen, welches den tapfersten Haudegen des Königreichs entführt und so lange gefangen gehalten. Auch König Jacob war in derselben Schule erzogen, in der sein Bruder Karl und die sogenannten Kavaliere ihre loyale Abneigung gegen Pietismus und Presbyterianismus auf seltsame Weise an den Tag legten. Seine Bekehrungsversuche blieben, aller Einreden der Königin und des Beichtvaters unerachtet, so lange er regierte, doppelter Art, und die bei seinen Unterthaninnen angewandten sollen von weit glücklicherem Erfolge gewesen sein als die bei den Unterthanen.
Man behauptet, daß Miß Annens Gestalt ihm nicht minder als seinen Kavalieren gefallen habe; dies hat sich nie erörtern lassen, ausgemacht aber bleibt, daß sie ihm besser als die ihres Oheims behagt, denn während der ganzen langen Rede desselben, verwandte er den Blick nicht von dem Gesichte der Nichte. Er wagte sogar einige zarte Galanterien ihr zuzuflüstern, welche die Schöne, ohne verschüchtert zu werden, oder aufzumuntern, schnell beantwortete. Von allem diesem merkte der Dechant, der mit feuchter Stirn, die Augen zu Boden gerichtet, seine Rede abhaspelte, nicht das Geringste, wie ihm denn selbst das feine Gelächter der Hofleute entging. Jetzt schloß er die Glaubenserörterung mit einem sehr geschickten Uebergange auf seine Hoffnung: die verheißene Pfründe zu erlangen. Als der Fürst an der Pause merkte, daß er ausgeredet habe, hielt er es auch seinerseits für nöthig etwas zu erwiedern. Das Wort Pfründe klang ihm noch in den Ohren; Sunderland hatte den Dechanten als einen der katholischen Kirche geneigten Geistlichen vorgestellt, so glaubte er – da wir gern glauben was wir wünschen – es handle sich um eine Bekehrung und der Prälat wolle nur in Voraus eine sichernde Zusage erhalten. Sehr leutseelig, aber den halben Blick noch auf Miß Anna geheftet, erwiederte er deshalb:
»Es soll keiner meiner Unterthanen an Besitz und Eigenthum, seines Glaubens willen, gekränkt werden. Und sind auch die Pfründen nicht canonisch verliehen, will ich sie doch Niemand darum entziehen, weil er erst so spät in den Schooß der Mutterkirche zurückkehrt. Wir hoffen Sir Alexander Tennison mit seinem liebenswürdigen Mündel bald in Whitehall zu sehen.«
Eine solche Zusicherung konnte auf nichts anderes deuten, als daß die Bekehrung des ganzen protestantischen Englands schon im Werke sei. Wie günstig auch gemeint, mußte sie daher auf den Dechanten wie ein Donnerschlag bei heiterm Himmel wirken. Wie paßte die Antwort zu seiner Rede, die das ganze Glaubensbekenntniß der Anglicaner enthielt? Er verstummte, und Jacob, der dies als ein günstiges Zeichen ansah, ergriff Miß Annens Hand und legte sie in seinen Arm indem er ihr zuflüsterte:
»Haben wir eine eben so gläubige als liebenswürdige Bekennerin an diesem Tage gewonnen, so soll er als doppelter Festtag in unserm Hauskalender bekreuzt stehn.«
»Auf ein Kreuz, Sir, hoffe ich wenigstens Anspruch zu haben,« entgegnete Anna, »da ich meinem Gatten eines in die Ehe mitbringe.«
»Hat Miß Anna schon den beneidenswerthen Kreuzträger erwählt? Ich wollte einen neuen Orden dieser Kreuzritter stiften, und mich selbst als den ersten weihen lassen –«
»Wenn Euer Majestät noch der jugendliche Prinz wären,« sagte Vater Peter schnell einfallend, »der wohl auf Abenteuer umherirrte ehe er denn ein Königreich, eine Königin und gläubige Unterthanen hatte, deren zeitliches und ewiges Heil insgesammt ihm anvertraut ist. Jetzt aber dürfte die Zeit der Ritterschaft vorüber sein, zumal da in diesem Augenblicke aller Augen auf Euer Majestät gerichtet sind, um den Boten Seiner Heiligkeit in die kleine Kapelle der Gläubigen zu führen.«
In der That hatte sich schon In der Ferne die Procession geordnet, welche den Nuncius zur Messe geleiten sollte. Der König wiederholte seinen Wunsch zur Nichte, sie in Whitehall wieder zu sehen, und faßte plötzlich wie in Gedanken den Oheim, der ihm zunächst stand, unter den Arm, ihn mit sich in der Procession führend. Sir Alexander vergaß über diese ungeheure Ehre das Peinliche seiner Lage. Er ließ die Nichte stehen und folgte der Monstranz und den dampfenden Weihkesseln der Chorknaben. Der Verlassenen nahm sich zwar Lord Churchill an, und führte sie zu ihrem Wagen; aber mit jedem Schritt, den der Dechant weiter that, näherte er sich der Kapelle, und von beiden Seiten starrten ihn Blicke an, so furchtbar protestantisch, daß er die seinen nicht zu erheben wagte. Schon brannten aus den geöffneten Flügelthüren die hundert Kerzen den Wallfahrenden entgegen, schon erscholl das Klingeln und der Dechant konnte nicht abstehn, er konnte sich vom Könige nicht losreißen, während ihn dessen Nähe nicht einmal vor den Schmähworten schützte, die von nah und fern aus gepreßter Brust gegen den Geistlichen sich Luft machten, der sich nicht entblödete im Anglicanischen Amtskleide einer Procession zu folgen, und eine papistische Kapelle zu betreten.
