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Meine Mutter wandte ihren Kopf immer noch gegen das Fenster und rief: »Zu Hilfe, zu Hilfe meinem armen Sohn!« Brr, wie sie mich da überwältigten. Ich glaube, sie schlugen mich nieder mit Regengüssen. Dem einen Belialsknecht habe ich einen nicht schlechten Streich versetzt. Ich bin sanft gegen die Sanften. Den Bösen bin ich schrecklich. Ein Samson kann gegen sie nicht stärker sein. Nun liege ich zu Bette nach dem Kampf. Kommt an, kommt an gegen mich wie die Drohnen. Ich zerschmettere euch.
Zehntausend zur Rechten, zehntausend zur Linken. Hunderttausend mit leuchtenden Birnen in ihren ehernen Stirnen. Zu Hilfe, zu Hilfe dem Herrn Jesus! Mein Herr und Freund sitzt an meinem Bette. Flüchtest du, Urian? Rufst nicht mehr Urrah, Urraan? Auerhahn, wo kreischest du? Ich erlege dich, Auerhahn! Erfinder von Jagdgeschichten, Fliegenherr, Fliegendespot! Du kriegst mich nicht. Ich liege im Bette. Ich bin kräftiger als du.
Ich war ein Klotz. Hände und Füße waren mir abgefault. Hände und Füße waren mir abgefroren. Ich war in dem Keller und in den kalten Röhren unter den vier Wänden. Ich ging spazieren unter der Abortschüssel, wo die 66 ermordeten Foetusse umgehn. Ich zog sie zuerst ans Licht. Ich ging unvorbereitet unter allen meinen Nachbarn und Mitbürgern. Ich war in der Satansklamm, als das Wetter losbrach. Ich war bei dem Tyrannen von Portugal. Er machte , vor meinen Augen mit seiner Dame einen kleinen Krieg, der Teufel! Valentin, Valentinian. Ave Avalun, Avorun. Verschwunden bist du, Avorun.
Ich stand noch gestern, ihr Mitgeketteten meiner Niederlage, für den Fidelio. Die Treppenstufen türmten sich gegen das Unrecht. Die Nadel zitterte und wies uns nach unten. Ihr sollt mir nichts verbergen, versteht ihr. Wie qualvoll! Lauter Gänge ohne Ausgänge, wie finstre Säcke.
Jetzt aber fand ich Eins. Es steht ganz klar vor mir. Das Dunkel machte es klar. Ich habe sie gewürgt, ich stürzte mich auf sie. Habe ich ihr nicht die Luft abgeschnürt? Da tauchte meine Mutter kläglich vor mir auf. Warum schrie sie so früh um Hilfe? Nicht ich, nein du, Avorun! Ich wasche meine Hände.
Friede! Ich brauche Ruhe. Ich brauche Mitgefühl und eine Zuflucht für meine Unschuld. 67
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Hihi, das habe ich trefflich geantwortet. Das nenn ich ganz großartig geantwortet. Selig sollt ihr mich preisen. So ein Kopf! Den steckt man nicht unter den Flügel. Ich weiß, sie beabsichtigten irgend etwas mit mir, irgend etwas von Hinterlist. Hätten sie mich nur gekriegt! Nein, Vater und Mutter, da habt ihr nicht mit meinem Kopf gerechnet. Ich bin so, so . . . allzu schlau. »Da steht ihr«, sagte ich, »meine werten Herrn. Das da ist mein Buckel. Das ist meine Frau Mutter. Ihr könnt mir da alle darauf reiten wie auf einem Kamel.« Wegen des Kamels wollten sie mich haschen. Da kam mein Fremder, der Wüstenreiter.
Wir gingen durch die Wüste. Ich und das belastete Wesen. Wir nahmen uns an der Hand, und es nahm mich bei meinen haarlosen Schwielen. Kam da nicht mein Herr Jesus und tippte gegen meinen Kopf. Da drin, sagte er, so ein Konto. Das geht durch kein Nadelöhr. Er lobte mich, als die Sonne sank, er nannte mich liebkosend sein bewuchertes Pfund, sein befrachtetes Schiff der Wüste. Ich war stolz unter meinem Höcker. Seine Mutter reiste nämlich damals wegen des argen Herodes durch die Wüste.
Da kamen drei Männer, alle da nicht ganz richtig, von Ägypten, und sagten. Sie sagten von einem Sproß auf dem 68 Frühbeet. Der eine weissagte: Ich heiße Herr König von Portugal, und ich habe alles Meinige vergessen.
