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VII.
Der Kampf.

Gleich Schakalen heulend und ihre Waffen schwenkend stürzten die Banditen durch das Lager. Der Hauptmann hatte ihnen erlaubt, die Eroberung zu Mord und Raub zu benützen; ohne sich also an ihr Treiben zu kehren, eilte er auf das Zelt zu. Doch hier war ihm der Zugang versperrt.

Der General hatte sieben oder acht Mann um sich versammelt und erwartete nun die Banditen unerschrockenen Muthes; er wollte lieber untergehen, als diesen Elenden gestatten, daß sie seine Nichte berührten.

Bei dem Anblick des alten Soldaten, der mit funkelndem Auge in der einen Hand ein Pistol, in der andern den Säbel hielt, zögerte der Hauptmann einen Moment und stieß dann einen Ruf aus, der rasch ein Dutzend seiner Raubgenossen um ihn sammelte.

»Raum gegeben!« rief er, seinen Säbel schwingend.

»Drauf!« lautete die Antwort des Generals.

Die beiden Führer stürzten jetzt auf einander los; ihre Leute folgten dem Beispiel und es kam zu einem wilden Handgemenge, das um so erbarmungsloser wüthete, als man wußte, daß man beiderseits keine Schonung zu erwarten hatte. Jedem war es nur darum zu thun, tödtliche Streiche zu führen, ohne daß er sich die Mühe nahm zu pariren; man achtete die eigene Todeswunde nicht, wenn nur der Gegner mit in den Fall verstrickt wurde. Auch die Verwundeten richteten sich wieder auf, um mit ihren Dolchen noch einen von den Kämpfern zu treffen.

Ein so wüthender Kampf konnte nicht lange dauern. Bereits waren alle Lanceros erlegen, und auch der General stürzte unter einem Streiche des Hauptmanns, der sich auf den Gefallenen warf und ihn geschickt mit seinem Gürtel knebelte, um ihm die Fortsetzung des Widerstandes unmöglich zumachen.

Der General hatte nur leichte Wunden erhalten, da der Hauptmann aus Gründen, welche ihm allein bekannt waren, den Greis schonen wollte und ihn deshalb auch im Kampfe durch wirksame Paraden gegen die Säbelhiebe der Banditen schützte. Er wollte seinen Gegner lebendig sehen und erreichte auch diesen Zweck.

Allerdings deckten jetzt sämmtliche Mexikaner den Wahlplatz; aber der Sieg war auch den Räubern theuer zu stehen gekommen, von denen mehr als die Hälfte zu den Gefallenen gehörte. Der Neger des Generals hatte mit einer gewaltigen Keule, die er sich selbst aus einem jungen Baumstamm gefertigt, lange sich seiner Gegner erwehrt und erbarmungslos jeden niedergeschlagen, welcher sich unvorsichtig in den Bereich seiner Waffe wagte. Endlich wurde er durch einen Lasso zu Boden gestreckt und der Hauptmann rettete dem Halberwürgten noch in dem Augenblick das Leben, als eben ein Räuber den Arm erhob, um ihm den Garaus zumachen.

Als der Hauptmann sah, daß der General außer Stande war, sich zu rühren, stieß er einen Freudenschrei aus, sprang, ohne des Blutes zu achten, das ihm aus zwei Wunden strömte, über den Körper seines Gegners, der sich machtlos zu seinen Füßen wand, wie ein Tiger hinweg und drang in das Zelt. Es war leer – Donna Luz verschwunden.

Der Hauptmann stand wie vom Donner gerührt. Was war aus dem Mädchen geworden? In dem kleinen, fast aller Möbel baaren Zelte hatte sie sich unmöglich verbergen können. Der Eindruck auf dem Bette zeigte, daß Donner Luz bis zum Augenblick des Ueberfalls darauf geruht hatte. Jetzt aber war sie verschwunden wie ein Luftgeist, ohne daß man Spuren ihrer Flucht wahrzunehmen vermochte. Ihr Entkommen schien dem Räuber um so unbegreiflicher, da der Angriff auf das Lager von allen Seiten zumal geschehen war. Konnte man einem jungen Mädchen, das eben vor Schrecken aus dem Schlaf aufgefahren, Kühnheit und Geistesgegenwart genug zutrauen, daß es unbemerkt mitten durch die Sieger hindurch zu schlüpfen vermöchte, deren erste Sorge doch gewesen war, alle Zugänge zu bewachen?

Der Hauptmann suchte vergeblich den Schlüssel zu diesem Räthsel. Wüthend auf den Boden stampfend, untersuchte er mit der Dolchspitze die Gepäckballen, welche möglicherweise dem Flüchtling einen vorübergehenden Schutz verliehen, aber ohne Erfolg.

