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Die wenigen Tage, welche seit der letzten Unterredung mit Don Jaime verflossen waren, hatte der General Don Miguel Miramon nicht unbenutzt vorübergehen lassen.
Entschlossen, eine letzte Partie zu wagen, hatte er dieselbe nicht riskiren wollen, ohne vorher alle für ihn vorhandenen Chancen für sich zu sammeln, um, wenn nicht die Vortheile auszugleichen, so doch das Resultat des Kampfes, wie es auch ausfallen mochte, zu seinen Gunsten zu wenden.
Der Präsident beschäftigte sich nicht allein mit der Recrutirung und Bildung seiner Armee, um dieselbe auf respectablen Fuß zu setzen, sondern da er sich nicht verbergen konnte, wie sehr die Wegnahme der sechsmalhundertsechszigtausend Piaster der englischen Convention, im Hause des Gesandten dieser Nation selbst, ihm nachtheilig gewesen war, so machte er energische Anstrengungen, um das Uebel wieder gut zu machen, und leitete Unterhandlungen ein, durch welche er sich verpflichtete, das Geld, dessen er sich so widerrechtlich bemächtigt, London wieder zu ersetzen. Er machte als Entschuldigung dieser kühnen Handlung geltend, daß es nur ein Act der Wiedervergeltung gegen M. Mathew, den Geschäftsträger der britannischen Regierung gewesen sei, dessen unausgesetzte Machinationen und feindselige Demonstrationen gegen die anerkannte Regierung Mexiko's den Präsidenten in die Lage versetzt hatten, in der er sich befand. Als Beweis für die Wahrheit dieser Behauptung führte er an, daß man nach der Schlacht bei Toluca in dem Gepäck des zum Gefangenen gemachten General Degollado einen eigenhändigen von M. Mathew geschriebenen Angriffsplan auf Mexiko gefunden habe, was eine Handlung der Treulosigkeit von Seiten eines Repräsentanten einer befreundeten Regierung constituire.
Der Präsident hatte, um dieser Erklärung mehr Kraft zu verleihen, das Original dieses Planes den in Mexiko residirenden ausländischen Gesandten gezeigt, dann hatte er es übersetzen und in der officiellen Zeitung veröffentlichen lassen.
Diese Publication brachte ganz die Wirkung hervor, welche der Präsident davon erwarte, indem sie den instinctmäßigen Haß der Bevölkerung gegen die englische Nation erhöhte und ihm wieder einige Sympathien zuführte.
Miramon verdoppelte darauf seine Anstrengungen und so gelang es ihm endlich, achttausend Mann zusammenzubringen, freilich eine schwache Zahl gegen vierundzwanzigtausend, welche ihn bedrohten; denn der General Huerta, der lange Zeit gezögert, hatte sich endlich entschlossen Morelia an der Spitze von viertausend Mann zu verlassen, welche sich mit den elftausend von Gonzalez Ortega, mit den fünftausend von Gazza, Amondia und den viertausend von Aureliauo Carvajal und Cuellar vereinigten, und in der That eine Gesammtmacht von vierundzwanzigtausend Mann bildeten, welche sich in Geschwindmärschen Mexiko näherten und bald daselbst erwartet werden konnten.
Die Lage wurde mit jedem Tage kritischer. Die Bevölkerung, welche die Pläne des Präsidenten nicht kannte, war in der größten Unruhe, da sie jeden Augenblick die Juaristencolonnen erscheinen zu sehen und allen Schrecken einer Belagerung ausgesetzt zu werden fürchteten.
Miramon indessen, der vor allen Dingen die Achtung seiner Landsleute zu erhalten strebte und die Befürchtungen der Bevölkerung zu beruhigen suchte, entschloß sich, den Magistrat zu berufen.
Dann bemühte er sich, in einer warmen Rede diesen Repräsentanten der Bevölkerung der Hauptstadt darzulegen, daß es nie seine Absicht gewesen sei, die feindliche Armee hinter den Mauern der Stadt zu erwarten, daß er vielmehr entschlossen sei, sie in offenem Felde anzugreifen, und welches auch das Resultat einer Schlacht sein würde, hätte die Stadt doch keine Belagerung zu befürchten.