Der andere weissagte: Ich heiße König von Weihnacht und ich bringe Wohlgerüche. Der dritte sprach: Mein Name ist Nämlich. Ich bringe nichts. Man sagt, ich habe mein Land, meinen schwertscharfen Verstand verloren. Wollen Sie mir nicht ein buckliges Tier für den jungen Herrn abnehmen? So fragt er. Da wollte in großer Freude das Kind sogleich auf dem Turm reiten und fuhr uns in die Zotten. Ein Kamel ist schnell wie ein Segel. Teilt der Herr aber die Fluren, so kann er es auch als Schiffskiel benutzen. Darum schauert das untüchtige Roß vor dem zwiespältigen Kamel und kann seine Gestalt nicht erfassen. Die Last aber, die dieser Christoph trägt, wird mit jedem Ritt schwerer. 69
Mein Brief. Jedermann kann ihn einsehn. Mit einer Königsmarke. An mich, Herrn Paul Sauler, Beurlaubten.
Gegeben im Flügel des Dominikanerhauses.
Kommen Sie doch heut einmal zu mir, weil es so fürchterlich regnet. Mein Wagen wird Sie nachmittags abholen. Ich erwarte Sie ganz bestimmt.
Unterschrift. Eigenhändig: INRI.
Natürlich bin ich da gekommen. Mit tausend Freuden. Natürlich. Natürlich. Hätte man mir das doch gleich gesagt. Die Menge ist da zusammengelaufen. Viele Frauen. Kaum durchzukommen. Man mußte mir einen Schutzmann auf den Bock setzen . . . Ein schönes Haus. Angenehme Leute. 70
»Ich gebe Ihnen mein Wort, ich bin ein Papagei. Ein Papagei ist ein graues Tier mit einer schönen Singstimme. Kra kra. Manche sprechen auch, das sind nicht die wahren. Zu Hause springen sie. Ein Höllenlärm. Neben mir ist ein Nashorn aus dem Glashaus. Das schnaubt des Nachts fürchterlich. Aber ich bin nur ein trauriger Papagei. Ich werd es nicht mehr lang machen. In meinem Kopf hat sichs nämlich ausgemausert.«
»Glauben Sie ihm keine Silbe. Wir sind alle aus Porzellan. Eine schreckliche Furcht ist in der Welt, daß einer kommt und einen an die Lippen setzt, und daß man dabei zerbricht. Glauben Sie mir, es ist kein Vergnügen, aus edelm Meißner Porzellan zu sein, so wie wir es sind. Meine Vaterstadt ist nämlich Meißen.«
»Ich bin ein Lachs aus der Mosel. Meine Harmonie ist, daß ich köstlich zum Wein munde. Meine Brüder, die nahrhaftern Fische, haben lange kein so glänzendes Schicksal. Sie werden nebeneinander verpackt, weniger ihren Kopf, der bei ihnen das geringste ist. Kein Mensch hat zu ihnen jemals Mosel getrunken. Ich aber bin hier in meinem Elemente. Sobald ich auf dem Rücken schwimme, kommt eine Tafel an das Aquarium, worin ich gelaicht wurde.«
»Ich bin schließlich, merken Sie sich das, auch nicht aus Stahl, Herr! Meine Nerven sind am End auch nicht aus Stahl. Wenn Sie auf ihnen herumtrampeln wie der Ochs auf der Violin, reiß ich. Ich werde Ihnen eine Ohrfeige geben, Herr, verstehn Sie? Glauben Sie, weil ich in einer Anstalt bin, können Sie mich nach Belieben schlecht behandeln? Glauben Sie, daß ich mich nicht bei dem Arzt darüber beschweren werde, wie Sie mit mir umspringen? Glauben Sie, ich weiß nicht, daß Ihnen mein Bruder jedesmal fünf Mark gibt? Ich spuck auf Sie! Roh sind sie alle miteinander. Wir sind doch aus besserm Stoff.«
Das ist ein Soldat, wie ich mir ihn lobe. Mit einem großen Stern und einem geschwungenen Papierhelm auf dem Kopf. Und ein hölzernes Schwert, was braucht er noch mehr? Wie viele Feinde haben Sie heute umgebracht, Sie fürchterlicher Held? – »Zahllose«. – Er hat sie nicht gezählt.
Und mitten unter ihnen das Jesuskind in dem großen Eßsaal seines Vaters. Es sorgt, daß jeder genug erhält, daß keinen der Wärter anstößt. Es ist freundlich mit den Ärzten in den blütenweißen Schürzen. Da steht eines von den Kindern auf und betet: Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du beschert uns hast. Danach gehn wir in den Hof, in den schönen Hof mit den Bäumen dahinter. 72 Dort zeigt das Jesuskind auf einen dicken Turm, auf eine verschlossene Pforte. Da drin ist meine Mutter Veronika mit der Kaiserin Maria Therese. 73