Plötzlich stockte der Zug; es galt in vorgeschriebener Ordnung dreimal um die Kapelle und dann hinein ziehn. Aber ein unerwarteter Vorfall war hinzu getreten. Der Herzog von Sommerset, in den ersten Hofwürden, blieb an der Schwelle stehen, indem er sich weigerte, mit dem Schwerte des Königs, das er dem Zuge vorantrug, über die Schwelle zu treten. Der aufgebrachte Monarch nahte sich ihm mit einem nicht königlichen Ungestüm, während der Herzog ihn durch ruhige Festigkeit noch mehr reizte. Er behauptete, daß dieser Schritt über die katholische Schwelle nach Englands Gesetzen zum Schaffotte führen könne.
»Ob Englands Gesetze, oder Englands König höher stehen, könnte der nächste Augenblick entscheiden,« sagte Jacob mit der bittern Schärfe, die Frucht der Kämpfe, aus denen sein Leben bestanden.
»Sir!« entgegnete der Herzog, »wenn auch Eure Majestät so hoch stehn, steht doch Ihr loyaler Diener nicht über dem Gesetze.«
Lord Arundel drängte sich heran, er flüsterte dem Könige die Bitte zu, jetzt vor den Augen der Menge nicht auf seinem Willen zu bestehn, Sunderland erinnerte daß Sommerset von je der eifrigste Tory gewesen, er bat den Herzog mit einer schonenden oder witzigen Wendung, aus dem Spiel zu lassen, selbst Vater Peter blickte ängstlich umher, und der König hätte auf dem Gesichte des treusten Dieners seiner religiösen Wünsche lesen mögen, daß er zu weit gehe, aber alles vergeblich. Je größern Widerstand er fand um so mehr erstarkte der Wille; je größer die Versammlung war um so heißer das Verlangen seine eiserne Kraft zu zeigen.
»Sir!« sagte er, als der Herzog unbeweglich vor der Schwelle stand, mit gepreßten Lippen: »Und keinen Schritt weiter?«
»Keinen Schritt weiter,« sagte Sommerset, »als meine Pflicht mir erlaubt.«
»Euer Vater würde weiter gegangen sein, und Euer Vater war ein loyaler Mann.«
»Und Euer Majestät Vater« entgegnete der unerschrockene Herzog, »würde nie so weit gegangen sein, und König Karl I. war ein weiser König.«
»Man nehme dem Herzog das Schwert ab, und weil ihm der Dienst lästig scheint, streiche man ihn von der Liste meiner Geheimenräthe. Auch erlaube ich ihm, da seiner Gesundheit die Landluft vermuthlich besser zusagt, den Hof zu vermeiden.«
Churchill empfing auf des Königs Befehl das Reichsschwert aus des Herzogs Händen, der sich schweigend mit einer feierlichen Verbeugung zurückzog. In dem Augenblicke hatte Jemand die Unbesonnenheit, die Ankunft der sieben Bischöfe zu melden, welche eine Petition beim Könige einreichen wollten, daß den anglicanischen Geistlichen die höchst drückende Aufgabe erlassen werde, die allgemeine Gewissensfreiheit von den Kanzeln zu proclamiren. Sunderland verläugnete so weit den Hofmann, daß er aus Unwillen mit dem Fuß auf den Boden stampfte. Jacob aber rief mit von Zorn blitzenden Augen:
»Sie sollen übers Meer gehn und meinem aufmerksamen Schwiegersohn ihre Bitte vortragen. Ich will indeß an ihrer Stelle Männer ernennen, mit lauter Stimme wie die Posaunen vor Jericho, daß wenn sie meine Proclamation von den Kanzeln lesen, die Mauern ihrer anglicanischen Kirchen zersprengen sollen.«
Sunderland, schnell gefaßt, legte den Anmeldenden die Rede dahin aus, daß Seine Majestät die Botschaft der Bischöfe erst morgen in seinem Pallast empfangen könne. Noch von Zorne glühend, betrat der König die Kapelle, und das Volk meinte, er habe knieend vor dem Altare das Gelübde abgelegt mit Feuer und Schwert sein ketzerisches Volk, wenn es hartnäckig bleibe, zu vertilgen. Die Geschichte schweigt davon, aber die täglich aus Irland herüberkommenden Nachrichten; wie man alle Protestanten nackt aus der Armee stoße, wie man katholische Räuberschaaren auf protestantische Gemeinden loshetze, wie der blutgierige Talbot nur dann nach den Gesetzen frage, wenn sie zu Gunsten der Katholiken sprächen, nährten das Gerücht, welches gegen Ende dieser Regierung bei der großen Masse zur Ueberzeugung wurde, daß Jacob den fanatischen Irländern zugesagt habe, wenn England sich binnen Jahresfrist nicht bekehre, das ganze katholische Irland zu bewaffnen und auf das protestantische England zu Raub, Mord und Vertilgung loszulassen.
Wenn Alle mit dem zuletzt Vorgefallenen unzufrieden waren, hatte doch der Dechant gewonnen. Die Aufmerksamkeit hatte sich von ihm abgezogen, er konnte der Messe entweichen, und pries sein günstiges Glück, das ihn mitten unter den Schmähungen des Pöbels seinen Wagen und sein Gefolge erreichen ließ, mit dem er unverzüglich den Weg nach London einschlug.