Diese Versicherung beruhigte ein Wenig die Furcht des Volkes und unterdrückte wie durch Zauber die Versuche des Aufruhrs, welchen die Parteigänger Juarez' bei den auf den Plätzen versammelten Gruppen zu erregen suchten, die seit einigen Tagen sich dort fortwährend aufhielten, ja selbst die Nacht daselbst bivouaquirten.
Als der Präsident glaubte, alle Vorsichtsmaßregeln getroffen zu haben, welche die Umstände von ihm forderten, um den Feind ohne zu großen Nachtheil angreifen und die nöthigen Kräfte zum Schutze der Stadt zurücklassen zu können, berief er einen letzten Kriegsrath, um über den angemessensten Plan zu berathen, wie der Feind zu überraschen und zu schlagen sein könne.
Dieser Kriegsrath dauerte mehre Stunden.
Zahlreiche Pläne wurden vorgeschlagen, von denen einige, wie dies stets bei ähnlichen Umständen geschieht, unausführbar waren, während andere, wenn sie angenommen worden wären, die Regierung vielleicht gerettet haben würden.
Leider ließ sich hierbei der sonst so kluge und vorsichtige Präsident durch sein persönliches Gefühl fortreißen, anstatt das wahre nationale Interesse in Betracht zu ziehen.
Don Benito Juarez ist Advocat: wir wollen beiläufig erwähnen, daß er seit der Proclamation der mexikanischen Unabhängigkeit, der einzige Präsident der Republik war, der nicht aus den Reihen der Armee hervorgegangen, sondern der Magistratur angehörte.
Da nun aber Juarez nicht Soldat war, so konnte er sich nicht an die Spitze seiner Armee stellen; auch hatte er seinen festen Wohnsitz in Vera-Cruz genommen, welches er vorläufig zu seiner Residenz gemacht, und Don Gonzalez Ortega zum Befehlshaber mit der ausgedehntesten Macht in Bezug auf die Kriegskunst ernannt, indem er sich vollständig seinen Kenntnissen und Erfahrungen in dieser Beziehung unterordnete. Was dagegen die Diplomatie anlangte, so nahm er sein Recht vollständig in Anspruch, da er durch den General Ortega, der ein sehr tapferer Soldat, aber ein sehr schlechter Diplomat war, nicht durch einen falsch angewendeten Edelmuth in den Erfolgen, die er von seiner hinterlistigen Politik erwartete, compromittirt sein wollte.
Der General Ortega war derjenige, durch welchen Miramon bei Silao besiegt worden war; das Gefühl dieser Niederlage war im Herzen des Präsidenten unauslöschlich geblieben und er empfand den lebhaften Wunsch, den Schimpf, den er bei dieser Gelegenheit empfangen hatte, abzuwaschen. Da vergaß er seine gewöhnliche Vorsicht, und drang gegen die Meinung seiner weisesten Räthe darauf, daß der erste Angriff gegen das von Ortega befehligte Corps gerichtet werden sollte.
Uebrigens fehlte es den Motiven, die er für seinen Entschluß anführte, nicht an einer gewissen Logik.
Er behauptete, daß wenn es gelänge, Ortega zu schlagen, der an der Spitze des zahlreichsten Corps stände, die Demoralisation sich der übrigen feindlichen Armee bemächtigen würde, mit der man es alsdann leicht aufnehmen könnte.
Der Präsident unterstützte seine Meinung mit so viel Beredtsamkeit und Halsstarrigkeit, daß es ihm endlich gelang, die Opposition der Mitglieder des Kriegsrathes zu besiegen und ihre Zustimmung zu seinem Plane zu erhalten. Sobald einmal diese Entscheidung getroffen war, wollte der General keinen Augenblick mehr verlieren, um dieselbe in Ausführung zu bringen, und so ordnete er denn für den nächsten Tag eine Revüe über alle Truppen an und setzte noch denselben Tag zum Abmarsch fest, um die Begeisterung der Soldaten nicht erkalten zu lassen.
Als der Kriegsrath endlich geschlossen wurde, zog sich der Präsident in sein Zimmer zurück, um seine letzten Dispositionen zu treffen, seine persönlichen Angelegenheiten zu ordnen und einige ihn compromittirende Papiere, die er nicht gern zurücklassen wollte, zu verbrennen.
