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II.
Die Räuber.

Es war Abend. In ziemlich gleicher Entfernung von dem Lager der Mexikaner und Comanchen, in einer von zwei Felsenbergen gebildeten Schlucht lagen ungefähr vierzig Männer um einige Feuer her, welche so placirt waren, daß der Widerschein der Flammen sie nicht verrathen konnte. Die Abenteurer mit ihren gebräunten Gesichtern, den wilden Blicken und ihrer schmutzigen, wunderlichen Kleidung boten ein Bild, das dem satyrischen Griffel Callots oder dem Pinsel eines Salvator Rosa Ehre gemacht hätte. Aus allen Völkern der beiden Welten, von Rußland bis China zusammen gewürfelt, erschienen sie als der vollkommenste Strolchenhaufen, den man sich denken konnte – als ein wahrer Auswurf, den die Civilisation von sich gestoßen hatte und der jetzt seine Zuflucht in den Prairien des Westens suchte. Doch auch in der Wildniß bildeten sie eine gesonderte Bande, welche bald die Jäger, bald die Indianer bekriegte, beide aber an Wildheit und Grausamkeit übertraf.

Mit einem Worte, wir haben es hier mit den Prairieräubern zu thun, welche nicht nur den kühnen einsamen Reisenden, sondern selbst Karawanen anfielen und um ihre Habe erleichterten, oder tückisch im hohen Gras auf die armen Indianer lauerten, um an ihnen die Prämie zu verdienen, welche die väterliche Regierung der Vereinigten Staaten auf jede Kopfhaut eines Ureinwohners gesetzt hat, wie man etwa anderwärts für den Kopf eines Wolfes Schußgeld zahlt.

Diese Bande stand unter dem Befehl des Hauptmanns Waktehno, den der Leser bereits kennen gelernt hat. Es herrschte unter den Banditen eben eine Aufregung, welche auf irgend einen geheimnißvollen Zug schließen ließ. Die Pferde standen gesattelt an Pfähle gebunden, und in bestimmten Abständen sah man Schildwachen, auf ihre langen Büchsen gestützt, stumm und unbeweglich gleich ehernen Statuen.

An dem Hauptmann war eine große Unruhe zu bemerken; er ging mit großen Schritten unter seinen Leuten hin und her, stampfte oft zornig mit dem Fuß und blieb mitunter wieder stehen, um auf die Geräusche in der Prairie zu lauschen. Die Nacht wurde immer dunkler; der Mond war verschwunden, der Wind pfiff dumpf hin die Schlucht herein, und die Räuber hatten sich allmälig schlafen gelegt. Nur der Hauptmann wachte noch.

Plötzlich kam es ihm vor, als vernehme er aus der Ferne zwei Schüsse, auf die Alles wieder still wurde.

»Was hat das zu bedeuten?« murmelte der Hauptmann. »Meine Spitzbuben haben sich doch nicht überrumpeln lassen?«

Er schlug den Mantel fester um sich und schritt in der Richtung, aus welcher er die Schüsse gehört hatte. Die Nacht war jedoch so finster, daß er ungeachtet seiner Ortskenntniß nur mit Mühe durch das Gestrüpp kam, welches ihm den Weg versperrte. Mehrere Mal mußte er halten, um sich zwischen den Felsen und dem Gesträuch wieder zurecht zu finden.

Da glaubte er einmal ein Rasseln in den Blättern, als ob ein Mensch oder ein wildes Thier durch das Dickicht eile, zu vernehmen. Dies bewog ihn, sich unter einem riesigen Akajubaum aufzustellen. Er zog seine Pistolen, um für alle Fälle gerüstet zu sein, und lauschte mit vorgebeugtem Haupte. Alles um ihn her war stille.

»Ich habe mich getäuscht,« murmelte der Räuber und wollte eben seinen Spähgang wieder aufnehmen, als dasselbe Geräusch deutlicher und näher sich wiederholte; auch vernahm er zugleich ein ersticktes Seufzen.

»Beim Himmel, das wird interessant,« sagte er. »Jetzt gilt's, aufzupassen.«

Einige Minuten später sah er im Dunkeln einige Schritte vor sich einen Schatten, wie von einem Menschen hingleiten. Der Gegenstand schien nur strauchelnd und mit Mühe sich fortzubewegen; auch hielt er zeitweilig, als wolle er Kräfte sammeln, und hin und wieder ließ sich ein leiser Schmerzlaut vernehmen.

Der Hauptmann vertrat ihm den Weg. Als die Gestalt auf ihn stieß, fiel sie mit einem Schreckensruf auf die Kniee und murmelte mit erstickter Stimme: »Gnade! Gnade! Tödtet mich nicht.«

»Ha, das ist ja die Amsel,« rief der Hauptmann erstaunt. »Wer Teufel hat ihn so zugerichtet?«

Er beugte sich zu dem Führer nieder, der ohnmächtig geworden war.

»Die Pest über den Einfaltspinsel!« murmelte der Hauptmann ärgerlich. »Wie kann ich jetzt etwas aus ihm herauskriegen?«

Der Räuber steckte die Pistolen in seinen Gürtel, lud den Verwundeten auf die Schulter und kehrte mit ihm in's Lager zurück. Hier ließ er ihn neben einem halberloschenen Feuer nieder, das er durch einige Aeste wieder anfachte, und untersuchte bei der hellern Flamme den bewußtlos vor ihm Liegenden. Die Züge des Führers waren leichenhaft; kalter Schweiß stand auf seiner Stirne, und aus einer Brustwunde quoll das Blut in Strömen.