Nachdem er die Ueberzeugung gewonnen, daß durch weitere Nachforschungen im Zelt nichts zu erzielen war, eilte er wieder hinaus und schoß wie ein wildes Thier umher; denn er glaubte; wenn es ihr auch durch eine Art von Wunder gelungen sei, zu entwischen, so werde es doch leicht sein, die Spuren des halbangekleideten Flüchtlings, der in der Nacht und in der Wildniß nothwendig verirren mußte, aufzufinden.

Inzwischen betrieben die Räuber das Plünderungswerk mit einer Geschwindigkeit und mit einer Ordnung in der Unordnung, welche ihrem praktischen Sinn alle Ehre machte. Als sie endlich vom Morden und Rauben erschöpft waren, fielen sie mit ihren Dolchen über die vollen Maycalschläuche her und ließen auf die Scene des Schreckens eine Orgie folgen.

Plötzlich vernahm man aus kurzer Entfernung ein zeterndes Geschrei und ein Kugelregen pfiff über die Banditen hin, welche bestürzt ob dieser Ueberraschung nach ihren Waffen griffen und sich zu sammeln suchten. Im nämlichen Augenblick tauchte ein Schwarm Indianer auf, welche gleich Jaguars über die Gepäckballen wegsetzten und hinter ihnen kam eine Abtheilung Jäger, an deren Spitze sich Treuherz, Belhumeur und der schwarze Elch befanden.

Die Räuber stacken jetzt in einer schlimmen Klemme. Durch die Gefahr, die seinen Leuten drohte, wieder zur Besinnung gebracht, ließ der Hauptmann ab von seinem vergeblichen Suchen, sammelte seine Mannschaft um sich und benutzte geschickt das Getümmel, welches von einem Einfall wie der der Verbündeten unzertrennlich ist, zu der Weisung an die Seinigen, sich nach allen Richtungen zu zerstreuen und so auf die beste Art den Streichen ihrer Gegner auszuweichen.

Nach einer Salve, welche unter den Angreifenden ein kurzes Zögern zur Folge hatte, flogen sie, die beiden einzigen Gefangenen,die sie gemacht hatten, mit sich führend, einem Schwarm häßlicher Urubuse gleich, davon und verschwanden in der Nacht. Aber selbst auf der Flucht versäumte der Hauptmann, welcher bis auf die Letzten geblieben war, um den Rückzug zu decken, keinen Augenblick, so gut wie möglich unter den Felsen nach den Spuren des Mädchens zu suchen. Seine Anstrengung war eitel; kochende Wuth im Herzen zog er ab, während sein Gehirn ob den finstersten Entwürfen brütete.

Treuherz hatte von dem indianischen Kundschafter und namentlich durch den Doctor Nachricht über den versuchten Angriff auf das Lager erhalten; er säumte daher nicht, die vereinigte Mannschaft in Bewegung zu setzen, damit die Mexikaner sobald als möglich Beistand erhielten. Leider waren die Trapper und Comanchen trotz ihrer Schnelligkeit zu spät gekommen; um die Caravane zu retten.

Sobald die Führer des Zugs sich von der Flucht der Räuber überzeugt hatten, brach Adlerkopf mit seinen Kriegern auf, um ihre Fährte zu verfolgen. Treuherz, der nun allein Herr im Lager war, ließ in der Umgegend das Gebüsch und das hohe Gras durchsuchen, in welchem die Banditen keine Nachforschungen hatten anstellen können, weil sie so bald nach Eroberung des Lagers selbst wieder überfallen worden waren.

Die Spähe führte zu der Entdeckung Phöbes, der Dienerin der Sennorita und zweier Lanceros, welche sich in den Stamm eines hohlen Baumes geflüchtet hatten und mehr todt als lebendig von dem schwarzen Elch und einigen Jägern herbeigeführt wurden. Die armen Teufel waren anfangs keinem Trost zugänglich, du sie in die Hände der Räuber gefallen zu sein glaubten, und Treuherz hatte Noth, ihnen begreiflich zu machen, daß die im Lager befindlichen Leute Freunde seien, deren verspätete Ankunft allerdings eine wirksame Hilfe unmöglich machte, die aber nicht daran dächten, ihnen ein Leides zu thun.

Nachdem sie sich endlich hinreichend gesammelt hatten, nahm sie Treuherz in das Zelt und ließ sich von ihnen das Geschehene ausführlich erzählen. Die junge Mestize fand sich weit bälder in die Sachlage; sie gewann am schnellsten ihre Fassung wieder und, da sie außerdem Treuherz erkannt hatte, so hielt es nicht schwer, sie zum Plaudern zu bringen. Der Jäger hatte daher schon in einigen Minuten Auskunft über die schrecklichen Ereignisse, deren Zeuge sie gewesen war.

»Capitän Aquilar ist also gefallen?« fragte er sie.

»Ach ja,« antwortete das Mädchen mit einem Seufzer.