Schon seit mehren Stunden hatte sich der Präsident in seinem Cabinet eingeschlossen, es war bereits spät am Abend, als ein Huissier ihm den Besuch Don Jaime's meldete. Er befahl, ihn sogleich vorzulassen.
Der Abenteurer trat ein.
»Ihr erlaubt mir, fortzufahren, nicht wahr,« sagte er lächelnd zu ihm, »ich habe nur noch einige Papiere in Ordnung zu bringen, dann wird Alles geschehen sein.«
»Lassen Sie sich nicht stören,« gab ihm Don Jaime zur Antwort, indem er sich auf eine Butacca niederließ.
Der Präsident fuhr in seiner auf einen Augenblick unterbrochenen Arbeit fort.
Don Jaime betrachtete ihn eine Weile mit unbeschreiblicher Trauer.
»Also Ihr Entschluß ist unwiderruflich gefaßt, General?« sagte er.
»Ja, der Würfel ist gefallen! ich habe den Rubicon überschritten, würde ich sagen, wenn es nicht lächerlich wäre, mich mit Cäsar zu vergleichen; ich werde meinen Feinden die Schlacht anbieten.«
»Ich tadle diesen Entschluß nicht, er ist Ihrer würdig, General; gestatten Sie mir die Frage, wann Sie aufzubrechen gedenken?«
»Morgen, gleich nach der Revüe, die ich anbefohlen habe.«
»Gut, ich habe alsdann noch Zeit, zwei bis drei intelligente Männer auf Recognoscirung auszuschicken, die Sie genau von der Stellung des Feindes unterrichten werden.«
»Obwohl bereits Mehre zu demselben Zweck auf dem Wege sind, so nehme ich doch Euer Anerbieten dankbar an, Don Jaime.«
»Wollen Sie nun die Güte haben, mir zu sagen, welcher Richtung Sie zu folgen und auf welches Corps sie den Angriff beschlossen haben?«
»Ich will den Stier bei den Hörnern nehmen; ich beabsichtige Gonzalez Ortega anzugreifen.«
Der Abenteurer schüttelte den Kopf, ohne daß er eine Bemerkung zu machen wagte.
»Es ist gut,« sagte er.
Miramon verließ darauf seinen Schreibtisch und setzte sich neben ihn.
»Nun ich bin fertig,« sprach er; »jetzt gehöre ich ganz Euch an, laßt sehen, was Euch zu mir führt, ich errathe, daß Ihr mir einige wichtige Mittheilungen zu machen wünscht. Sprecht, Don Jaime, ich höre.«
»Sie sind durchaus nicht im Irrthum, General, ich habe in der That Ihnen eine Angelegenheit von der größten Wichtigkeit mitzutheilen, wollen Sie die Güte haben und von diesem Schreiben Kenntniß nehmen?«
Und er reichte dem Präsidenten ein zusammengefaltetes Papier.
Der Präsident nahm und las es, ohne daß auf seinem Gesicht das geringste Zeichen von Ueberraschung zu erkennen war, dann gab er es dem Abenteurer zurück.
»Haben Sie die Unterschrift gelesen?« fragte dieser.
»Ja,« erwiderte er kalt, »es ist ein Beglaubigungsschreiben Don Benito Juarez' an Don Antonio Cacerbar, um ihm bei seinen Anhängern zu dienen.«
»Das ist es in der That, General; es bleibt Ihnen jetzt wohl kein Zweifel über den Verrath dieses Mannes?«
»Nein, keiner.«
»Verzeihen Sie mir die Frage, General, was gedenken Sie zu thun?«
»Nichts?«
»Wie, nichts?« rief dieser überrascht.
»Nein, ich werde nichts thun,« wiederholte er.
Der Abenteurer machte eine Geberde der Bestürzung.
»Ich verstehe Ew. Excellenz nicht,« murmelte er.