»Cascaras,!« murmelte der Hauptmann, »der arme Teufel ist übel weggekommen Wenn er mir nur noch sagen kann, wer ihn so zurichtete, und was aus Kennedy geworden ist.«

Gleich allen Waldläufern besaß der Hauptmann einige praktische chirurgische Kenntnisse, und die Behandlung einer Schußwunde brachte ihn nicht in Verlegenheit. So gelang es denn auch seinen Bemühungen, den Ohnmächtigen wieder zum Bewußtsein zu bringen.

Der Führer stieß zuerst einen tiefen Seufzer aus, öffnete die hohlen Augen und blieb eine Weile ruhig liegen, ohne daß er zu sprechen vermochte. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es ihm endlich, die Worte hervorzubringen:

»Es ist Alles verloren, Hauptmann. Unser Plan hat fehlgeschlagen«

»Donnerwetter!« rief der Hauptmann«, zornig auf den Boden stampfend. »Und wie ist dies zugegangen?«

»Das Mädchen ist ein Teufel,« keuchte der Führer mit immer schwächer werdender Stimme.

»Wenn Du kannst,« entgegnete der Hauptmann, dem die Ausrufe des Verwundeten kein Licht gaben, »so erzähle den Verlauf und sage mir, wer Dein Mörder ist, damit ich Dich räche.«

Ein trübes Lächeln flog über die blauen Lippen des Führers.

»Wer mein Mörder ist?« versetzte er in bitterem Tone.

»Ja.«

»Donna Luz.«

»Donna Luz?« rief der Hauptmann, erstaunt aufspringend. »Unmöglich.«

»Hört mich,« erwiederte der Führer. »Meine Augenblicke sind gezählt, und ich werde bald eine Leiche sein. Ein Mensch in meiner Lage lügt nicht.«

»So sprich!« entgegnete der Hauptmann, neben dem Verwundeten niederknieend, um keines seiner Worte zu verlieren, da ihm die Stimme mehr und mehr versagte.

Der Führer schloß die Augen, besann sich eine Weile und sagte dann mit Anstrengung: »Gebt mir Branntwein!«

»Du bist ein Narr; er wird Dich tödten.«

»Nicht doch,« versetzte der Verwundete mit Kopfschütteln; »er wird mir die nöthigen Kräfte geben, Euch zu sagen, was ich weiß. Bin ich nicht schon halb todt?«

»Es ist wahr,« murmelte der Hauptmann.

»So zögert nicht,« erwiederte der Verwundete, »die Zeit drängt und ich habe Euch wichtige Dinge mitzutheilen.«

Der Hauptmann brachte seine Flasche an die Lippen des Führers, welcher begierig einen tiefen Zug that. Eine fieberhafte Röthe färbte darauf die Wangen des Sterbenden, und seine trüb gewordenen Augen funkelten auf's Neue; dann begann er seinen Bericht mit der Bitte, der Hauptmann möge ihm, wenn er ihn schwach werden sehe, zu trinken geben, da er ihn so vielleicht zu Ende bringen könne.

Die lange Erzählung wurde häufig durch Ohnmachtsanwandelungen unterbrochen; am Schluß fügte der Führer bei:

»Ihr seht, daß dieses Weib ein Teufel ist; sie hat mich und Kennedy getödtet. Verzichtet darauf, sie zu fangen; sie ist ein schwer zu erjagendes Wild und es wird Euch nicht gelingen, Euch ihrer zu bemächtigen.«

»Meinst Du, ich gebe auf, was ich mir einmal vorgenommen habe?« versetzte der Hauptmann.

»So wünsche ich Euch gut Glück,« murmelte der Führer. »Meine Sache ist aus und meine Rechnung abgeschlossen Lebt wohl, Hauptmann, ich fahre zum Teufel, wir sehen uns unten wieder.«

Er sank zurück, und als der Hauptmann ihn aufheben wollte, war er todt.

»Glückliche Reise!« murmelte er unbekümmert, faßte die Leiche an den Schultern und schleppte sie in das Gebüsch, wo er sie inmitten des Strauchwerks verbarg. Nach diesem Geschäft kam er zu dem Feuer zurück, wickelte sich in seinen Mantel, legte sich zu Boden und schlief mit dem Troste ein, daß es in einigen Stunden Tag sei und man dann sehen könne, was sich thun lasse.

Räuberschlaf pflegt nicht lange zu dauern, und mit Sonnenaufgang war durch das Lager Alles in Bewegung Die Banditen bereiteten sich zum Aufbruch. Der Hauptmann dachte nicht daran, seinen Entschluß auszugeben, sondern war entschlossen, ihn rasch durchzusetzen, damit die Mexikaner keine Zeit gewannen, unter den weißen Trappern der Prairie eine Hilfsmannschaft zu werben, welche den Erfolg hätte vereiteln können.

Sobald er überzeugt war, daß seine Weisungen verstanden worden, ertheilte er das Zeichen zum Abmarsch, worauf seine Bande sich in Bewegung setzte. An einer Stelle, welche die wünschenswerthe Sicherheit zu bieten schien, stiegen die Räuber ab, übergaben die Pferde der Obhut einiger zuverlässiger Männer und näherten sich dem mexikanischen Lagers,indem sie bald wie ein Vipernschwarm auf dem Boden dahinglitten, bald von Ast zu Ast, von Baum zu Baum kletterten, stets aber die gegen einen Ueberfall schützende Vorsicht beobachteten.


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