»Und der General?«

»Oh, er hat sich gewehrt wie ein Löwe und ist erst nach einem heldenmüthigen Widerstand gefallen.«

»Er ist todt?« fragte Treuherz mit schmerzlicher Bewegung.

»Nein, nur verwundet. Ich sah, wie die Kerls ihn an mir vorbei trugen und glaube sogar, daß die Wunden nur leicht sind, da die Ladrons ihn im Kampfe schonten.«

»Um so besser,« sagte der Jäger, gedankenvoll den Kopf senkend; dann aber fügte er mit einem leichten Beben in seiner Stimme bei: »und was ist aus Deiner jungen Gebieterin geworden?«

»Aus Donna Luz?«

»Ja, so nennt sie sich, glaub' ich. »Ich würde viel darum geben, wenn ich Kunde von ihr hätte und sie in Sicherheit wüßte.«

»Sie ist es, da sie Euch in der Nähe hat,« ließ sich eine melodische Stimme vernehmen.

Die Sennorita war wirklich da, bleich zwar von der erschütternden Aufregung, die sie durchgemacht hatte, aber ruhig, mit leuchtendem Blick und einem Lächeln auf den Lippen. Die Umstehenden konnten eine Bewegung des Staunens ob der plötzlichen Erscheinung des Mädchens nicht unterdrücken.

»Gott sei gepriesen!« rief der Jäger. »So ist doch unser Beistand nicht ganz unnütz gewesen.«

»Nein,« versetzte sie mit Anmuth; dann aber legte sich ein melancholischer Zug über ihr Antlitz und sie fügte in schmerzlichem Tone bei:

»Ach, ich habe den Mann verloren, der an mir Vaterstelle vertrat, und muß jetzt zu Euch kommen, um Euren Schutz mir zu erbitten, Caballero.«

»Er soll Euch nicht fehlen, Sennorita,« entgegnete er mit Wärme, »und was Euren Onkel betrifft, so werde ich ihn – verlaßt Euch darauf – Euch zurück geben, und müßte ich den Versuch mit meinem Leben zahlen. Ihr wißt,« fügte er bei, »daß Euch nicht erst seit heute mein Dienst geweiht ist.«

Nachdem die erste Aufregung vorüber war, wollte man hören, wie es die junge Dame angegriffen hatte, sich den Nachstellungen der Räuber zu entziehen. Sie erzählte einfach, wie es ihr ergangen war.

Sie hatte angekleidet auf ihrem Bette gelegen; aber die Unruhe ließ sie nicht schlafen und eine geheime Ahnung flüsterte ihr zu, daß Wachsamkeit nöthig sei. Auf das Geschrei der Räuber hatte sie sich entsetzt erhoben und alsbald die schreckliche Ueberzeugung gewonnen, daß sie an eine Flucht nicht denken durfte.Wie sie so in ihrer Noth umherschaute, bemerkte sie, daß in einer Hängematte wirr einige Kleidungsstücke lagen und darüber herunter hingen. Da schien ihr der Himmel einen Gedanken einzugeben. Sie schlüpfte unter die Kleider, ohne in der Unordnung derselben etwas zu stören und duckte sich so klein wie möglich zusammen. Wie nun der Banditenführer überall nach ihr suchte, fügte es Gott, daß er die Hand nicht nach der Hängematte ausstrecken durfte, welche leer zu sein schien. In dieser Lage blieb sie wohl eine Stunde und machte dabei eine Todesangst durch, die sie nicht zu beschreiben vermochte. Erst als sie nach der Ankunft der Jäger Treuherzens Stimme vernahm, die sie sogleich wieder erkannte, gab sie auf's Neue der Hoffnung Raum; sie war aus ihrem Versteck heraus geschlüpft und hatte mit Ungeduld den geeigneten Augenblick erwartet, um sich zu zeigen.

Die Jäger staunten über die einfache und doch so rührende Erzählung und lobten unverholen den Muth und die Geistesgegenwart des Mädchens, denen sie allein ihre Rettung zu danken hatte.

Nachdem im Lager die Ordnung einigermaßen hergestellt war, kehrte Treuherz wieder zu Donna Luz zurück.

»Sennorita,« sagte er, »der Tag wird nächstens anbrechen. Gönnt Euch einige Stunden Ruhe; ich will Euch dann zu meiner Mutter führen, die eine wahre Heilige ist. Wenn sie Euch einmal kennt, so wird sie Euch ohne Zweifel wie eine Tochter lieben. Jedenfalls seid Ihr bei ihr in Sicherheit, während ich Euren Onkel zu befreien suche.«

Ohne auf die Dankesergießungen des Mädchens einzugehen, verbeugte er sich achtungsvoll und verließ das Zelt. Als er verschwunden war, seufzte Donna Luz und ließ sich gedankenvoll auf einen Sitz nieder.


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