»Hört mich an, Don Jaime, und Ihr werdet meine Handlungsweise begreifen,« antwortete er mit sanfter, zum Herzen dringender Stimme. »Don Franziska Pacheco, der Gesandte Ihrer Majestät der Königin von England, hat mir seit seiner Ankunft in Mexiko unermeßliche Dienste erwiesen. Nach der Niederlage von Silao, als meine Lage eine sehr schwankende geworden war, hat er nicht gezögert, meine Regierung anzuerkennen; seitdem hat er mich mit den besten Rathschlägen überhäuft; seine Handlungsweise gegen mich ist so wohlwollend gewesen, daß er seine diplomatische Stellung dadurch compromittirt hat, und sobald Juarez an's Ruder gelangt, wird er ihm den Laufpaß geben. Der Sennor Pacheco weiß Alles, und dennoch bleibt sein Benehmen gegen mich, in dem Augenblick, wo ich fast verloren bin, dasselbe. Auf ihn allein, das gestehe ich Euch, zähle ich, um im Fall einer wahrscheinlichen Niederlage nicht für mich, wohl aber für die unglückliche Bevölkerung der Stadt und für die Personen, die durch ihre Freundschaft für mich sich in letzter Zeit stark compromittirt haben, von dem Feinde günstige Bedingungen zu erhalten. Nun aber ist dieser Mann, dessen Verrath Ihr mir denuncirt – und ich muß hinzufügen, dergestalt auf frischer That denuncirt, daß nicht der geringste Zweifel in dieser Beziehung bleibt – nicht allein Spanier und Träger eines großen Namens, sondern er ist mir auch persönlich durch den Gesandten empfohlen worden, der, das bin ich überzeugt, zuerst der Betrogene bei dieser Gelegenheit gewesen ist. Der Hauptzweck der Mission des Sennor Pacheco, Ihr wißt es, ist: Satisfaction zu erlangen für zahlreiche, seiner Nation zugefügte Beleidigungen und Bedrückungen, deren Opfer er seit mehren Jahren gewesen ist.«
»Ja, General, das weiß ich.«
»Wohl; was würde nun der Gesandte denken, wenn ich nicht allein einen Spanier vom höchsten Adel des Königreichs, sondern auch einen Mann, den er mir empfohlen hat, des Hochverraths anklage; glaubt Ihr, daß ein solches Verfahren von meiner Seite schmeichelhaft für ihn sein würde, für ihn, der nicht aufgehört hat, mir Dienste zu erweisen und vielleicht bald noch mehr thun wird? Ihr könntet mir vielleicht einwenden, ich sollte diesen Brief nehmen und allein mit dem Gesandten diese Angelegenheit abmachen; aber, mein Freund, auf diese Weise würde die Beleidigung noch ernster sein, wie Ihr selbst aus Folgendem urtheilen werdet: Don Franzisko Pacheco ist der Repräsentant einer europäischen Regierung, er gehört der alten Schule der Diplomaten aus dem Anfange des Jahrhunderts an; aus diesen beiden Gründen und noch anderen, die ich mit Schweigen übergehe, hat er für uns anderen Diplomaten und regierenden Amerikaner nur eine geringe Achtung, so sehr ist er von seinem Verdienst und seiner Ueberlegenheit über uns eingenommen. Wenn ich nun dumm genug wäre, ihm zu beweisen, daß er sich durch einen Schurken, der mit der kühnsten Unverschämtheit mit ihm gespielt hat, sich hinter das Licht habe führen lassen, so würde Don Franzisko Pacheco wüthend sein, nicht darüber, sich getäuscht zu haben, sondern weil ich den Betrüger entlarve. Seine verwundete Eigenliebe würde mir nie verzeihen, dieser Vortheil, welchen der Zufall mir über ihn in die Hände giebt, würde aus einem nützlichen Freunde ihn mir zum unversöhnlichen Feinde machen.«
»Die Gründe, die Sie mir anzuführen die Güte haben, General, sind sehr gut, ich gebe es zu, trotz Allem aber ist dieser Mensch ein Verräther.«
»Allerdings, aber er ist kein Dummkopf; wenn ich morgen eine Schlacht liefere und Sieger bleibe, so könnt Ihr überzeugt sein, daß er sich an mein Glück ketten wird, wie er es schon bei Toluca gethan hat.«
»Treu, ja, bis er eine günstige Gelegenheit findet, Euch entschieden zu verrathen.«
»Ich sage nicht nein, aber wer weiß? Vielleicht werden wir in Kurzem die Mittel finden, uns seiner ohne Aufsehen zu entledigen.«
Der Abenteurer überlegte einen Augenblick.
»General,« sagte er plötzlich, »ich glaube, dieses Mittel gefunden zu haben.«
»Vor allen Dingen laßt mich eine Frage an Euch richten und versprecht mir, dieselbe zu beantworten.«
»Ich verspreche es Ihnen.«
»Ihr kennt diesen Mann, er ist Euer persönlicher Feind.«
»Ja, General,« erwiderte er offen.
»Ich zweifelte nicht daran, Eure Erbitterung, ihn zu vernichten, erschien mir nicht natürlich; jetzt laßt Euer Mittel hören.«
»Der einzige Beweggrund, der Sie zurückhält, das haben Sie selbst erwähnt, ist die Furcht, den Gesandten ihrer katholischen Majestät zu beleidigen.«
»Das ist der einzige Grund, Don Jaime.«
»Wohlan, General, wenn der Sennor Pacheco einwilligte, diesen Menschen aufzugeben.«
»Ihr wolltet Das erreichen?«
»Ich werde es erreichen, wenn es sein muß, ich werde mir von ihm ein Schreiben erbitten, worin er nicht allein Don Antonio Cacerbar – wie er sich nennt – aufgiebt, sondern worin er Sie sogar ermächtigen wird, ihn vor die Schranken des Gerichts zu ziehen.«
»Oh! oh! Ihr geht zu weit, scheint mir, Don Jaime,« bemerkte der Präsident zweifelnd.
»Das ist meine Sache, General, die Hauptsache ist, daß Sie in keiner Weise compromittirt werden und ganz neutral bleiben.«
»Das ist mein einziger Wunsch, Ihr kennt die ernsten Gründe dafür.«
»Ich kenne sie, General, ja und ich gebe Ihnen mein Wort, daß Ihr Name nicht einmal ausgesprochen werden wird.«
»Ich meinerseits gebe Euch mein Wort als Soldat, daß wenn es Euch gelingt, das Schreiben zu erhalten, dieser Elende auf der Plaza-Mayor erschossen werden soll, selbst wenn ich die Macht nur noch eine Stunde in Händen habe.«
»Ich werde Sie beim Wort halten, General; überdies besitze ich eine Vollmacht, die Sie so gütig waren, mir auszustellen; ich werde diesen Elenden, sobald der Augenblick gekommen sein wird, selbst verhaften.«
»Habt Ihr mir nichts weiter zu sagen?«
»Verzeihung, General, ich habe noch eine Bitte an Sie zu richten.«
»Welche?«
»Ich wünsche Sie bei Ihrer Expedition zu begleiten, General.«
»Habt Dank, mein Freund, ich nehme es mit Freuden an.«
»Ich werde die Ehre haben, im Augenblick des Abmarsches der Armee zu Ihnen zu stoßen.«
»Ich füge Euch meinem Generalstabe bei.«
»Das ist offenbar eine große Gunst,« antwortete er lächelnd, »leider aber ist es mir unmöglich, dieselbe anzunehmen.«
»Weshalb nicht?«
»Weil ich nicht allein sein werde, General, die dreihundert Reiter, welche mir schon bei Toluca gefolgt sind, begleiten mich, aber während der Schlacht werde ich und meine Cuadrilla an Ihrer Seite sein.«
»Ich verzichte darauf, Euch zu begreifen, mein Freund, Ihr habt das Privilegium, Wunder auszuführen.«
»Sie werden bald den Beweis davon haben. Jetzt, General, erlauben Sie mir, Ihnen Lebewohl zu sagen.«
»Geht denn, mein Freund, ich halte Euch nicht mehr zurück.«
Nachdem er herzlich die Hand des Generals gedrückt hatte, entfernte sich Don Jaime.
Lopez erwartete ihn an der Pforte des Palastes, er bestieg sein Pferd und kehrte nach Hause zurück.
Nachdem er einige Briefe geschrieben, die er seinen Peonen sogleich fortzutragen beauftragte, wechselte Don Jaime die Kleidung, nahm einige Papiere aus einem verschlossenen Bronzekästchen, dann verließ er, nachdem er einen Blick auf die Uhr geworfen, ob die Zeit nicht unpassend sei, (es war kaum zehn Uhr Abends) seine Wohnung und lenkte seine Schritte nach dem englischen Gesandtschaftshôtel, von dem er nicht sehr entfernt war.
Die Thür des Hôtel's war noch offen; Diener in großer Livrée eilten über den Hof und durch den Säulengang; ein Schweizer, mit einer Hellebarde in der Hand, stand am Eingang der Hausflur.
Don Jaime wandte sich an ihn.
Der Schweizer rief einen Lakai und winkte dem Abenteurer, diesem Manne zu folgen.
In einem Vorzimmer angekommen, näherte sich ihm ein Huissier, der eine goldene Kette um den Hals trug.
Don Jaime übergab seine Karte, welche in einem Couvert unter fliegendem Siegel eingeschlossen war. »Ueberreichen Sie diese Karte Seiner Excellenz,« sagte er.
Nach Verlauf einiger Minuten kam der Huissier wieder zurück, und die Portière aufhebend, sagte er:
»Seine Excellenz erwarten Ew. Herrlichkeit.«
Don Jaime folgte ihm durch mehre Salons, und erreichte endlich das Gemach, in welchem sich der Gesandte befand.
Don Franzisko Pacheco ging ihm einige Schritte entgegen und begrüßte ihn höflich.
»Welchem glücklichen Zufall verdanke ich Ihren Besuch, Caballero?« sagte er zu ihm.
»Ich bitte Ew. Excellenz, mich zu entschuldigen,« antwortete Don Jaime sich verneigend, »aber es hing nicht von mir ab, eine schicklichere Stunde zu wählen.«
»Zu welcher Stunde es Ihnen beliebt, mich zu besuchen, es wird mir stets angenehm sein, Sie zu empfangen, mein Herr,« erwiderte der Gesandte.
Auf seinen Wink rollte der Huissier einen Stuhl herbei und entfernte sich.
Beide nahmen einander gegenüber Platz.
»Jetzt bin ich bereit, Sie zu hören,« sagte der Gesandte, »ich bitte, wollen Sie die Güte haben, zu beginnen, Herr ...«
»Ich ersuche Ew. Excellenz,« unterbrach ihn Don Jaime rasch, »mir zu gestatten, das Incognito selbst Ihnen gegenüber bewahren zu dürfen.«
»Es sei, mein Herr, ich werde Ihren Wunsch respectiren,« erwiderte der Gesandte sich verneigend.
Don Jaime öffnete sein Portefeuille und nahm ein Papier aus demselben, welches er dem Gesandten offen überreichte.
»Wollen Ew. Excellenz die Güte haben, einen Blick auf diese königliche Ordre zu werfen,« sagte er.
Der Gesandte nahm das Papier und begann mit der ernstesten Aufmerksamkeit zu lesen; als er damit zu Ende war, stellte er es Don Jaime wieder zu, der es zusammenfaltete und wieder in sein Portefeuille legte.
»Sie wünschen die Vollziehung dieser königlichen Ordre, Caballero?« fragte der Gesandte.
Don Jaime verneigte sich zustimmend.
»Wohl, es sei,« erwiderte Don Franzisko Pacheco.
Er erhob sich, ging an seinen Schreibtisch, schrieb einige Worte auf ein Blatt Papier, welches das spanische Wappen und den Gesandtschaftsstempel trug, unterzeichnete dasselbe, drückte sein Siegel darunter und überreichte es offen Don Jaime.
»Hier ist ein Brief für Seine Excellenz, den General Miramon,« sagte er; »wünschen Sie die Ueberbringung zu übernehmen, oder ziehen Sie es vor, wenn derselbe durch die Gesandtschaft übersendet wird?«
»Ich werde es selbst übernehmen, wenn Ew. Excellenz es gestatten,« antwortete er.
Der Gesandte faltete den Brief zusammen, steckte ihn in ein Couvert und übergab denselben darauf Don Jaime. »Ich bedaure sehr, Caballero,« bemerkte er, »Ihnen keinen andern Beweis meines Wunsches, Ihnen gefällig zu sein, geben zu können.«
»Ich erlaube mir, Ew. Excellenz zu bitten, den Ausdruck meiner lebhaftesten Dankbarkeit zu genehmigen,« erwiderte Don Jaime sich ehrfurchtsvoll verneigend.
»Werde ich nicht das Vergnügen haben, Sie wieder zu sehen, Caballero?«
»Ich werde die Ehre haben, dem Wunsche Ew. Excellenz nachzukommen.«
Der Gesandte zog eine Glocke, worauf der Huissier erschien.
Die beiden Personen verneigten sich höflich vor einander und Don Jaime entfernte sich.